Sind Burkinis fortschrittlich oder rückschrittlich?

vom 11.10.2010, 17:53 Uhr

Durch Mesmerizings Beitrag Frau mit Burkini im Schwimmbad gemobbt bin ich auf das Thema Burkini aufmerksam geworden. Vor dem Lesen dieses Beitrages wusste ich noch nicht mal, dass es so etwas wie einen Burkini überhaupt gibt. Mesmerizing fragt in seinem Beitrag, was wir von Burkinis halten. Was mir so zu diesem Thema alles einfällt, passt leider nicht alles zu dem ursprünglichen Thread, der sich mehr um das Verhalten der Personen in dem Beispiel und das Mobbing dreht. Hier würde ich gerne mit euch diskutieren, was ihr über das religöse Kleidungsstück Burkini als gesellschaftliches Phänomen haltet. Mich bringt es vor allem ins Grübeln über gesellschaftliche Rahmenbedingungen die so ein Kleidungsstück anscheinend notwendig machen und die hiesige Geschichte der Badebekleidung.

Wenn man sich, wie die beiden Jugendlichen in dem oben genannten Thread über andere Kulturen lachend oder wertend erheben will, sollte man berücksichtigen, dass Frauen Mitte des 19. Jahrhunderts hierzulande auch noch in kompletten Kleidern schwimmen gingen, um beim Baden züchtig gekleidet zu sein. Auch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wäre ein Bikini bei uns undenkbar und richtig skandalös gewesen, die Frauen trugen hoch geschlossene Badeanzüge mit angeschnittenem Röckchen oder Hosenbeinen. Der Wikipediaartikel über Bademode hält da einige schöne und repräsentative Abbildungen bereit, was man damals einheimischen, westeuropäischen Frauen als anständige Badebekleidung zugestanden hat. klick!

Aus historischem Blickwinkel ist seit damals auch noch nicht sonderlich viel Zeit vergangen, so gesehen hat sich die christlich abendländische Damenbademode rapide schnell verändert. Auch bei uns ist die Emanzipation der Frau nicht von Himmel gefallen, sondern musste über lange Zeit von mutigen Frauen erkämpft werden.Inzwischen machen sich immer mehr muslimische Frauen auf und kämpfen für ihre Rechte. Ich finde, das verdient eigentlich Unterstützung. Die Männer, die ihren Frauen das Leben so zur Hölle machen, die sollten eigentlich zur Rede gestellt werden. Ich kann diese Theorie einfach nicht nachvollziehen, dass die Frauen mit ihrem Verhalten die Ehre der Männer darstellen. Für mich ist das nicht mit logischen Mitteln nachvollziehbar, dass nicht jeder für seine eigene Ehre selbst verantwortlich ist. Bei allem Verständnis für andere Kulturen, aber da hört bei mir ganz klar das Verständnis auf.

Ich finde diese Erfindung eines Burkini prinzipiell begrüßenswert, ich hoffe, dass dieses Kleidungsstück einigen muslimischen Frauen einen kleinen Schritt in Richtung mehr Freiheit und Selbstbestimmung ermöglicht. Die traurige Realität ist ja, dass durch diese von Männern so scheinheilig konstruierten Moral solche Mittel erforderlich werden. In muslimischen Ländern, wo noch sehr altmodisch geurteilt wird, ist so ein Badekleid durchaus ein Fortschritt. Für die einzelne Frau ist es dort schon ein Quantensprung überhaupt öffentlich schwimmen gehen zu dürfen.

Auch mitten bei uns in Deutschland ist es ja leider Realität, dass viel zu viele muslimische Eltern ihre Töchter lieber krank melden, als sie zum Schwimmunterricht in der Schule mitgehen zu lassen. Für das Schulschwimmen wäre diese Kleidung durchaus ein geeignetes Instrument um solche bildungsverweigernden Eltern in ihre Schranken zu weisen und sie zwingen zu können, ihre Töchter zum Unterricht zu schicken.

Da sind wir aber auch wieder bei dem Punkt, der mir bei solchen Frauen mitten in Deutschland enorm auf der Seele brennt: Die Muslims in städtischen Gebieten der Türkei sind hier meist viel fortschrittlicher als viele Muslime hierzulande. In der Türkei wird teilweise Frauen das Tragen des Burkini in öffentlichen Badeanstalten mit ähnlichen Begründungen verboten wie das Tragen von Kopftüchern in Schulen. Dort tragen die Frauen auch schon relativ normale Badekleidung und zeigen ihren Körper. Das sollten sich eigentlich die vielen erzkonservativen muslimischen Männer hierzulande als Vorbild nehmen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Um Burkinis als fortschrittlich zu bezeichnen, dürfte man nicht wissen, dass ähnliche Kleidung früher bei allen Frauen regulär war. Bikinis sind eine relativ junge Erfindung, wie erwähnt wurde. Das wissen die Jugendlichen heute natürlich nicht.

Ich denke jeder hat ein Anrecht darauf seine Religion so zu leben wie er es für richtig hält, außer es beeinträchtigt andere. Eine Frau im Burkini beeinträchtigt mich doch nicht in meinen Persönlichkeitsrechten. Ich selbst kann auch gut nachvollziehen, wenn man sich aus "Schamgefühl" verdecken will. Ich habe eine "gepolsterte" Figur und würde mich deshalb auch nie im Bikini blicken lassen, sondern wähle einen Badeanzug oder Tankini. Es muss ja nicht jeder alles sehen.

Fortschrittlich ist der Burkini, weil die Frauen jetzt mehr Aktivitäten nachgehen können ohne auf "Frauentage" im Schwimmbad zu achten. Der Körper bleibt weitgehend verhüllt, das Haupthaar verdeckt und von männlichen Blicken unberührt. Auch das kann ich hier gut verstehen.Unter Frauen fühle ich mich deutlich wohler im Schwimmbad oder beim Fitness, als mit solch wie in deinem Beitrag beschriebenen männlichen Halbstarken.

Ich denke nur junge, moderne und streng gläubigen Muslima trauen sich in die Burkinis. Die älteren werden vermutlich noch mit dem Kopf schütteln.

» JeanSmith » Beiträge: 422 » Talkpoints: 4,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge

Zuletzt geändert von JeanSmith am 11.10.2010, 19:37, insgesamt 1-mal geändert.

Über solche Diskussionen kann man nur lachen. Würden irgendwelche AfDler ihre Töchter in Badeanzüge aus dem 19. Jahrhundert zwängen oder sie ansonsten nicht am Schwimmuntericht teilnehmen lassen, wäre der Spot groß. Aber wenn irgendwelche Imame bestimmen, dass dies nur so möglich ist, dann ordnen wir uns liebevoll der Scharia unter. Es ist schon sehr amüsant, wozu Toleranz führen kann.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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