Wie weit darf man als Lehrer-Praktikantin gehen?
So jetzt steht alles fest. Ich habe einen Termin und eine Schule für mein erstes richtiges Praktikum im Lehramtsberuf und mächtig Bammel. Auch ein erstes Gespräch mit der für mich zuständigen Lehrerin habe ich schon hinter mir und dabei kam raus, dass ich in der 8. und 9. Klasse in einer Realschule unterrichten werde. Eigentlich studiere ich ja Grundschullehramt und möchte gar nicht im Bereich Realschule unterrichten, allerdings sind wir im Studium dazu verpflichtet, da ich in den einführenden Basispraktika schon in der Grundschule war.
Nun kam mir aber der Gedanke, dass meine eine vierte Klasse in der Grundschule wohl gar nicht mit einer hohen Realschulklasse vergleichen kann und mit der Lehrerin im Raum fühle ich mich gehemmt und werde eh nicht so unterrichten wie ich es später tun werde. Doch wie weit darf ich gehen und mir Beachtung, Gehör und Respekt in der Klasse zu verschaffen? Ich habe schon erfahren, dass es sich um eine sehr lebendige und große Klasse handelt, wo man leicht mal gefressen wird, wenn man zu schüchtern ist. Normalerweise hätte ich davor keine Angst, wenn ich wie schon gesagt komplett ich selbst sein könnte uind mit der Klasse alleine wäre. So weiß ich nicht welchen Weg die Lehrerin erwartet und vor allem was ist von einer Praktikantin legitim um sich durchzusetzen? Kann ich Strafarbeiten androhen, oder darf ich wenn es mir gar zu bunt wird auch noch zu weiteren Mitteln greifen?
Die Lehrerin habe ich zu diesem Punkt schon angesprochen, da es mir wirklich zu schaffen macht, wie ich mich am besten durchsetze. Doch diese meinte nur es gäbe genügend Möglichkeiten, wie Arbeiten, Verweise und co., allerdings sind dies ja nun wirklich keine Mittel, die ich als Praktikantin anwenden kann. Oder sollte ich mich dann wirklich so verhalten als wäre ich die Lehrerin der Klasse und nicht nur eine vorrübergehende Besetzung?
Ich habe ebenfalls ein Lehramtsstudium gemacht und demnach musste ich auch durch so ein Praktikum. Ich hatte eigentlich ähnliche Gedanken wie du, ich denke, dass das durchaus normal ist.
Ich habe mich mit meiner Betreuungslehrerin eigentlich gut verstanden, aber in Punkto Respekt verschaffen hatten wir doch unterschiedliche Meinungen. Sie wollte von mir, dass ich in die Klasse gehe und einmal mit dem Klassenbuch ordentlich auf den Lehrertisch haue, damit die Schüler von dem Knall mehr oder weniger erschrecken oder so und somit ruhig sind. Das ist aber so ganz und gar nicht mein Stil und deswegen habe ich es auch nicht gemacht, auch wenn sie es so wollte. Es hätte im Endeffekt auch nichts gebracht, weil ich glaube ich selber zum Lachen anfangen hätte müssen, wenn ich das Klassenbuch auf den Tisch geknallt hätte.
Ich glaube, dass jeder Lehrer für sich selber einen eigenen Unterrichtsstil finden muss. Nur dann erscheinst du glaubwürdig. Du musst einfach selber davon überzeugt sein, was du machst und warum du es machst. Unsicherheiten spüren die Schüler sofort und reagieren dementsprechend darauf.
Ich habe mich da zum Glück auch gleich bei meinem Betreuungslehrer durchgesetzt. Ich unterrichte zum Beispiel auch sehr gerne nach dem Prinzip des offenen Lernens. Allerdings habe ich mir da auch so meine eigene Pädagogik zusammengebaut, weil mir da bei weitem nicht alle Ansätze gefallen. Mein Betreuungslehrer war überhaupt nicht der Typ dazu. Er war eher klassisch konservativ. Das macht auch nichts. Jedem eben das Seine.
Auf jeden Fall hat er mich dann zu Glück machen lassen, wobei man sehr stark gemerkt hat, dass er mich einfach anrennen lassen wollte. Er war glaube ich davon überzeugt, dass ich so nicht durchkommen werde. Er hat meinen Unterricht dann auch genauestens verfolgt und mit der Zeit hat er dann gesehen, dass es sehrwohl gut ankommt. Das Bild hat sich dann sogar ein wenig gedreht und er hat sich dann von mir einiges abgeschaut. Er hat dann einige Ansätze von mir auch in seinen Klassen probiert und ist kläglich gescheitert. Aber auch das hätte ich dir im Vorhinein sagen können. Der Unterrichtsstil muss eben zum Unterrichtenden passen. Wir waren grundlegend verschiedene Menschen und so konnten wir auch nicht den gleichen Unterrichtsstil haben.
Von einem guten Betreuungslehrer würde ich erwarten, dass er dich auch experimentieren lässt und nicht seinen eigenen Stil dir aufzwängen möchte. Das würde ich deinem Betreuungslehrer auch freundlich aber doch zu verstehen geben.
Mach dir keine Sorgen, wenn du Bedenken hast, wie du dir Respekt verschaffen wirst und so weiter. Das ist ganz normal und auch gut so. Ich hatte wie gesagt die gleichen Bedenken. Das wichtigste ist, dass du, du selber bleibst. Alles andere ist ein Schauspiel und führt meistens ins Schwarze. Am Jahresende haben die Schüler dann sogar dem Landesschulrat einen Brief geschrieben mit 101 Gründen, warum ich unbedingt im nächsten Jahr in dieser Schule weiter unterrichten muss. Ich war total gerührt. Leider gab es zu dem Zeitpunkt dort keine Stelle, aber auch der Direktor hat gemeint, dass er sich sehr freuen würde, wenn ich in dieser Schule unterrichten würde.
Der Direktor hat mir dann sogar am Abschluss gesagt, dass er es toll findet, dass ich mir selber treu geblieben bin und man einfach merkt, dass ich vom Herzen her unterrichte und nicht nach irgendwelchen Vorgaben. Er hat ja auch einige Stunden von mir besucht und konnte sich so ein Bild machen. Ich halte es aber auch für wichtig, dass du deinem Betreuungslehrer respektvoll gegenübertrittst. Du bist die Praktikantin. Ich habe auch nicht gesagt, dass ich meine, die Superpädagogin zu sein, ich habe ihn einfach gebeten, dass ich mein Praktikum dazu nutzen kann, meine Erfahrungen zu sammeln und mich ein wenig herumexperimentieren zu lassen.
Schön das jede Ungewissheit (wohin, an welche Schule, welche Klassen usw.) von Dir gewichen ist und man Dir eröffnet hat, woran Du Dich die nächste Zeit über messen können wirst. Wenn es mich auch erstaunt, dass man Dir gleich die Klassen mit dem höchsten Konfliktpotential gibt. Denn in den kleineren Klassen sollten die Kinder noch Handzahm und noch vom Übertritt aus der Grundschule beeindruckt sein. Außerdem sollte in dem Alter der Lehrer oder die Lehrerin schon allein auf Grund der Position Respekt einflößen.
Und die älteren Kinder (Klasse 9 oder 10) sollten deshalb leicht zu führen sein, weil ein Großteil die Schulzeit schon so weit verinnerlicht haben sollte, dass sie wissen, dass es für sie persönlich und für die Zukunft wichtig ist, einen guten Abschluss zu schaffen.
Aber bei Klassen bis einschließlich der 8ten hat man vermutlich mit Aufmüpfigen zu tun, welche sich gerade positionieren wollen. Ganz ohne Rücksicht auf eigene Verluste (besonders, wenn diese nur die Zukunft und nicht die Gegenwart betreffen). Aber das ist nur ein möglicher Stolperstein, der nicht gegeben sein muss.
Was mich verwundert ist die Tatsache, dass Du Dich gehemmt fühlst, wenn die Lehrerin im Raum ist. Das ist sicher keine gute Basis. Denn die Schüler dürften so was wittern und dann zu deren Vorteil nutzen wollen. Du solltest also von Beginn an Du selbst sein und Dich weder (oder gerade) von den Schülerinnen und Schülern beeindrucken lassen, noch von anwesenden anderen Kolleginnen oder Kollegen einschüchtern lassen. Die kochen alle nur mit Wasser! Und wichtig kann für Dich nur sein, dass Du Dich durchsetzt.
Dabei ist es so, dass Du natürlich eine vollwertige Lehrerin spielen oder sein musst. Schließlich sollen die Kinder hier nicht differenzieren und Dich (bzw. Deine Anweisungen) ebenso ernst nehmen, wie die vom Rektor. Anders kommst Du vermutlich gar nicht durch. Und das beinhalten auch den vollen Sanktionskatalog, welcher an der Schule eben üblich ist.
Es darf nicht vergessen werden, dass Du in dem Moment wo Du vorne bist ja auch für die Schülerinnen und Schüler die Lehrerin bist. Da gibt es kein Praktikum oder ähnliches. Den Stoff für die Kinder musst Du durchbringen und sie sind ja auf Dich angewiesen. Mehr Lehrerin wirst Du vermutlich in Deinem Leben nicht sein können. Nur erfahrener. Aber das ist ja ein anderes Thema.
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