KZ Besuch eine psychische Belastung?
Ich habe in meinem Leben bisher schon mehrere Konzentrationslager besucht, darunter auch Dachau und Auschwitz schon mehrmals. Ich habe mich damals schon vorher sehr intensiv mit dem zweiten Weltkrieg beschäftigt und auch das Anne-Frank Haus in Amsterdam besucht, Bücher darüber gelesen und auch in der Schule noch einiges dazugelernt. Die Besuch in den Konzentrationslagern fand ich sehr lehrreich und für mich war es so was wie ein praktischer Beweis zum Sehen und Anfassen für das, was ich gelernt hatte, zudem man in Auschwitz noch bergeweise Kleidung und Haare der Verstorbenen sehen kann. Ich bin der Meinung, dass ich erst durch diese Erfahrungen das Thema richtig verinnerlichen konnte und mir das Ausmaß der damaligen Katastrophe erst wirklich bewusst wurde. Der Besuch eines Konzentrationslagers ist was völlig anderes, als nur eine Dokumentation davon gesehen zu haben oder irgendwo mal ein Bild.
Eine Bekannte von mir hat nun Verwandte, die in Polen in der Nähe von Auschwitz leben. Wir haben uns nun letztens darüber unterhalten und ich habe sie auch gefragt, ob sie Auschwitz schon besichtigt hat. Daraufhin meinte meine Bekannte aber, dass sie das niemals tun würde. Sie ist der festen Überzeugung, dass Menschen, die ein solches Konzentrationslager besichtigen, danach einen ''Knacks'' haben. Sie kann sich nicht vorstellen, dass ein Mensch so was verarbeiten kann und sie war geradezu erschrocken, als ich ihr berichtete, wie ich mit 12 Jahren das erste Mal Dachau besichtigt habe und danach noch mehrfach andere Konzentrationslager. Sie meinte daraufhin, dass dies eine derartige psychische Belastung darstellen muss, dass ich mich davon nicht mehr losreißen kann, was ich schon für eine recht gewagte Behauptung halte.
Ich würde ehrlich gesagt nicht sagen, dass ein KZ Besuch bei einem Menschen einen ''Knacks'' verursacht. Das Konzentrationslager an sich ist ja nur ein riesiger Komplex voller ''Hütten'' in denen die Gefangenen praktisch wohnten und arbeiteten, das Schlimme sind wohl dann eher die Berge Kleidung, Koffer und Haare, die von den Menschen übrig geblieben sind. Trotzdem würde ich nicht meinen, dass ein Mensch psychisch krank davon wird, so was gesehen zu haben. Die meisten haben schließlich die Hintergrundinformationen und wissen sehr gut, wie sie damit umzugehen haben. Zu junge Kinder sollte man einem solchen Anblick eher nicht aussetzten, aber ich bin sicher dass Jugendliche damit sehr gut umgehen können und für mich gehört so ein KZ Besuch eigentlich sogar ein bisschen zu Allgemeinbildung. Und wenn man davon nachher Albträume hat oder einfach der Bildung wegen vielleicht noch weitere Konzentrationslager besuchen möchte, ist das doch noch lange nicht krankhaft.
Wie seht ihr das? Meint ihr der Besuch eines Konzentrationslagers könnte für Menschen wirklich eine so schreckliche Erfahrung sein, dass man davon psychisch ''angeknackst'' ist? Habt ihr schon ein KZ besucht und wie habt ihr es damals empfunden?
Also ich war noch nie in einem Konzentrationslager. Ehrlich gesagt würde es mich schon interessieren, aber es hat sich bisher noch nie so recht ergeben und wenn ich mal in der Nähe von einem gewesen bin, dann aus anderen persönlichen Gründen, und da hätte ich es auch als "doof" empfunden dort hin zu gehen, da ich dazu auch eine andere Stimmung hätte haben müssen.
Ich finde nicht, dass es zur Allgemeinbildung gehört, wenngleich ich auch denke, dass manche Menschen sich ein Konzentrationslager vielleicht mal ansehen sollten, um überhaupt zu sehen, dass das deren Existenz keine Erfindung ist.
Wir haben früher im Unterricht viele Bilder gesehen, die mir ehrlich gesagt auch so schon sehr gut vermittelt haben, wie schrecklich es dort gewesen ist. Ich selbst finde es sogar merkwürdig und befremdlich in einer Stadt mit Konzentrationslager heute zu wohnen. Ich würde das eigentlich nicht wollen, und die ganze Zeit, während ich in der Stadt gewesen bin, musste ich unweigerlich daran denken.
Ich denke wie man damit umgehen kann, muss jeder für sich selbst wissen. Ich für meinen Teil werde vermutlich irgendwann einmal ein Konzentrationslager noch zu Gesicht bekommen, aber ich denke auch, dass es mich letztlich nur noch mehr aufwühlen wird. Wenn ich es mir dann live anschauen würde, würde ich vermutlich dringend über die Eindrücke reden wollen, oder aber erst einmal, wenn ich wieder alleine bin, ordentlich weinen. Anders liefe das bei mir wohl nicht ab, für mich ist das sehr bedrückend.
Auf jeden Fall kann ich es nachvollziehen, dass deine Freundin meint, man hätte nach einem Besuch einen psychischen Knacks weg. Ich würde dieser Aussage nicht beipflichten, aber ich kann es verstehen. Ich kann nun auch sehr feinfühlig sein, und uns wurden auch viele schreckliche Dinge im Unterricht, sowie in Filmen dazu erzählt und gezeigt, so dass man einen sehr authentischen Eindruck vermittelt bekam. Ich denke nach dem zu urteilen, was ich über Konzentrationslager weiß, ist ein Besuch vor Ort auch nicht mehr zwingend notwendig.
Ich war vor einigen Jahren mal im KZ in Natzweiler-Struthof (Elsass). Ich war damals 15 oder 16 und habe mich zusammen mit meiner Schwester einem Busausflug dorthin angeschlossen. Auf dem Weg dorthin waren alle noch guter Dinge und bestens gelaunt, als wir aber zu der Straße kamen die zu KZ hochführt und der Reiseleiter erklärte, dass die Häftlinge die Straße Stein für Stein selbst gebaut haben, wurde uns doch langsam mulmig.
Bei der Besichtigung des Lagers hab ich mich ganz seltsam gefühlt. Natürlich war es einerseits interessant sich alles anschauen zu können, lehrreicher als auf Bildern oder in Filmen, andererseits war es aber auch unglaublich bedrückend. Die Räume zu sehen, in denen Menschen auf Metalltischen im Dienste der „Wissenschaft“ „operiert“ wurden, Berge von Haaren und Gepäckstücken, die Baracken, die Gräben in denen die Leichen der Inhaftierten entsorgt wurden wenn sie ihre Dienste getan hatten, der riesige Ofen; all das hat mich wirklich mitgenommen. Denn plötzlich war es nicht nur Geschichte sondern Realität. Begreifbar. Ein Reisleiter hat uns durch das Lagre geführt und alles erklärt. Viele grausige Einzelheiten und unglaubliche Geschichten; eben Dinge, die einen wirklich tief berühren und auch etwas in einem hinterlassen. Stellenweise konnte ich die Tränen kaum zurück halten weil es mir so leid für all diejenigen tat, die diesen Ort ertragen mussten und ihr Leben dort gelassen haben. Die Atmosphäre dort war selbst so viele Jahre nach den eigentlichen Geschehnissen noch immer überwältigend und bedrückend, dass man es kaum für möglich halten sollte.
Ein Schaden habe ich ganz gewiss nicht davon getragen, ich habe nur tiefere Einblicke und Erkenntnisse gewonnen. Ich empfinde meinen Besuch dort als wichtige Erfahrung in meinem Leben, denn er hat die Distanz, die ein Lehrbuch oder ein Film bewahrt, aufgehoben. Vielen, die sich blöde Witze übers Vergasen und KZ erlauben (hirnrissig, aber kommt vor) würde ein Spaziergang durch das KZ vielleicht mal die Augen öffnen und zeigen, dass es alles andere als lustig, und nicht nur geschmacklos sondern abscheulich ist, zu Fragen warum ein „Duschkopf im KZ 11 Löcher hat“. Auch diejenigen, die bis heute den Holocaust abstreiten sollten mal nach Struthof, Auschwitz oder Dachau fahren! Ob es nun zur Allgemeinbildung gehört wage ich zu bezweifeln. Ein sensibles Gemüt verkraftet einen solchen Besuch vielleicht wirklich nicht so gut. Zwar dürfte es generell nicht zu einem psychischen Schaden kommen, zu Alpträumen aber allemal.
Warum soll es keine Menschen geben, die einen solchen Besuch emotional nicht verkraften? Ich selbst war mit 14 Jahren in Buchenwald. Das war damals bei uns Pflichtprogramm und man konnte sich dem nicht wirklich entziehen. Und ich gebe offen zu, das ich damals einiges lockerer gesehen habe, als ich es heute sehe.
Bei uns war zum Beispiel auch das Buch "Nackt unter Wölfen" von Bruno Apitz in der Schule Pflichtlektüre. Ich hatte die Möglichkeit es schon mit 13 Jahren zu lesen und dann halt später eben nochmal mit 16 Jahren. Und auch da habe ich gemerkt, das sich einiges dann doch schlimmer empfunden habe, als beim ersten lesen. Einfach weil man sich weiter entwickelt.
Und wenn dann jemand sagt, er besucht solche Gedenkstätten nicht aus Angst, das er es nicht verkraftet, dann sollte man dies akzeptieren. Sowas also fadenscheinige Ausrede hinstellen zu wollen zeigt einfach nur deine Intoleranz.
@Crispin
Natürlich ist ein solcher Besuch immer eine starke Psychische Belastung für den Besucher. Hier werden nämlich dem Besucher reale Tatsachen vermittelt und diese werden dann vom Besucher aufgenommen. Bloß er kann sie nicht sofort verarbeiten, denn das dauert in der Regel mehrere Wochen.
Nur bei einigen Leuten macht sich diese Verarbeitung der Tatsachen völlig anders bemerkbar als bei anderen Personen. Jeder menschliche Körper reagiert auf äußere Einflüsse verschieden. Diese Tatsache zählt eigentlich zum ganz normalen Allgemeinwissen. Schade nur, dass du es nicht weißt. Manche Besucher benötigen bei der Verarbeitung sogar fremde Hilfe. Man sollte dabei auch keine Scheu haben, wenn man fremde Hilfe in Anspruch nehmen will oder muss.
Ich war mit 13 Jahren erstmals in Buchenwald und wie der Rest der Klasse nicht traurig, dass dann mit 14 Jahren der Pflichtbesuch ausfallen konnte, weil es eben doch eine psychische Belastung ist. Sicher haben wir als gerade mal 13-jährige Teenies versucht uns mit irgendwelchen Witzchen abzulenken, aber ich weiß, dass mindestens eine Klassenkameradin dieser Besuch sehr mitgenommen hat; diese ist im Konzentrationslager in Tränen ausgebrochen und konnte sich auch später nur schwer beruhigen. Von den anderen Klassenkameraden weiß ich nicht mehr genau, wie diese reagiert haben, da ich sehr mit mir selbst beschäftigt war. Trotz intensiver Vorbereitung auf diesen Besuch privat und in der Schule empfand ich diesen Besuch als faszinierend und sehr gespenstisch zugleich. Und mal ehrlich: wirklich vorbereiten kann man sich auf einen solchen Besuch ohnehin nur auf der Sachebene.
Dass man davon einen Knacks weg bekommt muss sicher nicht sein, aber je nach Persönlichkeit kann eine solche Belastung eben unterschiedliche Folgen haben. Und eine Belastung ist es auf jeden Fall. Statt diese Empfindung als Ausrede hinzustellen, könntest Du Dich wirklich auch fragen, ob Du selbst dieser Belastung wirklich trotzen kannst oder ob es nicht eine eigenartige Faszination ist, die Dich immer wieder in das Konzentrationslager zieht, was ja auch wirklich ein Zeichen für eine unverarbeitete Belastung sein kann.
Ich war auch mal in einem KZ, in meinem Fall war es Sachsenhausen, das ist unweit von meinem eigentlichen Wohnort. Allerdings ist das auch schon lange her, bestimmt schon 7 Jahre oder so. Jedenfalls fand ich es in den Räumen der Baracken sehr beklemmend, irgendwie unangenehm. Man stellt sich ja meistens auch was drunter vor, wenn man die Räume so sieht. Und dann dieser verbrannte, modrige Geruch des Holzes, der war so widerlich, dass ich meinen damaligen Freund gebeten habe, dass wir wieder gehen. Ich konnte es irgendwie nicht mehr mit ansehen.
Ich war damals im Rahmen eines Klassenausfluges in Buchenwald. Ich weiß nicht mehr genau wann es war aber es müsste in der 8. Klasse gewesen sein. Wir sind mit dem Bus dahin gefahren. Was uns erwartete war uns bis dato noch nicht so besonders klar. Wir waren ja auch noch jung und fingen erst langsam an solche Dinge von einer anderen Seite zu betrachten. Schon vom weiten, als man den Eingang sah hatte man ein ganz ungutes Gefühl. Es lag so eine beklemmende Stille in der Luft. Man spürte quasi eine Art von negativer Energie. Man war aber in diesem Moment auch neugierig und lies sich davon nicht abschrecken. Als wir dann durch das Tor in das riesige Gelände traten, lief mir schon regelrecht ein Schauer über den Rücken. Die Baracken von damals, die als "Unterkunft" für die Menschen diente, waren zwar bereits alle abgerissen aber man erkannte noch die Umrisse wo sie einmal gestanden haben.
Alleine dieser Anblick und die Vorstellung das hier tausende Menschen verkommen sind, war schon sehr bedrückend. Diese Gefühle die man dort widerfährt, kann man eigentlich mit keinem anderen vergleichen. Man zeigte uns noch in einem Haus, das als eine Art "Schlachthof" bezeichnet wurde. Der Inhalt dort war noch original. In der Mitte des Raumes war ein Tisch. Der Tisch war komplett gefliest und mit einer Abflussrinne an den Seiten versehen. Man erklärte uns, dass hier den Toten sämtliche Zähne zog und andere Sachen, die man "wieder verwerten" konnte. Unter anderem auch die Haare. Allerdings dachte ich, dass diese bereits bei der "Einlieferung" der Gefangenen entfernt werden.
Es gab im Bereich des Eingangstors mehrere Räume die zur Folter dienten. Ich bin kurz in diesem Raum hineingegangenen. Es war eng, kalt und einfach nur furchteinflösend. Man denkt in diesem Moment nur an die vielen, vielen Menschen die damals hier starben. In so einem Raum wurde man in die Mitte gestellt und durfte sich nicht bewegen. Und das Tage lang. Um die Person herum wurde Mehl verstreut um zu sehen wenn er sich bewegt hat. Hat er dies getan so wurde er umgebracht oder noch schlimmer gefoltert. Schlimm fand ich auch den Anblick der Verbrennungsöfen. Da war ich dann auch den Tränen nahe. Wenn davor steht und weiß, hier starben tausende Menschen, ist das sehr emotional. Keiner traute sich auch nur etwas zu sagen oder eine dumme Bemerkung zu machen. Man war gedanklich voll bei der Sache.
Am Ende führte uns unser Ausflug noch in das Museum, was ebenfalls in diesem Lager eingerichtet war. Es enthielt jedoch ganz allgemein Dinge aus dem zweiten Weltkrieg. Waffen, Ausrüstung und natürlich Kleidung gab es hier zu sehen. Notizen, Tagebücher oder ähnliches ließen einen kleinen Blick in den Kopf eines Soldaten aus der damaligen Zeit zu. Ich fand diesen Ausflug dennoch sehr schön und man bekommt einen wirklichen Anblick von dem was damals geschah. Ich finde aber nicht, dass ich einen "knacks" davon getragen habe. Es war sehr lehrreich und finde es gut, dass ich diesen Besuch gemacht habe. Eventuell würde ich nochmals einen solchen Platz besuchen.
Ich finde auch, dass ein KZ-Besuch zur Allgemeinbildung gehört. Zwar verlange ich nun nicht, dass jeder seinen Sommerurlaub so plant, dass er eines besuchen kann, aber wer in der relativen Nähe einer KZ-Gedenkstätte wohnt, sollte sich diese schon einmal ansehen. Ich finde es auch gut und nötig, dass Schulen mit Jugendlichen ab einer bestimmten Altersstufe KZ-Gedenkstätten besuchen. Sicherlich kann man auch Dokumentations-Filme zu dem Thema sehen und Bücher darüber lesen, aber ich finde, dass der Besuch einer Gedenkstätte zu dieser Thematik noch weitaus eindringlicher ist, als wenn ein Jugendlicher über das Thema nur liest.
Der Aussage, dass die Gedenkstätten, die aus ehemaligen Konzentrationslagern entstanden sind, ja eigentlich nur noch Baracken und große Freiflächen wären, und dass das an sich nichts Beunruhigendes oder Ängstigendes sein könne, möchte ich aber nicht zustimmen. Es ist eben nicht nur ein Haufen an Betonhüttchen, sondern in den meisten Gedenkstätten werden auch Exponate gezeigt, zudem finden sich Informationstafeln und teilweise auch Medienstationen mit Ton- oder Bildaufnahmen, ebenso viele Fotografien, die entweder Situationen aus dem damaligen Lageralltag darstellen, oder aber eben Zeitzeugenberichte. Alles zusammen kann das schon sehr stark emotional wirken. Allein schon das Wissen des Besuchers, dass er sich am Ort des Geschehens befindet, hat eine emotionale Wirkung auf viele Menschen.
Ich schließe es auch nicht aus, dass der Gedenkstättenbesuch für einige Menschen etwas Verstörendes hat. Gerade bis zu einem bestimmten Alter, in dem Kinder oder junge Jugendliche von der Thematik stark überfordert sein könnten, schließe ich es nicht aus, dass der Gedenkstättenbesuch erst einmal psychisch negative Auswirkungen hat. Aber auch Erwachsene kann der Besuch emotional schwer treffen. Ob es da direkt zu Traumata kommt, kann ich schwer einschätzen, aber eine absolut unemotionale Sache ist der Besuch einer KZ-Gedenkstätte definitiv nicht. Wobei das auch immer von der persönlichen emotionalen Verfassung des jeweiligen Besuchers abhängig ist.
Ich war übrigens schon einige Male beim KZ Sachsenhausen, sowohl privat als auch mit der Schule und sogar aus beruflichen Gründen. Das Frauen-KZ Ravensbrück habe ich letzten Sommer zum ersten Mal besucht. Ebenso kenne ich einige Außenlager des KZ Sachsenhausen, die sich auch alle in der Region befinden.
Und letztendlich habe ich sogar einige Zeit an einer solchen Gedenkstätte gearbeitet. Und ich sage ganz ehrlich, dass die Arbeit dort emotional, gerade in der Anfangszeit, sehr anstrengend ist. Wobei man als dort beschäftigte Person noch mehr Einblicke in die Thematik bekommt und auch viele Dokumente zu sehen bekommt, die die Besucher in den Ausstellungen so nicht direkt einsehen können. Abgesehen davon bekommt man die Thematik natürlich geballt in den Kopf, man muss sich täglich acht Stunden damit befassen, und das viele Monate bis Jahre lang. Das wirkt emotional natürlich noch einmal anders, als wenn ein Besucher in einer solchen Gedenkstätte nur einen Nachmittag verbringt und danach Tage und Wochen in Ruhe Zeit hat, seine Eindrücke zu verarbeiten, ohne, dass täglich neue genauso schlimme nachrücken. Als traumatisiert würde ich mich deswegen übrigens absolut nicht bezeichnen, aber emotional anstrengend war es auf jeden Fall.
Abschließend noch: Die Aussage, dass ein Mensch aufgrund eines ersten Gedenkstättenbesuchs traumatisiert sei und nur deswegen immer wieder weitere Gedenkstättenbesuche nachfolgen würden, halte ich für totalen Humbug. So etwas kann wohl meist nur von Personen behauptet werden, die nicht nachvollziehen können, wieso einige Menschen sich auch in ihrer Freizeit gerne mit geschichtlichen oder auch traurigen oder schlimmen Themen beschäftigen können, und das ganz freiwillig und aus Interesse.
Ich kann mir schon vorstellen, dass es Menschen gibt, die mit dem Besuch eines Konzentrationslagers nicht umgehen können, das als extrem psychisch belastend empfinden und dadurch dann irgendwie einen "Knacks" bekommen. Genau so kann ich mir vorstellen, dass es Leute gibt, die sich von dieser Thematik nicht losreißen können, weil sie von der Boshaftigkeit, von den Abgründen der Menschheit fasziniert sind, was möglicherweise auch durch den ersten KZ-Besuch geweckt werden kann. Die meisten werden eine solche Lokalität aber wohl aus geschichtlichem Interesse besuchen und es vielleicht als belastend empfinden, aber keine weiteren psychischen Schäden davon tragen.
Wir mussten seitens der Schule auch schon das ein oder andere Konzentrationslager besuchen und während ich mich aus anderen Gründen immer vor den Reisen nach deutschen Lagern gedrückt hatte, erzählten viele meiner Mitschüler nach diesen Besuchen immer, wie grausam diese Orte waren und einige hatten davon wohl auch Alpträume. Als wir dann auf der Abschlussfahrt nach Prag fuhren, standen auch das Ghetto und das KZ Theresienstadt auf dem Plan.
Man merkte schon, dass die einst fröhliche Gruppe bereits im Ghetto etwas ruhiger wurde und dass einige Mitschülerinnen bereits da mit ihren Gedanken zu kämpfen hatten. Im KZ selber war die ganze Gruppe dann sehr zurückhaltend und ruhig, was man so nicht kannte und als wir dann am Ende des Besuches noch das Krematorium besuchten, weinten schon einige der Mitschülerinnen. Ich muss gestehen, dass ich zwar die Atmosphäre dort als bedrückend empfand, weil es einfach in den Zimmern beengend und ansonsten so verlassen war. Ich bin aber wohl einfach zu unsensibel oder kann mich nicht genug auf die Situation einlassen, um so etwas als belastend zu empfinden. Natürlich, das was damals passiert ist, ist einfach grauenhaft, aber es kann mich nicht emotional belasten und darüber bin ich eigentlich auch ganz froh.
Ich für meinen Teil werde mit Sicherheit irgendwann einmal aus reinem Interesse ein Vernichtungslager besuchen, was ja noch einmal etwas anderes ist als ein übliches Konzentrationslager. Ob ein solcher Besuch nun zur Allgemeinbildung gehören sollte, vermag ich gar nicht zu sagen. Man wird in der Schule so zugetextet mit den Verbrechen der Nazis, dass es in meinen Augen durchaus sinnig wäre, einfach mal weniger mit erhobenem Zeigefinger zu reden und statt dessen in die Lager zu gehen. Andererseits finde ich auch, dass jeder für sich selbst entscheiden sollte, ob er so etwas sehen will oder nicht.
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