Uhrwerk Orange
Hi,
kennt irgendjemand von euch den wirklich krassesten und kränksten Film Uhrwerk Orange?
Kurz mal zum Inhalt: Eine Band jugendlicher Raufbolde lebt praktisch davon, zu rauben, vergewaltigen und arme hilfslose Leute zu verprügeln. Als der Anführer von Ihnen in ein Haus einer älteren Frau einbricht und diese mit einer Skulptur eines großen Penis erschlägt, wird er von seinen Freunden verraten und wird verhaftet.
Nach einiger Zeit im Knast wird er aufgrund seines vorlauten Mundes ausgewählt am Ludovico-Projekt teilzunehmen. Dort zeigt man ihm Filme, die sehr obszön und anstößig sind und träufelt ihm gleichzeitig eine Flüssigkeit in die Augen, die in ihm eine Übelkeit hochkommen lässt. Von da an kann er keine Gewalt mehr vollführen und ihm wird immer schlecht, wenn er eine bestimmte Symphony von "Ludwig van" hört. Nachdem er entlassen wurde, kommt er von einem seiner ehemaligen Opfer zum Nächsten und jeder will sich bei ihm rächen. Das Ganze endet in einem unglücklichen Selbstmordversuch des Hauptcharakters.
Ich kann euch den Film durchaus empfehlen, er ist aber für schwache Nerven nicht gedacht. Ich selbst sehe den Film als den wahrhaftig kränksten und krassesten Film an, weil mit einer solchen Brutalität gespielt wird und Gewalt wirklich sehr krass dargestellt wird.
MFG Markus
Ich habe den Film auch hier zu Hause, weil ich schon sehr viele unterschiedliche Meinungen darüber gehört hatte und das ganze auch mal bei uns hier im Theater aufgeführt wurde. Aber als ich ihn das erste Mal gesehen habe, war ich schon ziemlich geschockt. Und ich denke auch, dass der passende Ausdruck dafür "krank" ist. Wie leichtfertig da mit Gewalt und Vergewaltigung umgegangen wird ist wirklich ziemlich heftig.
Aber irgendwie hat der Film auch wirklich etwas zienmlich außergewöhnliches künstlerisches und deshalb bereue ich es auch nicht, ihn gesehen zu haben. Auch wenn er mich noch lange hinterher ziemlich beschäftigt hat.
Hi Groovegirl,
ich stimme dir völlig zu. Der Film hat einfach was künstlerisches. Auch wenn es recht widerlich ist, sich diese Gewalt in dem Film anzuschauen.
MFG Markus
Goldenboss hat geschrieben:Auch wenn es recht widerlich ist, sich diese Gewalt in dem Film anzuschauen.
Das ist ja auch der Sinn bzw. die Intention des Films. Alles in allem finde ich die Grundidee eigentlich nicht schlecht, aber irgendwie fand ich den Film jetzt auch nicht wirklich überzeugend. Und das hat glaube ich in erster Linie nichts mit der "kranken" Darstellung zu tun. Ich komme wohl einfach nicht mit Stanley Kubricks Stil zurecht (ich fand auch 2001 nicht überwältigend).
Habt ihr den Film auf Englisch oder in Deutsch gesehen? Die Deutsche Synchronisation ist reicht nicht an die Englische heran. Was den Film auch abwertet. Sonst fand ich Die Uhrwerk Orange (oder in Englisch: Clockwork Orange) stimmig und überzeugend. Vielleicht auch etwas "krank", wobei er ja so sein soll und "krank" als Bezeichnung nicht passend ist.
Mit Stanley Kubricks Stil kann ich mich auch nicht wirklich anfreunden. Mir gefallen zwar die Filme, aber seltsamerweise immer er nachdem ich sie gesehen habe. 2001: A Space Odyssee (2001 Abenteuer im Weltraum) hat mir beim Anschauen fast zur Verzweiflung getrieben. Die unendlich lang scheinenden Szenen, wenn zum Beispiel das Raumschiff vom linken Bildschirmrand zum rechten Bildschirmrand fliegt. Nachdem der Film aus war und ich ihn eine Weile setzen lassen hatte gefiel er mir immer besser. War auch bei The Shining so.
Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben gehört auch zu diesen Filmen. Ich bin da immer hin und hergerissen. Ein Teil will den Film abschalten, aber das wird von dem anderen, angezogenen Teil verhindert.
Vielleicht ist es das, was ihn so einzigartig macht.
Mit freundlichen Grüßen
SonX
Krank ist nur eine von mir empfundene subjektive Wertung des Geschehenem in dem Film. Ich habe keine weiteren Filme von Stanley Kubricks gesehen, kann daher seinen Stil nicht so gut bewerten. Mir ist natürlich bewusst, dass der Film anwidernd sein soll, dass es aber dann so extrem ist, ist schon vielleicht wieder zuviel des Guten (Meiner Meinung nach).
Ich habe den Film bislang nur auf Deutsch gesehen und finde die Synchro eigentlich recht gelungen. Ich finde auch das Kauderwelsch, das die Charaktere sprechen äußerst interessant und spreche seitdem ich den Film gesehen habe, auch hin und wieder so ("Allrighty, right?"). Englische Orginalstimmen mag ich meistens nicht so sehr. Ich verstehe es natürlich, aber die klingen einfach irgendwie ungewohnt und gefallen mir daher nicht unbedingt so sehr.
MFG Markus
Goldenboss hat geschrieben:Mir ist natürlich bewusst, dass der Film anwidernd sein soll, dass es aber dann so extrem ist, ist schon vielleicht wieder zuviel des Guten (Meiner Meinung nach).
Also gerade bei diesem Film würde ich dir da widersprechen - deine Meinung lass ich dir natürlich, aber ich sehe es eben anders Wäre der Film in seinen Bildern nicht so drastisch, hätte er nicht die Wirkung, die er nun mal hat, und wäre wohl auch nicht zum Kultfilm avanciert. Er wäre sogar Gefahr gelaufen, unglaubwürdig und platt zu sein, wenn Kubrick das Thema mit Samthandschuhen angefasst hätte.
Und verglichen mit heutigen Filmen, wie zum Beispiel den diversen Saw-Teilen, und das ist nur ein Beispiel, ist der Film in der Darstellung ja noch harmlos. In der psychischen Wirkung mag das noch etwas anders sein, das gebe ich zu, da ist Clockwork Orange wirklich harte Kost.
Hi,
ich beziehe es auch eher auf die psychische Empfindung. Da hast du es schon richtig erkannt. Ich habe, nachdem ich den Film gesehen hatte, ihn erst mal ins Regal gestellt und möchte ihn auch so schnell nicht wieder anschauen, obwohl er echt große klasse ist. Ich war einfach hinterher zu sehr geschockt.
Zum Thema Gewalt: Du hast natürlich auch recht. Ohne die so brutal dargestellte Handlung, wäre der Film einfach platt. Ich persönlich bin nun mal einfach etwas sensibel und die Vergewaltigungen haben mich echt sehr geschockt. SAW würde ich mir niemals angucken, weil ich weiß, dass er Film sehr brutal und blutig ist und ich halte solche Filme gar nicht erst aus.
MFG Markus
Also ich bin natürlich ein großer Stanley Kubrick Fan - und Clockwork Orange ist m. E. einer seiner besten Filme, gleich nach Full Metal Jacket, Shining und Odyssee 2001.
Das Problem bei Kubrick ist m. E. das gleiche wie bei Fassbinder oder Tarantino - man reduziert als Hollywood Zuschauer die Filme auf ihre Handlung, was völlig falsch ist. Alle drei sind anspruchsvolle Regisseure, also kein Spielberg oder Lucas, die nicht nur mit der Handlung an sich Geschichten erzählen, sondern auch sehr viel über Kameraperspektiven und Einstellungen. Hier ist Kubrick ein Meister seines Fachs und nicht umsonst sind seine Filme schon als Kunst anzusehen bzw. gehören zum Unterricht bei Filmhochschulen.
Kubrick muss man also mit den Augen eines Cineasten bewerten, der Perspektiven und Einstellungen verstehen kann und das in die Bewertung aufnimmt - und nicht mit den Augen eines 08/15 Kinogängers, der nur unterhalten werden will mit einer Handlung.
So ist es für mich auch bei Clockwork Orange - hier wird wesentlich mehr über Kameraperspektiven erzählt als durch die Handlung an sich. Und gerade durch diese wird die Gewalt in einem besonderen Licht gezeichnet, ähnlich wie bei Tarantino. Man darf sich hier nicht von trivialen Handlungselementen wie der Gewalt oder Vergewaltigungen leiten lassen, sondern wie diese ganzheitlich gesehen werden müssen.
Die Sprache ist nicht umsonst gewählt sondern soll sich in das Zusammenspiel aus Handlung und Perspektive einfügen und so ein drittes Ausdruckselement sein, auch wenn da im deutschen viel vermurkst wurde. Was immer wieder bezeichnend ist, dass viele solche Filme als langweilig empfinden - klar, ist völlig normal, da diese Art von Filmen eben über die Unterhaltung hinaus gehen und einen Anspruch verkörpern. Ein Picasso ist auch nur ein langweiliges Bild (oder moderne Kunst) solange man dessen Aussage nicht versteht. Ist halt das alte Problem zwischen Kunst und Unterhaltung bzw. dass man Kunst immer versucht aus der unterhaltenden Perspektive zu betrachten.
Aber nun zum Film an sich, der ein Meisterwerk ist trotz der für mich etwas verflachten besseren Vorlage von Anthony Burgess.
Clockwork Orange soll natürlich den Zuschauer erst einmal schocken - vor allem dadurch dass Gewalt im Vordergrund zu stehen scheint und fast ästhetisch inszeniert wird, siehe Tarantino. Ddurch soll die Haltung von Alex verdeutlicht werden die er am Anfang des Filmes hat: Gewalt ist ein Bestandteil seines Lebens, die Opfer sind ihm egal, er ist egozentrisch und kalt.
Jedoch ist das, so blöd wie es klingt nur Nebensache und soll den Zuschauer auf eine falsche Fährte locken und ihn selbst in die Position derer bringen, die aus Alex das gemacht haben was er am Anfang des Filmes ist, denn die Grundaussage des Films soll gesellschaftskritisch sein. Durch die Gesellschaft ist Alex stehts in der Verliererposition und ist allmählich zum Asozialen geformt worden, egal was er macht. Im Grunde sind nicht die Opfer die Opfer sondern Alex ist ein Opfer gesellschaftlicher Prozesse. Das wird vor allem später klar, da Alex nach seinem Haftantritt im Grunde der Musterverbrecher ist, der für alles herhalten muss und sowohl durch Wissenschaft, die höheren Schichten und die Regierung missbraucht wird indem man ihn jeweils so benutzt wie man es braucht. Niemand interessiert sich in Wirklichkeit für ihn, sondern jeder versucht aus seinem Schicksal Profit zu schlagen und durch ihn die eigenen Interessen möglichst gut zu verwirklichen, egal was mit ihm passiert. Dabei steht vor allem Doppelmoral und Doppelzüngigkeit im Vordergrund.
Die Aussage von Clockwork Orange richtet sich also gegen die Gesellschaft und deren scheinheiliges Verhalten in Bezug auf das Individuum und wie durch Normen und Werte im Grunde die Freiheit des Einzelnen beschränkt statt geschaffen wird und ein Mensch durch diese zu einem Rädchen in einem Uhrwerk wird. Das wird auch im Titel deutlich: Uhrwerk hab ich ja schon geklärt, aber Orange spielt auf orang an, was in Malaysia "Mensch" bedeutet (Orang-Utan), also ein Uhrwerk aus Menschen, wo jeder ein Rädchen darstellt und nur solange gestattet ist solang er in diesem funktioniert - also eine direkte Anspielung auf unsere Gesellschaft, wo jeder nur dann Erfolg haben kann, solang er den vorgegebenen Pfaden folgt, also im Grunde keine echte Freiheit zu entscheiden hat oder die Freiheit sich so zu entwickeln wie man möchte, obwohl man ständig betont, dass alles dafür getan wird.
Alex wird nachdem er nach den Ansprüchen der Gesellschaft versagt hat und aus Frustration zu dem wurde was er war "zwangsbekehrt" und mittels Gehirnwäsche zu einem Rad in dem Uhrwerk gemacht, dass im Grunde als Mittler dient um die Kraft eines anderen auf ein anderes zu übertragen, beispielsweise nutzt der Schriftsteller Alex dazu, seine Interessen durchzusetzen, die Regierung um ihre Interessen durchzusetzen ohne jemals selbst direkt dafür eintreten zu müssen. Und nachdem er wie ein Rad in einem Uhrwerk seine Funktion erfüllt hat, wird er "weggeworfen" und versinkt wieder in ungelösten inneren Konflikten.
Anhand des Schicksals von Alex soll verdeutlicht werden, wie ein Mensch in der Gesellschaft zuerst frustriert, dann pervertiert und dann missbraucht wird - ausgehend von der Grundlage, dass jeder Mensch am Anfang frei ist und nach und nach "maschinisiert" und in seiner Freiheit eingeschränkt wird um in der Gesellschaft ohne Rücksicht auf eigene Interessen zu funktionieren.
Deutlich wird dies z. B. durch den Einsatz von Fischaugenobjektiven oder verschiedene Kameraeinstellungen sowie das Tempo, was jeweils passend zur Szene indirekt einen gesellschaftlichen Konflikt, eine Norm oder einen Wert zum Ausdruck bringen oder karikieren soll. Zudem spielt er indirekt auch auf heuchlerische, christliche Einstellungen an.
Clockwork Orange ist also im Grunde ein zutiefst philosphischer und kritischer Film und nur oberflächlich ein Film, der Gewalt und Sadismus inszernieren soll. Im Grunde sollte er nur von Menschen gesehen werden, die das verstehen, auch wenn es hart klingt - es ist halt kein 08/15 Kino, welches nur unterhalten und Popcorn verkaufen soll.
Ui.
Ein echt netter Beitrag. Finde das echt toll, dass du den Film so ausgiebig für uns analysiert hast.
MFG Markus
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