Packen Erwachsene ihre Kinder heute zu sehr in Watte?

vom 16.10.2010, 06:03 Uhr

Manchmal passiert es, dass ich bestimmte Situationen bei heutigen Kindern sehe, und dann an meine eigene Kindheit zurück denke. Gerade, wenn ich sehe, wie das Verhalten zwischen Kindern und Eltern heute aussieht, vergleiche ich das manchmal mit meinen eigenen Erlebnissen. Eine Sache ist mir aufgefallen, die ich hier auch zur Debatte stellen möchte: Sind Eltern ihren Kindern gegenüber heutzutage zu zimperlich?

Ich erinnere mich beispielsweise gut, wie ich vor wenigen Jahren mal draußen mit einer meiner Nichten auf der Wiese herumgetollt bin. Wir haben auch mal Tauziehen gespielt. Sie war da acht Jahre alt. Und ihre Oma war völlig entsetzt, als sie uns beim Tauziehen gesehen hat, und schrie mich an, was mir einfiele, das Mädchen könne dabei doch hinfallen und sich verletzen. Das Mädchen hat übrigens keine Glasknochenkrankheit, ist kein Bluter, und hat auch sonst keine anderen Krankheiten wo ein kleiner Kratzer einen gleich umbringen würde. Aber dennoch war die Oma völlig hysterisch. Die Nichte selbst war übrigens am Johlen und Lachen und total glücklich, während wir gespielt haben. Erst als ihre Oma das dann verbot, war sie traurig.

Also ich habe als Kind vor 15 Jahren zum Glück noch richtig herumtoben können. Bin ich mal hingefallen, gab es blaue Flecke oder auch mal offene Knie, dann habe ich ein bisschen geweint, aber es hat sich auch wieder gegeben. Und wie oft ich Kratzer hatte, weil ich in Brombeerbüschen herumgeklettert bin, weiß ich auch gar nicht mehr. Bleibende Schäden habe ich dadurch nicht bekommen.

Und ich denke, wenn Kinder heute so am Toben gehindert werden, mit ständigen Angstbekundungen, sie könnten sich verletzen, ist das dann nicht eher schädlich? Wird das Kind dann nicht zum Hypochonder? Und dennoch sehe ich in den letzten Jahren sehr oft, wie Eltern und Großeltern Kinder wirklich "in Watte packen". Manchmal wundert es mich fast, dass sie überhaupt noch selbst laufen dürfen, und nicht in einem dick gepolsterten Kasten durch die Gegend gefahren werden. Ich meine, Vorsicht ist ja gut, und natürlich muss man auf Kinder aufpassen und sie schützen. Aber man kann es auch übertreiben.

Auf der psychischen Ebene sieht es ähnlich aus. Dass man allzu gewalttätige Inhalte vor Kindern fern hält, finde ich in Ordnung. Aber wenn man jegliche Gedanken von Verletzungen oder Tod von Kindern fern hält, ist das nicht auch etwas übertrieben? Aus Kinderfilmen (wie beispielsweise Disneys "König der Löwen" oder "Tarzan") werden mittlerweile häufig Kampfszenen, "gruselige" Gesichtsausdrücke und Verletzungen, seien es auch nur Kratzer, herausgeschnitten, ehe sie in Deutschland gesendet werden. Sollte irgendwer in einem Film sterben, und sei es nur eine Oma aus Altersschwäche, dann wird das herausgeschnitten und die Handlung drum herum neu erfunden. Das erinnert mich an diese Erzählung, dass einige Eltern ihren Kindern beim Tod des Haustieres erzählen sollen, es sei im Urlaub oder was weiß ich. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob manche Eltern das wirklich tun.

Und dann mache ich auch noch die Erfahrung, dass viele Kinder wirklich mehr vertragen, als die Eltern glauben. Ich kenne 7-Jährige, die sich über gruselige Moritaten freuen, und die es total spannend, aber nicht Angst machend, finden, wenn sie beispielsweise vom kopflos durch die Gegend laufenden Piraten Störkebeker hören. Die Eltern sind dann die einzigen Leute, die sich total daran stören und Angst haben, dass ihre Kinder die Erzählungen hören.

Denke ich an meine Kindheit zurück, so hat mein eigener Vater mir die Störtebeker-Geschichte erzählt, da war ich auch so acht oder neun Jahre alt. Damals war es ja aber auch nicht tabu, in Märchen zu sagen, dass die Hexe Hänsel und Gretel essen wollte. Sofern ich weiß, gibt es heute schon Eltern, die die Märchen "kinderfreundlicher" abändern und empört sind, sollte eine Grundschullehrerin ein Märchen wirklich noch so erzählen, dass die Hexe in den Ofen geworfen wird oder dass der Wolf (aus der Geschichte mit den sieben Geißlein) den Bauch aufgeschnitten und mit Steinen befüllt bekommt und dann in den Brunnen fällt.

Und ich weiß noch, wie wir auf Klassenfahrt im Alter von vielleicht zehn Jahren das "Kannibalenlied" sangen, wo ein Vers lautet: "Auf dem See da schwimmen Leichen mit aufgeschlitzten Bäuchen". Das, ohne Gewaltfanatiker zu sein. Und wir haben zum Großteil ein gutes Abitur gemacht und studieren mittlerweile. ;) Übrigens hatte die Lehrerin damals unser Gesinge mitbekommen, hat gesagt, dass sie das gruselig fände, aber uns nicht weiter verboten, das zu singen. Ich will nicht wissen, wie es heute in dieser Situation aussähe.

Klar kommt es auch auf das Kind an, wie gut es bestimmte Dinge verträgt. Auch sollte man Kinder natürlich nicht überfordern. Man sollte Gewalt vor ihnen fern halten. Aber ist es nicht übertrieben, dem Kind vorzugaukeln, Verletzungen und Tod gäbe es nicht? Ist es nicht falsch, dem Kind das Toben zu verbieten, dass es sich ja nicht die Knie aufschürft? Packen die Eltern heute ihre Kinder nicht irgendwie eher in Watte, als früher? Wieso ist das so? Meint man, die Leute heute seien feinfühliger und würden daher alles als gefährlich für ihre Kinder ansehen?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Das Eltern heutzutage sehr zimperlich mit tobenden Kindern umgehen stimmt in gewissen Punkten wahrscheinlich schon. Das kommt auf die Eltern an. Ich habe in meiner Familie jetzt auch viele kleinere Cousins und Cousinen und ich sehe auch, wie unterschiedlich sich da die Eltern verhalten. Dabei ist mir besonders aufgefallen, dass Kinder in kleineren, ländlicheren Orten wohl noch eher toben dürfen, als Stadtkinder, die höchstens mal auf einer Wiese oder einem kleinen Spielplatz Freiraum haben. Ich selbst bin noch bis ich 5 Jahre alt wurde in einem kleinen Dorf auf dem Bauernhof meiner Oma aufgewachsen und dort durfte ich toben so viel ich wollte, vorausgesetzt meine Mutter war da. Diese verbot mir sowas strikt, nicht etwa weil ich mich verletzten könnte, sondern weil ja meine Anziehsachen schmutzig werden. Bei meinen Cousins und Cousinen sehe ich das im Moment aber anders. Die meisten davon wohnen in kleineren, ländlicheren Gegenden und dürfen toben, soviel sie wollen.

Das mit den zensierten Filmen ist mir weniger aufgefallen, auch wenn ich da auch einen speziellen Fall kenne. Es handelt sich dabei um eine Familie mit drei Kindern, wovon einer erst 5 Jahre alt ist. Wenn ich dort mal zu Besuch bin, weil ich mit einer der Töchter gut befreundet bin, und wir dann mal einen DVD Abend machen, wo sich dann manchmal auch der kleine Junge dazu setzt, bekommt man an die 50 mal in einem Film zu hören ''Augen zu!''. Und dann schließt der Kleine wie auf Kommando die Augen und hält sich die Ohren zu, bis ihm jemand wieder sagt, dass er hinsehen darf. Bei einigen Filme wie ''Fluch der Karibik'' oder ''Jurrassic Park'' ist das doch auch verständlich, aber da frage ich mich, wieso man das Kind überhaupt vor den Fernseher lässt. Und dann kommen Szenen wie in ''Die fabelhafte Welt der Amelie Poulin'', wo Amelie und ihr neuer Freund sich einen Kuss geben. Einen klitzekleinen Kuss, mehr nicht und schon muss der Junge sich die Augen zuhalten!?


Ich kenne allerdings auch ein Beispiel, an dem man sehen kann, wie schwer es Kinder doch mitnehmen kann, wenn sie Gewalt im Fernsehen sehen. Ich kenne das Kind nicht persönlich, es ist aber um die 4 Jahre alt und geht in den selben Kindergarten wie mein Cousin. Anfang diesen Jahres hat das Kind ziemlich merkwürdige Verhaltensweisen aufgezeigt, es hatte Angst, dass jemand hinter ihm steht und ist zur Seite gegangen, wenn das der Fall war, wollte nicht mehr schwimmen gehen und hatte auch Einschlafprobleme. Irgendwann haben die Erzieher mal mit dem Jungen geredet und dieser meinte daraufhin, er hätte Angst, dass jemand ihm den Hals bricht. Die Eltern haben dann darauf geschlossen, dass der Junge scheinbar Szenen aus einem Horrorfilm seiner älteren Geschwister angesehen hat und Angst vor einem Nackenbruch oder auch anderem hat. Der Junge ist jetzt bei einem Therapeuten, so schlimm soll es also gewesen sein und ich denke man sieht hieran, dass man besonders mit solchen Dingen doch ein wenig vorsichtiger sein sollte, denn es gibt auch Kinder die das weniger gut verarbeiten können.

Aber das Eltern die schönen, alten Märchen verändern, finde ich schon ein bisschen lächerlich. Ich habe bislang noch nicht davon gehört, aber ich kann mir das gut vorstellen. Heutzutage hat Gewalt in den Medien einen anderen Stellenwert als früher, denn viele sind der Auffassung, es könnte sich auf das Publikum übertragen und sei Schuld an Amokläufen und anderen Vorfällen. Ich denke aber, dass einem Erwachsenen klar sein sollte, dass das nicht auf so banale Dinge wie Märchen zu übertragen ist. Märchen und Fabeln haben etwas lehrreiches und sollen keine Gewalt vermitteln und das haben sie auch sicherlich nie.

Was Dinge wie den Tod und Krankheit betrifft, so habe ich bislang auch ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Als ich gerade mal drei Jahre alt war, ist mein Onkel gestorben, kurz danach auch meine Uroma und danach natürlich auch noch einige andere. Meine Eltern haben mir niemals irgendwas erfundenes erzählt. Für mich hieß es jetzt einfach ''dein Onkel ist tot'', ''deine Uroma ist tot'' und so war das eben. Man hat mich damals auch zu der Beerdigung und zum Beten mitgenommen, wo ich dann stundenlang dastand und meine toten Verwandten anstarrte. Und ich habe davon auch keinen Knacks. Vielmehr habe ich mich dementsprechend gewundert, als der Hamster meiner Freundin irgendwann mal in den Himmel gekommen ist, da ich diesen Ausdruck damals nicht verstanden habe.

Wenn man das nun mit einem meiner Cousins vergleicht, ist das doch sehr unterschiedlich. Dieser ist jetzt elf Jahre alt und ist ohne seinen Vater aufgewachsen, dafür hatte er aber den neuen Mann meiner Tante, den er Papa nennt und den er auch für seinen leiblichen Vater hält. Wie es so kommen musste, hat er dann irgendwann bei meiner Oma ein Hochzeitsfoto meiner Tante mit seinen richtigen Vater gefunden und scheinbar sah er auch die Ähnlichkeit zu sich selbst und fragte seine Mutter danach. Aus unserer Familie hatte keiner gewusst, dass meine Tante ihrem Sohn einfach vorenthalten hatte, dass sein Vater gestorben war. Als Grund meinte meine Tante nur, sie hätte nicht gewusst, wie sie es einem kleinen Kind hätte erklären sollen.

Demnach denke ich eigentlich, dass es bedingt schon zutrifft, das Eltern heute etwas zimperlicher sind, als das früher der Fall war. Von Familie zu Familie wird das wohl unterschiedlich sein und ich bin trotzdem der Auffassung, das speziell Kinder in kleineren Orten und Bauernhöfen etwas abgehärteter sind und mit Dingen wie Tod und Verletzung schneller und früher zurecht kommen, als Stadtkinder, die das mit eigenen Augen selten zu sehen bekommen. Aber Eltern meinen es auch nur gut, selbst wenn sie übertreiben.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich bin ganz Deiner Meinung, Wawa666. Diesen Eindruck habe ich auch schon gewonnen und mich darüber gewundert wie übervorsichtig manche Eltern mit ihren Kindern umgehen. Ich kenne Eltern, die ihre Kinder an einem sonnigen Tag nicht alleine vor die Tür lassen, erst ab 4 oder 5 Uhr dürfen die Kinder im Garten toben. Der Grund ist die Angst vor Hautkrebs bedingt durch Sonnenbrand. Auf die Idee, dass eine Sonnenmilch mit einem hohen Lichtschutzfaktor und eine zeitliche Begrenzung vollkommen ausreichend wären, scheinen die Eltern nicht zu kommen. Dasselbe Elternpaar rennt dem Kind im Garten auch immer hinter her, um darauf zu achten dass es nicht stolpert und hinfällt. Rennen und toben ist damit eigentlich tabu – zum Leidwesen des Kindes.

Seltsam finde ich auch wenn Mütter immer mit einer Flasche Sagrotan durch die Gegend laufen und alles desinfizieren was nicht flüchten kann. Die Sorge, dass das Kind Keime abbekommen und davon krank werden könnte ist scheinbar übermächtig. Dabei habe ich nicht den Eindruck, dass die Kinder wirklich davon profitieren. Im Gegenteil drängt sich mir der Gedanke auf, dass ein Kind doch keinerlei Abwehrkräfte entwickeln kann wenn es keinerlei Umwelteinflüssen ausgesetzt ist. Das Resultat dürfte sein, dass das Kind sogar öfter krank wird wenn es erst mal in den Kindergarten kommt und niemand da ist der alles desinfiziert was sich in der Nähe der kleinen forschenden Kinderhände befindet.

Ich erinnere mich noch daran, dass ich in meiner Jugend öfter nach Hause kam und meine Kleider so vor Dreck standen, dass meine Mutter kaum noch erkennen konnte welche Farbe die Hose im sauberen Zustand wohl hatte. Ich bin auf Bäume geklettert und durch die Wiese getobt, habe im Sandkasten gesessen und bin durch Pfützen gesprungen. Ein Batschloch hatte magische Anziehungskraft auf mich. Schaue ich mir heute die Kinder von Freunden und Bekannten an sind sie immer wie aus dem Ei gepellt und hören nur allzu oft „Nein, mach das nicht, du wirst ganz schmutzig“, oder „nicht auf das Klettergerüst, Du tust Dir nur weh“. Ist der Spross dann wirklich mal auf dem Hosenboden gelandet, sind die Eltern bestürzter als das Kind und verhalten sich als ginge es um Leben und Tod.

Auch die umgeschriebenen Märchen sind mir schon begegnet, wobei sie in meinem Bekanntenkreis eigentlich schon fast vollständig durch Geschichten aus dem – wie ich es liebevoll nenne – Klimperklunkerland ersetzt wurden; einem Land in dem nie etwas schlimmes passiert, alles rosa funkelt und glitzert, jeder schlau und mutig ist und in dem alle Menschen glücklich sind.

Einen wirklichen Nutzen kann ich bei dieser Übervorsicht nicht erkennen. Ich würde eher befürchten, dass es die Kinder zur Unselbständigkeit und Unsicherheit erzieht und sie nicht nur ein Stück Kindheit verpassen sondern später auch anfälliger für Infektionen und Allergien sind.Da entsteht bei mir der Eindruck, dass Eltern ihre Kinder wirklich in Watte packen und es damit so manches Mal arg übertreiben. Das mag sicherlich nicht auf alle Eltern zutreffen, aber sichtbar ist der Trend allemal.

Woher das alles kommt kann ich nur vermuten. Viele Elternratgeber setzen jungen Müttern Flöhe ins Ohr, und viele Ältere, die bei der Erziehung mitwirken und Unterstützen werden auf Grund des eigenen Alters vorsichtiger. Im Vordergrund steht natürlich auch immer der Gedanke, dass man es dem Kind leichter und schöner machen will als man selbst es hatte. Der Beschützerinstinkt ist stark und vielleicht bedienen sich Eltern deswegen heute teilweise allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen (und bedeutend vielfältiger sind als noch vor 30 Jahren).

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» ichwars » Beiträge: 562 » Talkpoints: 3,76 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich muss sagen, ich bin selbst ein Stadtkind. Meine Mutter war auch immer pingelig, sie meckerte auch immer sehr, wenn ich beim Spielen meine Kleidung dreckig machte, was aber eigentlich immer passierte, da ich gerne den halben Sandkasten umgegraben habe oder auch auf Bäume geklettert bin. Mein Vater sah es nicht so eng. Und die besagte Nichte mit der pingeligen Oma, die leben beide in Bayern in einem winzigen Dörffchen. Also ich denke, man kann es nicht wirklich an einer Herkunft vom Land oder aus der Stadt festmachen. Jedenfalls nicht pauschal. Wobei ich irgendwie auch so ein Vorurteil im Kopf habe, dass Leute vom Land naturverbundener wären und die Kinder daher dort auch mehr toben dürfen. Wie gesagt, irgendwie ist das so ein Klischee. Wie wahr es tatsächlich ist, weiß ich nicht.

Dass es Kinder gibt, die sich auf Kommando Augen und Ohren zuhalten, ist echt kurios. Ich habe das eben meinem Freund erzählt, und der meinte, er habe genau das auch schon einmal auf der Straße gesehen. Ich frage mich, wie Eltern ihre Kinder dazu bekommen, das ohne zu mucken zu machen? Übrigens halte ich das aber auch nicht für den richtigen Umgang mit Medien oder auch unangenehme Ansichten im realen Leben. Wieso man einem Kind einen Film überhaupt zeigt, wo es sich alle paar Minuten Augen und Ohren zuhalten soll, erschließt sich mir auch nicht. Wie Eltern wohl auf solche Ideen kommen?

Ich bin übrigens auch der Meinung, dass Kinder nicht jegliche Gewalt im Fernsehen sehen sollten. Klar, man ist irgendwann noch zu jung und kann dann Alpträume davon bekommen. Ich finde es auch sinnvoll, dass Filme und Computerspiele Altersbeschränkungen haben, damit eben kein kleines Kind schon irgendwelche Splatter-Filme sehen darf. Aber "zu viel Schutz", im Sinne von "alles, was nur annähernd aggressiv wirken könnte, verbieten", das ist eben auch falsch. Wie das angeführte Beispiel mit den auf harmlos getrimmten Märchen, und dass in manchen Kinderserien schon ein "böse aussehender" Charakter zensiert wird. Mal abgesehen davon, dass da Kindern auch gleich noch Vorurteile eingebläut werden, dass bestimmte optische Merkmale von Menschen böse seien, aber das ist ein anderes Thema.

Wie gesagt, Kinder vor Mediengewalt zu schützen, ist sinnvoll. Aber man muss schon ein "gesundes" Maß finden und nicht übertreiben. Und gerade, wenn Kinder selbst mit beispielsweise Gruselgeschichten daher kommen, und die spannend finden, dann sollte man nicht Panik schieben und alles verbieten, obwohl das Kind doch schon zeigt, dass es Spaß am leichten Grusel hat.

Zu den Märchen noch einmal: Es gibt schon wahnsinnig brutale Szenen. Man denke an die Hexe im Ofen bei Hänsel und Gretel, daran, dass Aschenputtels Schwestern sich die Zehen abschneiden, um in den Schuh zu passen (in der originalen Fassung), oder daran, wie dem Daumenlutscher der Daumen abgeschnitten wird.

Das sind traditionelle Erzählungen (die wohl heutzutage als Verfilmung ins Horror-Genre gesteckt würden und eine FSK-16-Freigabe bekämen), und irgendwie haben Kinder sie überstanden. Möglicherweise hat das eine oder andere Kind auch einen Alptraum bekommen, weil es doch nicht alt genug für das Märchen war, aber ich denke, da müssen Eltern halt abschätzen können, wie viel sie ihrem Kind zumuten können. Keiner kennt das Kind besser, als die Eltern. Und ich schien damals alt genug für die Märchen gewesen zu sein. Jedenfalls kann ich mich an keine Traumatisierung aufgrund von Hänsel und Gretel erinnern und auch an keinen einzelnen Alptraum, und das, obwohl ich Träume über Jahre im Kopf behalte.

Was das Thema Tod betrifft, sehe ich das Problem, dass einige Kinder, wenn sie älter werden, den Eltern Vorwürfe machen könnten, belogen worden zu sein, wenn immer erzählt wurde, Oma sei auf Dauerurlaub oder was weiß ich. Man muss früher oder später einfach lernen, mit dem Tod zurecht zu kommen. Ich denke, die Kindheit ist der richtige Zeitpunkt. Fängt man erst in der Jugend an, hat man möglicherweise diese kindliche Unbekümmertheit nicht mehr und es fällt einem noch schwerer, den Tod zu akzeptieren. Und allgemein finde ich es auch nicht gut, Kindern irgendetwas vorzulügen. Gleichzeitig sagt man dann ja auch oft zu Kindern, dass Lügen schlecht seien. Was für ein Vorbild ist man dann, wenn man selbst das Kind anlügt?

Aber im letzten Punkt stimme ich dir auch zu: Ich denke auch, dass Eltern für ihre Kinder im Normalfall das Beste wollen und sie deswegen dann auch manchmal zu sehr abschirmen, ohne es zu merken.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich bin auch der Meinung, dass Kinder heute sehr oft zu sehr in Watte gepackt werden. Ich gestehe auch, dass ich mich dabei leider auch immer wieder bei meinem Sohn erwische. Ich versuche aber, mich diesbezüglich zusammenzureißen.

Vor allem als er angefangen hat zu gehen und eben auch die ersten Rutschversuche alleine gemacht hat, war ich teilweise sehr vorsichtig, weil ich die Situation noch nicht abschätzen konnte. Wenn er die Leiter zur Rutsche die ersten Male hinaufgeklettert ist, habe ich nicht gewusst, ob er dann oben auch wirklich zur Rutsche geht und sich hinsetzt oder ob er sich blindlinks wieder zurück zur Leiter stürzt, während ich zur Rutsche vorgehe.

Ich weiß noch, dass ich da bei den ersten Rutschversuchen auch sehr gezittert habe, obwohl ich es eigentlich nicht verstanden habe. Ich habe teilweise selber über mich lachen müssen. Ich bin sogar Outdoorpädagogin und ich weiß nicht, wie oft ich Eltern früher gebeten habe, Vertrauen zu ihren Kindern zu haben und sie sollen auch vieles alleine machen und so weiter. Beim eigenen Kind ist das dann plötzlich anders und ich habe mir sämtliche Sturzvarianten überlegt. :lol:

Zum Glück hatte ich diese Ängste nur ganz am Anfang, als mein Sohn eben angefangen hat die Welt für sich selber zu entdecken. Mittlerweile ist mir klar, dass er sich nicht blindlinks irgendwo runterstürzen wird. Natürlich passieren immer wieder Hoppalas, aber die gehören genauso dazu. Ich muss dazu aber auch sagen, dass ich vor allem am Anfang zwar Ängste hatte, ich ihn aber trotzdem immer dazu ermutigt habe, die Rutsche oder was weiß ich zu erkunden.

Vor einiger Zeit war ich auf einem Spielplatz und habe eine wirklich extreme Situation beobachtet. Eine Mutter war mit ihrer Tochter ebenfalls bei einer Rutsche. Die Tochter war etwa 2,5 Jahre alt. Die Mutter ließ die Kleine nicht die Rutsche selber hinaufklettern! Sie hat sie auf den oberen Teil der Rutsche gesetzt, sie dabei aber auch nicht losgelassen und hat sie dann eben rutschen lassen, indem sie das Kind mit beiden Händen an der Hüfte festhielt.

Das Kind wollte alleine die Rutsche hinauf und hat immer wieder zu ihrer Mama gesagt, dass sie alleine rauf möchte und dass sie das kann. Wie hat die Mutter reagiert? Sie hat mehrfach wiederholt, dass sie so Angst hat und sie das nicht darf, weil eben das und das passieren kann und Rutschen sind gefährlich und so weiter. Das hat sie immer wieder wiederholt. Da habe ich mir auch gedacht, dass es wohl kein Wunder ist, wenn dieses Kind bald sehr verschreckt sein wird und sich nicht mehr viel trauen wird.

Mein Sohn wollte da auch rutschen. Die Leiter war ganz senkrecht, also nicht schräg und die konnte er noch nicht alleine hinaufklettern. Da habe ich ihn auch noch unterstützen müssen. Oben am Turm angekommen ist er dann aber natürlich alleine zur Rutsche, hat sich hingesetzt und ist runtergerutscht. Besagte Mutter konnte es kaum glauben und hat mich dann tatsächlich gefragt, wie ich so mutig sein kann, ihm das zu erlauben. Sie hat das nicht böse gemeint, sondern war eher sehr erstaunt.

Noch dazu war mein Sohn dann einmal etwas zu rasant und ist dann dezent auf dem Hosenboden am Ende gelandet. Dazu hat er sich auch noch ein wenig den Kopf an der Rutsche angehaut. Mein Sohn hat sich nur den Kopf kurz gekratzt ist aufgestanden, hat sich auf den Popo gegriffen und kurz Au gesagt und wollte gleich weiterrutschen. :D Nach dieser Szene hat besagte Mutter auch nur noch gestaunt.

Eigentlich hätte die Mutter noch ein wenig bleiben sollen, weil einige Zeit später kam dann eine andere Familie mit einem noch viel kleineren Kind, welches noch nicht einmal gehen konnte. Trotzdem ist die Kleine ganz alleine runtergerutscht. :D Die oben genannte Mutter hätte da wahrscheinlich einen Herzinfarkt bekommen.

Um es auf den Punkt zu bringen, kann ich manche Ängste also durchaus nachvollziehen, weil ich sie selber bei meinem Sohn kenne. Aber man muss da wirklich versuchen sich zusammenzureißen und den Kleinen möglichst viele Freiräume zum Entdecken geben. Ich halte mir in solchen Situationen dann oft selber meine eigenen Vorträge, die ich als Outdoorpädagogin oft gemacht habe. :wink:

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich denke die Zeit hat sich einfach geändert und ich muss sagen ich bin auch eine vorsichtige Mutter die sich Sorgen macht. Ich würde mir auch Sorgen machen beim Tauziehen, dass mein Kind hinfallen könnte. Auch ich habe zwei Jungen die kerngesund sind und keine Glasknochen haben.

Trotzdem muß man nicht die Tage in Krankenhäuser verbringen und Angst haben vor Gehirnerschütterungen und vor Platzwunden. Mein Bruder ist damals mit 3 Jahren auch nur gestolpert und liegt seit 1983 nun auf dem Friedhof. Er ist damals doof gefallen. So und wer sagt mir, dass das nicht nochmal passieren kann.

Ich könnte nicht leben wenn einem meiner Söhner was passiert. Klar kann man die Kinder dann nicht in Watte packen, aber vorsichtig bin ich trotzdem. Die Kinder neigen heute auch sich selbst zu überschätzen. Die trauen sich Dinge zu oder versuchen Sachen die wir nicht gemacht hätten. Das kommt vielleicht auch vom Fernsehen.

Die Kinder sind einfach um Klassen wilder als wir waren und müssen stärker gebremst werden. Spass darf man ihnen aber nicht nehmen, dass ist richtig. Aber die Einstellung haben die wenigsten Eltern. Also hier auf dem Lande dürfen die Kinder eigentlich auch noch viel und sich austoben ist auch erlaubt. Aber alles einfach auch mit einer gewissen Vorsicht.

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» MoneFö » Beiträge: 2938 » Talkpoints: -3,73 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


MoneFö, das mit deinem Bruder tut mir Leid. Aber du schreibst selbst, er ist "nur gestolpert". Das ist so etwas Alltägliches, das kann man doch nicht unterbinden, wenn man dem Kind auch nur das Geringste an Freiheit lassen will. Und normalerweise stirbt man ja auch nicht gleich, wenn man hinfällt. Du kannst hier ja mal nachfragen, wie viele Leute als Kind hingefallen sind, sich den Kopf gestoßen haben, sich irgendetwas aufgekratzt haben, und so weiter.

Es ist natürlich tragisch, wenn es tödlich endet, aber das ist nun einmal nicht der Normalfall. Meist geht es gut, wenn ein Kind hinfällt. Genauso, wie man normalerweise nicht von einem tollwütigen Hund angefallen, von einem Dachschindel am Kopf getroffen oder vom Blitz erschlagen wird. Aber auch das sind Risiken, die bestehen theoretisch fast immer. Wenn man sich 100%ig dagegen schützen will, müsste man sich selbst in eine Gummizelle sperren. Und wenn man wirklich sicher gehen will, dass ein Kind, zu dessen Natur es gehört, zu spielen und zu toben, niemals hinfällt, dann kannst du das Kind gleich mit in die Gummizelle sperren.

Übrigens ist doch wohl klar, dass ich, wenn ich als erwachsener Mensch mit meiner kleinen Nichte Tauziehen spiele, nicht wie blöd daran zerre, sondern bewusst alles so ausbalanciere, dass das Kind nicht hinfällt. Wobei wie gesagt es eben nicht der Normalfall ist, dass ein Sturz, gerade in den weichen Rasen, schlimm endet.

Selbst "nur" Bänderrisse oder Knochenbrüche sind nicht die Norm, wenn ein Kind beim Toben hinfällt. Ich war ein wildes Kind und hatte nie etwas Schlimmeres als blaue Flecke oder mal ein offenes Knie, wobei auch das schon selten war. Und ich bin oft "verunglückt". Aber natürlich kann ich deine besondere Vorsicht nachvollziehen, wenn schon ein Kind in der eigenen Familie in so einer banalen Situation sterben musste. Aber bitte verstehe auch, dass schwere Verletzungen beim Toben von Kindern eben nicht der Normalfall sind.

Und, ich hoffe, das ist jetzt in diesem Gesamtkontext nicht ein wenig kritisch, das zu sagen: Wenn die Kinder bestimmte gefährliche Verhaltensweisen "aus dem Fernsehen" haben, naja, wer kontrolliert, was kleine Kinder fernsehen, wenn nicht die Eltern? Und selbst, wenn die Kinder so etwas sehen, können die Eltern den Kindern noch erklären, dass das Fiktion ist, und nicht die Realität, und dass einige in Cartoons gezeigte Dinge eben real gefährlich und schmerzhaft wären. Ich finde, Eltern sind allgemein auch dafür zuständig, dem Kind beizubringen, sich selbst einzuschätzen. Auch, was die Frage betrifft, was das Kind körperlich schafft und was nicht. Eltern können das Kind sehr viel dabei unterstützen, seine eigenen Fähigkeiten einschätzen zu lernen. Das kann Unfälle auch ein wenig verhindern.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Die Zeiten haben sich einfach geändert. Ich habe meinen Vater das letztens auch gefragt, denn mein Bruder und ich durften in dem Alter von meinem Halbbruder ganz andere Dinge als er.

Das Kinder heute nicht mehr so herumtoben dürfen, ist aber mehr ein urbanes Problem, je weiter du ins ländliche gehst, da toben die Kinder auch noch länger und anders rum. Ich habe letztens dazu einen Artikel gelesen das die Eltern heute auch viel schneller in die Notaufnahme fahren, einfach weil sie unsicher sind und sich nicht mehr so auf ihre Instinkte verlassen.

Ich nehme an das kommt auch daher das viele nicht mehr ihre Eltern in der unmittelbaren Umgebung haben, die sie um Rat fragen können, schließlich haben die Kindererfahrung und würden bei ein bisschen Fieber sagen: Zäpfchen rein, Wadenwickel und morgen früh zum Arzt wenns nicht besser wird. So aber fahren viele dann sofort zur Notfallpraxis.

Allerdings finde ich das die Eltern dafür in vielen Dingen nachlässiger geworden sind, z.B. was den Medienkonsum angeht. Sowohl von der Dauer die manche Kinder vor dem Computer oder dem Fernseh verbringen, als auch von dem was sie dort anschauen dürfen, ist dies total gegensätzlich zu dem was sie im wahren Leben erfahren dürfen.

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» aries24 » Beiträge: 1748 » Talkpoints: 9,84 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich weiß nicht, ob das mit dem Medienkonsum so verändert hat. Schon in meiner Kindheit gab es Kinder, die Ewigkeiten täglich vor der Glotze saßen. Auch damals gab es schon Kinder, die besaßen mit vielleicht zehn oder elf Jahren ihren eigenen Fernseher in ihrem eigenen Zimmer. Ich hätte davon nur träumen können, ich hatte nie ein eigenes Fernsehgerät und seitdem ich von Zuhause ausgezogen bin, teile ich mir den in meiner Wohnung auch mit meinem Lebensgefährten. ;) Wobei ich damals in der Kindheit eine Ausnahme war. Oder zumindest haben die anderen Kinder mit ihrem eigenen Fernseher geprahlt, und ich habe ja auch ab und zu Mitschüler besucht, und die hatten ernsthaft ihre eigene Glotze, in einem Alter, in dem ich unbeaufsichtigt gar nicht hätte fernsehen dürfen. Andererseits hatte ich aber auch hauptsächlich andere Hobbies, daher störte mich das auch nie. Es fiel nur eben auf.

Andererseits kamen diese Kinder mit eigenem Fernseher auch sehr offensichtlich aus anderen sozialen Umständen als ich. Ich möchte sie jetzt ungern über einen Kamm scheren, aber aus heutiger Sicht würde ich sagen, waren da viele Eltern dabei, die allgemein nicht so am Wohl ihrer Kinder interessiert waren, was sich in vielerlei Dingen zeigte. Vielleicht daher auch das Desinteresse am Medienkonsum der eigenen Kinder? Oder gibt es dieses Problem auch bei interessierteren Eltern? Eigene Erfahrungen kann ich kaum beisteuern, weil meine Familie sowieso extrem speziell war, und ich die daher niemals als Maßstab bei solchen Fragen verwenden würde.

Aber mit der Sache, dass so ein unbeschränkter Medienkonsum bei gleichzeitiger Übervorsicht vieler Eltern im realen Alltag schon ein wenig merkwürdig absurd wirkt, hast du natürlich Recht. Möglicherweise denken viele Eltern gar nicht an eine psychische Ebene, sondern nur an die körperliche. Das Kind soll bloß keinen Kratzer am Arm bekommen, aber die erst einmal nicht sichtbaren psychischen Schäden interessieren nicht. Vielleicht, weil sie nicht für jeden sofort offensichtlich sind? Viele Menschen sind ja oberflächlich.

Aber, nebenbei, ich meine gar nicht, dass Kinder durch Fernsehkonsum im Allgemeinen zwangsläufig psychische Schäden bekommen müssten. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass der Konsum nicht altersgerechter Medien zusammen mit anderen Problemen zu Schäden führen kann, wenn auch nur bei einigen Leuten, nicht bei allen. Jeder ist ja unterschiedlich und verarbeitet Gesehenes auch anders. Aber dennoch ist es natürlich so, dass Medien die Altersfreigaben nicht umsonst haben. Bestimmte Inhalte sollten Kinder nicht sehen, schon allein, weil sie Kinder eventuell schädigen könnten. Übervorsicht ist hier auch nicht angebracht, aber darauf achten sollten Eltern schon. Das tun aber wirklich interessanterweise eher wenige Eltern, und das sind dann oft nicht einmal die, die sonst immer so eine panische Angst davor haben, dass ihr Kind sich auch nur einmal irgendwo einen Kratzer bekommt.

Ich denke mir außerdem gerade, dass diese riesige Angst vor Krankheiten und Unglück aktuell auch bei Erwachsenen aller Altersklassen kursiert. Klar, dass das die Leute auch auf ihre Kinder übertragen. Ich könnte mir leider vorstellen, dass das auch schädliche Auswirkungen hat, denn die Kinder werden es ihren Eltern dann wohl oft nachmachen und dann auch wegen jeder Kleinigkeit glauben, es sei etwas Ernstes. Da machen sich die Leute dann viel zu viel unnütze Panik, und das ist ja auch nicht gesund.

Um ein Beispiel zum Beleg zu nennen: Ich kenne ja durch mein Studium Leute, die schmeißen sofort Tabletten ein und rennen dann zum Arzt, wenn sie einmal eine Viertelstunde Bauchschmerzen und Durchfall haben. In der Situation sitze ich dann halt mal eine Weile auf dem Pott, esse danach Zwieback und trinke Tee, und warte, bis es sich "ausgesessen" hat. Auf den Weg zum Arzt machen würde ich mich erst, wenn es nach mehreren Tagen nicht aufgehört hat, oder wenn es immer schlimmer wird oder auch noch andere Beschwerden dazu kommen. Aber ich kenne Leute, die glauben gleich, totkrank zu sein, nur, weil sie einmal Durchfall und Bauchweh haben.

Ich bin mir leider recht sicher, dass die Leute dann bei ihren Kindern auch so ängstlich sind und dass die dann als Erwachsene später auch so bleiben. Irgendwie muss es ja so kommen.

Ich meine, ich habe schon mehrfach davon gelesen, dass Eltern ihr Kind sofort ins Krankenhaus gefahren haben, weil es sich den Kopf gestoßen hat. Das, obwohl es außer Kopfschmerzen keinerlei weitere Beschwerden gab. In meiner Kindheit war es noch so, dass man sich danach halt ein bisschen schonte, aber die Schmerzen waren nach ein paar Minuten weg und man trug keine Schäden davon. Oder zumindest nichts Merkliches. ;)

Oder wenn Eltern ihr Kind ins Krankenhaus schicken, weil es sich einen Splitter in den Finger gepiekt hat. In meiner Kindheit hat man sich den selbst heraus gezogen, oder wenn man das nicht hinbekommen hat, hat das eben Mutti oder Papi gemacht. Wozu ins Krankenhaus, gerade, wenn man sowieso einen vollen Tetanus-Impfschutz hat?

Wobei ich mich aber auch gerade frage, was sinnvoller ist, übervorsichtig andauernd beim Arzt oder in der Notfallklinik zu hocken, oder einfach erst einmal abzuwarten. Andauernd beim Arzt zu sein, ist wohl risikoloser. Dafür blockiert man Plätze, die für ernsthaft kranke oder verletzte Patienten wichtig wären.

Und, was meint ihr, wenn die Eltern ihre Kinder übervorsichtig erziehen und diese dann im Erwachsenenalter auch übervorsichtig werden, wird diese Ängstlichkeit dann auch in den folgenden Generationen weiter ansteigen, also wird jede Generation immer ängstlicher?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Eltern packen ihre Kinder heute sprichwörtlich mehr in Watte als noch vor wenigen Jahrzehnten. Allerdings denke ich nicht, dass sie ihre Kinder generell zu sehr in Watte packen. Das betrifft sicher einige wenige Kinder, das war aber auch schon früher der Fall und es gibt natürlich auch Eltern die sich heute wie früher völlig gegensätzlich verhalten.

Ich sehe es ähnlich wie aries24: da es zunehmend Kleinfamilien gibt und damit die Großfamilie als Ratgeber und auch Helfer weg fällt, sind Eltern zunehmend auf sich gestellt. Das wäre ja noch nicht mal so tragisch, tragischer ist: man ist einfach unsicherer, weil man eben auch nicht mehr den häufigen Umgang mit Kindern hat und so auch nicht die Erfahrung hat.

Zusätzlich kommt da auch eine weitere Komponente hinzu: Medien sind ja nicht nur Fernseher und Spielekonsolen oder ähnliches sondern auch Internet, Radio, Tageszeitungen und vieles mehr. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert (wenn auch schleichend) und so werden Eltern auch noch mehr verunsichert. Wie viele Nachrichten erreichen uns heute aus aller Welt, die es vor wenigen Jahren vielleicht nur in die regionale Presse geschafft hätten. Das erreicht zwar nur erst mal die Eltern, diese haben natürlich auch direkten Einfluss auf ihre Kinder. Klar,dass diese Kinder dann später auch mal zu (über-)vorsichtigen Erwachsenen und vielleicht auch Eltern werden.

Ich denke, dass es heute auch gar nicht so einfach ist eine Balance zu finden zwischen übermäßiger Vorsicht und einfacher Bedenkenlosigkeit. Denn wie schon erwähnt ist es gar nicht so einfach auf einmal auf seine Instinkte zu hören, wenn man diese lange Zeit nicht nutzte. Zum anderen ist es aber auch so, dass bestimmte Gefahren früher nicht als solche gesehen wurden, die man heute eben erkennt und gegen die man auch etwas unternehmen kann. Reale Gefahren und eigentliche Harmlosigkeiten zu unterscheiden ist nicht immer einfach.

Übrigens finde ich es auch immer schwer, bei anderen Müttern zu urteilen, ob diese nun überzogen reagieren oder nicht. Mein Kleiner kommt nach fast jedem heftigeren Stoß am Kopf meist recht aufgelöst zu mir und wir werden deswegen belächelt. Wenn ich aber auch dazu komme zu erklären, dass der Junge bis 5 Jahre mehrere Löcher im Kopf hatte und einmal sogar mit Komplikationen sowie diverse Prellungen am Kopf, dann ernten wir meist Verständnis dafür, dass ich den Kleinen kurz beruhige. Ansonsten bin ich nämlich schon bemüht, die Kinder nicht in Watte zu packen, was man auch an diversen blauen Flecken und Schürfwunden ganz gut erkennen kann.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


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