Das eigene Land bei einer Katastrophe verlassen wollen?

vom 13.03.2011, 21:53 Uhr

Wenn man sich die derzeitige Situation in Japan ansieht, kann man sich das glaube ich kaum vorstellen, wie es den Leuten dort wirklich geht. Es wird zwar immer wieder gesagt, dass sie sehr ruhig und diszipliniert sind, aber das finde ich wirklich bewundernswert, auch wenn es die vernünftigste Reaktion ist.

Wenn ich so an diese Situation dort denke, würde ich mir als erstes vorstellen, dass ich nur noch den Wunsch hätte dort so schnell wie möglich weg zu kommen. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass man dort freiwillig bleiben möchte. Zumindest stelle ich mir vor, dass ich solche Gedanken für eine vorübergehende Zeit hätte, bis sich eben die Situation dort wieder beruhigt hat. Ich hätte einfach zuviel Angst.

Allerdings ist mir natürlich auch klar, dass das nicht so leicht gehen würde. Zum einen fragt sich, wohin man hin soll und immerhin geht es ja um sein eigenes Heimatland. Da verlässt man auch nicht so einfach von heute auf morgen. Dann ist ja in der Regel auch die ganze Familie dort, die man natürlich auch nicht verlassen möchte.

Irgendwie kann man sich so eine Situation glaube ich eben einfach nicht realistisch vorstellen. Wie würde es euch in so einer Situation gehen? Würdet ihr das Land verlassen wollen, zumindest wenn man davon ausgeht, dass man prinzipiell die Möglichkeit dazu hätte? Wie würde es für euch aussehen, wenn ihr Freunde oder Bekannte in einem anderen Land habt, die euch anbieten für einen bestimmten Zeitraum zumindest vorübergehend bei ihnen bleiben zu können?

In einem anderen Beitrag hier hat eine Userin geschildert, dass sie Leute in Japan kennt und die haben zum Teil nicht so das Bedürfnis aus Japan raus zu kommen, weil man das eben nicht macht. Wäre bei euch die Moral auch so groß? Ich selber habe überhaupt kein Interesse oder Vorstellungen, dass ich jemals auswandern möchte, aber wenn es zu bestimmten Krisensituationen kommen würde, wo es auch lebensbedrohlich werden kann, weiß ich nicht, wie ich reagieren würde. Ich wüsste allerdings auch nicht, wohin ich in dem Fall hin sollte. Und Familie und Freunde kann man ja auch nicht so einfach im Stich lassen.

Mich würde interessieren, wie ihr darüber denkt. Aber nehmt euch ein wenig Zeit um es etwas konkreter zu überdenken. Also natürlich ist es leicht zu sagen, man bleibt im Land und würde seine Familie nie verlassen, aber wäre das auch so, wenn ihr in einer lebensbedrohlichen Situation wärt? Die engste Familie wird das voraussichtlich gemeinsam entscheiden, aber man würde eben auch viele Freunde und Bekannte verlassen, wenn man sich für ein Auswandern oder eben eine Flucht entscheiden sollte.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Vor 20 Jahren hätte ich vielleicht noch gesagt "alle möglichen Sachen packen und abhauen" . Heute allerdings würde ich wahrscheinlich eher bleiben, weil ich hier alles das habe, was ich mir mit meinem Mann aufgebaut habe und davon könnte ich ja nichts mitnehmen. Ich würde nicht schon wieder einen Neuanfang machen wollen. Im Grunde wüsste ich aber nicht, was ich wirklich im Ernstfall machen würde. Denn wenn man nicht in der Situation ist, dann ist es wirklich schwer.

Ich kenne Menschen, die in einem Hochwassergebiet hier in Deutschland wohnen. Sie machen jedes Jahr Hochwasser mit und sie haben schon x mal ihr Haus renoviert und von der Versicherung bekommen sie nichts mehr, weil kaum noch Versicherungen gegen Hochwasser in dem Gebiet versichern. Sie wollen aber da einfach nicht weg. Sicher ist ihr Leben dort nicht in Gefahr. Aber immer wieder von Vorne anfangen ist auch ein fürchterlicher Gedanke.

So ein Hochwasser ist natürlich auch nicht mit einem starken Erdbeben mit mehreren Toten zu vergleichen. Aber ich denke, dass viele Menschen sich auch weigern evakuiert zu werden, weil sie einfach an ihrem Hab und Gut hängen. Sie haben mehr Angst, dass sie noch einmal von Vorne beginnen müssen, als ihr Leben zu lassen. Irgendwie kann ich das verstehen.

Ich denke, dass ich erst gar nicht in ein Gebiet ziehen würde, wo man weiß, dass es zu Naturkatastrophen kommt. Das würde ich so weit es geht einfach vermeiden. Sicher kann man natürlich auch nicht sein, dass man in einem sicheren Gebiet wohnt. Aber ich wohne nicht in einem Gebiet, was gefährdet ist.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich hätte da keine moralischen Bedenken, da ich in erster Linie für meine Kinder und deren Schutz verantwortlich bin. Und da hat es für mich oberste Priorität, das ich sie aus der Gefahrenzone bringe. Ich selbst wohne ja in einem Erdbebengebiet und wenn das hier wirklich mal akut werden würde, dann täte ich meine Töchter zu meiner Mutter bringen.

Allerdings würde ich auch so schnell wie möglich zurück kommen, um dann eben zu helfen. Immerhin habe ich aus beruflichen Gründen genug Kontakte zum THW und auch zu Feuerwehren, wo ich meine Ankunft anmelden kann, damit diese mich dann eben gleich einsetzen können.

Aber das Leben meiner Kinder geht vor allen ersetzbaren Werten vor und da muss auch die Moral hinten anstehen. Sicherlich würde ich keinen meiner direkten Nachbarn verletzten liegen lassen und mich auch bei den wichtigsten Personen hier telefonisch melden, um Bescheid zu geben, das es uns gut geht, das ich die Kinder wegbringe. Und selbst den Sohn meiner Freundin würde ich da mitnehmen, damit dem Zwerg nichts passieren kann.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Es ist wirklich eine sehr schwierige Frage und ich denke nicht, dass man sich da irgendwie darauf vorbereiten kann und sich dieser Sache wirklich sicher sein kann. In erster Linie kann ich aber schon einmal sagen, dass ich bei akuter Lebensgefahr dazu tendieren würde, dass ich erst einmal schaue, wie ich von diesem Ort wegkomme. Das gilt aber eigentlich nur für die Zeit, wenn es wirklich akut ist, denn passieren kann meiner Meinung nach immer und überall etwas und wenn die Chance gering ist, dann würde ich mich davon nicht beeinflussen lassen.

Für mich stellt sich da eigentlich keine moralische Frage. Natürlich würde ich meine Freunde und andere nicht so einfach verlassen können, aber ich denke einfach, dass in einer wirklich gefährlichen Situation das eigene Überleben und das der Menschen die einem wirklich wichtig sind, einfach die höchste Priorität hat und ich würde schauen, dass ich meine Sachen packe und von dort mit meinen liebsten Menschen verschwinde.

Wenn die Gefahr einigermaßen gebannt wäre, würde ich auch versuchen wieder zurück zu kommen. Sollte das nie der Fall sein, würde ich mir woanders etwas neues aufbauen. Natürlich fällt das sehr schwer, aber was hat man von den ganzen materiellen Dingen und von allem was man sich dort aufgebaut hat, wenn man am Ende immer Angst um sein Leben haben muss und es vielleicht sogar dort verliert? Da würde ich lieber neu anfangen, denn eigentlich sind all solche Dinge ersetzbar, solange man eben seine liebsten bei sich hat.

» Wunschkonzert » Beiträge: 7184 » Talkpoints: 42,56 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich denke, dass man diese Frage wirklich erst beantworten kann, wenn so eine Katastrophe über Deutschland herein brechen würde. Ich wüsste nicht, ob ich das Land wirklich verlassen und alles aufgeben könnte. Mein Partner und ich sind hier eigentlich sehr glücklich und wir haben uns vor ein paar Monaten erst den Traum von einem eigenen Haus erfüllt.

Unsere Freunde und Verwandten leben in Deutschland und die könnten wir bei einer Flucht ja auch gar nicht alle mitnehmen. Teils würden sie vielleicht auch nicht flüchten wollen. Das klingt vielleicht nun blöd, aber ich habe ja auch noch meine Haustiere an denen ich sehr hänge. Es würde mir das Herz brechen, wenn ich sie alleine zurücklassen müsste.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Zum Teil kamen hier als Argumente, dass sie nicht gehen würden, weil sie ihr Hab und Gut nicht aufgeben wollen oder können. Das ist ja auch nur mehr als nur verständlich. Aber gerade in solchen Katastrophen ist es ja so, dass man sein Haus, sein Hab und Gut und alles was man besitzt eben schon verloren hat. Nun ist es so, dass wir zum Glück wirklich nicht in einem Erdbebengebiet wohnen und auch die Wahrscheinlichkeit eines Tsunamis ist zumindest in Österreich wohl gar nicht gegeben.

Aber es gibt ja auch noch zahlreiche andere katastrophale Zustände. Ein Vulkan wird bei uns zwar auch nicht ausbrechen, aber es gibt ja auch massive Überschwemmungen, Kriege oder auch bei uns kann es zu einem Atomkraftwerksunfall kommen, auch wenn die Chancen dafür natürlich zum Glück sehr gering sind.

Angenommen es kommt zum Horrorszenario, dass es durch welche Gründe auch immer wieder zu einem größeren Krieg kommt, zusätzlich schafft man es in dieser Zeit eben so ein Atomkraftwerk zu zerstören und wir hätten dann ebenfalls das Problem mit der Radioaktivität. Das Haus, Hab und Gut sind durch den Krieg bereits komplett zerstört. Man kann natürlich in Notunterkünften untergebracht werden, aber der Gefahr der Strahlung ist man natürlich weiterhin ausgesetzt.

Man muss schon zugegeben, dass das schon sehr blühende Fantasien sind, aber in Japan geht es den Leuten dort gerade mehr oder weniger so. Es gibt zwar keinen Krieg, dafür hat aber eben der Tsunami ganze Dörfer regelrecht weggespült. Da wird man von seinen Sachen nicht mehr viel bis gar nichts finden. Alles ist zerstört, auch wenn man davor jahrelang ein neues Haus gebaut hat. Leute, die in der Nähe eines Atomkraftwerkes gewohnt haben, dürfen dort sowieso nicht mehr zurück, weil das Gebiet sicher abgesperrt werden wird. Das betrifft nicht Einzelfälle.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Bei mir käme es wohl darauf an, um welche Form von Katastrophe es sich handelt. Bei einem solchen Ausmaß, wie momentan in Japan, mit radioaktiver Strahlung, Überschwemmung und Verlust allen Hab und Gutes würde ich gehen. Ich würde mir einen Ort suchen, an dem ich sicherer bin, gerade auch vor der Strahlung. Was ich noch hätte, würde ich packen und es eben woanders neu versuchen. An so einem Ort wie momentan in Japan wäre es einfach zu gefährlich.

Dennoch kann ich nicht mit Sicherheit sagen, dass ich im Fall der Fälle nicht doch anders entscheiden würde. Aus der Distanz heraus ist es einfach zu sagen, dass man gehen würde und alles aufgeben würde. Wenn es tatsächlich so weit wäre, hätte ich vielleicht doch zu viel Angst oder wäre zu traumatisiert, um eine solche Entscheidung treffen zu können.

Ich weiß auch nicht, ob ich dann nicht lieber in meinem Land bleiben wollen würde, um dort zu helfen, wo ich eben kann. Wenn man all das Leid vor der Tür hat, dann ist es sicherlich nicht so leicht, dem allem den Rücken zu kehren. Mich zu retten und andere weiterhin leiden zu lassen, kommt mir doch sehr egoistisch vor. Aber ehrlich gesagt weiß ich es einfach nicht. Ich hoffe nicht, dass ich jemals in so eine Situation komme. Die Entscheidung, die ich dann treffen müsste, wäre sicherlich eine der schwersten meines Lebens.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



@tournesol: Ich denke, dass man wirklich erst sagen kann, was man machen würde, wenn es wirklich einmal so weit wäre. Meine Eltern sind beide nach dem 2.Weltkrieg aus dem jetzigen Polen geflüchtet. Meine Mutter aus Breslau und mein Vater aus Beuthen und beide haben es schon im Alter bereut. Sie hatten immer Heimweh nach ihrer Heimat. Beide haben ihre Heimat dann mal besucht und sie haben gemerkt, dass sie einfach nur Gast dort sind.

Ich denke, dass es sehr schwer ist sein Heimatland zu verlassen, wenn es wegen einer Katastrophe ist. Es ist ja schon schwer, seine Heimatstadt zu verlassen, wenn man es freiwillig und ohne irgendwelchen Druck macht. Ich hoffe, dass es nie so weit kommen wird, dass ich vor dieser Entscheidung stehen werde.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Mein Schwager arbeitet seit 9 Monaten in Japan. Er wollte nicht ausreisen. Er hat zwar Tokio verlassen wollte aber im Süden des Landes abwarten. Er war ganz ruhig und gelassen bei Telefonaten. Er meinte die deutschen Medien würden übertreiben. Erst auf Drängen seiner Mutter und seiner Verlobten ist er nun ausgereist.

Seine Reaktion zeigt mir wie schwer es ist diese Entscheidung zu fällen. Er tat sich sogar schwer sein dortiges Leben aufzugeben. Obwohl er erst 9 Monate dort ist. Wie schwer würde es mir fallen Deutschland zu verlassen. Ich lebe schon immer hier und wüsste auch nicht wo hin. Gerade die Vorstellung man könnte nichtmehr zurück. Wenn die Situation natürlich lebensbedrohlich wird wollte ich auf jeden Fall weg.

Schon alleine wegen meinen Kindern. Ihr Leben zu schützen ist das wichtigste. Wir würden das norwendigste packen und hoffen, dass man bald zurück kann. Materielle Dinge zu verlassen wäre für mich kein Problem. Ich hänge mehr an meinem Leben als an meinem Besitz.

» Isella » Beiträge: 190 » Talkpoints: 74,64 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Zum Teil kamen hier als Argumente, dass sie nicht gehen würden, weil sie ihr Hab und Gut nicht aufgeben wollen oder können. Das ist ja auch nur mehr als nur verständlich. Aber gerade in solchen Katastrophen ist es ja so, dass man sein Haus, sein Hab und Gut und alles was man besitzt eben schon verloren hat.


Wie du schon schreibst, sie haben teilweise alles verloren. Wo sollen sie denn dann hin? Mit was sollen sie einen Neuanfang machen? Dort können sie eventuell noch etwas von ihrem Eigentum retten und stehen eben nicht vor dem absolutem Nichts. Wenigstens ein paar Menschen sind ihnen außerdem geblieben, die sie kennen und mit denen sie etwas verbindet. wenn sie weggehen, dann haben sie nochnichtmal das.

Anders ist es eventuell im Falle Japans mit den Ausländern, die beruflich oder aus anderen Gründen dort hin gezogen sind. Die haben irgendwo auf der Welt noch Kontakte und Familie und die tun sich dann bestimmt leichter so ein Land nach so einer Katastrophe zu verlassen. Aber wer dort aufgewachsen ist und wessen Familie dort ist, der wird nicht so einfach gehen wollen.

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» akasakura » Beiträge: 2635 » Talkpoints: 1,50 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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