Können Tränen für immer versiegen?

vom 18.12.2010, 22:51 Uhr

Meine Oma ist fast 90 Jahre alt geworden und sie hat sehr viel in ihrem Leben geweint. Sie hat ihren ersten Mann im Krieg verloren, hat viele Verwandte im Krieg verloren, hat ihren zweiten Mann durch Krebs verloren usw. Es waren Schicksalsschläge, die man kaum so ohne weiteres wegstecken kann.

Schon als ich klein war erzählte meine Oma uns immer, dass sie nicht mehr weinen kann, weil sie in ihrem Leben schon so viel geweint hat. Sie meinte immer zu uns Kindern, dass wir nicht so viel weinen sollen, damit wir, wenn wir alt sind noch weinen können. Als wir dann älter wurden hat sie uns dann gesagt, dass sie schon lange nicht mehr weinen könnte. Sie kann zwar traurig sein, aber sie kann nicht mehr weinen. Der Augenarzt hat aber keine Anomalie festgestellt. Sie hat Tränenfluß wie jeder andere Mensch gehabt, um das Auge zu befeuchten. Aber wenn sie traurig war konnte sie nicht weinen.

Kann es wirklich sein, dass man, wenn man traurig ist einfach nicht mehr weinen kann, dass man keine Tränen mehr hat,. wenn man eigentlich weinen möchte? Meine Oma meinte oft, dass sie dem Wunsch hat, dass sie mal wieder richtig weinen kann. Weinen würde ja auch befreien und den Körper reinigen. Wie kommt es, dass Tränen versiegen? Wie kann es sein, dass man nicht mehr einfach losheulen kann, wenn einem danach ist?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich kann mir vorstellen, dass deine Oma mit der Zeit mehr oder weniger abgehärtet gegenüber Schicksalsschlägen geworden ist. Auch wenn sie weiterhin öfters traurig war und sich selber gewunschen hat, einmal richtig heftig zu weinen, kann man da eben glaube ich schon abhärten. Anders wäre es wohl nicht wirklich erklärbar, wenn es eben keine sonstigen medizinischen Gründe, wie zum Beispiel einen Defekt bei der Tränendrüse oder so gegeben hat.

Deine Oma hat wohl leider viel durchmachen müssen. Einige Schicksalsschläge können da schon durchaus wie ein regelrechter Schock gewesen sein, die eben dazu geführt haben. Es gibt zum Beispiel auch Leute, die zum Beispiel in der Kindheit etwas dramatisches erlebt haben und seit dem Erlebnis nicht mehr weinen konnten. Oft ist diesen Personen dieses dramatische Ereignis gar nicht mehr so bewusst, weil da wohl sicher auch Verdrängung mitspielt. Das Unterbewusstsein weiß es aber noch und verhindert eben durch den Schock den Tränenfluss.

So, oder zumindest so ähnlich kann ich es mir bei deiner Oma vorstellen. Vielleicht hat sie einige Schicksalschläge nicht wirklich verarbeitet, und hat das aber selber nicht so mitbekommen. Da kann es durchaus sein, dass sie meint, dass sie den Verlust eines geliebten Menschen überwunden hat, das Unterbewusstsein aber noch weiter trauert und deswegen der Tränenfluss gestoppt ist. Ich muss dazu aber auch sagen, dass das natürlich nur Vermutungen sein können, weil ich deine Oma ja nicht persönlich kenne.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Der Opa eines Bekannten von mir hat auch seit 10 Jahren nicht mehr geweint, bis er einen sehr scharfen Meerrettich schneiden sollte, welcher ihm seit langer Zeit wieder Tränen in die Augen trieb.

Ich tippe deshalb darauf, dass alte Leute abgehärtet sind. Vor allem bei deiner Oma die eine große Anzahl an Schicksalsschlägen aufweisen kann. Lass sie doch einfach mal fürs nächste Mittagessen Meerrettich zubereiten, vielleicht hilft es ihr auch.

» Viktor » Beiträge: 26 » Talkpoints: 9,65 »



Ich gehe auch davon aus, dass man sich ei nwenig gegen so etwas abhärten kann und deine Oma nun wirklich wieder ein tierisch schlimmes Ereignis braucht umd wieder richtig weinen zu können. Natürlich wollen wir ihr das nicht wünschen.

Bei mir persönlich ist es so, dass ich auch schon seit längerer Zeit nichtmehr geweint habe (ausgenommen vom Zwiebel schneiden oder solchen Dingen). Mir sind in letzter Zeit auch einige Dinge passiert. Mein Hund ist gestorben, meine Eltern haben sich scheiden lassen und so weiter. Doch auch wenn ich wirklich traurig war, kamen keine Tränen. Ich bin mir nicht sicher ob Tränen für immer versiegen können, doch abhärten kann man sich gegen solche Situationen sicher. Oder man frisst es einfach, wie ich es bei mir glaube, in sich hinein und kann es einfach nicht rauslassen.

» Unfug » Beiträge: 305 » Talkpoints: 4,14 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Meine Oma ist leider schon vor einigen Jahren verstorben. Aber sie hat auch bei dem wirklich schweren Ereignis, wo ihr sohn gestorben ist nicht weinen können. Sie hat nur immer gesagt, dass es unfair ist, dass er vor ihr gehen musste. Sie hatte ja auch schon ein schönes Alter erreicht und mein Vater, also ihr Sohn, war erst 60 als er gestorben ist. Also hat es auch nicht funktioniert, dass ein sehr schlimmes Ereignis stattgefunden hat.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich würde das eigentlich nicht als 'abhärten' bezeichnen, es kann schon vorkommen dass man einfach nicht mehr weinen kann obwohl man sehr traurig ist. Ich habe das schon selbst erlebt in einer Phase meines Lebens in der es mir ziemlich schlecht ging, ich vielleicht sogar depressiv war und unter großem emotionalem Druck stand.

Ich kenne das Phänomen in der Art, dass man einfach nicht mehr weinen kann egal wie schlecht man sich fühlt. Man denkt dabei die ganze Zeit "wenn ich nur weinen könnte ginge es mir bestimmt etwas besser", aber es kommen einfach keine Tränen. Meiner Meinung nach wird das Weinen durch die Psyche irgendwie blockiert, keine Ahnung was genau dabei funktioniert. Ehrlich gesagt freue ich mich mittlerweile jedes mal wenn ich weine auch ein bisschen darüber, einfach weil ich es kann. Das kann schon eine ziemliche Erleichterung sein.

» Adean » Beiträge: 176 » Talkpoints: 6,13 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich glaube nicht, dass es tatsächlich ein körperliches Phänomen gibt, dass dazu führt, dass man nicht mehr weinen kann. Eher denke ich, dass es sich hierbei um etwas Psychologisches handelt. Das würde ich aber nicht mit "Abhärtung" oder "Abstumpfen der Gefühle" bezeichnen, denn die Dame sagt ja, dass sie trotzdem noch traurig wird. Weinen ist sicher ein psychologisch und neurologisch komplexes Phänomen und verschiedene Dinge spielen eine Rolle dabei, wenn jemand sich unbewusst dazu entscheidet, nicht mehr zu weinen.

» channale » Beiträge: 1371 » Talkpoints: 37,37 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Dass Tränen für immer versiegen können, glaube ich auch nicht. Aber es wird wohl immer schwerer, weinen zu können. Mir ist es leider auch passiert, so dass ich schon denke, dass man irgendwann keine Tränen mehr hat oder vielleicht auch aus eine Art Selbstschutz, den man einsetzt. Ein körperliches Versiegen der Tränen schliesse ich vorerst mal aus.

Vor einigen Jahren sind ja innerhalb von wenigen Wochen zunächst mein Bruder und dann meine Mutter verstorben. Wie man sich das vorstellen kann, war der erste Todesfall schon hart genug, aber dass nun der zweite Todesfall gleich hinterher kam, hat uns alle noch einmal getroffen. In dieser Zeit habe ich so viel geweint, als würde es für ein ganzes Leben reichen. So habe ich in der Tat auch einige Jahre kaum weinen können, obwohl ich zwischendurch auch recht starken Liebeskummer hatte. Ich wollte immer weinen, aber ich konnte nicht mehr.

Erst in den letzten Jahren hat es sich wieder etwas gegeben, so war es dann auch bei der letzten Todesnachricht, die mich erreicht hat. Auch bei der Beerdigung war es so ein Thema, dass ich dann habe dort weinen können. Es war also schon ein relativ langer Prozess. Aber so richtige Weinkrämpfe wie früher habe ich nicht mehr bekommen. Lediglich ein paar Tränen fliessen.

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge


Ich denke dass viele Dinge im Leben prägend sind. Alte Menschen haben viel erlebt. Sicherlich wird man mit der Zeit hart im Nehmen und steckt bestimmte Situationen ohne weinen zu müssen weg. Allerdings denke ich, dass es nicht so ist, dass es sie einfach nicht mehr zum Weinen bringt, sondenr ich denke, dass es eine bestimmte Situation gab, die sie mit dem Weinen verbindet und dies sie innerlich hemmt, zu weinen.

Wenn sie selbst der Meinung ist, dass sie traurig ist und gern weinen möchte, dann kann es nicht daran liegen, dass sie das Leben hart gemacht hat und sie einfach nichts mehr so bewegt, dass sie weinen muss. Ich denke sie kann aus einem bestimmten Grund nicht weinen. Dem sollte man nachgehen und sie fragen, wie es war als sie das letzte Mal weinte.

Wenn sie die Umstände sich vor Augen führt, erzählt, wie sie sich damals fühlte, was der Auslöser war und warum sie wieder aufhörte zu weinen, dann wisst Ihr vielleicht mehr. Vielleicht hilft es auch, wenn Du mit ihr sprichst und sie fragst, was sie mit dem Weinen verbindet, welche Situationen und Gefühle.

» floraikal » Beiträge: 1127 » Talkpoints: 2,05 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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