Mutter führt Kind vor, weil es Transgender ist

vom 22.12.2010, 14:37 Uhr

Ich kenne mehrere Transgender. Dass manche von ihnen große Probleme mit der Intoleranz ihres Umfeldes haben, ist mir daher nicht neu. Allerdings finde ich das, was ein Freund nun schon eine Weile mitmacht, ziemlich schlimm.

Er hat sich schon vor fast zweieinhalb Jahren bei seinen Freunden und der Familie geoutet. Keiner hatte damit ein Problem, bis auf seine Mutter. Er bat schon damals darum, beim neuen Namen genannt zu werden. Der Gerichtsbeschluss über die Namensänderung soll wohl bald erfolgen. Männliche Hormone nimmt er auch schon seit einem Jahr. Jeder nutzt den neuen Namen, mit Ausnahme dieser Frau.

Letztens rief mich der Freund an und erzählte mir, was sie sich nun wieder geleistet hat. Sie war bei anderen Leuten unterwegs und hat dort über ihn gesprochen. Er kam später zu ihr, um ihr etwas zu bringen. Die anderen Leute, die er bis dahin noch nicht kannte, kamen auf ihn zu und sagten: "Hallo XY" und nannten dabei den vollständigen Mädchennamen. Er hatte aber schon vor mehreren Jahren darum gebeten, diesen Namen nicht zu verwenden, sondern eine Unisex-Abkürzung des Namens zu verwenden, so wie "Alex" für Alexandra oder Alexander stehen kann (das ist nicht sein Name, nur als Info, damit er anonym bleibt). Auch von dem neuen Namen gibt es eine Unisex-Abkürzung. Die Mutter weigert sich jedoch, diese zu verwenden. Wenn sie mit anderen Menschen über ihn spricht, nennt sie immer seinen alten Mädchennamen.

Er hat ihr schon sehr oft gesagt, dass es ihn verletzt. Ihr ist das egal. Sie lacht dann immer und sagt ihm, dass sie sich nicht so schnell umgewöhnen könnte. Komisch ist, dass sie wohl früher öfter die Unisex-Abkürzung des alten Namens verwendet hat, seit seinem Outing aber darauf verzichtet und fast immer den kompletten Mädchennamen verwendet. Ausnahmen gibt es immer dann, wenn sie etwas von ihm möchte, zum Beispiel wenn sie jemanden braucht, der ihr eine Glühbirne reinschraubt. Hinzu kommt noch, dass sie wohl ein sehr kalter Mensch ist. Wie das sein kann, kenne ich selbst sehr gut aus meiner Familie (ebenso wie Intoleranz an sich, nur in anderer Form).

Mein Freund und ich sind der Meinung, dass das kein Zufall ist. Die Frau könnte sich sehr wohl umgewöhnen. Sie will es nur nicht. Wie seht ihr das?

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Das beweist mir mal wieder, dass wir in Deutschland noch lange nicht bei einer toleranten Gesellschaft angekommen sind. Es ist generell ungerecht jemanden wegen seiner Andersartigkeit zu verurteilen oder persönlich anzugreifen. Wenn das die eigene Mutter tut ist es aber noch schlimmer. In seinem Elternhaus fühlen sich zwar viele Jugendliche nicht richtig verstanden, aber es bietet doch normalerweise einen gewissen Halt. Wenn der dann auch noch wegfällt, verliert man den letzten Boden unter den Füßen. Natürlich wäre es für sie kein Problem einfach den neuen Namen oder die Unisex- Abkürzung zu verwenden, aber sie will es eben nicht, weil sie diese Veränderung nicht akzeptiert.

Letztlich hat sie in diesen Dingen allerdings überhaupt kein Mitspracherecht. Er sollte sich von den Äußerungen seiner Mutter nicht so fertig machen lassen. Stattdessen soll er lieber stolz darauf sein, dass er sich zu diesem Schritt getraut hat. Wenn Andere ihn nur aus diesem Grund schikanieren, sollte er diesen Menschen den Rücken zukehren. Auch dann wenn es die eigene Mutter ist. Vielleicht denkt sie dann einmal darüber nach was sie gemacht hat.

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» daaldi91 » Beiträge: 389 » Talkpoints: 0,21 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich glaube, dass diese Frau tief getroffen ist von seinem Outing und der Entscheidung, künftig einem anderen Geschlecht anzugehören. Sie ist sicherlich eine intolerante Person, zumindest erscheint mir das aufgrund deiner Beschreibung so zu sein. Und natürlich möchte sie ihn das in jedem Augenblick der sich bietet spüren lassen. Ich persönlich finde das schrecklich, gerade weil sie die Mutter ist.

Was ich allerdings nicht verstehe ist, warum er sich das gefallen lässt. Warum bricht er nicht den Kontakt zu ihr ab? Ihr scheint ja wohl nicht sehr viel an ihm und seinem Glück zu liegen, denn sie ist ja nur nett zu ihm, wenn sie ihn braucht. Sie führt ihren eigenen Sohn vor und macht ihn damit bei anderen schlecht. Ich finde das unmöglich und denke, dass fällt auch schlecht auf sie zurück.

Vielleicht wäre aber auch ein offenes Gespräch zwischen den beiden einmal angebracht. Vielleicht sollte er ihr einmal sagen, wie er sich damit fühlt. Aber dann nicht einfach so, sondern klar und deutlich. Manchmal muss man auch mit seiner eigenen Mutter ein deutliches Wort sprechen, damit sie sich wieder normal verhält.

Ich frage mich, warum immer noch so viele Menschen so intolerant gegenüber andersartigen Menschen sind. Warum kann man nicht einfach jeden leben lassen wie er oder sie es will und es einfach akzeptieren? Gerade bei seiner Mutter scheint der Respekt dem eigenen Kind gegenüber zu fehlen und das lässt sie ihn schon spüren.

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» Vampirin » Beiträge: 5979 » Talkpoints: 30,32 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich glaube schon, dass man sich umgewöhnen kann, bei anderen funktioniert das auch. Die Frage ist doch, will dessen Mutter das auch. Wir Jüngeren sind heute viel toleranter gegenüber Schwulen, Lesben oder Menschen, die im falschen Körper aufwachsen. Bei den älteren Menschen ist das oftmals nicht so. So kommen oftmals die Eltern und da vor allem die Mütter nicht damit zurecht. Sie haben die Kinder aufgezogen und machen sich Vorwürfe, weil sie so geworden sind. Viele halten es noch für eine Krankheit oder fragen sich, was sie wohl falsch in der Erziehung gemacht haben.

Diese Menschen werden sich dann nur sehr schwer damit abfinden und unterstützen ihre Kinder leider nicht auf ihrem schweren Weg. Ich kann mir vorstellen, wie sehr es ihn verletzt, gerade wenn das schon oft ein Thema gewesen ist. Ob es jetzt daran liegt, dass er sein Anliegen mit dem Namen ihr noch nicht richtig vermitteln konnte, oder sie es auf keinen Fall einsehen möchte und keine Argumente gelten lässt, lässt sich von hier aus nicht sagen, es ist auf jeden Fall schade und wird das Verhältnis zwischen den beiden sicherlich irgendwann zerstören.

» urilemmi » Beiträge: 2263 » Talkpoints: 7,31 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Es ist schon sehr traurig, dass sie ihren Sohn scheinbar nicht so lieben kann wie er ist. Gerade von den Eltern erhofft man sich doch die meiste Toleranz, leider sieht die Realität meist anders aus. Einen ähnlichen Fall gab es in meinem Freundeskreis, denn eine Freundin hat sich geoutet und lebt nun mit einer anderen Frau zusammen. Wir alle haben uns sehr für sie gefreut, denn selbst heutzutage gehört noch viel Mut dazu sich zu outen und dies dann auch ausleben zu können. Das einzige Problem war ihre Mutter, die sich Vorwürfe wegen (und jetzt kommt der Hammer) ihrer Gene gemacht hat. Das irgendwas bei der Geburt schief gelaufen sein muss etc., und so etwas sagt sie ihrer Tochter direkt ins Gesicht. Als ich das erfahren habe, war ich total erschüttert.

Schon traurig, dass besonders noch die alten Generationen nicht wirklich verstehen können, dass auch gleichgeschlechtliche Liebe normal ist. Ich sage diesen Leuten dann immer, dass man sich ja nicht in ein Geschlecht verliebt, sondern in einen Menschen. Aber solange selbst bei den jüngeren Menschen noch Wörter wie "Schwuchtel", "schwul" und "Transe" zu den Schimpfwörtern gehören, wird sich die ganze Einstellung kaum ändern können, weil dann auch deren Kinder eine schlechte Verbindung zu diesen Begriffen aufbauen.

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» VanaVanille » Beiträge: 408 » Talkpoints: 0,12 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Toleranz hört oft in der eigenen Familie auf. so gibt es Menschen, die kommen gut mit Schwulen, Lesben oder eben auch mit transgenden Menschen aus. aber wenn es dann um das eigene Kind geht, dann ist es doch ein Schock. Gerade als Mutter ist es wohl ein wirklich großer Schok, den man auch erst verarbeiten muss. Einige Mütter denken dann, dass sie in der Erziehung was falsch gemacht haben oder eben es nicht mehr das Kind ist, was sie auf die Welt gebracht haben.

Ich bin ein sehr toleranter Mensch. Aber ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn meine Tochter oder mein Sohn sich in diese Richtung outen würden. Ich habe dieses Kind geboren und ich wußte von Anfang an, welches Geschlecht mein Kind hat. Ich habe ihm den Namen gegeben und nun ist es anders als es eben war. Ich denke, dass ich auch da tolerant sein würde, wenn es so wäre, aber ich kann auch die Eltern verstehen, die damit ihre Schwierigkeiten haben. Für sie ist es bestimmt auch nicht einfach.

@Cologneboy2009: Irgendwie liest es sich der Mutter gegenüber ziemlich abfällig ("diese Frau") . Sie ist die Mutter und ich denke, dass man bei aller Toleranz des Kindes gegenüber auch der Mutter gegenüber tolerant sein sollte und auch sie verstehen sollte. Wenn man selber noch keine Kinder hat oder noch kleine Kinder hat, die noch nicht soweit sind, dann kann man das sicherlich nicht nachvollziehen, wie eine Mutter sich dabei fühlen könnte. Sicher könnte sie versuchen zu akzeptieren. Aber für die Mutter muss es ja so sein, als wenn man ihr die Tochter wegnimmt und sie dafür einen Sohn bekommt.

Jeder der Kinder hat sollte sich mal vorstellen, wie es ist, wenn das Kind sich in dieser Hinsicht outet. Würdet ihr da noch genauso tolerant sein, wie ihr jetzt schreibt? Würdet ihr dann nicht Bedenken haben, ob ihr wirklich so tolerant sein würdet? Stellt euch mal vor, dass euch das Kind, so wie ihr es kennt, genommen wird und vor euch steht dann ein anderes Kind was zu euch Mama/Papa sagt. Wäre das so leicht zu akzeptieren oder bräuchtet ihr eure Zeit dafür? Wer noch keine Kinder hat, der kann sich das glaube ich gar nicht vorstellen.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Diamante hat geschrieben:Gerade als Mutter ist es wohl ein wirklich großer Schok, den man auch erst verarbeiten muss.


Grundsätzlich richtig, aber wie lange will die Mutter noch brauchen? Zwei Jahre sind wohl schon viel und ich kann verstehen, dass mein Freund sauer und enttäuscht ist. Witzig bei der Situation ist doch auch, dass sie es manchmal, meistens dann wenn sie etwas von ihm möchte, in der Lage ist, seinen neuen, selbstgewählten Namen auszusprechen. Findest du das nicht komisch, dass es manchmal gut funktioniert und in ganz bestimmten Situationen nicht?

Diamante hat geschrieben:Ich bin ein sehr toleranter Mensch. Aber ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn meine Tochter oder mein Sohn sich in diese Richtung outen würden.


Ich bin ja so tolerant, aber... Solche Aussagen finde ich immer problematisch. Warum ist es etwas anderes, ob sich jemand fremdes outet oder das eigene Kind? Wo ist der Unterschied? Ich weiß, dass genau das für viele Leute einen Unterschied macht, aber ich verstehe immer noch nicht, warum das so sein muss.

Diamante hat geschrieben:@Cologneboy2009: Irgendwie liest es sich der Mutter gegenüber ziemlich abfällig ("diese Frau") . Sie ist die Mutter und ich denke, dass man bei aller Toleranz des Kindes gegenüber auch der Mutter gegenüber tolerant sein sollte und auch sie verstehen sollte.


Ich kann diese Mutter nicht verstehen. Ich bekomme mit, wie schlecht es meinem Freund mit dem Verhalten seiner Mutter geht. Sie selbst spielt das aber herunter. Es tut mir leid, dass sie so ist und ich habe kein Verständnis dafür, dass sie sich manchmal ein bisschen bemühen kann, dann aber wieder komplett zurückfällt. Ich sehe das mit an und es tut mir leid - und da er mir viel näher steht als sie, ist klar, auf welcher Seite ich stehe. Das beeinflusst auch meine Sichtweise.


Diamante hat geschrieben:Aber für die Mutter muss es ja so sein, als wenn man ihr die Tochter wegnimmt und sie dafür einen Sohn bekommt.


Ja schon, aber macht das einen Unterschied? Wen interessiert es, welches Geschlecht das Kind hat? Warum muss man eine Person als Mann oder Frau wahrnehmen und kann sie nicht einfach als Mensch wahrnehmen? Vermutlich ist das aber ein idealistischer Ansatz, der abgesehen von Anhängern der Queer Theory nicht so viele Freunde hat.

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Cologneboy2009 hat geschrieben:
Diamante hat geschrieben:Ich bin ein sehr toleranter Mensch. Aber ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn meine Tochter oder mein Sohn sich in diese Richtung outen würden.


Ich bin ja so tolerant, aber... Solche Aussagen finde ich immer problematisch. Warum ist es etwas anderes, ob sich jemand fremdes outet oder das eigene Kind? Wo ist der Unterschied? Ich weiß, dass genau das für viele Leute einen Unterschied macht, aber ich verstehe immer noch nicht, warum das so sein muss.

Zitiert man nur diesen Teil, klingt es anders als wenn man den ganzen Absatz liest. Bei mir kommt es jedenfalls nicht so rüber als wenn es Diamante nur darum geht, dass es ihr Kind ist. Man kann nicht immer nur Toleranz fordern und erwarten, dass andere alles sofort hinnehmen und super finden. Zwei Jahre sind nicht wirklich lange. Schon gar nicht wenn man als Mutter das im Hinterkopf hat.

Diamante hat geschrieben:Ich habe dieses Kind geboren und ich wußte von Anfang an, welches Geschlecht mein Kind hat. Ich habe ihm den Namen gegeben und nun ist es anders als es eben war...

Wenn man 20 Jahre sein Kind aufwachsen gesehen hat und es plötzlich eine Entscheidung trifft, die alles umwirft, ist es nun mal eben schwierig. Dass sie vorher den selbstgewählten Namen benutzt hat kann viele Gründe haben. Oft tut man Veränderung als Phasen ab. Jetzt wo diese Veränderungen dank Hormone sichtbar werden und sogar der neue Name offiziell ist, ist es real bzw endgültig.

Das soll es jetzt nicht verharmlosen aber sie hätte auch schlimmer auf die Entwicklung ihres Kindes reagieren können. Dass sie ihren Sohn so behandelt ist natürlich schade aber man kann sie zu nichts zwingen sondern muss ihre Haltung akzeptieren und ggfs seine Konsequenzen daraus ziehen. Wäre ich in dieser Situation und meine Mutter würde mir mit solch einem Verhalten immer wieder vor den Kopf stoßen, würde ich den Kontakt zwar nicht ganz abbrechen (je nach Vorgeschichte) aber sicherlich auch nicht mehr den Hampelmann für sie spielen. Dann könnte sie ihre Glühbirnen schön selber tauschen. Oder im Dunkeln darüber nachdenken was ihr wichtiger ist. Die Beziehung zu ihrem Kind oder dass alle um sie herum nur so sind wie sie es möchte.

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» Sonty » Beiträge: 1997 » Talkpoints: 20,24 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Toleranz ist immer die der anderen, dieser Spruch passt wohl auch hier perfekt. Ich lese hier immer nur davon, dass für Verständnis für die Person geworben wird, die eben nicht mit dem Geschlecht weiterleben möchte, mit dem sie geboren wurde und daher die Prozedur auf sich genommen hat, eben dem anderen Geschlecht auch voll anzugehören. Das ist sicher kein einfacher Weg und dafür sollte man ebenso sicher auch Verständnis haben.

Aber ich frage mich ebenso wie Diamante, warum denn so extrem herablassend über die Mutter dieser Frau und bald komplett Mann gesprochen wird?! Klar ist es nicht so toll, dass die sich nicht so einfach mit der Entscheidung des Kindes anfreundet und auch nach zweieinhalb Jahren verzweifelt an dem alten Geschlecht klammert. Aber vielleicht würde es auch in diesem Fall helfen, sich in die Gefühle der Frau hinein zu versetzen und auf dieser Ebene ein Gespräch zu führen. Denn ich denke da genauso wie Diamante:

Diamante hat geschrieben:Ich habe dieses Kind geboren und ich wußte von Anfang an, welches Geschlecht mein Kind hat. Ich habe ihm den Namen gegeben und nun ist es anders als es eben war. ... aber ich kann auch die Eltern verstehen, die damit ihre Schwierigkeiten haben. Für sie ist es bestimmt auch nicht einfach.


Und mit mangelnder allgemeiner Toleranz in Deutschland hat so ein Verhalten ja nun schon mal gar nichts zu tun! Wer so etwas behauptet, der denkt in meinem Augen einfach nur nicht nach, sondern plappert einfach etwas nach, dass dem Zeitgeist - zumindest scheinbar - entspricht.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Meine Meinung ist da zwiegespalten. Das hat sicher auch damit zu tun, dass ich die Mutter nicht kenne und sie nicht so gut einschätzen kann.

Einerseits sollte für die Mutter natürlich ihr Kind und nicht dessen Geschlecht im Vordergrund stehen und ihr Hauptanliegen sollte sein, dass ihr Kind glücklich wird. (Ich schreibe hier absichtlich neutral "Kind", weil die Mutter es offensichtlich noch nicht als Sohn angenommen hat und die Bezeichnung "Tochter" sowieso falsch wäre).

Andererseits denke ich schon, dass es einen Unterschied macht, dass der Transgender in diesem Fall das Kind dieser Frau ist. Ich stelle es mir auch viel einfacher vor, mich an das neue Geschlecht zu gewöhnen, wenn es sich dabei um jemanden aus dem Bekanntenkres handelt. Denn das eigene Kind ist sicher jemand, für den man sich verantwortlich fühlt. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Mutter sich vielleicht unbewusst (vielleicht auch völlig irrationale) Vorwürfe macht. Immerhin ist sie diejenige, die es geboren und aufgezogen hat. Warum hat ihr Kind zum Beispiel sein "Anderssein" nicht früher bemerkt, beziehungsweise kundgetan? Das könnte natürlich daran liegen, dass sein Elternhaus so intolerant war. Die Mutter weiß das natürlich, will es aber nicht wahrhaben, oder versucht vergeblich, es "rückgängig" zu machen, indem sie das Kind beim alten Namen nennt. Vielleicht sieht sie es auch als ihrem Fehler an, dass ihr Kind mit seinem Geschlecht nicht glücklich weden konnte.

Es gibt natürlich auch Menschen, die sich in dieser Situation ganz andere Vorwürfe machen, zum Beispiel, dass sie das Kind falsch erzogen hätten und es deswegen anders ist als die anderen. Solche Leute denken dann oft auch, dass Homosexualität eine Krankheit sei und Ähnliches. Das glaube ich aber eher nicht, da die Mutter ja nach wie vor an ihrem Kind hängt, und es nicht aufgrund seiner neuen Gesinnung verstoßen hat. Ihr Verhalten spricht meiner Meinung nach eher für die obige Theorie.

Außerdem kann ich verstehen, dass die Mutter Zeit braucht, um sich an die neue Situation zu gewöhnen. Schließlich ist ihr Kind als Mädchen bei ihr aufgewachsen, wurde wie ein Mädchen behandelt und merkt jetzt erst, dass er eigentlich männlich ist. Für die Mutter muss es eine große Umstellung sein, dass er plötzlich als Mann auftritt; auch weil er das erst jetzt tut, nachdem er sich sowieso schon von seinen Eltern "abgenabelt" hat. Für die Mutter muss es so sein, als hätte sie ihre Tochter jetzt vollständig verloren.

Klar kann man sagen, dass alle Menschen gleich zu behandeln sind, egal welches Geschlecht, welche sexuelle Orientierung, welche Religion, politische Einstellung oder welche Hautfarbe sie haben und welche Sprache sie sprechen. Trotzdem kannst du mir nicht erzählen, dass alle Menschen völlig gleich, also nicht unterschiedlich sind. Du merkst ja selbst, dass manche Leute toleranter und manche weniger tolerant sind. Ich unterstelle dir jetzt mal, dass du dich als sehr toleranten Menschen ansiehst. Aber vielleicht wäre es mit den Familienbanden nicht mehr so weit her, wenn dein Sohn plötzlich ein fanatischer Moslem werden würde, der darauf besteht, dass du ihn auf Arabisch begrüßt. (Wir gehen jetzt mal davon aus, dass er keinem etwas zuleide tut, sondern "nur" plötzlich andere Ansichten hat). Ich glaube nicht, dass das als Elternteil einfach ist.

Ich bin ja so tolerant, aber... Solche Aussagen finde ich immer problematisch.


Es schließt sich doch nicht gegenseitig aus, dem Transgender gegenüber tolerant zu sein, die Beweggründe der Mutter aber trotzdem nachvollziehen zu können. Diamantes Aussage war ja nicht "Ich habe nichts gegen Transgender, solange man es nicht merkt", sondern "ich habe nichts gegen Transgender, aber kann die Gegenseite auch verstehen". Und wenn das nicht tolerant ist, was dann? Man darf hier nicht in Schwarz-Weiß-Denken verfallen und nur für die eine Seite Toleranz fordern.

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» microonde » Beiträge: 231 » Talkpoints: 0,30 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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