Packen Erwachsene ihre Kinder heute zu sehr in Watte?

vom 16.10.2010, 06:03 Uhr

Ich denke schon dass wir unseren Kindern heute weniger zutrauen als früher uns und dass man besorgter um sie ist als noch eine Generation davor. Wir packen sie oft in Watte weil wir wissen was alles passieren kann, aber das kann nicht der alleinige Grund sein denn das wussten unsere Eltern und Großeltern auch schon.

Wenn ich daran denke dass es früher völlig ausreichte sich als Achtjähriger morgens bei Mutti abzumelden um bis zum späten Nachmittag im Wald zu spielen ohne dass es eine Meldepflicht gab oder man zu den Mahlzeiten anwesend sein musste. Auch kam es vor dass man in diesem Alter durchaus morgens den Kachelofen anheizte und mit der Glut auf einen Handkehrblech balancierend von einem Ofen zum anderen lief um diese überall zu verteilen. Ohne dass ein Erwachsener in der Nähe war versteht sich natürlich. Der Gasherd wurde wie selbstverständlich benutzt um sich ein Spiegelei zu braten oder einen Kakao mit kochendem Wasser zu machen und so lässt sich diese Aufzählung ewig fortführen. Ich glaube nicht dass ich meinem Sohn in diesem Alter so viele Freiheiten gegeben habe und ihm die entsprechenden Fertigkeiten auch zugetraut hätten, meine Frau auch nicht.

Ich nehme mal an meine Eltern haben sich damals auch Gedanken darüber gemacht ob das alles so richtig ist, letztendlich war man aber sicherlich doch der Meinung dass Sohnemann schon nach Hause kommt wenn er Hunger hat oder wenn etwas besonderes passiert. Ich kann mich auch nicht erinnern dass es zu großartigen Szenen kam wenn ich mit blauen Flecken nach Hause kam, ich glaube meine Knie hatten im Sommer auch ständig Schorf. Ärger gab es nur wenn die Sachen kaputt gingen weil es schwer Ersatz war zu besorgen.

Woran es liegt dass man als Eltern heute vorsichtiger agiert weiß ich nicht so recht. Sicherlich gibt es heute mehr Verkehr auf den Straßen, aber ob sich die Perversen auch im gleichen Maße vermehrt haben kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich vermute einmal dass nur der Informationsfluss heute besser ist als früher und man dadurch mehr mitbekommt. Eigentlich fängt es nach meiner Beobachtung schon im Kindergartenalter an dass die Kleinen verhätschelt werden und ihnen alles abgenommen wird. Dadurch verpassen sie es schon in jungen Jahren eine gewisse Selbstständigkeit zu entwickeln und so setzt sich das mit wachsendem Lebensalter auch fort. Je unselbständiger sie sind, umso mehr wird ihnen abgenommen. Manche Kinder nutzen so etwas natürlich auch aus und stellen sich absichtlich dumm. Viele Fertigkeiten werden ja heute auch nicht mehr unbedingt gebraucht um satt zu werden oder nicht zu frieren, es gibt Fertiggerichte und Mikrowellen sowie Thermostatventile die nur aufgedreht werden müssen.

Ein wesentlicher Aspekt ist für mich auch noch dass damals die Eltern mit den anderen Eltern, den Lehrern oder der lokalen Staatsmacht auf einer Wellenlänge schwammen. Wenn Unfug angestellt wurde dann wurde dafür gerade gestanden, faule Ausreden galten nicht und es wurde sich auch nicht untereinander verklagt. Wenn es als Kind etwas hinter die Ohren gab konnte man sicher sein dass es nichts brachte sich darüber irgendwo zu beschweren. Die Konsequenzen waren also immer eindeutig.

Eine etwas andere Meinung habe ich allerdings bei den Gefahren durch das Internet und den Computer. Ich beobachte eigentlich immer mehr dass die Eltern einfach resignieren und ihre Kinder gewähren lassen. Ich höre oft dass es sich doch um eine andere Generation handelt die damit aufwachsen wird und sie sich bei Verboten dann eben auf andere Art und Weise die Informationen beschaffen oder mit der Konsole bei Freunden spielen. Das sei eben nicht mehr zu kontrollieren und reglementieren.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich denke generell auch oft, dass manche Mütter ihre Kinder zu sehr in Watte packen. Der Mutter meines Patenkindes hätte ich beinahe zum Geburtstag mal ein Päckchen Watte gekauft. Wobei ihr das aber auch selbst bewusst war. Zum Teil zumindest. Und ich mir auch sagte, ich bin nicht immer dabei, weiß also auch manche Situationen nicht abzuschätzen. Und ich weiß auch nicht, wie ich mit eigenen Kindern umgehen würde.

Ein paar Punkte hier finde ich allerdings bedenklich. Oder sagen wir es mal so, die Zeit hat uns gelehrt, dass man heute mit manchen Sachen halt einfach anders umgehen sollte. Nicht alles was man früher halt so machte und uns oder unseren Eltern auch nicht geschadet hat, stellt sich heute als richtig raus. Nehmen wir das Beispiel Hautkrebs. Früher war die Sonne noch anders und ungefährlicher. Da machte stundenlanges in der Sonne spielen nichts aus. Heute weiß man, dass das zu Hautkrebs führen kann. Man weiß auch, dass die knallige Sonne nicht unbedingt gesund ist. Früher hat sich da keiner dran gestört.

Auch das Immunsystem der heutigen Kinder ist einfach anders. Früher hat man halt im Dreck gespielt und es hat keinen gestört. Heute gibt es aber auch viel mehr Krankheitserreger als zu der Jugend unserer Eltern oder unserer Kindheit. Und auch früher starben schon Kinder an Blutvergiftungen etc. eben weil die im Dreck gespielt haben. Nur hörte man davon nicht soviel wie heute, weil es eben auch dazu gehörte. Und man sieht auch immer nur die Fälle in denen es gut gegangen ist.

Heute weiß man generell mehr über die Gefahren und ich denke, man kann, durchaus auch zu Recht, seine Kinder vor manchem bewahren. Oder einfach anders schützen. Auch das Angebot der äußeren Reize ist anders geworden. Bleiben wir mal bei den Märchen. Früher gab es die bösen Menschen, die in den Büchern auftauchten kaum oder nur am Rande. Heute sieht das zum Teil anders aus. Wobei wir auch nur durch die größere Medienwelt mehr davon erfahren. Und früher waren die äußeren Reize halt nur das was um einen herum passierte und halt die Märchen. Heute sieht das, bedingt durch die wesentlich größere Medienwelt, anders aus. Und wenn ein Kind früher Probleme mit den Inhalten hatte, da wurde halt gesagt, stell dich nicht so an, dass war nur ein Märchen. Das wurde so oft wiederholt, bis das Kind halt seine Ängste für sich behielt und die zum Teil auch in sich rein fraß. Heute geht man damit anders um, weil man auch weiß, welchen Einfluss so Sachen auf das weitere Leben haben können.

Ich denke bei manchen Dingen auch, mir hat es auch nichts geschadet. Aber ich denke auch bei vielen Sachen, warum ist damals nichts gemacht worden. Oder was wäre anders gelaufen, wenn ich im Heute aufgewachsen wäre.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


hooker hat geschrieben:Wenn ich daran denke dass es früher völlig ausreichte sich als Achtjähriger morgens bei Mutti abzumelden um bis zum späten Nachmittag im Wald zu spielen ohne dass es eine Meldepflicht gab oder man zu den Mahlzeiten anwesend sein musste.

Da macht einem aber heute auch die gesetzliche Lage einen Strich durch die Rechnung. Ich selbst habe versucht zu erreichen, dass mein Kleiner im letzten halben Jahr vor der Einschulung ab und an allein zum Kindergarten und zurück laufen durfte. Das war ein monatelanger Kampf bis ich dann nach nochmaliger 15-minütiger Belehrung zugestanden bekam, das Kind in enger Absprache mit den Erziehern die wenigen Hundert Meter allein gehen lassen. Das Problem war: was ist, wenn etwas passiert? Ist es überhaupt möglich, den Eltern zu gestatten für diese Zeit die Verantwortung zu übernehmen auch wenn sie gar nicht beim Kind sind? Welche Konsequenzen hätte das? Meine Eltern haben berichtet, dass sie einen Zettel mit einer Mitteilung geschrieben hatten und das war es dann.

Und was ist, wenn beispielsweise beim Anheizen was passiert? Heute muss man doch Angst haben, dass man dann Besuch von Ämtern bekommt und dann Rede und Antwort stehen muss. So geschehen bei Bekannten, die sich erklären mussten weil sie ihre acht und neun Jahre alten Kinder für zwei Stunden allein gelassen hatten. Ob das so richtig war, ist sicher eine andere Frage, aber ich kann mich gut erinnern, dass sich bei einer ähnlichen Gelegenheit in meiner Kindheit mein noch jüngerer Bruder ein Loch in den Kopf geschlagen hatte und ich mit meinem Bruder im Schlepptau zur Gemeindeschwester ging, die dann erst mal unsere Mutter informierte. Damit hatte es sich, kein Amt oder irgendwas. So gesehen ist man quasi teilweise gezwungen das Kind in Watte zu packen.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Was das Toben angeht, glaube ich nicht, dass Eltern die Kinder mehr in Watte packen als früher. Im Gegenteil gibt es immer mehr Sportgeräte wie Laufräder, und die Kinder werden immer früher mobil. So gesehen war man früher sogar vorsichtiger, da waren Zweijährige höchstens mit dem Bobby Car unterwegs und düsten nicht mit 20 Sachen mit dem Laufrad auf den Gehsteigen herum. Natürlich gibt es auch die Eltern, die den Kindern überteuerte Kleidung anziehen bzw. die Kinder zu fein einkleiden und diese sich dann nicht schmutzig machen dürfen. Diese Art Eltern gab es aber früher auch schon.

Aber andererseits stimmt es schon, dass Kinder mehr in Watte gepackt werden, nur in anderer Hinsicht. Früher war es normal, dass Kinder schon in der ersten Klasse nach wenigen Wochen alleine in die Schule gingen, heutzutage schickt fast keiner mehr ein jüngeres Schulkind alleine in die Schule. Zu groß ist die Angst, dass etwas passieren könnte, insbesondere eine sexuell motivierte Straftat. Ich glaube zwar nicht, dass diese Straftaten zugenommen haben, aber viel wird heutzutage in der Presse eingehender behandelt, was bei vielen Eltern dazu führt, dass diese in permantenter Angst leben, dass etwas passieren könnte.

Ich persönlich finde, man sollte einen Mittelweg gehen. Die Kinder müssen irgendwie auch selbständig werden und totale Overprotection ist nicht der richtige Weg. Auf der anderen Seite würde ich mein Kind unter einem bestimmten Alter auch nicht stundenlang unbeaufsichtigt draußen spielen lassen. Wenn man aber feste Zeiten vereinbart und in etwa weiß, wo sich das Kind befindet (z.B. beim Freund oder beim Spielplatz um die Ecke) und man dem Kind erklärt, dass es nicht mit Fremden mitgehen darf, hält sich die Gefahr wohl in Grenzen.

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» netti78 » Beiträge: 3238 » Talkpoints: 18,35 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Hallo,

ich denke auch, dass viele Eltern ihre Kinder viel zu sehr in Watte packen. Mehrmals habe ich das schon bei Kindergeburtstagen erlebt. Da lud zum Beispiel ein Klassenkamerad meines Sohnes zu einer Fußball-Geburtstagsparty ein. Naja, ich habe eben mein Hirn eingeschaltet, zwei und zwei zusammengezählt und habe meinen Sohn in alten aber noch halbwegs ansehnlichen Hosen und Sweatshirt zum Geburtstag geschickt. Am Abend kam er mit Grasflecken, völlig ausgepowert und überglücklich nach Hause - natürlich hatten sie einen Großteil des Nachmittags Fußball gespielt.

Die Mutter des Geburtstagskindes erzählte mir zwei Wochen später auf dem Elternabend der Klasse, dass sich zwei Mütter bei ihr beschwert und eine sogar Ersatz für die verfleckte und kaputte Kleidung des Kindes verlangt hätte. Ich dachte ich höre nicht richtig. Was hatte die Mutter denn gedacht? Dass auf einer Fußball-Geburtstagsparty eines 10-jährigen Jungen vier Stunden lang still gesessen und Kuchen gegessen wird?

Das ist aber genau eine der Mütter, die auf dem Elternabend erstmal dem Lehrer sagen er soll weniger Hausaufgaben aufgeben, weil das Kind ja mit Musikunterricht und Theaterspielen am Nachmittag schon ausgelastet ist und sonst bis spät in die Nacht an den Hausaufgaben sitzt. Mal erlich, meine Kinder haben auch Freizeitaktivitäten, aber nicht jeden Tag und es war noch keines meiner Kinder bis nachts an den Hausaufgaben gesessen.

Bei manchen Eltern denkt man wirklich die Kinder sind ewig kleine Babys denen man alles hinterherträgt und die man in Watte gepackt durch die Lande transportiert. Es gab kürzlich erst wahre Entrüstungsstürme, weil der Lehrer der zweiten Klasse mit den Kindern in die etwa zwei Kilometer entfernte Stadtbücherei laufen wollte. Da kamen Argumente, das Kind wäre noch nie so weit gelaufen, dem würden doch dann die Füße weh tun und Blasen hätte es dann bestimmt auch noch. Der Lehrer war aber gnadenlos, er empfahl den Eltern ihren Kindern ordenltiche Schuhe zu kaufen und sie damit auch laufen zu lassen, und zwar weiter als vom Auto bis zur Haustür.

In meiner Kindheit gab es so ein Theater wirklich nur in Einzelfällen, heute ist es schon an der Tagesordnung dass Eltern wegen jedem Firlefanz zum Lehrer rennen.

» Nicky14 » Beiträge: 743 » Talkpoints: 0,09 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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