Der Trend zum "Du"

vom 20.01.2011, 15:37 Uhr

Seit einiger Zeit fällt mir auf wie "Ranghöhere" sich ihren "Untergebenen" mit Vornamen vorstellen und das "Du" anbieten, oder gar darauf bestehen nicht gesiezt zu werden. Dabei handelt es sich um Lehrpersonen, Vorgesetzte und sogar Doktoren. Jeder will offenbar das distanzierte "Sie" weglassen und zum freundschaftlichen "Du" wechseln.

In der Oberstufe fing es bei mir erst mit dem gesiezt werden an. Ich war es gewohnt die Lehrkraft mit "Sie" anzusprechen, aber noch lange nicht selbst gesiezt zu werden. Uns wurde damals gesagt, dass wir so auf die Arbeitswelt vorbereitet werden sollen, es würde uns nach der Schule erwarten. Anfänglich war es befremdlich, doch nach und nach gewöhnte ich mich daran.

Mittlerweile bin ich in der Arbeitswelt angekommen. Hier wird auf einmal mehrheitlich ein "Du" angeboten. Fast jeder will auf Augenhöhe mit uns Lehrlingen/Studenten sein.

Ich selbst bin auch zum "Sie" sagen erzogen worden und habe das als in Ordnung empfunden, weil ich jemanden der über mir steht, mir fremd ist, ja nicht duzen kann. Jetzt muss ich mich aber umstellen können, was mir sehr schwer fällt. Ich kann doch meine Vorgesetzten/ Lehrer/ Dozenten nicht einfach mit Vornamen ansprechen? Da ist einfach eine Blockade in meinem Kopf. Ich merke aber, dass es nicht gut ankommt, wenn ich beim distanzierten "Sie" bleibe.

Mich würde interessieren, ob ihr vielleicht das gleiche beobachtet und ob ihr ihr Tipps habt, wie ich lernen könnte "Du" zu sagen.

» JeanSmith » Beiträge: 422 » Talkpoints: 4,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich bin im Einzelhandel selbstständig tätig und kann deine Beobachtung nicht bestätigen. Nun ist mein Wirkungskreis ganz sicher eine Anderer als bei dir. Aber grundsätzlich muss ich sagen, das ich die Masse meiner Kunden und Geschäftspartner "Sieze". Dabei ist es mir nicht relevant, wer "Ranghöher" ist oder der "Ältere". Auch Partner und Kunden, mit denen ich seit Jahren ein Vertrautes und Enges Verhältniss habe, bin ich per "Sie". Ich würde auch gar nicht auf die Idee kommen, das ändern zu wollen. Ich stehe meinen Leuten ja deswegen nicht näher. Ich bin 35 Jahre alt und so erzogen, stehe mit dieser Einstellung aber möglicherwiese altmodisch da.

» Friedmann » Beiträge: 561 » Talkpoints: -1,05 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Hast Du mal bei Dir im Betrieb gefragt, warum man so sehr auf das "Du" aus ist? Mir kommt es schon komisch vor, dass man gleich zu Beginn ein "Du" angeboten wird. Wobei es sicherlich auch von Branche zu Branche unterschiedlich ist.

In den Kindergärten ist man immer direkt von einem "Du" ausgegangen, weil es die Zusammenarbeit mit den Kindern einfacher macht und es schneller geht. Es würde auch komisch sein, wenn man von den Kindern geduzt, von den Kollegen aber grundsätzlich gesiezt wird. Da hat sich definitiv das "Du" durchgesetzt.

Inzwischen gehe ich ja bekanntlich einer anderen Arbeit nach. Bei meiner Einarbeitung habe ich auch einfach so den Kollegen gesiezt, bis er immer mehr mit dem "Du" ankam. Anfänglich fiel es mir da auch sehr schwer, beim "Du" zu bleiben. Er hat mir das "Du" allerdings nicht angeboten, sondern hat mich einfach so geduzt. Mit der Zeit habe ich mich aber auch daran gewöhnt und duze ihn inzwischen automatisch.

Bei meinen Vorgesetzten wurde das Thema des "Du"'s noch nicht angesprochen und darum bin ich auch sehr froh. Ich möchte die Distanz gern noch wahren, da es mir durchaus passieren kann, dass mir ein "Du A...." herausrutscht. Bei "Sie A..." besteht in jedem Fall eine Hemmungsschwelle.

Benutzeravatar

» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Ich denke mal, dass es bei dir eine Gewöhnungssache ist. Du bist zum "Sie" erzogen worden und warst es auch bisher so gewohnt und jetzt wird alles anders gemacht. Da ist es ja klar, dass du Anfangsschwierigkeiten damit hast.

Du solltest dich einfach darauf einlassen und die anderen Kollegen ebenfalls mit dem "Du" ansprechen, wenn es so gewünscht ist. Ich bin mir sicher, dass du dich daran gewöhnen wirst. Ich muss auch dazu sagen, dass es mir in der Zusammenarbeit mit den meisten leichter fällt, wenn ich "Du" sagen kann. Ich sage auch "Du" zu meiner Chefin, das hat sie uns angeboten und ich finde das ganz angenehm.

Vielleicht wirst du auch noch feststellen, dass das ein anderes Arbeitsklima schafft. Selbst wenn es dein Chef ist, kannst du doch trotzdem "Du" sagen. Der Respekt vor dieser Person muss dir deshalb nicht abhanden kommen. Du kannst dennoch höflich bleiben, deiner Arbeit nachgehen und die Zusammenarbeit mitgestalten. So würde ich es eher sehen. Mach es dir nicht schwerer, als es letztendlich ist. Dein weiteres Berufsleben wird dir so etwas noch häufiger passieren.

Benutzeravatar

» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Mir persönlich ist bei Vorgesetzten ein "Sie" auch lieber als ein "Du". Vor meiner Karenz habe ich in einem privaten Bildungsinstitut gearbeitet. Die Chefin dort hat mir gleich das "Du" angeboten. Zunächst einmal habe ich es recht nett gefunden und ich habe mir gedacht, dass es zu einem angenehmen und lockeren Arbeitsklima beiträgt. So war es eine Zeit lang auch.

Allerdings muss man dazu sagen, dass diese Chefin leider manisch depressiv war. Also nun nicht nur gefühlsmäßig, sondern tatsächlich! Es gab also durchaus Zeiten, wo man mit ihr sehr gut ausgekommen ist. Allerdings gab es dann auch immer wieder Zeiten, die die Hölle waren. Sie war da eine richtige Furie, hier kann ich es ja sagen und alle die dort waren, sehen das auch so. Ich habe vor allem in diesen Zeiten sehr das "Sie" vermisst. Ganz einfach weil man "Sie Arschloch" nicht so schnell über die Lippen bringt als bei einem "Du"

Dieses Wort wurde zwar nie wortwörtlich verwendet, zum Glück, aber trotzdem wurde vor allem in solchen Zeiten von ihr viel zu viel und falsch gesagt, teilweise sogar richtig verletzend. Und ich bin davon überzeugt, dass sie einiges nicht gesagt hätte, wenn wir per "Sie" gewesen wären. Deswegen wäre mir ein förmlicher Umgangston mit ihr lieber gewesen, zumindest eben mit dem Vorgesetzten direkt.

Bei den Arbeitskollegen finde ich ein "Du" durchaus angepasst und das trägt dann meiner Meinung nach wirklich zu einer angenehmen und lockeren Atmosphäre bei. So war es auch in einer Schule, wo ich nach dem Studium das Schulpraktikum gemacht habe. Zu den Lehrerkollegen war ich per "Du" und den Direktor haben alle mit "Sie" angesprochen, obwohl der wirklich nett und freundlich war. Ich habe mich trotzdem auch immer wieder nett mit ihm unterhalten und die Gesprächsatmosphäre war trotzdem locker. Ich hätte trotzdem nicht "Du" zu ihm sagen wollen.

Ich war in einer Berufsschule. Dort wurden wir am Anfang von allen Lehrern mit "Du" angesprochen und wir haben mit einer Selbstverständlichkeit die Lehrer gesiezt. Stand auch nie zur Diskussion, dass wie sie geduzt hätten. Als wir in den höheren Klassen dann einen Lehrerwechsel gehabt haben, haben die Lehrer uns am Anfang immer gefragt, ob sie zu uns "Du" sagen dürfen. Wir haben das irgendwie nett gefunden, dass sie gefragt haben, weil es für uns eine Art Wertschätzung war, haben aber natürlich allen Lehrern das "Du" angeboten.

Sehr seltsam war es nur bei einer Lehrerin. Die hatte ich in der ersten Klasse in Französisch. Die Klasse war damals aber noch in zwei Gruppen geteilt. In der zweiten Klasse wurden wir aber zusammengelegt und so hatte die andere Gruppe nun auch diese eine Lehrerin. Die war dann so komisch, dass sie uns von der ersten Gruppe immer mit "Du" angesprochen hat und die von der neuen Gruppe mit "Sie". Also innerhalb einer Klasse hat sie mal Du, mal Sie gesagt und das war wirklich fürchterlich, weil sich die neue Gruppe dadurch benachteiligt gefühlt hat.

Nach der Matura / Abitur wurde uns von einigen Lehrern das Du angeboten. Ich war darüber ehrlich gesagt nicht besonders erfreut. Sie haben es zwar nett gemeint, aber trotzdem rede ich sie weiterhin mit "Sie" an, wenn ich eben die Lehrer zum Beispiel am Tag der offenen Tür oder bei Klassentreffen sehe. Ich weiß auch gar nicht mehr so genau wer nun das Du angeboten hat und wer nicht und das finde ich eher verwirrend. So bleibe ich konsequent und bei jedem beim Sie.

Benutzeravatar

» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich habe weitgehend die selben Erfahrungen gemacht wie du. Als ich in die 11/12 Klasse, also Oberstufe gekommen bin, fingen die Lehrer an, uns zu siezen. Zu beginn ist es mir wirklich unangenehm gewesen. Das ging wohl vielen meiner Mitschüler auch so. Wir konnten uns aber mit den Lehrern auf ein "du" einigen, dass zählte auch von Schüler zu Lehrer.

Neulich war ich in einem bei jungen Leuten angesagten Laden shoppen. Der Besitzer/Verkäufer im Laden war nicht viel älter als ich selbst. Bei der Beratung kam er gleich freundlich auf mich zu und sprach mich auch mit dem "du" an. Ich sehe sehr viel älter aus als ich es eigentlich bin, daher war ich schon leicht verwundert über die ungewohnte Anrede. Ich bekam aber auch mit, dass der Verkäufer "ältere" Herrschaften mit dem "du" anredete.

Eine gegensätzliche Situation habe ich allerdings auch erlebt. An meiner Ausbildungsstelle (bei einem Anwalt) siezt sich jeder. Sowohl die Mitarbeiter untereinander, die tagtäglich im selben Raum sitzen, arbeiten und miteinander reden, als auch die Chefs, die ihre Mitarbeiter siezen.

Meine Meinung dazu ist, dass die "Rangunterschiede" zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeben natürlich vorhanden seien müssen. Aber ich fühle mich sehr viel wohler, wenn man mir mit einem "du" entgegenkommt. Ich fühle mich angesprochen und auf einer Ebene mit meinem Kommunikationspartner.

Benutzeravatar

» damomo » Beiträge: 3334 » Talkpoints: -0,80 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich kannte bis ich in meiner jetzigen Arbeitstelle angefangen habe auch nur das üblich "SIE" im Umgang mit Kollegen. Selbst die Auszubildenden wurden gesiezt. Jetzt bin ich in einer Firma die den Mutterkonzern in Amerika hat und dort sprechen sich alle mit Vornamen an. Im englischen gibt es ja das Problem mit du und Sie nicht da beides mit You übersetzt wird. Daher die Erklärung meiner Personalchefin als ich verdutzt frage warum sich alle duzen, das wir eine amerikanische Tochtergesellschaft sind und man das dort ebenso macht. Also duze ich als Sekretärin sogar den Geschäftsführer und bei hohem Besuch aus Amerika werden auch alle mit Vornamen angesprochen.

» nadpat » Beiträge: 1077 » Talkpoints: 2,22 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich duze einfach immer Jeden wenn der nicht rangmäßig über mir steht. Meinen Chef bei der Arbeit duze ich auch. Ich finde es einfach viel angenehmer mit Jemandem reden zu können den man "Du" nennen kann. Ich weiß nicht warum, ich finde es aber viel angenehmer. Mag wohl auch damit zusammen hängen, dass ich ein krasses Problem damit habe mit Autoritäten umzugehen. Mit dem Wort "Du" verliert die Person ein Stück weit ihre Autorität.

» TuDios » Beiträge: 1475 » Talkpoints: 4,83 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Eine neue Erscheinung kann ich das nicht nennen. Als ich 1981 nach Hamburg kam, war es bei meinem Arbeitgeber, einem Forschungsinstitut, auch so, dass wir uns duzten. Unser Chef stellte sich mit Vornamen vor und wir durften ihn duzen. Natürlich gab es ein paar Altvordere, die gesiezt wurden, aber die Jungakademiker legten darauf keinen Wert. Was ich selber als sehr schwer empfand, war trotzdem die Distanz zu wahren. Denn meine Mutter sagte immer es ist einfacher du A**loch zusagen als Sie A**loch.

Auf einer Forschungsreise hatten wir unseren Verwaltungschef mit auf dem Schiff und irgendwann duzten ihn alle nur ich nicht. Als wir wieder an Land waren, traf ich ihn ihm Fahrstuhl und er sprach mich direkt darauf an. Er vermutete, dass ich etwas gegen ihn hätte. Aber ich war damals das einzige Mädchen auf dem Schiff und dazu noch die Jüngste und befürchtete, dass die ewig Zuhausegebliebenen die, die nie eine Reise mitmachen konnten, böse Sprüche machen könnten, wenn wir uns nun duzen. Denn viele vermuteten hinter solchen Anreden dann auch gleich irgend welche Intimitäten.

Benutzeravatar

» akasakura » Beiträge: 2635 » Talkpoints: 1,50 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Für mich ist es selbst heute mit mitte 20, noch komisch, wenn ich gesietzt werde. Ich fühle mich selbst noch nicht so alt und bin es daher eher gewohnt, dass ich mit Du angesprochen werde. Dazu kommt noch, dass ich jünger aussehe, als ich bin und alleine deswegen schon oft mit Du angesprochen werde. Allerdings habe ich auch gelernt, dass man andere und gerade ältere Menschen mit Sie anspricht. Ich sieze daher immer erst jeden Fremden, weil es die Höflichkeit einfach so vorgibt.

Meinen Freund erwische ich immer wieder dabei, wie er mit Fremden oft in Du - Form redet. Er sagt dann zum Beispiel in einem Geschäft : " Habt ihr das noch im Lager vorrätig ?" Statt dann zu fragen, ob sie es noch im Lager haben. In einem Geschäft geht es ja noch, aber er macht es auch, wenn wir mit Versicherungsmaklern oder ähnlichen Leuten sprechen. Mir ist das dann schon etwas peinlich. Sicher ist ein Du angenehmer und irgendwie auch freundschaftlicher, aber ich denke, dass es in manchen Situationen auch einfach besser ist, wenn man siezt. Bei einem Vorgesetzen fände ich das Du zu persönlich und würde mich dabei unwohl fühlen. Gerade, Respektspersonen siezt man doch meistens und das eben auch aus gutem Grund. Allerdings gefällt mir der lockere Ton im englischen auch, dabei gibt es ja kein Sie und alles und jeder wird mit Du angesprochen.

Benutzeravatar

» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^