Müssen Bedürftige alles nehmen?
Mich beschäftigt dieses Thema auch schon seit einiger Zeit. Allerdings sehe ich dieses Thema nicht aus Sicht eines Bedürftigen, allerdings auch nicht aus Sicht einer Person, die den edlen Spender mimt und dann aber Dankbarkeit verlangt. Ich denke generell nicht, dass ein Bedürftiger wirklich alles annehmen muss und wenn einem etwas förmlich aufgedrängt wird, dann finde ich es nicht weiter tragisch, wenn der so Beschenkte sich der Dinge, die er nicht braucht irgendwie entledigt. Denn egal in welcher Notlage sich ein Mensch befindet, so sollte er immer noch für sich selbst entscheiden dürfen.
Allerdings erlebe ich in meinem Bekanntenkreis zunehmend mehr Personen, die sich in einer Notlage befinden, Ansprüche stellen, die völlig in der Wirklichkeit vorbeigehen. So soll Hilfe beispielsweise ausschließlich zu den Bedingungen der Notleidenden erfolgen. Wie schon erwähnt, ist es aus meiner Sicht völlig in Ordnung, dass man als Bedürftiger Ansprüche stellt; es bleibt aber eben nicht aus, dass man sich auch mal auf Kompromisse einlassen und Abstriche von den eigenen Vorstellungen machen muss.
JotJot hat geschrieben:Allerdings sehe ich dieses Thema nicht aus Sicht eines Bedürftigen
Es gibt ja da eine Theorie von John Rawls aus einem seiner Bücher zum Thema Gerechtigkeit. Ein wirklich gerechtes Verfahren bzw. eine gerechte Antwort auf Verteilungsfragen (und um nichts anderes geht es hier ja - ist es gerecht, wenn Bedürftige etwas von dem bekommen, wofür andere arbeiten gehen?) kann man nur finden, wenn man sich auf ein Verfahren einlässt, bei welchem man bereit ist, auf beiden Seiten zu stehen! (Stark verkürzte Darstellung!)
Man muss sich also überlegen, wie man selbst behandelt werden will, wenn man von Wohlfahrtsmaßnahmen abhängig ist! Leider ist es nur in der Theorie so, dass man dann ein Verfahren findet. Denn kaum jemand, der nicht in der entsprechenden Lage ist, kann oder will sich vorstellen, dass man da auch u.U. nicht ohne weiteres raus kommt. So kann es passieren, dass man übermäßig hart gegen sich selbst ist. Weil man davon ausgeht, dass das der richtige Weg ist, sich da raus zu holen. Und weil man glaubt, dass das immer uneingeschränkt geht.
Wenn man aber dann doch unterstellt, dass es Menschen gibt, die sich die Lage wirklich entsprechend vorstellen können, dann ist das vielleicht wirklich ein schönes Gedankenspiel. Vor allem weil man auch durchspielen muss, was gerecht wäre, wenn man auf der "guten" Seite steht.
Also ich finde nicht, dass Bedürftige alles nehmen müssen. Meistens ist es nicht einmal das Verschulden der Bedürftigen selber, dass sie so geworden sind, sondern die Gesellschaft rundherum. Wenn ich mir die Menschen, die bedürftig sind, so ansehe, dann sind es meistens Menschen, die niemanden haben- keine Familie, bei der sie Rückhalt haben und meistens auch keine Freunde.
Natürlich denkt man sich, wenn es einem gut geht, dass die Bedürftigen doch froh sein sollten, wenn sie etwas zum essen haben und nicht herum meckern sollten, wenn etwas vielleicht nicht mehr so schön aussieht oder gleich einmal schlecht wird. Allerdings finde ich es ganz wichtig, dass auch ein bedürftiger Mensch seine Würde behalten darf. Er hat ebenfalls das Recht, Vorlieben bei Nahrungsmitteln oder Kleidung zu haben und muss nicht alles nehmen.
Ich selber habe den Wandel der Zeit miterlebt. Die Tafeln werden immer besser. Eine Bekannte von mir besucht jede Woche die Tafel und ich muss sagen, dass sich in diesen fünf Jahren, in denen sie mir bekannt ist, einiges geändert hat. Es werden immer bessere und vielfältigere Produkte, weil immer mehr Menschen und Geschäftsketten mitarbeiten und das ist auch gut so.
derpunkt hat geschrieben:Wenn man aber dann doch unterstellt, dass es Menschen gibt, die sich die Lage wirklich entsprechend vorstellen können, dann ist das vielleicht wirklich ein schönes Gedankenspiel. Vor allem weil man auch durchspielen muss, was gerecht wäre, wenn man auf der "guten" Seite steht.
Was wäre denn in dem Fall die "gute" Seite? Da ich selbst nicht auf materielle Hilfe angewiesen bin, gebe ich gern Dinge weiter, die mir einfach nicht mehr gefallen aber durchaus noch ihren Zweck erfüllen. Bin ich deswegen auf der "guten" Seite" oder bin ich schon auf der "guten" Seite, weil ich überhaupt gebe oder vielleicht doch erst, weil ich den eventuell zu Beschenkenden vorher frage, ob dieser das zu Gebende überhaupt gebrauchen kann und ihn nicht unfreiwillig zum Müllentsorger mache?
Und sicher sollte man sich immer darum bemühen, dass man sich zumindest gedanklich in die Lage des Bedürftigen versetzt. Nur stellt sich mir die Frage, ob man dann wirklich alle möglichen Gedankengänge durchspielen kann und dies auch objektiv tun will - daran scheitert diese Theorie ja häufig in der Praxis. Ich kenne einige selbstgefällige Personen, die vermeintlich auch einmal in einer Notlage waren und angeblich in dieser Lage über kleinste Krumen glücklich waren und genau das Verhalten jetzt auch von anderen Bedürftigen erwarten.
Ich finde, dass es ein großer Unterschied ist, ob ich etwas nicht annehme oder ob ich es annehme und danach wegschmeiße. Das erste finde ich völlig in Ordnung, das zweite aber nicht.
Wie würdest du aber handeln, wenn dir dein Gegenüber quasi durch Körpersprache und Mimik vermittelt, dass man doch dankbar sein soll, dass man überhaupt was bekommt? In dem von mir genannten Fall ist es halt echt so, dass ich dann nicht sage: Nein, Produkt X will ich nicht, geben Sie mir dafür aber zweimal Produkt Y. Entweder wird mir was anderes angeboten oder ich habe halt Pech gehabt. Ich persönlich bin auch niemand, der dann wütend von dannen zieht und sagt: Die hatten nichts oder haben mir nichts gegeben. Mir ist dann durchaus bewusst, ich habe da vorher genügend abgelehnt.
Im Vergleich dazu sehe ich eine andere Tafelbesucherin, bei der es jede Woche das selbe "Spiel" ist. Die will NUR fettreduzierte Sachen, Diät- Produkte. Sojaerzeugnisse und so weiter. In dem Segment ist die Auswahl aber minimal, beziehungsweise werden halt die Sojasachen auch spezielle für Allergiker aufgehoben. Dann motzt sie aber rum, wenn sie von den zur Verfügung stehenden 4 Joghurts halt nur einen oder zwei bekommt. Und dann wird noch gemeckert, dass sie zu wenig bekommen hat.
Ich sprach eher davon, Sachen mitzunehmen, weil man sich einfach nicht mehr traut nein zu sagen. Ich für alles Verständnis zeige, eher auch mal sage, es reicht ich habe genug, damit auch andere noch was bekommen und so weiter. Und auf der einen Seite schäme ich mich dann und auf der anderen Seite fühle ich mich mittlerweile halt gedemütigt.
Und hier scheint zur Zeit reichlich Lieferanten zu geben, denn die Auswahl ist zum Teil echt riesig. Und ich bekomme oft mir, dass die Personen im Hintergrund schon zu den Personen an den Ausgaben sagen, dass man großzügiger verteilen muss, weil noch so viel da ist. Also da halt hauptsächlich bei Lebensmitteln die echt schnell verderben.
@ JotJot
Das sehe ich an sich ähnlich wie du. Generell bin ich keine die alles mögliche verlangt oder so. Ich nehme Abstriche hin etc. Wenn ich Hilfe brauche, frage ich eher, wann die betreffende Person Zeit hat. Und so weiter.
Manches bekomme ich auch nicht unter einen Hut, gebe ich zu. Ich habe zum Beispiel ein Problem mit den ständig wechselnden Tafelterminen. Mir wäre eine regelmäßige Uhrzeit lieber. Aber ich habe gelernt mich darauf einzustellen. Dann muss ich halt die anderen Sachen drum herum planen. Mein Vater will aber gerne jeden Samstag mit mir eine Bratwurst essen gehen und fühlt sich dabei, habe ich das Gefühl, sehr gönnerhaft. Das muss aber nach seinen Regeln ablaufen. Er hat kein Verständnis, dass ich mich nicht um 12 Uhr mit ihm Treffen kann, wenn ich um 12 Uhr bei der Tafel sein muss und er reagiert dann sauer. Da würde ich mir halt wünschen, dass er da auch mal Rücksicht auf mich nimmt. Ich verzichte dann halt lieber dankend auf die Bratwurst.
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