Doktorarbeiten: Geprüft und benotet
Im Moment ist ja überall in den Medien die Sprache von der 2erschummelten" Doktorarbeit. Guttenberg hat diese ja mit der Bestnote bestanden und dann seinen Doktortitel bekommen. Wenn man dafür Noten bekommt, dann muss doch jemand auch diese Arbeit prüfen und durchlesen. Er muss dann auch darauf achten, dass irgendwas kopiert wurde und nicht dabeisteht, woher die Quellenangabe ist.
Wie kann eine geprüfte und benotete Doktorarbeit dann nach beispielsweise 4 Jahren rausgekramt werden und zerpflückt werden? Eigentlich müsste doch dann derjenige, der die Arbeit benotet hat auch zur Rechenschaft gezogen werden. Denn derjenige hat ja ohne groß zu prüfen eine Note vergeben und bei einer Doktorarbeit werden das ja bestimmt mehrere Personen sein.
Wie funktioniert es eine Doktorarbeit zu schreiben? Wie werden sie benotet und geprüft? Warum werden sie nicht sofort auf Fehler überprüft und dann erst benotet? Wieso kann man nach Jahren noch hingehen und eine geprüfte und benotete Doktorarbeit noch beanstanden?
Zu einer Doktorarbeit gehört immer ein Doktorvater. Das ist ein Professor an einer Universität, der den Doktoranden in der Regel intensiv betreuen soll. Dieser bewertet auch die Doktorarbeit. Dazu sollte es eigentlich immer einen Zweitprüfer geben, der zumindest auf Plagiate prüfen sollte.
Zu jeder Doktorarbeit gehört auch immer die sogenannte "Verteidigung": Das ist im Prinzip eine Präsentation und mündliche Prüfung über die Arbeit. Hierbei wird abgeprüft, dass sich der Doktorand auch wirklich intensiv mit dem Thema befasst hat. Diese Verteidung, die normalerweise öffentlich ist, fließt auch in die Bewertung ein.
Neben der Doktorarbeit werden auch vom Doktoranden entsprechende Veröffentlichungen erwartet. Er muss also in Fachzeitschriften Artikel verfassen, ein Buch schreiben oder ähnliches. Die Doktorarbeit selbst muss auch in einer gewissen Auflage erscheinen. Im einfachsten Fall sind das ein paar Exemplare für Familienmitglieder des Doktoranden, die Professoren und die Unibibliothek. Es kann aber auch eine echte Buchveröffentlichung daraus werden. Die Dissertation von Herrn Guttenberg ist (oder war) anscheinend ja auch auf Amazon erhältlich.
Anhand dieser Veröffentlichungen besteht auch die Möglichkeit für andere Professoren und Fachleute, die Arbeit zu prüfen.
Ein gewissenhafter Prüfer hätte auf jeden Fall erkennen müssen, dass Herr Guttenberg sehr viele Textstellen nicht korrekt ausgewiesen hat. Denn selbst eine einfache Stichprobenprüfung (die ich persönlich als nicht ausreichend für eine solche Bewertung halte) hätte dies aufdecken müssen. Wieso jetzt der (oder die) Prüfer nicht so genau hingeschaut haben gibt es ja inzwischen genügend Theorien.
Wenn man zu dem Prozedere Informationen sucht wird man eher fündig, wenn man unter dem Stichwort Dissertation sucht. Das ist der offizielle Begriff für das, was man umgangssprachlich Doktorarbeit nennt. Das Verfahren verläuft zumindest in Deutschland und in Österreich so, dass man erst seinen Doktortitel erhält, wenn die Arbeit von den Prüfern kontrolliert und bewertet wurde. Dann muss man sie wie schon beschrieben in einer Art mündlichen Prüfung vor anderen Wissenschaftlern verteidigen. Die stellen dem Doktoranden mehr oder weniger unangenehme Fragen, die er beantworten muss. Außerdem muss er seinen Standpunkt gegen gegenteilige Meinungen verteidigen und das auch begründen können. Hat man das alles bestanden, erhält man den Doktortitel nur, wenn die Doktorarbeit auch veröffentlicht wird. Die Note entsteht normalerweise dadurch, dass man eine Teilnote für die schriftliche Arbeit erhält und eine Teilnote für die Verteidigung. Dann wird daraus ein Durchschnitt errechnet. Die Bewertung erfolgt nicht mit Schulnoten, sondern mit vier verschiedenen Graden in lateinischen Formulierungen. Die Bestnote ist "summa cum laude". Gerade so noch bestanden wäre dann ein so genanntes "rite".
Die Veröffentlichung darf man sich nicht wie die Veröffentlichung des neuen Bestsellers vorstellen. Es werden meist nur einige wenige Exemplare gedruckt. Einige davon erhalten der Doktorvater, die Universitätsbibliothek der Uni, an der man den Doktorgrad erlangt hat und die Uni für Archivzwecke und Forschungszwecke. Ein Exemplar geht auch immer an die Deutsche Nationalbibliothek, so die Uni in Deutschland lag oder an die österreichische Nationalbibliothek. Manchmal erhalten auch andere Universitäten Exemplare davon. Sowohl die Uni der Alma Mater des Doktoranden als auch die Nationalbibliothek stellen immer ein Exemplar zur Ausleihe zur Verfügung. Man kann sich also, wenn man das spannend findet, die meisten Doktorarbeiten, die einen interessieren auch zum Lesen beschaffen. Amazon ist nicht die einzige Quelle dafür. Letztlich ist die jede Doktorarbeit aber genauso öffentlich einsehbar wie ein im Handel erhältliches Buch. Oft wird eine Doktorarbeit an der Uni auch als elektronisches Dokument gespeichert und teils auch verkauft, um Druckkosten zu sparen.
Eigentlich sollte einem Prüfer ein Plagiat auffallen. Allerdings hat die unheimliche Informationsflut des Internetzeitalters auch zur Folge, dass kein Professor in seinem Fachgebiet alle neu erschienenen Publikationen zu seinem Forschungsgebiet lesen kann. Selbst ohne Internet müste man dazu jeden Tag rund zehn Qualitätszeitungen täglich lesen, um ja keinen Artikel zu verpassen, sämtliche Fachzeitschriften kommen auch noch dazu und ebenso die Buchpublikationen. Das schafft wirklich kein Mensch. Außerdem muss man ja dann die Fülle die man gelesen hat auch noch im Kopf behalten. Das reicht ja auch noch nicht. Wenn man dann einmal irgendwann eine Text gelesen hat, dann muss man ihn ja auch wieder erkennen, wenn man ihn in einer Doktorarbeit ohne Quellenangabe als Stückchen findet. Um das zu schaffen, benötigt man schon fast ein fotografisches Gedächtnis. Ohne technische Hilfsmittel ist das heute fast nicht mehr zu schaffen. Aus meinem Studium kenne ich auch noch einige wenige Dozenten, die den Computer so gut wie gar nicht nutzen. Also sind sie auch mit solchen Plagiatssuchtools nicht vertraut. Internetrecherchen lassen die dann in der Regel von ihren studentischen Hilfskräften durchführen, so dass sie auch nicht auf die Idee kommen, das nahe liegende zu tun und Textteile in Google einzugeben. Professoren sind entgegen der weit verbreiteten Meinung sehr selten Übermenschen. Da kann schon mal was durch die Lappen gehen.
In wie weit das im aktuellen Fall nicht auffiel oder nicht auffallen wollte, will ich nicht beurteilen. Mit den Professoren ist das ähnlich wie mit den Lehrern. Wenn man an der Uni einen Ruf als fauler Hund hat, wird der Dozent sicher genauer hinsehen, weil man dem die Doktorarbeit nicht wirklich zutraut. Bei jemandem, der so tough wie unser Verteidigungsminister auftritt wird man vielleicht leichter dazu verleitet, Vorschusslorbeeren zu verteilen und keine Zweifel zu hegen. Allerdings bin ich kein Professor, ich kann da nicht aus eigener Erfahrung schreiben.
Wieso das nach all den Jahren noch möglich ist, so eine abgeschriebene Arbeit zu bemängeln, fragst du? Angenommen, Herr X bricht in das Haus von Herrn Y ein und stiehlt einige Wertgegenstände aus dem Eigentum von Herrn X. Natürlich geht dann Herr X zur Polizei und zeigt den Übeltäter an. Da wundert das auch keinen. Wenn man einen Text geschrieben und veröffentlich hat, gehört der einem ganz alleine. Wenn man Texte anderer einfach so abschreibt und als Eigenproduktion ausgibt, ist das Diebstahl. Was das Eigentum angeht ist das ganz egal, ob es sich um einen Gegenstand handelt, den man anfassen kann, oder ob es sich um ein Produkt geistiger Arbeit, also einen Text handelt. Es ist Diebstahl. Deshalb ist man ja wegen Urheberrechtsverletzungen so vorsichtig, unter anderem hier im Forum. Urheberrecht und geistiges Eigentum sind keine Erfindung von einzelnen Staaten, sondern sogar als Paragraph in den allgemeinen Menschrechten verankert.
Urheberrecht erlischt erst nach ziemlich langer Zeit. Wenn ich richtig informiert bin, erlischt dieses erst etwa 70 Jahre nach dem Tod des Urheber. Wenn man also einen Zeitungsartikel aus einer relativ Ausgabe als eigenen Text ausgibt, so ist es sehr wahrscheinlich, dass der Autor noch keine 70 Jahre tot ist. Also hat auch jeder Autor das Recht, andere Publikationen öffentlich anzuzweifeln, wenn diese ohne Quellenangabe den eigenen Text oder den Text anderer Personen enthalten. Wenn man fündig wurde, kann man den Übeltäter verklagen, auch wenn wir nur einen geklauten Text von Talkteria, den wir verfasst haben, irgenwo im Netz finden, können wir uns genauso dagegen wehren.
Bei einer Doktorarbeit ist das eben schwerwiegend, weil man eben mit einer Doktorarbeit eigentlich beweist, dass man selbstständig in der Lage ist zu forschen und wissenschaftlich zu arbeiten. Einfach abschreiben ist keine wissenschaftlich Arbeit, das kann jedes durchschnittliche Grundschulkind. Für einen Doktortitel muss man eben so einiges an Arbeit investieren. Und genau wie im Sport ist man bei wissenschaftlichen Publikationen eben an solche Regeln gebunden, die das Fair Play sicher stellen sollen. Das hat sich über lange Zeit bewährt. Sonst könnte ja jeder Hohlkopf einen Doktortitel machen.
Trüffelsucher hat das Prozedere ja inzwischen schon ziemlich ausführlich beschrieben. Was dazu aber anzumerken ist, dass an inzwischen jeder Hochschule Software benutzt wird, um wissenschaftliche Arbeiten auf Plagiate zu prüfen. Dabei wird dann auch das Internet einbezogen. Und gerade bei der monierten Arbeit waren ja auch etliche Stellen öffentlich im Netz zugänglich und doch nicht mit Fußnoten gekennzeichnet. Dass das vor 4 Jahren noch nicht der Fall war, mag durchaus sein, aber entsprechende Software gab es auch damals schon.
Außerdem ist ja nicht eine Person hingegangen und hat die Arbeit systematisch durchsucht und nach Fehlern gefahndet. Vielmehr war es so, dass ein Juraprofessor eine Veranstaltung zum Thema Verfassungsrecht angeboten und da dann eben auch nach Literatur gesucht. Die Dissertation des Guttenberg passte da thematisch sehr gut. Und beim Durcharbeiten mit dem Ziel eine Gegenposition zu finden, fielen eben bestimmte Ungereimtheiten auf, beispielsweise wechselnder Stil. Die Suche nach einer bestimmten Passage brachte dann letzten Endes die ganze Affäre ins Rollen. Und das ist durchaus in Ordnung. Nur weil ein Gremium aus welchen Gründen auch immer, Fehler nicht entdeckt wurden, heißt das ja nicht, dass man dann einmal Glück gehabt hat und das dann unangreifbar bleibt.
Diamante hat geschrieben:Er muss dann auch darauf achten, dass irgendwas kopiert wurde und nicht dabeisteht, woher die Quellenangabe ist.
Es soll ja vorkommen, dass die Prüfer der Doktorarbeit auch noch ihrer eigentlich Tätigkeit an der Uni nachgehen, also selber arbeiten, forschen und lehren. Die Prüfung der Doktorarbeit muss da also erstmal untergebracht werden und dann nimmt so eine Prüfung ja auch viel Zeit ein. Es geht ja hier nicht um 5 Seiten und 10 Zitate. Amazon weist 475 Seiten aus, die das Werk von Herrn Guttenberg umfassen soll, zudem soll es sich um insgesamt über 1200 Fußnoten handeln, die er schon gesetzt hat, also auf andere Werke oder Zitate verwiesen hat. Und dabei wird er nicht nur auf 2-3 Bücher verwiesen haben, sondern sicherlich auf viele Dutzende und somit hängt da auch nochmal eine Unmenge an Stoff dran, der zumindest überflogen werden muss oder in dem nach den entsprechenden Passagen gesucht werden muss um zu schauen, ob das was er offiziell angegeben hat richtig ist.
Und dann muss man als Prüfer ja auch soviel Wissen haben, dass man erkennen kann, ob sich gewisse Passagen irgendwo anders finden lassen. Gerade da Guttenberg ja nun kein brandneues Thema bearbeitet hat, sind die Fakten ja an sich schon ewig bekannt und hinreichend überall zu finden bzw. Allgemeinwissen. Da nun abzugrenzen ob er dass jetzt einfach mal so hingeschrieben hat, weil er es weiß und selber so formuliert hat oder ob es jetzt doch irgendwo aus einem Buch stammt dürfte da recht schwer werden und nur mit einer wirklich gewissenhaften Prüfung herauszufinden sein.
Und eine Prüfung kann ja auch immer sehr unterschiedlich ausfallen. Je nach Fach kann eine Doktorprüfung auch vom Umfang wesentlich kleiner sein und experimentell gehalten werden. Da muss man dann den ganzen Einleitungsteil und Methodenteil auch nicht so genau prüfen, wenn da nur bisher bekanntes Wissen drin steht oder Sachen beschrieben werden, die in jeder zweiten Arbeit vorkommen. Das wird dann mal gelesen und sich angeschaut, aber nicht alles nach Zitaten oder Vergleichen abgesucht. Da kommt es dann auf die Ergebnisse der Arbeit und das eigentliche Experiment an. Und schon kann es eben sein, dass da einiges übersehen wird.
Und in dem Fall hier ist das ja an sich auch niemandem so wirklich aufgefallen. Die Arbeit ist ja nun schon etwas älter und wurde sicherlich schon das ein oder andere mal gelesen. Aufgefallen ist es ja nur jemandem der die Arbeit nochmal für eine Zeitschriftenrezension gelesen hat und bewerten sollte. Der also das ganze als seine Arbeit gemacht hat und dementsprechend auch Zeit zur Verfügung gehabt hat um mehrere Stellen mal zu überprüfen.
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