Wikileaks Gründer zu Unrecht in Haft?

vom 02.03.2011, 15:11 Uhr

Seitdem Julian Assange, der Gründer und Chef der Enthüllungsplattform "Wikileaks", in nun schwedischer Haft sitzt, aufgrund der Vergewaltigungsvorwürfe, sieht er sich selbst als Opfer einer Verschwörung. Draufgesetzt hat er noch einen, als er neuerdings behauptet, es sei eine "jüdische Verschwörung". Assange solle laut der New York Times ein Telefongespräch mit einem britischen Journalisten geführt haben, in dem er seine waghalsigen Vermutungen äußerte. Seine Antwort auf den in der berühmten Zeitung erschienenen Artikel kam via Twitter. Es sei alles frei erfunden, behauptet er.

Wie schätzt ihr Assange mittlerweile ein? Glaubt ihr diese ganzen Vorwürfe rund um die Vergewaltigungen sind erfunden und diverse Regierungen versuchen ihn nur schlecht beim Volk dastehen zu lassen? An welchen Ausgang des Prozesses glaubt ihr?

» aris18 » Beiträge: 431 » Talkpoints: 1,68 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Also es stimmt überhaupt nicht, dass Julien Assange in schwedischer Haft sitzt. Der britische Richter hat dem Auslieferungsantrag der schwedischen Staatsanwälte zwar zugesagt (was er ja mehr oder weniger musste, weil es einen gültigen internationalen Haftbefehl gibt), Julien Assange kann gegen diese Entscheidung aber Berufung einlegen und hat dies auch getan. Bis er einen Berufungtermin erhält, ist er wieder durch Kaution auf freiem Fuß in England. Erst wenn er nach Schweden ausgeliefert wird, muss er dort auch im Gefängnis sitzen. Dort wird er dann auch bleiben müssen, weil es in Schweden kein System der Kaution gibt soweit ich weiß.

Von Assange selbst halte ich nicht übermäßig viel oder besonders wenig, wenngleich ich Wikileaks aber als wichtiges Instrument einschätze. Die einzige Kritik die ich an Julien Assange richten kann, ist die Tatsache, dass er die Enthüllungsplattform in seine persönlichen Angelegenheiten zieht. Für ein solches Projekt ist diese Art und Weise der unehrenhaften Bewerbung meiner Meinung nach weder passend noch förderlich.

Davon aber ganz abgesehen, finde ich die ganze Farce um seine angeblichen Sexual-Verbrechen unglaublich. Dazu habe ich in einem anderen Beitrag schon geschrieben, aber sowohl die Zeugen als auch die zuständige schwedische Staatsanwältin haben nicht gerade rühmliche weisse Westen. Was ich jedoch viel unglaublicher finde ist die Tatsache, dass für Assange bereits im vergangenen Jahr ein Haftbefehl ausgestellt wurde, damals befand er sich sogar noch in Schweden. Dieser wurde den Tag darauf sofort wieder zurückgezogen und die Ermittlungen wurden eingestellt, nur um von einer zweiten Staatsanwältin wieder neu aufgenommen zu werden. Die wichtige Information am Rande zum darauf folgenden internationalen Haftbefehl: dieser wurde nicht ausgestellt weil Assange etwa angeklagt wurde, sondern weil er als Verdächtigter befragt werden soll. Dabei wurde Assange zum Thema doch bereits von der schwedischen Polizei befragt und als er dann später in England war, hat er den Ermittlern angeboten, das Interview in der schwedischen Botschaft zu führen, was jedoch abgelehnt wurde. Erst danach kam der internationale Haftbefehl.

Für mich sieht diese ganze Sache sehr künstlich aus, denn sie ist fern von jeder Realität. Julien Assange hat niemanden vergewaltigt, jedenfalls wird ihm das nicht vorgeworfen, und für ein geringeres Sexualverbrechen zwischen zwei mündigen (und zustimmenden) Erwachsenen wird kein internationaler Haftbefehl ausgeschrieben, schon gar nicht wenn es sich dabei nur um eine Befragung und keine Anklage handelt! In jedem Fall habe ich mir dies so von einem Freund bestätigen lassen und konnte diese Meinung auch an mehreren Ecken bestätigen - auch kann ich mir kaum vorstellen, dass Schweden so deutlich vom österreichischen Status Quo abweicht. Was da noch übrig bleibt ist die Möglichkeit, dass die schwedische Justiz in den Taschen der USA steckt. Ob das nun pure Spekulation oder die Wahrheit ist, das kann und möchte ich nicht beurteilen, das soll sich jeder selbst ausmalen.

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» Reaper » Beiträge: 576 » Talkpoints: 1,11 » Auszeichnung für 500 Beiträge


aris18 hat geschrieben:Seitdem Julian Assange, der Gründer und Chef der Enthüllungsplattform "Wikileaks",

Vielleicht sollte man gleich zu Beginn die Tatsache, dass Assange eben nicht Gründer der Wikileaks Plattform ist, noch einmal explizit erwähnen. Außerdem ist er nicht der "Chef" von Wikileaks sondern ist deren Sprecher und auf Grund seiner Persönlichkeit gelingt es ihm eben von dieser Position ein anderes Bild zu vermitteln. Aber dennoch ist auch von ihm zu hören, dass es ihm wichtig ist, festzustellen, dass er nicht Wikileaks gegründet hat! Obwohl das alles so klar ist - woher kommt es dann trotzdem, dass der Irrtum so oft gemacht wird?

aris18 hat geschrieben:aufgrund der Vergewaltigungsvorwürfe, sieht er sich selbst als Opfer einer Verschwörung.

Das steht ihm natürlich frei und - das gebe ich zu - die Umstände sind tatsächlich etwas schleierhaft. Aber dazu hat Assange letztlich selbst auch beigetragen. Die Vorwürfe sind das eine - aber das besondere Interesse der (schwedischen) Justiz das andere. Assange hat immer wieder behauptet, dass die Plattform Wikileaks durch das schwedische Recht den Schutz der Informanten garantieren könne. Trotz dem dass er darauf aufmerksam gemacht wurde, dass dieser Teil der schwedischen Rechtssprechung so nicht auf Wikileaks übertragen werden konnte, hat Assange nichts (oder dann erst sehr spät) unternommen, um dies zu ändern. Und stattdessen diese Unwahrheit weiter verbreitet. Das wird ihm keine Sympathiepunkte bei schwedischen Staatsanwälten gebracht haben.

aris18 hat geschrieben:als er neuerdings behauptet, es sei eine "jüdische Verschwörung".

Zwar habe ich diese Behauptung nicht selbst mitbekommen. Es ist aber schon traurig, wie schnell er sich sehenden Auges ins Abseits stellt. Der Geltungsdrang und der Realitätsverlust scheint tatsächlich die Dimension anzunehmen, die ihm seine Gegner zusprechen.

aris18 hat geschrieben:in dem er seine waghalsigen Vermutungen äußerte.

Das ist dann aber wieder eine Form von "stiller Post". Glauben sollte man dieser Aussage auf Grund der möglichen Wirkung schlicht nicht!

aris18 hat geschrieben:Es sei alles frei erfunden, behauptet er.

Und hier ist diese Aussage mindestens so glaubwürdig, wie der Bericht des Journalisten. Wobei Assange nichts von seiner Aussage und nichts von der Twitter-Erklärung hat. Vorteile mit der Meldung sind allein dem Journalisten vorbehalten. Wenn es also um den Nutzen geht, hätte der Journalist eher Grund zur Lüge.

Die Frage nach den Vorwürfen kann ich eigentlich nicht beantworten. Die Ermittlungen sind ja auf Grund von einer Aussage aufgenommen worden. Natürlich ist der internationale Haftbefehl zu weit gegangen. Ich denke nämlich nicht, dass das ein übliches Verfahren darstellen sollte. Aber die Vermutung, dass das ferngesteuert sei, halte ich dann auch für abenteuerlich.

aris18 hat geschrieben:An welchen Ausgang des Prozesses glaubt ihr?

Wie heißt es so schön: vor Gericht und auf hoher See ist man allein in Gottes Hand. ;)

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich finde Assange ist zu unrecht verurteilt worden. Es haben frühere Beispiele gezeigt, dass Leute die sich gegen die Regierung gewendet haben und dies öffentlich taten nahezu immer bestraft wurden. Die Verhaftung Assange hängt sicherlich nicht nur mit den Vorwürfen zusammen. Die Vorwürfe die Assange zur Last gelegt werden sind sehr schleierhaft. Assange soll 2 Frauen vergewaltigt haben. Laut einem Zeitungsbericht soll er lediglich auf eine Veranstaltungen mit beiden Frauen Geschlechtverkehr gehabt haben. Jedoch fand es die jeweils andere Frau heraus... Assange sollte nicht verurteilt werden nur weil er ein Querdenker ist. Die Veröffentlichung von solchen Daten wie im Falle von Wikileaks hat den Leuten (auch in den USA) die Augen geöffnet was ihr Land eigentlich macht.

» oceanstar » Beiträge: 5 » Talkpoints: 0,88 »



oceanstar hat geschrieben:Ich finde Assange ist zu unrecht verurteilt worden.

Das kannst Du schon finden. Aber relevant wird sein, wie die Richter entscheiden, sofern es zu einer Verhandlung kommen sollte. Im Moment ist er nämlich weder zu Recht noch zu Unrecht verurteilt worden. Lediglich über seine mögliche Auslieferung ist - nach rechtsstaatlichen Prinzipien - entschieden worden.

oceanstar hat geschrieben:Es haben frühere Beispiele gezeigt, dass Leute die sich gegen die Regierung gewendet haben und dies öffentlich taten nahezu immer bestraft wurden.

Wenn Du nun Assange mit Gandhi oder Mandela in eine Reihe stellen willst, wäre das mindestens eine Verhöhnung der beiden. Das hattest Du ja hoffentlich nicht vor. Assange hat sich dann übrigens nicht "gegen die Regierung" gestellt. Gegen welche hätte er sich auch stellen sollen?

oceanstar hat geschrieben:Die Verhaftung Assange hängt sicherlich nicht nur mit den Vorwürfen zusammen.

Er ist unter Auflagen auf freiem Fuß. Damit ist er eben nicht verhaftet! Wieso grundsätzlich der Vorwurf einer Vergewaltigung nicht ausreichen sollte, in Haft genommen zu werden, kannst Du ja mal dem Hr. Kachelmann erklären. Noch dazu, wenn dringende Fluchtgefahr gegeben ist!

oceanstar hat geschrieben:Laut einem Zeitungsbericht soll er lediglich auf eine Veranstaltungen mit beiden Frauen Geschlechtverkehr gehabt haben. Jedoch fand es die jeweils andere Frau heraus...

Weder in Großbritannien noch in Schweden regiert die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen auf Grund von Zeitungsberichten. Hier liegen einfach Anzeigen vor, die mindestens von einer der Betroffenen gemacht wurde. Und nun hat die Justiz ein Interesse, diese Vorwürfe zu untersuchen.

oceanstar hat geschrieben:Assange sollte nicht verurteilt werden nur weil er ein Querdenker ist.

Ich garantiere Dir, dass er mit Sicherheit nicht verurteilt wird, weil er ein "Querdenker" ist! Schon deshalb nicht, weil nichts darauf hindeutet, dass er ein "Querdenker" wäre. :)

oceanstar hat geschrieben:was ihr Land eigentlich macht.

Naja, jetzt zum Schluss vielleicht noch der Hinweis, dass es in keinem Fall irgendwo ein "ihr Land" gibt. Und dann macht "ein Land" auf der ganzen Welt rein gar nichts, außer da zu sein. "Machen" machen höchsten die Regierungen. ;)

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


derpunkt hat geschrieben:Weder in Großbritannien noch in Schweden regiert die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen auf Grund von Zeitungsberichten. Hier liegen einfach Anzeigen vor, die mindestens von einer der Betroffenen gemacht wurde. Und nun hat die Justiz ein Interesse, diese Vorwürfe zu untersuchen.

Damit liegst du aber falsch. Denn die beiden betroffenen Damen haben keine Anzeige bei der Polizei gemacht. Tatsächlich haben sich die beiden nur bei der Polizei zum Thema beraten lassen und das hat zur Aufnahme von Ermittlungen gegen Assange geführt, die jedoch von der Polizei aus eigener Initiative gestartet wurden!

In Schweden gibt es nämlich die Möglichkeit, sich bei der Polizei beraten zu lassen und wenn der Beamte nach der Beratung/Befragung der Meinung ist, dass für eine Ermittlung die Glaubwürdigkeit ausreichend dargestellt wurde, kann die Polizei auch ohne eine Anzeige ein mögliches Verbrechen untersuchen. Unglücklich für Assange ist in diesem Fall, dass die beiden betroffenen Damen ein Märchen erzählen hätten können und er nichts dagegen tun kann. Wenn jemand in einer solchen Beratung mit der Polizei lügt, kann er nicht wegen Falschaussage belangt werden - hätten die Damen Julien Assange aber angezeigt, sähe das anders aus.

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» Reaper » Beiträge: 576 » Talkpoints: 1,11 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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