Kernfusion als Energieform der Zukunft neu überdenken?

vom 14.03.2011, 10:32 Uhr

Über zwei Jahrzehnte hat man uns nun gepredigt, dass Atomkraft trotz Tchernobyl und anderer Zwischenfälle sicher sei. Immer wieder wurde dabei gebetsmühlenartig wiederholt, dass Atomkraft alternativlos sei. Entweder wird als ungute Alternative die Stromgewinnung aus fossilen Energien genannt. Die Nachteile durch den CO2 Ausstoß sind ja bekannt. Ferner wird gesagt, dass alternative Energien nicht schnell genug etabliert werden könnten um die Atommeiler zu ersetzen.

Fernab der Medienöffentlichkeit wird auch schon seit Jahrzehnten an der so genannten Kernfusion geforscht. Völlig vereinfacht gesagt läuft hier der Prozess ab, der schon seit Jahrmillionen auf der Sonne störungsfrei abläuft. Natürlich ist es nicht ganz einfach, diese Reaktion kontrolliert ablaufen zu lassen. Aber der Beweis, dass die Methode funktioniert ist erbracht.

Leider dümpeln die Forschungsarbeiten dazu schon viel zu lange herum, ohne richtig den Durchbruch zu bringen. In Südfrankreich ist derzeit der Versuchsreaktor ITER in Bau, an dem sieben Parteien und Nationen forschen. Seit 2005 wird in Greifswald der Versuchsreaktor 7 - X aufgebaut, der von der Max-Planck-Gesellschaft beforscht wird. Seit 1968 wird auf dem Standort in Garching bei München an verschiedenen aufeinander folgenden Modellen von Kernfusionsreaktoren die Technologie verfeinert und immer weiter erforscht.

Manchmal frage ich mich schon, woran das liegt, dass so eine Erfolg versprechende Technologie bislang noch nicht den Durchbruch geschafft hat? Liegt das an den nicht ausreichenden Forschungsgeldern und den nicht ausreichenden Versuchsreaktoren für die Wissenschaftler? Ist Kernfusion einfach nur zu unbekannt und die Lobby nicht groß genug? Dabei hätte es die Kernfusion meiner Meinung nach durchaus verdient mehr beachtet zu werden, da sie bei weitem sichere ist, als die bekannte Kernspaltung. Ebenso kann man damit enorme Strommengen bereit stellen und hat nicht so viele Probleme mit Abfällen. Kennt ihr schon die Kernfusion? Was denkt ihr über dieses Thema und warum?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Die Frage ist doch erst mal, wie hoch der Anreiz für einen Energiekonzern überhaupt ist einen Fusionsreaktor zu bauen und Ich wage mal zu behaupten, dass dieser im Moment nicht besonders groß ist.

Die Technik ist definitiv noch nicht ausgereift und selbst wenn sie ausgereift sein wird, geht man davon aus, dass so ein Kraftwerk ziemlich teuer sein wird. Warum sollte aber ein Konzern Gelder in die Forschung oder gar den Bau eines Fusionsreaktors stecken, wenn er mit ein bisschen Lobbyarbeit erreichen kann, dass die Laufzeiten der alten Kraftwerke verlängert werden?

Die Kernfusion ist zur Zeit ein Thema, das hauptsächlich für die Wissenschaft interessant ist und entsprechend beschränkt sind auch die Gelder, die zur Verfügung stehen. Für die finanzkräftigere Industrie wird das Thema erst richtig interessant, wenn national und international ein Umdenken in der Energiepolitik statt gefunden hat. Also, wenn es keine wesentlich günstigeren Alternativen mehr gibt.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich hatte das Ding eigentlich unter "das kleinere Übel" intern - also im Kopf - abgeheftet. Ich meine mich erinnern zu können, dass letztlich die strahlenden Abfallmengen nicht gerade unerheblich sind, dafür aber das Risiko wesentlich beherrschbarer. Aber ich gebe zu, genauer weiß ich da auch nicht Bescheid.

Jedenfalls ist der Weg über die Kernkraft kaum zielführend und man kann nur zusehen, dass man dort so schnell wie möglich rauskommt. Aber was hilft das, wenn das z. B. die Franzosen anders sehen. Letztlich kann das nur eine politische Entscheidung sein. Wenn die Politik die Grenzen setzt, muss die Wirtschaft und damit auch die Wissenschaft folgen. Aber wir man sieht, hatten die Lobbyisten ja hier in Deutschland mit der Politik mal wieder leichtes Spiel.

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» Richtlinie2 » Beiträge: 1872 » Talkpoints: -0,63 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Die politischen Rahmenbedingungen könnte man schon schaffen, was aber bislang offensichtlich versäumt wurde. Wenn man sich aber permanent herausredet, dass das alles nichts brächte, wenn die Nachbarstaaten oder die gesamte EU da nicht mitzieht, dann kann sich ja jeder da ganz leicht heraus reden. Irgendeiner muss ja mal den ersten Schritt wagen, Alternativen ernsthaft zu befördern. Hätte man seit den 70ern die Kernfusionsforschung genauso gefördert wie die Kernspaltungsforschung, dann behaupte ich einfach mal, hätte man schon längst serienreife Modelle.

Eine Technologie zur Strombereitstellung, die keine bedeutenden Nachteile hat, gibt es meines Wissens noch nicht. Selbst bei der Ökostrom wird noch mehr oder weniger Schaden an der Natur angerichtet. Das jetzt hier näher auszuführen, würde zu weit gehen. Auch die Kernfusion hat Nachteile. Es bleibt wohl auch leicht radioaktiver Müll zurück, der sich aber weit schneller wohl ausstrahlt und nicht so langfristige Endlagerungsprobleme verursacht, da Tritium weit schneller zerfällt als Uranbrennstäbe und nur sehr wenig davon gebraucht wird. Laut Wikipedia ist der so erzeugte Strom vom Preis in etwa mit Atomstrom vergleichtbar, da einer der Rohstoffe für die Kernfusion aus Wasser gewonnen werden kann, das auf der Erde ja nahezu unbegrenzt zur Verfügung steht. Laut dem, was ich mal bei einer Besichtigung des Garchinger Forschungsreaktors erfahren habe, ist der Reaktor im Betrieb ziemlich sicher. Sollte doch mal ein Kernfusionsreaktor in die Luft fliegen, dann unterbricht die Fusionsreaktion ziemlich schnell, da für diese Reaktion bestimmte Bedingungen vorhanden sein müssen, die es nicht einfach nur so an der frischen Luft gibt. Radioaktive Strahlung wird dadurch wohl kaum frei, so dass man keine Katastrophen zu befürchten hat.

Das Problem sehe ich eher darin, dass die Forschung sich einfach ewig hinzieht. Inzwischen geht man wohl davon aus, dass erst in rund 40 Jahren erste Modelle gebaut werden, die überprüfen sollen, ob so ein Reaktor auch im kommerziell nutzbaren Maßstab gebaut werden kann. Sollte es aber funktionieren, dann könne man wohl die AKW durch Kernfusionsreaktoren ersetzen und ebenso ohne Kohlendioxidausstoß ebensoviel oder noch mehr Energie gewinnen, wie bisher mit der Kernspaltung. In der Zeit von 40 Jahren kann eine Menge passieren. Ich würde es schon begrüßen, wenn man hier die Forschungsanstrengungen verstärken würde. Wie bei jeder Forschung besteht natürlich das Risiko, dass man hier viel Geld investiert und am Ende möglicherweise recht wenig Erfolge heraus kommen. Trotzdem finde ich die Chance, dass man da mit großer Wahrscheinlichkeit etwas findet schon sehr ermunternd, es doch intensiver zu versuchen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Das Hauptproblem, dass bei der Kernfusion vorherrscht, ist doch, dass es an der Technologie fehlt, den Magnetschirm, der die Kernfusion "begrenzen" soll, energieeffizient aufzubauen und zu erhalten. Was ich so aus dem Forschungsreaktor ITER in Frankreich gehört habe, verbraucht die Fusion derzeit viel mehr Energie als sie "rauswirft". Natürlich weiß ich nicht, wo nun genau der Harken bei der Sache ist - ich bin kein Wissenschaftler.

Jedoch sollte man sich vielleicht überlegen, dass es durchaus Probleme auf der Welt geben könnte, die der Mensch einfach nicht beherrschen kann. Also würden selbst mehr Forschungsgelder oder mehr Einsatz nicht helfen, die Fusionstechnologie schneller zu ermöglichen.

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» Malcolm » Beiträge: 3256 » Talkpoints: -1,99 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich als Hobbywissenschaftler kann dir dazu noch ein bisschen was erzählen Malcolm :-). Das Problem ist allerdings sehr enorm weswegen es nicht so einfach behoben werden kann. Pauschal kann man durchaus behaupten, dass diese erst gegen 2050 aus der Welt geschafft sein könnten.

Um dies zu erläutern, möchte ich zuerst fragen, wann denn normalerweise eine Kernfusion stattfindet. Genau - in der Sonne. Nun ist die Sonne bekanntermaßen ziemlich ziemlich groß und sehr viel kleinere Sonnen gibt es auch nicht (Na gut schon allerdings sind diese immer noch enorm groß). Aus der schieren Größe der Sonne lässt sich ableiten, dass ein enormes Gravitationsfeld vorhanden sein muss, welcher diese geballte Masse zusammenhalten kann, was sie auch tut. Nun werden in der Natur Elemente bis hin zum Eisen verschmolzen, wobei die daraus resultierende Energie immer stärker abnimmt. In der Technik werden also nur die ersten Fusionen von Bedeutung sein.

Hier fängt das Problem an. Zum einen haben wir nicht die Masse und auch nicht den Platz, eine solche Sonne zu produzieren (Sie hätte im übrigen auch nicht den von uns angestrebten Effizienzgrad). Demnach muss das bei uns im sehr viel kleineren Maßstab als in der Natur vollbracht werden. Das ist nicht einfach, zumal ein ganz enormes Feld nachgeahmt werden muss und wir dabei nicht von der Gravitation der verwendeten Masse profitieren, da diese Masse in der Regel enorm klein ist (0,5g Tritium sind ein guter Anfang es werden noch andere Elemente verwendet, jedoch ist die Masse immer noch vergleichsweise winzig).

Damit sollte das Problem der fehlenden Größe klar geworden sein, diese ist auch der Grund für mangelnde Energieproduktion. Dann stellt sich die Frage, wie regeln wir das ? Ganz einfach wir forschen so lange an der Technologie, bis wir eine stabile Kernfusion aufrecht erhalten können, die in der Dimensionierung annähernd an die eines Kernreaktors heran reicht.

Dann und nur dann hat die Kernfusionsenergie den Sprung in die kommerzielle Wirklichkeit geschafft. Das wäre sehr wünschenswert, denn die Endprodukte haben keine Zerfallszeit (Halbwertszeit) von einigen tausend Jahren sondern lediglich noch von wenigen Jahrzehnten. Das klingt zwar immer noch nicht gut, ist allerdings eine enorme Verbesserung.

Mehr Geld hilft in jedem Fall ! In der Teilchenphysik regelt es mittlerweile auch der Geldbeutel :D.

» Fenni » Beiträge: 175 » Talkpoints: 1,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Als ich in den Neunzigern in dem Versuchsreaktor in Garching eine Führung bekam, wurde von den Mitarbeitern da auch gesagt, dass es wohl hauptsächlich ein Problem der Reaktorgröße und der Präzision der Abläufe sei. Man hätte laut dem, der uns das erklärt hat schon längst gerne einen Forschungsreaktor in ausreichender Größe gebaut, lediglich mit dem Geld war es ziemlich problematisch. Die Kernfusion ist bis heute so unbekannt dass sich schwierig Mäzene finden und die Lobby ist wohl nicht so stark. Woran es genau noch hapert kann ich als Nichtphysiker nicht so recht einschätzen. Auf jeden Fall halte ich es für machbar, so lange nicht das Gegenteil bewiesen wurde. Die Kernfusion ist ja nicht die erste Technologie, bei der Zeitgenossen erst mal sehr skeptisch waren, ob das denn überhaupt machbar sei.

Wer Informationen zum Stand der Wissenschaft sucht, ist mit dieser Website erst mal gut bedient. Dort finden sich auch spezielle Informationen für Kinder Klick die für den Einstieg recht einfach zu verstehen sind, wenn man sich noch gar nicht mit diesem Thema beschäftigt hat, oder wenn man das für den Unterrichtseinsatz benötigt. Außerdem hatte das IPP früher auch mal so bunte Bilderhefte im Angebot, die sicher auch irgendwo zum Download stehen. Wem das alles zu trocken ist, der kann sich ja das angebotene Filmmaterial auf dieser Seite ansehen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Soweit ich weiß, ist es einerseits, wie schon angesprochen, schwierig, die Umgebung zu schaffen, damit eine Fusion stattfinden kann (also das Gravitationsfeld). Andererseits ist es aber auch schierig, die freigesetzte Energie abzuführen.

Man muss sich vorstellen, daß innerhalb eines Sekundenbruchteils riesige Mengen an Energie frei werden, diese muss irgendwie abgeführt und nutzbar gemacht werden. Und das ist nicht so "einfach" wie bei AKW, da dort die Energiefreisetzung ja relativ langsam vonstatten geht.

» Algarve95 » Beiträge: 12 » Talkpoints: 4,44 »


Dazu muss ich dann doch etwas sagen.

Zuerst ist es so, dass gar kein Gravitationsfeld geschaffen werden kann, wie mein Vorredner hier behauptet. Die Überlegung bezüglich der schieren Existenz von Gravitationswellen ist nicht einmal hinlänglich nachgewiesen und das Graviton, auf welches diese Eigenschaft postuliert wird, im übrigen auch nicht. Wie also soll dann für uns ein Gravitationsfeld erstellbar sein ? Ganz genau - gar nicht.

Außerdem ist die zweite Aussage nicht ganz richtig. Im Prinzip entstehen durchaus vergleichbare Energiemengen in durchaus vergleichbarer Zeit, das Problem an der Sache sind die Rahmenbedingungen. Bei einer Kernspaltungsreaktion sind die Rahmenbedingungen egal, zum Beispiel würde die Kernspaltung auch an der frischen Luft ablaufen. Dem ist bei der Kernfusionsreaktion nicht so.

Demnach besteht das Problem in der Energiegewinnung im wesentlichen darin, dass jenes System, welches die Reaktion benötigt, nicht gestört werden darf. Eine solche Störung ist im Falle des AKWs unwahrscheinlich beziehungsweise selbst gewollt sehr schwierig durchzuführen.

» Fenni » Beiträge: 175 » Talkpoints: 1,00 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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