Mitleid gegen Talent
Ich habe mir am Samstag Abend eher aus Langweile und Ermanglung eines besseren die Deutschland sucht das Supertalent Show auf RTL angesehen. Ich bin zwar noch von Deutschland sucht den Superstar dieses Jahr ziemlich bedient und kann auch Talentshows, in denen man irgendwelche obskuren Tänzchen auf einer Bühne vorführt nichts wirklich abgewinnen. Aber da ja fleißig darüber gesprochen wurde, dachte ich mir, einmal kann ich mir das ja auch mal ansehen. Im Zweifelsfall kann ich immer mal kurz mitreden. Und das war wahrscheinlich auch die erste und einzige Show der Staffel die ich mir angesehen habe.
Wie gesagt ich kann so Tänzchen nichts abgewinnen, finde auch Zirkus grausam. Die Sendung kenne ich am Rande, eher mal durch ein kurzes rein zappen. Grob wusste ich also was mich erwartet. Die Showtalente an sich fand ich noch nicht mal sonderlich schlecht und wenn es nur um das reine Talent gehen würde, wäre die Sendung vielleicht doch für mich interessant.
Mich störte eher das beeinflussen der Zuschauer im Vorfeld. Oder auch die ganze Mitleidsnummer, bei manchen Kandidaten. Die erste Kandidatin wurde als hässliches Entlein präsentiert. Sie sagte, sie kann Tierstimmen nachmachen. In wie weit sie das kann, war nicht mehr wirklich abschätzbar, weil das Publikum im Saal schon so gepuscht war und beeinflusst wurde, dass man die Kandidatin quasi schon vorher abgestempelt hatte. Ok sie brach sich im späteren Verlauf ihres Auftritts noch selber das Genick mit manchen Aussagen. Aber ich finde die Zuschauer konnten das schon gar nicht mehr objektiv betrachten.
Dann war ein kleiner Junge da. Ob man Kinder dort zulassen sollte oder nicht, ist sicherlich eine andere Diskussion wert. Ich fand den Jungen auch von seinen Leistungen her in Ordnung. Ich fand es nur absolut mies, wie in meinen Augen im Vorfeld mit ihm "gespielt" wurde. Er erzählte im Einspielfilm, er macht das alles ja nur für seinen verstorbenen Freund. Das mag vielleicht den Tatsachen entsprechen. Darüber möchte ich auch nicht urteilen. Nur die ganze Art, fand ich einfach nur zum Kotzen. Und ich bezweifle, dass das alles auf den Mist des Jungen oder seiner Mutter gewachsen ist. Aber wie er davon erzählte und wie er sich mehrfach krampfhaft in die Augen griff, damit er auch ein paar Tränchen in die Kamera blinzeln kann- bei einen Erwachsenen würde ich vielleicht sagen, dass er kein guter Schauspieler ist. Bei dem Jungen wirkte das für mich eher wie eine Regieanweisung. Und das man halt krampfhaft was suchte, wie man den Jungen medienwirksam mit viel Mitleid an die Zuschauer bringen kann.
Ähnlich habe ich bei dem Mädchen empfunden, dass ihre Familie retten möchte. Ich mag nun hart klingen. Aber Schlaganfall vor ein paar Monaten und nun wohl Hartz 4- ein Schicksal das viele Menschen zur Zeit in Deutschland in irgendeiner Form erleben. Aber RTL stellt das ganze so dar, als wenn nun alle Last der Welt auf den Schultern eines kleines Mädchens liegt. Das Mädchen war Klasse, keine Frage. Aber ich glaube, sie wäre auch ohne die Mitleidsnummer weiter gekommen.
Komischerweise wurden aber Schicksalsschläge bei Kandidaten die eh raus flogen, eher ins lächerliche gezogen. Wenn ein Mann der Anfang/ Mitte 30 ist Rente bezieht, dann sicherlich nicht grundlos. Es wurde erwähnt, dass er seinen erlernten Beruf als Maler und Lackierer wegen der Dämpfe aufgegeben hat. Und der Mann wirkte auf mich, ohne es negativ zu bewerten, als wenn er wirklich gesundheitliche Probleme dadurch hat. Aber es wurde als Vollidiot dargestellt.
Der einzige Kandidat bei dem man nicht gewaltsam um Mitleid warb, war der taubstumme Tänzer. Da wurde kurz erklärt, ohne das positiv oder negativ zu bewerten. Klar der brachte die geforderten Leistungen auch und blieb an sich er selbst. Wobei man da wohl auch wenig mit Mitleid machen konnte. Das wäre beim Publikum auch nicht so positiv rüber gekommen.
Geht es beim Supertalent nun um Talent oder darum, welches Schicksal sich besser verkaufen lässt? Wer braucht aufgrund seines Schicksals den Gewinn? Ich denke bei dem Wort Talent an sich immer noch an Talent und nicht daran, wer hat es nun nötiger. Sondern wer hat es aufgrund seines Talents verdient.
Was erwartest du denn von einer Sendung im Privatfernsehen. Das was da geboten wird, ist primitive Massenunterhaltung und Volksverdummung. Wenn man einen solchen Sender einschaltet, kann man doch nicht ernsthaft Qualität erwarten, oder? Solche Sendungen leben davon, dass sie Extreme präsentieren. Wenn keine da sind, werden sie eben geschaffen. Solche Sendungen sind durchgeplant, das Verhalten des Publikums und der Zuschauer zuhause sind vorhersehbar - eben durch die Art wie die einzelnen Fälle vorgestellt werden.
In solchen Sendungen geht es nicht primär darum, ein Talent zu küren, sondern vor allem die gewünschte Zuschauerschaft vor den Bildschirm zu bringen (und daran Geld zu verdienen, durch teuer verkaufte Werbung). Aktuell schafft man das scheinbar ganz gut mit Castingshows aller Art. Wenn sich jemand dafür instrumentalisieren lässt und in diesen Sendungen seine große Chance sieht, ist das in den meisten Fällen wohl traurig genug. Wenn Eltern ihre Kinder sogar dorthin schicken, ist das schade für die Kinder. Mit einem Kind, das eine tragische Geschichte zu erzählen hat, kann man wohl eher auf den Sieg hoffen als wenn dort ein Erwachsener ohne tragisches Schicksal, dafür aber mit einem wirklich herausragenden Talent auftritt.
Es sind schlichtweg Menschen, die auf der Bühne stehen. Sie als solche zu ignoerien wäre Bürokratie, wo hinter dem Namen der Mensch ausgeblendet wird. Keiner würde sich "Das Supertalent" noch ansehen, wenn es da nur darum ginge ein paar Tricks vorgeführt zu bekommen. Wen wir mögen und wen nicht entscheidet sich auch schon innerhalb von Sekunden. Man betrachte nur diesen Komponisten, der besser als der Dieter Bohlen komponieren will. Kaum kam er auf die Bühne, hatte er das Publikum gegen sich.
Wir wollen uns mit den Menschen identifizieren, die auf der Bühne stehen. Wir wollen sie mögen, sich von ihnen verzaubern lassen, sich von ihrem Schicksal bewegen lassen. Da könnte auch das Talent überhaupt auftauchen, aber wenn er uns menschlich nicht tangieren würde, dann würden wir auch gar nicht dessen Leistung zu würdigen verstehen. Ein Mensch braucht menschliche Reize.
Shows wie diese und ähnliche Formate schaue ich mir mittlerweile kaum noch an weil ich mich auch daran störe, dass nur doch auf die Tränendrüse gedrückt wird. Dabei zeigen doch Produktionen wie X-Factor, dass die ganze Effekthascherei eigentlich nicht nötig wäre wenn wirklich Talente auf der Bühne stünden.
Extrem schade finde ich, dass ein Mensch der wirklich mit einem echten Talent gesegnet ist kaum eine Chance auf den Titel hat, wenn er nicht auch eine tränenreiche Backgroundstory erzählen kann in der mindestens ein totes Familienmitglied, schwere Krankheiten oder Armut vorkommen müssen. Das Können rückt tatsächlich meist vollkommen in den Hintergrund; es scheint kaum noch etwas wert zu sein wenn andere mit Schicksalsschlägen auftrumpfen können.
So wie ich das sehe handelt es sich dabei um einen Trend der auch in anderen Fernsehshows immer mehr Anklang findet. Es geht nicht mehr darum wer sich als erstes darum beworben hat die Wohnung oder das Häuschen renoviert zu bekommen, sondern darum wessen Kind oder Partner kränker ist. Will der Zuschauer zu Hause sich wirklich nur noch das Leid der Anderen anschauen? Leiden wir eigentlich mit oder freuen wir uns heimlich daran, dass es uns nicht so schlecht geht? Meiner Meinung nach geht es hier schon lange nicht mehr um Anteilnahme oder darum dem anderen etwas zu gönnen.
Dass die Sender die echten (oder zum Teil auch gespielten) Ängste, Sorgen, Schmerzen und Verluste von Menschen benutzen um so viele Zuschauer wie möglich anzulocken, ist eine mehr als erbärmliche Entwicklung die ich persönlich damit quittiere, dass ich mir weder Popstars noch das Supertalent anschaue.
Ich habe es mir gestern angeschaut, und schaue auch gerade nochmals die Wiederholung. Ich weiß auch nicht, warum immer wieder auf das Schicksal der Kandidaten anspielt. Es sind ja alle dort um zu gewinnen, und um das Geld zu gewinnen. Doch manchmal denke ich mir, dass schon im vorhinein entschieden wird, wer weiter kommt, nur weil er einen Schicksalsschlag erlitten hat.
Natürlich tun mir die Leute Leid, die einen Menschen verloren haben, aber das hat ja mit dem Talent der vorgeführt wird nichts zu tun. Wenn mir ein Act gefällt, gefällt er mir auch so, ohne mir nahezulegen welches Schicksal denjenigen Kandidaten ereilt hat. Darum finde ich es toll, dass voriges Jahr der kleine Hund gewonnen hat. Und nicht die Opernsängerin, die auch toll gesungen hat, aber trotzdem vom Schicksal gebeutelt war.
Womit lässt sich in der Praxis am meisten Geld verdienen? Mit dem Elend anderer Personen. Wenn man nun gerade kein Elend zur Verfügung hat, muss man eben ein Elend erfinden. Glaubst du denn, dass die dort erzählten Tatsachen der Wahrheit entsprechen? Die Lügen dort sind einfach gut vorgetragen, da gibt es keinen Zweifel erst einmal.
Selbst der angeblich taubstumme Jugendliche ist nicht wirklich total taubstumm, denn er kann ja sprechen. Das war ja im Vorfilm zu sehen und zu hören. Ob er nun wirklich taub ist wurde ja nicht getestet, aber davon lebt ja letztendlich diese Show. Als Zuschauer darf man eben nicht alles glauben und sollte immer sehr skeptisch sein.
Ich stimme meinem Vorredner zu, diese Sendung ist einfach nur Massenunterhaltung und Volksverdummung und mehr nicht. Ich gucke mir solche Sachen eigentlich schon seit Jahren nicht mehr an und das einzige, was ich letztens wieder eingeschaltet habe, was das ''X-Faktor'' und das nur, weil ein Bekannter vin mir dort aufgetreten ist. Wenn man diese ganzen Geschichten ein wenig abgespecken und nicht ganz so ausbreiten würde, würde das vielleicht ein bisschen seriöser ankommen und was ich generell überhaupt besser fände, wäre wenn man beim Casting diese Geschichten ganz rauslässt und erst in der zweiten Runde das eine oder andere berichtet.
Für mich ist von Grund auf klar, dass es bei diesen Show nicht um ein Talent geht, sondern einfach darum, wie gut man sich auf der Bühne präsentieren kann. Hat man eine gute Geschichte, ein zu Tränen rührendes Schicksal zu bieten und verdrückt auch selbst das eine oder andere Tränchen, ist man ein Talent und fertig. Als Mensch mit einem richtigen Talent, kann man bei solchen Shows nichts erreichen , denn wer will schon von jemandem berichten, der eine ganz normale Vergangenheit ohne irgendwelche Schicksalsschläge hatte. Dazu muss man aber auch sagen, dass richtige Talente es wohl sicherlich auch nicht nötig haben, sich in solch armseligen Shows zu präsentieren, richtige Talente schaffen es auch ohne sehr gut.
@ karlchen66
Bei dem taubstummen Kandidaten dachte ich beim Einspielfilm auch erst, dass er doch reden kann. Was ich an sich für eine beachtliche Leistung halte. Allerdings ging der Film dann weiter und der Dolmetscher stellte sich vor. Und der hatte die selbe Stimme wie vorher der taubstumme junge Mann. Damit hatte ich meine Erklärung.
Und sorry wenn die getestet hätten, ob der Mann nun wirklich behindert ist oder nicht, ich hätte das als menschenverachtend empfunden. Und ich bin mir sicher, der Kandidat ist das, was er vorgibt zu sein. Nämlich taubstumm. Und er hat bei der Bewertung der Jury auch immer wieder bewusst seinen Dolmetscher angesehen. Das hätte er in der Art wie er das getan hat, nicht getan, wenn er die Jury verstanden hätte. Was ich mich nur gefragt habe, dass er wohl nicht von den Lippen lesen kann, was ja an sich die meisten gehörlosen Menschen können, denke ich.
@ Topic
Ich weiß nicht was ich erwartet habe, aber wie gesagt, ich fand es erbärmlich. Man kann menschliche Schicksale auch anders präsentieren, aber nicht so abstoßend wie es in der Sendung gemacht wurde. Mir ging es mit meinem Post auch eher darum, wie andere das empfunden haben, oder ob nur ich mal wieder über reagiere oder es halt so wahrgenommen habe.
Und ich kann mich durchaus an Sendungen, die zur guten Fernsehunterhaltung gezählt haben, erinnern, in denen es auch ohne menschliche Schicksale in solch übertrieben dargestellter Form ging. Da ging es rein um das was die Kandidaten konnten. Und mich persönlich interessiert so was auch mehr, muss ich zugeben.
Ich finde es sehr schade, dass die Castingshows alle auf Mitleid bauen. Ich muss ehrlich sagen, dass viele Menschen es gerade deswegen gucken und sich dann in den "Bann" ziehen lassen, aber meiner Meinung nach sind diese Menschen ziemlich dumm, wenn sie nicht bemerken wie unrealistisch und aufgebauscht diese ganzen Geschichten sind. Dabei rückt das echte Talent nur in den Hintergrund und ein wirkliches Talent ohne solch eine Story wird einfach unwichtig.
Ich würde gerne mal wieder eine Castingshow sehen in der es nur um Talent geht. Vor allem finde ich es aber auch nervig, wenn ich, gerade bei Supertalent, immer diese Blicke des Publikums sehe. Wenn einer reinkommt der schlecht aussieht, wird sofort einer aus dem Publikum gezeigt, der irgendwie hämisch vor sich hin grinst. Als könnten Leute, die nicht gut aussehen kein Talent haben. So etwas finde ich richtig ekelhaft und das und diese mitleidige Tour geht mir so auf die Nerven, dass ich solche Sendungen nicht mehr schauen will.
@Little Sister
Da bist du auch der Manipulation bei dem taubstummen Kandidaten aufgesessen. Dieter hat nämlich aus versehen das brisante Thema direkt angesprochen und erhielt als Antwort nicht ganz. Das hieß laut der Gebärdensprache nicht vollständig.
Das konnte man allerdings nicht genau sehen, weil sofort danach aufs Publikum weiter geschaltet wurde. Dieter war danach etwas sauer, denn er bekam eben keine ganz eindeutige Antwort. Also war an der Sache wohl irgendetwas faul.
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