Suizid: Sein Leben wegwerfen
Also erst einmal vorweg, mit dem "wegwerfen" in der Überschrift meine ich nicht solche Sachen, wie Suizid, sondern, dass man sein Leben so lebt, dass einem alles egal ist und man eigentlich nichts (be)achtet. Ich kann es mir zwar vorstellen, dass es beispielsweise für Eltern sehr schlimm ist, wenn ein Kind stirbt, allerdings kann ich mir trotzdem nicht vorstellen, dass man dann nie über die Trauer hinwegkommt.
Wie denkt ihr über das Thema? Kennt ihr eventuell jemanden, der sein Leben weggeworfen hat und wenn ja, wieso? Denkt ihr, dass man aus diesem Zustand wieder herauskommen kann?
Ich denke, du gehst schon von einer falschen Annahme als Basis aus: Dass diese Leute sich dieses Verhalten aussuchen würden. Dies ist mit hoher Wahrscheinlichkeit aber keineswegs der Fall! Wenn Menschen wirklich nichts mehr unternehmen, dann fehlt meistens die Kraft. Wenn man einen extremen Abfall der Antriebskraft einer Person erkennt, gerade nach einer schweren Krankheit oder dem Tod nahe stehender Angehöriger, dann wird das meistens eine Depression sein. Die sucht man sich nicht aus und man kann auch nichts für sie. Diese Leute haben dann zumeist auch selbst ein Problem mit ihrer Antriebslosigkeit.
Was kann man in diesem Fall tun? Bei einer depressiven Verstimmung kann man vielleicht erst einmal eine Weile abwarten, leichte Verstimmungen können mit der Zeit von alleine vergehen. Hilfreich sind sicher offene Gespräche mit Menschen, denen man vertraut. Und kommt man nicht selbst aus dem Tief heraus, dann muss man sich wohl wirklich einen Psychologen suchen, der einen therapiert. Oder man lebt halt mit seiner Lethargie. Menschen sind verschieden, vielleicht wollen einige auch nicht mehr heraus? Das sollte aber eher nicht der Normalfall sein.
Die Gründe für diese Lethargie sind, wie gesagt, Schicksalsschläge. Wieso einige Menschen von bestimmten Ereignissen (Tod des Kindes, Krebserkrankung der Mutter, und so weiter) stärker getroffen werden, als andere, wird wahrscheinlich vor allen Dingen mit der eigenen Persönlichkeit zusammenhängen. Wir sind zum Glück alle verschieden. Und sicher wird es auch Theorien darüber geben, wie man im bisherigen Leben geprägt worden sein könnte, und so weiter, und so fort. Ich denke, das kann man alles unter dem Begriff "individueller Charakter" zusammenfassen, jeder Mensch ist anders empfindlich und reagiert anders auf Unglücke.
Ich kenne eigentlich niemanden, der dauerhaft lethargisch geblieben ist. Phasenweise habe ich das selbst, gerade nach Stress, wobei es bei mir wohl eher so ist, dass ich mich in Stress-Zeiten stark überarbeite, und danach brauche ich dann einfach erst einmal Pause und mache wirklich "gar nichts" mehr. Aber nach einigen Tagen gibt sich das bei mir dann wieder.
Ich glaube, niemand wirft einfach sein Leben weg. Manche Ereignisse zwingen den Menschen dazu, so zu werden. Er hat es sich nicht ausgesucht, aber kann nicht dagegen ankämpfen. Es gibt Situationen, in denen der Mensch, den es betrifft, einfach unfähig ist, gegen seine depressive Stimmung etwas zu unternehmen.
Ist zum Beispiel ein geliebter Mensch gestorben, sei es nun das einzige Kind, ein Elternteil oder der Partner, so rebelliert der Körper und die Seele nimmt Schaden. Das Leben ändert sich für immer, es wird nichts mehr so sein wie früher. Das wird einem schmerzlich bewußt. Man fällt in ein tiefes Loch, aus dem man ohne fremde Hilfe nicht mehr herausfindet. Eine schwere Depression ist die Folge.
Auch andere Ereignisse wie ein schwerer Autounfall, Arbeitslosigkeit oder schwere körperliche Krankheit können den Menschen so beeinflußen, dass er aus Kummer sich aufgibt. Dinge, die getan werden müssen, erledigt er völlig desinteressiert und lustlos oder läßt sie einfach liegen. Fehlt dann noch das stimmungsaufhellende Tageslicht und eine anhaltende Müdigkeit macht sich bemerkbar, kann er in eine Depression fallen. Er hat keine Freude mehr am Leben und gibt sich auf. Und nur, wenn er frühzeitig Hilfe von außen bekommt hat er die Chance, seine Depression zu überwinden und wieder am Leben teilzunehmen.
mit dem "wegwerfen" in der Überschrift meine ich nicht solche Sachen, wie Suizid,
Ich denke über diese Aussage, im Bezug zu deinem Threadtitel, schon länger nach. Weil diese Aussagen widersprechen sich einfach.
Ich glaube du willst darauf hinaus, wie Hinterbliebene mit dem Suizid eines Angehörigen umgehen? Oder meinst du generell mit dem Tod eines geliebten Angehörigen?
Der Tod durch Suizid mag für viele Menschen feige sein. Manche mögen den selbst gewählten Tod auch als das Leben wegschmeißen ansehen. Ich persönlich sehe die Sache ein wenig anders. Erstmal denke ich, es ist keiner gefragt worden, ob man Leben möchte. Die Entscheidung ist durch andere getroffen worden. Aber man soll sich damit zufrieden geben, nur auf der Welt zu sein, weil andere es wollten? Und soll man echt nur Leben, weil andere es wollen? Ich kann dazu nur sagen, dass fühlt sich verdammt beschissen an.
Ich habe mal ein langes Gespräch mit einem guten Freund zu dem Thema gehabt. Und er sagte mir damals auch klar, dass er es nicht gut finden würde, wenn ich gehen würde, aber er meine Entscheidung, auch wenn es ihm schwer fällt, akzeptieren würde. Und ich denke damit hat er nicht ganz unrecht. Ist aber vielleicht auch für "Angehörige" der einzige Weg, selbst Distanz zu finden.
Viele Menschen sagen, Suizid ist feige. Ist es das wirklich? Ich weiß von einigen Betroffenen, also Menschen die wissen was suizidale Krisen sind, dass es für sie der einzige Ausweg zu sein scheint. Und da auch oft nachgedacht wird, was dann mit den Angehörigen ist. Oder man sich halt auch sagt, welche Last ist man für die Angehörigen. Ich erinnere nur an Menschen die schwer krank sind und gerne sterben würden. Ist dieser Zustand wirklich für die Angehörigen einfach?
Ich kenne jemanden, der sein Leben so weggeworfen hat. Diese Person hat sich einfach total von der Außenwelt abgeschnitten und niemanden mehr in sich ran gelassen. Es war eigentlich eher ein vor sich hin leben als etwas zu erleben. Das ging über viele Monate und wurde einfach dadurch ausgelöst, dass sie von ihrem Freund verlassen wurde, obwohl sie schwanger war ( sie hatte danach eine Fehlgeburt ) und sie wusste nicht mehr, was sie nun tun sollte. Deswegen hat sie sich komplett in ihr Schneckenhaus verkrümelt und niemanden mehr an sich ran gelassen.
Ich denke schon, dass man da wieder raus kommen kann. Sie hat es auch geschafft, es war zwar schwer, aber irgendwann hat sie eingesehen, dass das Leben weitergeht, auch wenn man wichtige Dinge verliert und dieses vor sich hin leben einfach keinen Sinn macht. Nun findet sie langsam wieder zu ihrem alten Leben zurück und hat sich auch schon neu verliebt. Sie ist also auf dem besten Wege wieder glücklich zu werden.
Manchmal ist eine solche Auszeit vielleicht gar nicht schlecht, wenn man einfach mal sein Leben an sich vorbei ziehen lässt und mit sich selber ins Reine kommt. Man sollte allerdings auch realisieren, dass dieser Zustand nicht ewig so gehen kann und die Hoffnung nicht verlieren, dass es auch bessere Zeiten gibt. Für diese besseren Zeiten ist man meistens selber verantwortlich. Aus diesem Grund muss man dann einfach nach vorne schauen und versuchen glücklich zu sein, dann wird das auch wieder.
Suizid ist Selbstmord und wenn man sein Leben lebt, als hätte man es weggeworfen, dann hat man sich trotzdem nicht umgebracht, also kann man das auch nicht gleichsetzen. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die stehen mit beiden Beinen im Leben, die sind selbstbewusst, manchmal auch ein bisschen zu sehr selbstbewusst und die gehen mit einem Optimismus an die Sachen ran, dass sie nur gerade zu so glühen vor Elan und Tatendrang. Solche Menschen haben in ihrem Leben bislang keine wirklichen Schicksalsschläge erlebt. Meistens waren es nur entfernt Bekannte oder Verwandte, die verstorben sind, ansonsten läuft wirklich alles glatt im Leben diese Menschen. Und sollte doch mal was passiert sein, dann ignorieren sie das getrost irgendwo für sich selbst, verdrängen es und kehren zum heilen, kunterbunten Alltag zurück, als wäre nie etwas passiert. Diese Menschen können Depressionen nicht nachvollziehen. Sie wissen auch nicht, wieso andere Menschen sich umbringen oder es vorhaben, sie wissen nicht, wieso jemand dauerhaft traurig sein kann oder schlechte Laune hat, denn das gibt es in ihrer Welt nun mal einfach nicht, weil sie alles ''böse'' ausschließen und nur die wirklich guten Sachen zu sich durchdringen lassen.
Natürlich sind jetzt nicht alle Menschen, die Suizid und Depressionen nicht nachvollziehen können dieser Typ Mensch, allerdings viele und diese Menschen sind es, die mir ganz besonders auffallen. Die meisten Menschen die es nicht verstehen, sind zwar meiner Meinung nach auch noch recht unberührt vom Leid dieser Welt oder haben es zumindest gut verdrängt. Generell aber beobachtet man besonders bei intelligenten Menschen einfach nach und nach eine Verzweiflung in Bezug auf diese Welt und unsere Lebensweise. Und wenn jemand das Gefühl kennt, etwas wirklich zu lieben und es nicht mehr verlieren zu wollen, dann kennt dieser jemand auch das Gefühl von Schmerz und Depression und daher würde ich eigentlich sogar so weit gehen zu behaupten, dass Menschen die Suizid und Depressionen in keinster Weise nachvollziehen können, auch einfach noch nie wirklich geliebt haben und daher diese Gefühle des Verlustes und der Enttäuschung und Verzweiflung nicht kennen.
Für Menschen, die keine eigenen Kinder haben oder diese noch nie verloren haben, mag das Gefühl wohl fremd sein, aber liebende Eltern kann der Verlust ihres eigenen Kindes sehr mitnehmen und sogar dahinraffen. Einige Menschen können Verluste nicht gut verarbeiten und verfallen dann in nahezu apathische Zustände, aus denen sie dann nicht mehr herauskommen. Für einige ist der Lebenssinn nach einem Verlust oder Schicksalsschlag verloren und diese Menschen haben praktisch dann keinen Grund mehr weiter zu leben. Wenn man ein weniger emotionaler und feinfühliger Mensch ist, dann mag einem ein solches Gefühl komisch vorkommen, aber andere Menschen empfinden nun mal so und dass sollte man ihnen dann auch nicht zum Vorwurf machen oder so.
In einem solchen Fall das Leben dann praktisch ''wegzuwerfen'' so wie du beschreibst, ist dann eigentlich nur eine relativ schlechte Aternaitve zum Suizid. Im Grunde wollen diese Menschen auch gar nicht mehr weiter leben und sich quälen, aber irgendwie sind sie auch zu feige, sich selbst ein Ende zu setzen und so wählen sie den Mittelweg und vegetieren vor sich hin, leben das Leben als wäre ihnen alles egal und sind praktisch auch schon mehr tot, als lebendig. Ein solches Leben ist in erster Linie nicht lebenswert und dazu auch noch eine Belastung für alle Mitmenschen. Die meisten Menschen bekommt man selbst mit einer Therapie nie wieder hin, weil die Verzweiflung und der Schock einfach zu tief sitzen und der Großteil der betroffenen Menschen sogar zu Depressionen und diese irgendwann in der Vergangenheit meistens schon mal mehr oder weniger ausgeprägt schon mal hatten.
Ich finde es ehrlich gesagt ein sogar ein wenig unverschämt mit Kommentaren zu kommen wie etwa es ist schlimm wenn das eigenen Kind stirbt, aber wie Menschen darüber nicht hinweg kommen können, dass verstehe ich nicht. Wenn man das noch nie selbst erlebt hat, dann wird man das Gefühl auch nicht kennen, also ist es leicht gesagt. Es gibt nun mal Menschen, die mit einem Egoismus durch die Welt gehen, der alles was sie verletzen könnte ignoriert, so dass sie letztendlich immer vor Optimismus sprühen werden, egal was passiert. Aber ob das so gut ist und ob es nicht besser ist, wenn man es sich einfach eingesteht und leidet, ist eine andere Frage. Ich finde es völlig in Ordnung, wenn jemand sich dazu entscheidet, seinem Leben ein Ende zu setzen oder aber es wegzuwerfen und in Gleichgültigkeit zu leben, wobei letzteres meiner Meinung nach eine feige Alternative ist, da diese Menschen vermutlich doch noch irgendwo nach Hilfe schreien, sich aber weigern, diese anzunehmen. Wie dem aber auch sei, es gibt Verluste und Schicksalsschläge, über die kommt man nicht so leicht hinweg und keiner, der sowas noch nie erlebt hat, sollte darüber urteilen, wie die Menschen damit umgehen.
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