Leistungsdruck für Kinder am Land und in der Stadt
Ich habe fast 30 Jahre lang in einer Großstadt gelebt. Demnach ist mir das Großstadtleben durchaus bewusst und ich bin in diesem Umfeld auch groß geworden. Seit guten drei Jahren wohne ich nun eben am Land in einem Dorf. Ich habe auch einen zweijährigen Sohn. Dadurch kenne ich natürlich auch mehrere Kinder hier am Land und durch meinen Freundes- und Bekanntenkreis aus der Großstadt kenne ich natürlich auch einige Kinder die eben in einer Stadt aufwachsen.
Dieses Wochenende war ich für drei Tage mit meinem Sohn bei einer Freundin und ihrer Tochter in der Stadt. So konnte ich auch wieder ein wenig detaillierter sehen wie der Alltag der Kleinen dort aussieht, weil wir natürlich auch sehr viel geplaudert und getratscht haben. Ich muss sagen, dass ich da wirklich enorme Unterschiede sehe.
Man kann sicher nicht alles verallgemeinern. Ich kenne eben fünf Kinder die in der Stadt aufwachsen und im Kindergartenalter sind. Der Alltag von allen dieser fünf Kinder sieht so aus, dass sie von 8 Uhr bis etwa drei oder vier Uhr im Kindergarten sind. Eigentlich will man meinen, dass ihnen dort genügend Programm angeboten wird, aber das sehen die Eltern dieser Kinder nicht so. So hat jedes dieser Kinder danach nochmal ein privates Programm und das täglich.
Da gehen die Kleinen dann auch noch in eine Ballettgruppe oder in musikalische Frühförderung, die nächste geht in Reitunterricht, dann wieder zum Eislaufen oder im Sommer eben in den Schwimmunterricht. Am nächsten Tag gehen sie in die Kinderoper, was natürlich auch dank eines Abos regelmäßig ist und weil die Frühförderung des Englischunterrichts im Kindergarten auch noch zuwenig ist, gehen sie eben auch noch extra in einen zusätzlichen Englischkurs.
Bei allen fünf Kindern ist es so, dass sie täglich nach dem Kindergarten derartige Programme haben. Damit meine ich aber eben nicht unbedingt, dass sie danach mit Mama oder Papa noch zum Spielplatz gehen, sondern eben in weitere regelmäßige Kurse um irgendwas zusätzlich zu erlernen. Laut Aussagen der Eltern, würden das die Kinder extrem fordern, weil ihnen sonst langweilig werden würde und zu Hause würden sie nur grantig werden, weil ihnen so fad ist und sie dann eben unterfordert sind.
Am Wochenende gibt es natürlich auch keinen Ruhetag. Da werden dann eben Tagesausflüge und -aktivitäten gemacht. Selbst wenn sie im Winter dann eine Woche Skifahren gehen, gehen die Kleinen dann von 9 bis 15 Uhr in einen Skikurs und danach gehen sie auch noch Voltagieren oder dergleichen! Ist es für ein Kindergartenkind wirklich nicht ausreichend den ganzen Tag im Kindergarten zu sein oder auf der Piste zu stehen? Brauchen sie danach wirklich noch soviel Programm.
So, irgendwann nach all diesen zusätzlichen Aktivitäten dürfen die Kleinen dann endlich einmal nach Hause. Dann sind sie aber scheinbar so müde, dass die Eltern dafür Verständnis haben, dass sie nur noch auf der Couch sitzen wollen und Kinderfilme ansehen. Aber das ist natürlich für die Eltern auch praktisch, weil so haben sie auch ihre Ruhe.
Vielleicht ist es nur Zufall, aber es ist wirklich bei all diesen fünf Kindern so. Wobei fünf Kinder natürlich keine aussagekräftige Statistik ergeben. Aber ich muss sagen, dass ich da echt schon fast schockiert bin, was da so in manchen Familien abläuft! Ich bin wie gesagt selber in einer Großstadt groß geworden, aber mir hat der Kindergarten damals vollkommen gereicht und meinen Geschwistern und Freunden ebenfalls.
Bei den Kindern die ich hier am Land kenne, die ebenfalls im Kindergartenalter sind, läuft es komplett anders ab. Die gehen oft auch den ganzen Tag in den Kindergarten, aber danach brauchen sie nicht noch zusätzliche Aktivitäten wie eigene Kurse. Natürlich toben sie auch noch im Freien herum oder fordern zu Hause Spiele und dergleichen, aber das reicht dann auch.
Natürlich muss man auch sagen, dass es hier auch gar nicht das Angebot für all diese Aktivitäten geben würde. Wobei ich von der Volkshochschule weiß, dass hier ebenfalls Kurse für Kinder angeboten werden, die aber meistens gar nicht stattfinden, eben weil kein Interesse daran besteht. Auch Reiten kann man hier natürlich gehen, aber das wird meistens am Wochenende unternommen und nicht noch extra nach einem langen Kindergartentag.
Werden nun die Kinder am Land total unterfordert oder fehlt es ihnen an Förderung? Ich höre immer wieder, dass sich die Kinder so früh wie möglich an all diesen Stress gewöhnen müssen, weil das eben später auch Alltag ist. Oder wird es mit all diesen Aktivitäten bei Stadtkindern nicht auch oft ein wenig übertrieben? Fordern und fördern ist ja in Ordnung, aber mir kommt das echt schon als Überforderung vor. Irgendwie finde ich es nicht richtig, dass Kinder ein derartiges Programm bekommen.
Gehe mal davon aus, dass Kinder in der Stadt im Durchschnitt eher überfordert werden, schon alleine, weil hier die Möglichkeiten viel zahlreicher sind. Eltern lassen sich heute verrückt machen und haben Angst, dass ihr kleiner Schatz irgendwie ins Hintertreffen geraten könnte. Wenn ich die Programme sehe, die Kinder im Freundes- und Bekanntenkreis teilweise durchziehen müssen, kann ich mir nur an den Kopf klatschen.Dass diese Kinder mit dem Druck dann irgendwohin müssen, ist klar.
Ich vermag auch nicht zu erkennen, dass das irgendeinen Vorteil für die Gesellschaft bringen würde. Ich sehe weder schlauere Kinder, noch fittere Kinder - allerdings weit mehr abgedrehte Kinder mit Aufmerksamkeitsdefiziten, Konzentrationsschwierigkeiten, Bewegungsproblemen und Übergewicht. Ob das im Ansatz miteinander zu tun hat, vermute ich jetzt erstmal nur. Auf jeden Fall läuft da irgendwas falsch.
Dieses unsägliche "Fördern und Fordern'" wurde schon im Rahmen neoliberaler Propaganda im politischen und wirtschaftlichen Bereich missbraucht und hat Einfluss bis tief in unsere Gesellschaft. Ziel war es immer, den Wettbewerbsgedanken, den Gedanken der Konkurrenz, die Normalität des survival of the fittest, bis in die Häuser und Köpfe der Menschen zu tragen. Das hat man in recht kurzer Zeit geschafft und jetzt müssen auch die Kinder darunter leiden.
Auf dem Land sieht man das naturgemäß im Durchschnitt etwas anders. Hier ist man schon immer etwas mehr "auf dem Boden geblieben" und neue Ideen haben es hier schwerer. Hier lässt man Kinder eher mal Kinder sein. Den Fördern und Fordern-Tourismus findet man aber auch hier. Nur sind die Karawanen der Mutter-Kind Autos aus den Neubaugebieten der kleinen Vororte nicht so auffällig und nicht so zahlreich.
Täglich eine zusätzliche Aktivität zum Besuch des Kindergartens oder der Schule halte ich für übertrieben. Damit werden die Kinder eher überfordert und können auch gar nicht mehr Kind sein. Es ist einfach zu viel des Guten, weil die Kinder doch alles, was sie aufgenommen haben, nicht so richtig verarbeiten können.
Ich kann auch nicht verstehen, dass solch ein Verhalten der Kinder gegenüber mit "so gewöhnen sie sich an den Stress" argumentiert wird. Stress macht bekanntlich krank und Kinder sind doch sensibel und können das gar nicht ab. Mich würde da echt interessieren, ob die Kinder all ihre Aktivitäten freiwillig und gern machen. Kannst Du dazu noch etwas sagen?
Allerdings sehe ich die Problematik nicht zwischen Stadt- und Landkindern, sondern eher zwischen ehrgeizigen Eltern/ Eltern, die ihren Kindern nur etwas Gutes tun wollen und Eltern, die ihre Kinder auch ihre Kinder sein lassen. Warum muss ein Kind einen dermaßen vollen Terminkalender haben? So bleibt doch gar jeine Zeit, um mal mit anderen Kindern zu spielen oder zu toben, oder? Auch, wenn in den anderen Aktivitäten andere Kinder integriert sind, ist es doch etwas anderes, als wenn ein freies Spiel angeboten wird.
Der Unterschied zwischen den von Dir beschriebenen Stadt- und Landkindern kann ich mir so erklären, dass es in der Stadt schon mehr Möglichkeiten gibt und vieles ist einfach zentraler. Wenn man als Landkind eine besondere Aktivität, die im Ort nicht direkt angeboten wird, muss erstmal eine Fahrt organisiert werden. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es für Eltern nicht immer möglich ist, an 5 Tagen/ Woche Fahrten auf sich zu nehmen. An 1 bis 3 Tagen ist es dann eher der Fall. Dazu kommt die Fahrdauer: lohnt es sich, das Kind dorthin zu bringen.
Nein, ich finde nicht, dass dadurch Kinder, die weniger "aktiv" sind und von Land kommen, unterfordert sind. Kinder lassen es auch spüren, wenn sie unterfordert oder gelangweilt sind. Dem kann man dann entgegen wirken, und dazu bedarf es nicht immer einer besonderen Aktivität. Allerdings ist es auch nicht verkehrt, wenn ab einem gewissen Alter das Kind sich eine Sportart, die es gern machen möchte, aussuchen darf und vielleicht noch zusätzlich etwas Musikalisches oder ähnliches machen möchte.
Zudem denke ich, dass Landkinder einfach kreativer sind und eher auf Wald und Flur anzutreffen sind, als Stadtkinder. Man muss dann schauen, was man machen möchte, denn Kino, Schwimmbad und Eisdiele gibt es ja nicht so weit verbreitet auf dem Land. Wenn die Landkinder stattdessen draußen spielen und sich dort entfalten können, ist es allemal besser, als das Kind von Tag zu Tag einen neuen Termin aufzudrücken. Ich kenne Eltern, bei denen so etwas leider geschieht und die sind extrem ehrgeizig, wollen Erfolge sehen. Da stehen die Kinder extrem unter Druck und kompensieren es mit Verhaltensauffälligkeiten, die dann wieder therapiert werden müssen. Das bedeutet dann wieder neue Termine und vielleicht sogar Ärger, weil das Kind nicht "funktioniert". So kommt ein Kind gar nicht mehr zur Ruhe. Allerdings ist es für mich dann kein Unterschied zwischen der Herkunft.
Das hat nicht unbedingt etwas mit Stadt oder Land zu tun. Da liegt an den Eltern was sie ihren Kindern zumuten. Denn was anderes ist es nicht, wenn Kinder in dem Alter quasi schon einen Terminplaner benötigen. Ich kenne nun auch beide Lebensbereiche. Und muss sagen, das ich es eher umgekehrt erlebt habe.
In meiner früheres Nachbarschaft, wohlgemerkt auf dem Land, wurden einige Kinder in alle Kurse gesteckt, die irgendwie möglich waren ohne das die Eltern einen Mehraufwand an Zeit hatten. Ein Beispiel war die Tochter der ehemaligen Nachbarn. Wobei man dabei noch sehen muss, das dieses Kind nie vor 21.30 Uhr ins Bett kam.
Der Vater die ganze Woche nicht zu Hause und am Wochenende hat er sich gewundert, warum seine Tochter fast nur am schlafen war. Das sie einfach unter der Woche total überfordert war mit ihren ganzen Termin von morgens 8 Uhr bis abends 17 Uhr hat er ja nicht mitbekommen.
Nun leben wir seit über einem Jahr selbst in der Stadt. Es wird viel vom Schulhort geboten und meine Töchter haben sich entschieden nur eine Arbeitsgemeinschaft zu besuchen. Damit haben sie eben sechs Tage in der Woche die Möglichkeit auch Kind zu sein.
Aktivitäten ausserhalb der Ganztagsbetreuung haben noch nicht ihr Interesse geweckt und ich werde ich da auch nichts aufdrücken. Andere Kinder, vor allem die Jungs, haben noch den Fussballverein. Das sind aber Termine, wo man einfach noch genug Tage in der Woche hat, wo man spielen kann.
Und wenn die Kinder bei dir auf dem Land nicht so viele Kurse besuchen, dann heisst das nicht automatisch, das sie unterfordert sind. Sie machen dann wohl eher das, was von allen Seiten immer wieder diskutiert wird. Sie spielen mehr draussen, weil man sie eben auch spielen lässt und nicht als Eltern versucht das den Kindern aufzudrücken, was man selbst gern gemacht hätte.
Nun soweit ich das von außen beurteilen kann, macht es den Kindern schon im Großen und Ganzen Spaß. Es sind schon Aktivitäten die ihnen prinzipiell Spaß mache, wobei mir auffällt, dass vor allem die Mädchen sehr viel zusätzlich machen.
An diesem Wochenende war ich eben bei einer Freundin mit ihrer Tochter, die nun drei Jahre alt ist. Bei ihr sieht der Wochenplan so aus, dass sie am Montag eben einen Tanzkurs hat. Der macht ihr glaube ich schon Spaß, weil da hat sie am Samstag dafür auch gleich ein neues Kleid bekommen und sie hat mir auch freiwillig und mit sichtlicher Freude vorgetanzt. Dazu hat sie aber keiner aufgefordert.
Am Dienstag geht sie derzeit in einen Eislaufkurs. Der ist ihr noch nicht ganz so geheuer weil sie sich das glaube ich etwas einfacher vorgestellt hat, aber ich habe beim letzten Besuch durchaus gesehen, dass sie selber das machen möchte, zumindest hat sie die ganze Zeit herumgejammert, dass sie das so gerne machen möchte, weil sie das eben so im Fernsehen gesehen hat und eine Freundin aus dem Kindergarten eben auch in den Kurs geht.
Mittwoch ist scheinbar der Musiktag. Da gehen sie zunächst einmal noch in musikalische Frühförderung und danach haben sie auch noch alle zwei Wochen ein Abo für die Kinderoper wo sie eben auch alle zwei Wochen zusätzlich hingehen. Da gibt es dann sogar zwei Programmpunkte danach. Vor dem Opernabo hatte die Kleine ein Theaterabo, natürlich auch für Kinder. Von dem hat sie nicht wirklich viel erzählt, aber dass sie nicht gerne hingeht hat sie nun auch nicht gesagt.
Am Freitag steht dann Ballet auf dem Programm. Das gefällt ihr wieder sehr. Voller stolz hat sie ihre Tütürockerl gezeigt und hat auch gleich alles vorgezeigt, was sie da schon so alles gelernt hat. Auch der Musikkurs von Mittwoch dürfte ihr sehr gefallen, da lernt sie verschiedene Instrumente kennen und die hat sie mir auch freudigst gezeigt.
Samstag ist zwar wenigstens endlich kein Kindergarten mehr, aber da ist dann bei ihr Voltagieren angesagt. Pferde und Mädchen sind natürlich oft eine gute Kombination und ich glaube, dass ihr das auch gefällt. Sonntag gibt es kein fixes Programm, wobei sie da eben auch mit Mama und Papa auf jeden Fall irgendein Tagesprogramm machen, damit die Familie eben endlich auch einmal zusammen etwas unternimmt.
Das ist jetzt einmal der Wochenplan von einem dieser fünf Kinder. Also durchaus heftig meiner Meinung nach. Bei den anderen Kindern sieht es ähnlich aus. Spaß macht ihnen jede einzelne Aktivität glaube ich schon und sie sind meistens auch frei gewählt, wenn auch oft von den Eltern so hingelenkt. Ich glaube aber eher, dass es die Summe ist, die ihnen einfach zuviel ist.
Ich finde jedes Jahr werden die Schreie lauter, dass Kinder immer mehr überflüssige Förderung bekommen. Das Eltern übertreiben und ihre Kinder schon sehr junge überfordern. Wie war das noch mit den Nachhilfestatistiken? Ich glaube das war irgendwie das 50% der Nachhilfeschüler gar nicht schlecht sind, sondern nur noch besser werden sollen.
An sich ist es nicht schlecht, wenn man eine Aktivität hat. Ich hatte als solche zwei Mal die Woche Judo und finde es auch wichtig dass ein Kind EINEN solchen Ausgleich hat und irgendetwas was es auch über Jahre hinweg durchhält. Jeden Tag einen eigenen Plan halte ich aber für vollkommen übertrieben. Die Kinder sollen schließlich auch einfach mal rausgehen oder im Zimmer spielen und kein Unterhaltungsentertainment bekommen. Ich selbst komme aus einer Kleinstadt und kenne das was du beschreibst nur aus Einzelverhalten. Dieses Verhalten tritt in meinem Bekanntenkreis immer da auf, wo alleinerziehene Mütter mit Schuldgefühlen agieren, oder eher wohlhabende Eltern, die ihre Kindern fördern und gerne abgeben. Die meisten Eltern jedoch, die ich kenne vernachlässigen eher die Kinder als das sie sie überfördern.
Das ein Kind jeden Tag einen Plan vorkommt kann gar nicht gut sein. Auch ein Kind braucht mal eine Ruhephase und einfach ein bisschen Zeit für sich oder zum Spielen. Klar sind die einzelnen Aktivitäten lustig und vielleicht auch selbst gewählt, aber wieviel Wahlmöglichkeit hat ein Kind in dem Alter schon. Und was wollen die Eltern machen sobald das Kind in die Schule kommt und wie soll das Kind je lernen sich selbst zu beschäftigen? Ich halte so etwas wirklich für fragwürdig und kenne es auch nicht als typisches Verhalten aus Großstädten. Die meisten Eltern haben doch gar nicht das Geld um solch eine Förderung zu bezahlen. Das muss ja auch ein unglaublicher Geldaufwand sein.
@tournesol
Wenn ich das so lese, dann frage ich mich wirklich, wo das einem Kind noch Spass machen soll. Es gibt gerade mal einen Tag pro Woche, wo kein Termin ansteht. Und das soll reichen?
Das Kind ist drei Jahre alt. Es kann sich noch nicht wirklich äussern, wenn ihm etwas nicht passt. Natürlich zeigen Kinder gern was gelernt haben. Ob das nun die normale Entwicklung ist oder weil sie in irgendwelche Kurse geschickt werden, ist dabei egal. Selbst wenn es sich nur allein den Po abwischen kann, erfüllt es ein Kind mit stolz und muss jedem präsentiert werden, der es auch sehen will.
Das man als Eltern dieses Verhalten so interpretiert, das das Kind nun Spass an der Sache an sich hat, dürfte klar sein. Nur sollte man sich als Eltern auch fragen, ob man später den Vorwurf hören will, das man die Kindheit versaut hat, weil man ständig irgendwo Termine hatte.
Ich denke, da hat vor allem mit den jeweiligen Eltern und nicht mit Stadt oder Land zu tun. Die haben oft einen Geltungsdrang, sehen ihre Kinder als Statussymbole, und die müssen natürlich nicht nur mit Altersgenossen "mithalten", sondern diese auch noch übertrumpfen. Daß andere Eltern im Umfeld dann auch noch genauso denken, treibt das ganze dann nur noch wechselseitig hoch. Daß besonders minderbemittelte Eltern das auf die Spitze treiben und auch noch meinen, sie tun ihrem Nachwuchs damit auch noch etwas gutes, ist die fatale Konsequenz.
Ferner kommt auch noch der Punkt dazu, daß Eltern ihre Kinder "beschäftigt" wissen wollen, aber eben mit sich oder "irgendwo", nicht mit den Eltern (egal ob sie nun einen Job haben oder schlicht keine Lust sich um die Kinder zu kümmern) - das ist leider mehr die Norm als die Ausnahme und auch ein gesellschaftliches Phänomen. Wobei wir wieder bei der Frage ankämen, wieso bekommen solche Leute überhaupt Kinder? (Meine These wäre, daß sie noch mehr Geld für Zigaretten und Bier brauchen und das "Kindergeld" da ganz günstig kommt).
Natürlich gibt es auch für "kleinere" Kinder schon sinnvolle Unternehmungen, so kann es zB nicht schaden wenn ein Kind früh schwimmen lernt, oder auch irgendein anderes Hobby entwickelt, solange das vom Kind ausgeht. Schlimm wird es ab dem Punkt, wo die Eltern einfach aussuchen und das Kind überall "hinschleppen". Aber das hat nichts mit Stadt oder Land, sondern der Dämlichkeit und dem Unvermögen der "Eltern" zu tun.
Gerade, weil das Kind mit 3 Jahren noch sehr jung ist, sollten die Eltern versuchen, die Aktivitäten weitgehends nach unten zu schrauben. Allein schon, um das Kind vor einer Überforderung oder vor einer Überreizung zu schützen. Ich finde, dass Deine Freundin sich schon etwas verantwortungslos verhält, gerade, weil sie es ja gut meint. Ich möchte mich aber gar nicht über Deine Freundin anmaßen.
Du schreibst, dass das Mädchen beim Eislauf noch recht vorsichtig ist. So etwas würde ich als Mutter dann schon als Anlass nehmen, das Eislaufen sein zu lassen. Lieber würde ich dann mit dem Kind selbst zum Eislaufen fahren und mit ihm es versuchen. Man muss ja nicht gleich einen Kurs belegen, wenn man selbst die Möglichkeit hat.
Tanzkurse für 3jährige? Puh. Kinder führen aber gern etwas vor, auch ohne, dass sie einen Kurs besuchen. Auf Tanz und Musik fahren sowieso die meisten Kinder ab. Ich glaube, ich käme auch nicht als Mutter auf die Idee, mein Kind in dem jungen Alter für so etwas schon anzumelden. Auch bei Oper- und Theaterabo bin ich sehr kritisch. Kultur ist ja wichtig, aber das Kind ist immer noch erst 3 Jahre alt. Mit dem Eintritt in die Schule wäre so etwas vielleicht sinnvoller.
Du siehst, ich bin sehr kritisch und sehr skeptisch. Einem so kleinen Wurm den Terminkalender so vollzupacken, dann auch noch mit sehr anspruchsvollen Beschäftigungen ist schon heftig. Wo bleiben die Zeiten, all das zu verarbeiten? Du hattest ja geschrieben, dass die Kinder nach ihren Terminen zu kaputt sind, um noch etwas zu machen und dann einen Kinderfilm schauen. Das sind noch mehr Reize, die das Kind nicht verarbeiten kann. Ich würde es selbst im 10fachen Alter nicht so hinbekommen.
Dazu kommt der Punkt, den Punktedieb bereits angesprochen hat: das Kind ist noch sehr jung und es kann sich nicht unbedingt äußern, was es wirklich möchte und was davon wirklich ihrem Interessengebiet vorschlägt. Eine "Manipulation" durch die Eltern kann durchaus bewirken, dass das Kind von allem sehr begeistert ist und alles ausprobieren möchte.
Ich denke wirklich, dass man anhand Deines Beispiels sehen kann, es liegt nun nicht an Stadt- oder Landkindern, sondern daran, was die Eltern möchten und vielleicht auch ein wenig, was das Kind möchte. Was mich noch dabei interessiert: gibt es auch Unternehmungen von Kind und Mutter (ich weiß nun nicht, ob sie alleinerziehend ist, daher lasse ich ihn außen vor), die nichts mit einem Termin zu tun haben? Einfach nur mal spazieren gehen, auf einen Spielplatz gehen, draußen toben, sofern es Möglichkeiten gibt?
Nun ja, einige Ideen kamen schon direkt von der Tochter und nicht unbedingt von den Eltern. Die Kleine sieht und hört eben auch was ihre Freunde im Kindergarten machen und die sticheln sich da irgendwie gegenseitig in die Höhe. Die Freundin im Kindergarten geht in Ballett, erzählt davon begeistert im Kindergarten, da möchte die andere Freundin dann natürlich mithalten und so weiter. Dieses Verhalten gibt es durchaus schon bei den Dreijährigen im Kindergarten!
Alle Kinder die ich erwähnt habe, also sowohl die vom Land als auch die von der Stadt leben in normalen Familien. Die Eltern sind demnach nicht getrennt. Die Eltern haben durch die Aktivitäten aber auch nicht wirklich eine Erleichterung. Im Gegenteil. Meine Freundin hat mir am Wochenende geschildert, dass es für sie sogar ein wenig lästig ist, dass sie die Kleine eben vom Kindergarten abholt, zur nächsten Aktivität hinbringt und dort muss sie dann eben eine Stunde in der Garderobe oder wo auch immer warten, bis die Ballettstunde oder was auch immer vorbei ist. Bisher konnte sie eben meistens dabei sein, aber bei den meisten Kursen ab 3 Jahren geht man eher davon aus, dass die Eltern nicht dabei sind.
Danach oder eben davor, je nachdem wie es eben die Zeit zulässt geht sie mit der Kleinen schon auch zum Spielplatz, großartige Landspatziergänge sind in der Großstadt natürlich nicht unbedingt drinnen. Wenn einmal etwas ausfallen sollte oder so gehen sie aber eben zum Beispiel auch in den Tiergarten oder dergleichen.
Ich glaube, dass sich sowohl die Eltern als auch die Kinder gegenseitig hochschaukeln. Die eine Mama hört, dass das eine Kind von der anderen Mama zusätzlich auch noch in einen anderen Englischunterricht geht. Dann denkt sie sich vielleicht, dass das ihr Kind auch mithalten muss und schickt es demnach auch hin, damit die Kinder das gleiche Wissen haben. Die nächste hat sich eben ein Opernabo genommen, das erzählt sie im Kindergarten natürlich auch herum und so muss man da natürlich auch mithalten. Und so weiter und so fort.
Ich denke trotzdem weiterhin, dass es schon einen Unterschied zwischen Stadt und Land gibt. Ich lebe wie gesagt in einem Dorf am Land und bei mir würde es einfach gar nicht so viele Angebote geben. Demnach können sich sowohl die Eltern als auch die Kinder gegenseitig nicht so hochschaukeln. Dieses gegenseitige Mithalten mit dem anderen darf man nicht unterschätzen. Ich wohne zum Beispiel direkt an einem See. Hier ist es zum Beispiel auch üblich, dass die Kinder zum Teil bereits im Kindergarten oder aber eben spätestens in der Volksschule einen Segelkurs machen. Diese Kurse werden dann ja sogar eben von Kindergarten oder Schule gefördert.
Dadurch macht hier eben wirklich fast jedes Kind über kurz oder lang einen Segelschein. Genauso wie die Kinder bei meiner Schwester in Tirol eigentlich alle mit drei Jahren einen Skikurs machen. Das ist ja auch eine gewisse Art von gemeinschaftlichem Hochschaukeln. Ein tiroler Kind welches nicht Skifahren lernt, wird sogar etwas schief angesehen, genauso ist es hier mit Kindern, die eben keinen Segelschein oder so machen. Schief angesehen ist vielleicht der falsche Ausdruck, aber es machen eben alle automatisch mit.
In der Stadt läuft es denke ich mehr oder weniger gleich ab, nur gibt es dort eben wesentlich mehr unterschiedliches Angebot und demnach kommt es dann eben zu diesen überfüllten Terminplänen die ich auch nur noch glatten Wahnsinn halte. Aber auch wenn eben die 5 Stadtkinder die ich eben im Kindergartenalter kenne keine zuverlässige Statistik abgeben, kann es doch auch nicht wirklich Zufall sein, dass alle Kinder in der Stadt einen derartigen Terminplan haben und alle am Land überhaupt nicht so. Die machen maximal eine bis allerhöchstens zwei zusätzliche regelmäßige Aktivitäten wie eben einen extra Kurs pro Woche und viele auch gar keine.
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