Meine Kriegserlebnisse im Sommer 2006 im Libanon
Am 06. Juli 2006 flogen wir, mein Mann, mein Sohn und ich uns von London aus in den Liebanon. Wir wollten dort Urlaub machen. Paar Tage später, wir waren gerade schwimmen im Meer, sahen wir wie in den Bergen im Süden Liebonons gebombt wurde. Wir zogen uns schleunigst an und liefen sofort nach Hause in unserer Haus. Wir wohnten in Tyros, was ca. eine halbe Stunde Autofahrt von der israelischen Grenze entfernt lag. Wir hörten gespannt die Berichte im Radio. Dort wurde nur gesagt das die nur in den Bergen im Süden Liebanons bomben wollten, und das man in Tyros sicher sei.
Vorsorglich machten wir uns aber auf den Weg in Supermarkt um Essensvorräte zu kaufen. Im Geschäft war es sehr voll, und die Leute hatten eine sehr große Hektik. So waren wir also in unserem Haus und hielten uns nur drinnen auf, da über Radio gesagt wurde man sollte von den Balkonen weg bleiben sonst würden die Israelische Armee auf einen schießen vom Helicopter aus.
An einem Nachmittag legte ich mit meinem Sohn, der damals 5 Jahre alt war, zum Schlafen hin. Wir lagen auf dem Bett im Schlafzimmer und hatten die Klimaanlage an, da die Hitze über die Mittagszeit so erdrückend war. Auf einmal hörten wir ein lauten Schlag, und die Fensterscheiben bebten. Man hatte ein Haus was ca. 500 Meter von uns war gebombt.
Ich ging ans Fenster und konnte aber nichts als eine rießen Staubwolke sehen. Kurz danach kam unser Nachbar in die Wohnung und schrie auf arabisch wir sollten schnell in Bunker gehen. Ich stand da wie erstarrt. Ich wußte nicht was um mich geschah, geschweige denn was ich mitnehmen sollte in Bunker.
Ich schnappte mir mein Handy und mein Sohn und eine Flasche Wasser und lief zum Bunker. Wir hatten drei Bunker nah an unserem Haus. Als ob mich ein Magnet anziehen würde, zog es mich förmlich zu dem einen Bunker, wo gerade ein Bankhaus gebaut wurde, was allerdings noch nicht fertig war (es waren noch keine Scheiben im Gebäude).
Im Bunker harrten wir zusammen, und mein Sohn fragte mich die ganze Zeit was passieren würde. Ich hatte keine Antwort darauf, ich selbst war wie gelähmt vor Angst. Ich betete zu Gott. Irgendwann spät nachts schlief ich und mein Sohn vor Erschöpfung ein. Aber nicht lange, und mein Sohn wimmerte. Ich fragte was los sei, er sagte: Mama bitte geh in die Wohnung und hol die Creme für die Moskitostiche, mir tut mein ganzer Arm und meine Beine weh.
Ich ging im Dunkeln in unsere Wohnung, und traute mir nicht das Licht anzumachen, da ich wußte das uns sonst die Hubschrauber von den Israelies sehen würden und dann bomben würden. Ich fand die Creme und ging zurück in Bunker. Die Hitze im Bunker war einfach unerträglich. Deshalb schliefen ich und mein Sohn am Eingang des Bunkers. Eine alte liebanesische Frau gab mir und meinem Sohn sogar ihre Matraze und stammelte immer wieder auf arabisch wie sehr es ihr Leid täte das ich als Ausländerin das mitmachen müsste.
So verbrachten wir drei Wochen im Bunker, Essen wurde knapp, und wir bekamen nur notdürftig Lebensmittel von den Hizbollah Kriegern bereitgestellt. Und selbst Wasser war knapp, da die ganzen Wassertanks von der Israelischen Armee zerbombt wurden. Deshalb gab es kein Wasser zum duschen, man konnte sich nur notdürftig waschen. Die liebanesische Regierung kümmerte sich gar nicht um die Leute.
Nach drei Wochen konnte ich nicht mehr. Ich war mit meinen Nerven am Ende. Ich beschloß das ich versuchen mußte mich zur UN Base durchzuschlagen. Also schnappte ich mir meinen Sohn und meine Ausweise und lief in der glühenden Mittagssonne los zur UN. Immer wieder auf dem Weg dorthin mußten wie uns verstecken wenn die Hubschrauber über uns hinwegflogten. Nach einer halben Stunde Fußmarsch erreichten wir das UN Base in Tyros. Dort zeigte ich mein deutschen und mein englischen Pass und trug mich auf die Liste ein das ich aus dem Land gebracht werde.
Zwei Tage warteten wir bei der UN, bis die Liste vorgelesen wurde, wer mit auf Schiff durfte. Die Hektik und Aufregung der Leute war groß. Mit den UN Panzern wurden wir dann zum Hafen von Tyros gefahren, und dann aufs Schiff gebracht.
Dort bekamen wir eine Kapine. Das erste was ich und mein Sohn taten war eine Dusche zu nehmen. Wie gut das tat nach über drei Wochen mal wieder Wasser auf der Haut zu spüren! Und danach gingen wir ins Restaurant, dort wurden wir mit Essen versorgt. Wir hatten so großen Hunger das wir immer wieder unsere Teller auffüllten.
Wir wurden dann mit dem Schiff von Tyros, im Süden Liebanons, nach Zypern gebracht. Dort erwartete uns die englische Armee die uns mit Bussen zum Armeestützpunkt brachte. Wir wurden medizienisch versorgt und bekamen Essen dort. Am gleichen Tag noch brachte uns ein Flugzeug zurück nach Manchester, England. Und von dort gings mit dem Zug zurück nach London.
Wir waren so froh wieder zuhause zu sein, und das wir das Schrecken gesund überstanden hatten. Aber die seelischen Wunden sind bis heute noch. Immer wieder kommen einem die Bilder in Kopf als die Bomben um und flogen. Ich glaube das wird man auch sein Leben lang nicht mehr vergessen.
Was ich später erfuhr, wurde der Bunker wo am nähesten zu unserem Haus gewesen wäre zerbombt. Der Gedanke das ich hätte drin sein können hat mir sehr lange zu schaffen gemacht, aber ich glaube das ich damals mit meinem gesunden Menschenverstand die richtige Wahl getroffen hatte, in ein Bunker zu gehen wo von außen man dachte das Gebäude sei leer. Oder es war einfach eine höhere Macht gewesen die mich und mein Sohn schützen wollte.
Liebe Grüße
Anca4Chrissy
Hi,
wow einfach irre deine Geschichte. Ich dachte eigendlich das da wo man Urlaub macht sowas nie geschehen könnte. Aber da lag ich wohl Falsch. Ich glaube wenn ich in so einer Situation gewesen wäre, ich wüsste garnicht was ich machen sollte. Ich wäre so verzweifelt. Und dann den ganzen Stress noch mit einem Kind durchzustehen stelle ich mir einfach schrecklich vor.
Aber wenn man es dann überlebt hat, fällt einem glaub ich ein riesen Stein vom herzen.
Was war denn das erste was du gemacht hast, als du wieder zu Hause warst?
mfg
thumper
Hi,
wow, ich wäre sicherlich dort eingegangen. Ist Dein Mann denn auch gut aus dem Land gekommen? Weil Du hast nur erwähnt dass Du und Dein Sohn wieder gut nach London gekommen seit.
Zu den oben genannten Fragen.
Was habe ich als erstes getan als ich wieder sicher in London angekommen bin? Tja wie soll ich es sagen, ich habe mir meine vergangenen Jahre durch den Kopf gehen lassen, und mir wurde bewußt das ich mein gewalttätigen Mann verlassen musste. Ich rebellierte, und mein Mann gab mir das Ultimatium innerhalb sieben Tage das Haus und London zu verlassen. Mehr könnt ihr auch unter meinem anderen Beitrag "Kindesentführung?" den ihr unter Kinder und Familie findet lesen.
Und zu der zweiten Frage, ob mein Mann auch den Liebanon sicher verlassen hat? Ja hat er. Obwohl ich es damals nicht verstand. Zu mir hat er gesagt ich dürfte das Land nicht verlassen, da ich und mein Sohn nicht besser als all die Liebanesen im Land seien. Aber nachdem ich mich zur UN durchgeschlagen hatte, folgte er nach einem Tag und beantragte auch das Land zu verlassen. Da wollte er wohl dann doch nicht mehr im Bunker bleiben.
Mich beschäftigt bis heute noch das Thema, und ich habe Tage wo ich nachts so dermassen Alpträume habe das ich schweißgebadet aufwache und ich habe das Gefühl wieder im Bunker zu sein. Ihr könnt dazu auch gerne mein andern Beitrag lesen über Alpträume.
Ich glaube durch mein Erlebtes wurde ich sehr geprägt, und ich bin dadurch eine starke Persönlichkeit geworden. Ich habe gelernt zu kämpfen und stark zu sein. Nur wenige aber wissen wie es wirklich tief in mir drin ausschaut. Manchmal fühle ich mich sehr schwach und würde am liebsten gern wieder Kind sein, damit mein Papa mich beschützt. Mein Papa hat mal selbst zu mir gesagt er bewundert mit wieviel Kraft ich alles überstanden habe. Das von meinem Papa zu hören war für mich eines der größten Lobe die ich je erhalten hatte.
Lieben Gruß Anca
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