Junge (11) kann gesunden Menschenverstand nicht anwenden!
Ich habe mal wieder Probleme mit einem meiner Nachhilfeschüler. Er ist elf Jahre alt und geht in die 6. Klasse Realschule. Letzte Woche wurde bei ihm im Fach Deutsch ein Jahrgangsstufentest über den Stoff der 5. Klasse geschrieben. Im Vorfeld wurde im Unterricht schon ein Test aus einem der letzten Jahre zusammen gemacht. Ich habe mit ihm dann noch einmal mithilfe von zwei weiteren Tests aus den vergangenen Jahren, die ich aus dem Internet ausgedruckt hatte, geübt.
Die Übungstests verliefen ganz okay, wobei ich zwar versucht habe, ihn selbstständig arbeiten zu lassen, ihm teilweise aber noch auf die Sprünge helfen musste. Ich hatte ihm vorher sogar noch drei Extrablätter selbst gemacht, auf denen die wichtigsten Dinge noch einmal erklärt wurden. Wir haben das gemeinsam besprochen und ich hatte den Eindruck, dass er es auch verstanden hatte. Diese Übungsblätter habe ich ihm natürlich gegeben, bevor wir mit dem eigentlichen Test anfingen, damit er notfalls nachschauen konnte.
Was dann nach dem Übungstest immer noch nicht saß, habe ich mit ihm noch einmal wiederholt. Außerdem wunderte es mich, dass ich ihm extra einschärfen musste, dass man bei Fragen zum Text, wie sie eben in diesen Jahrgangsstufentests vorkommen, im Text nachlesen kann und das sogar tun muss, um die Fragen beantworten zu können.
Heute hatte er den Test zurückbekommen, mit der Note vier. Genau dieselben Sachen, die wir noch am Tag vorher besprochen hatten, hatte er falsch gemacht. Was mich aber am meisten wunderte: Bei den Fragen zum Text hatte er nur diejenigen beantwortet, die er aus dem Gedächtnis wusste, anstatt sich die betreffenden Stellen auf dem Textblatt noch einmal durchzulesen! Man musste teilweise nur Wörter einfügen, die genau so im Text standen! Ganz entgeistert habe ich ihn gefragt, warum er denn nicht darauf gekommen ist, aber er meinte nur: "Keine Ahnung".
Ich bin total fertig. Es erfordert doch bloß ein Minimum an Intelligenz, um auf die Idee zu kommen, sich eine Textstelle noch einmal anzusehen! Er spricht zwar Türkisch als Muttersprache, aber kann gut genug Deutsch, um einfache Texte zu verstehen. Selbst an einer Leseschwäche kann es nicht liegen, denn er hatte den Text ja verstanden; er war nur nicht auf die Idee gekommen, noch einmal nachzulesen.
Ich weiß echt nicht mehr weiter. Hat vielleicht jemand Erfahrung mit so etwas? Soll ich jetzt mit ihm üben, wie man ein Textblatt zur Hand nimmt, oder wie soll ich ihm das beibringen? Was ist da nur schiefgelaufen? Soll ich die Nachhilfe lieber aufgeben? Es scheint ja nichts zu bringen...
Ich habe schon mit der Nachhilfe die gleichen Erfahrungen gemacht wie du und kann nur sagen, dass es nicht am gesunden Menschenverstand liegt. Der Junge benötigt dringend Förderunterricht, aber den kannst du ihm nicht geben, weil du kein ausgebildeter Lehrer bist. Hier sind dann die Grenzen des Nachhilfeunterrichts gegeben, dann nicht alles kann dieser Unterricht bewirken.
Der betreffende Junge benötigt auf den schnellsten weg eben professionelle Hilfe, denn ansonsten gehen seine Leistungen weiter in den Keller. Den Nachhilfeunterricht musst du erst einmal bei ihm einstellen.
Bist du dir denn sicher, dass er den Text auch wirklich verstanden hat und nicht einfach seine Schwäche vertuscht? Kann er denn aus gelesenen Texten schlussfolgern?
Ich kann jetzt nur ins Blaue raten, weil ich den Wissensstand des Jungen aufgrund deiner Beschreibung nicht umfassend bewerten kann. Aber ich würde es entweder mal mit Partnerübungen versuchen oder der Junge soll selbst Fragen zu einem Text stellen und sich einem Text aus einer anderen Perspektive nähern. Ganz wichtig ist einfach, dass Kinder Texte lesen und dann wiedergeben und dann erst Fragen dazu stellen oder gestellt bekommen.
Die Partnerübung ist natürlich nur sinnvoll, wenn du noch einen ähnlichen Schüler hast, am besten auf dem selben Lernniveau. Falls das nicht in Frage kommt, musst du die Partnerrolle übernehmen, dich aber etwas zurückhalten. Solche Übungen könnten dann so aussehen, dass ein Bild oder eine Collage zu einem Text gemacht wird, dass der Junge in die Rolle des Lehrers schlüpft und selbst Fragen stellen soll oder ein Quiz zu einem Text entwickeln soll. Außerdem ist es wichtig einen Text z.B. in Abschnitte unterteilen zu lassen und den Schüler Überschriften dazu finden zu lassen.
Vielleicht hat der Schüler einfach keine Leseerfahrung und ist mit einem Text im Allgemeinen überfordert. Da kann man rational nicht gegen argumentieren, sondern ihm nur beibringen, dass man mit Texten auch anders umgehen kann, als nur einen Lückentext dazu zu beantworten.
@karlchen66: Was für einen Förderunterricht meinst du denn? Eigentlich kann doch nur ein Fachmann feststellen, an welcher "Schwäche" das liegen könnte, oder? Ich glaube nicht, dass man jetzt pauschal sagen kann, dass er Förderunterricht braucht. Oder wie würdest du das begründen?
Erst einmal werde ich den Nachhilfeunterricht nicht einstellen, da ich dem Jungen auch in Englisch und Mathe helfe. Außerdem würde bei ihm eine einzige Nachhilfestunde in Deutsch pro Woche - auch wenn es professioneller Nachhilfeunterricht ist - nicht ausreichen.
Feuerputz hat geschrieben:Bist du dir denn sicher, dass er den Text auch wirklich verstanden hat und nicht einfach seine Schwäche vertuscht? Kann er denn aus gelesenen Texten schlussfolgern?
Meinst du eine Leseschwäche? Also, ich kann das natürlich nicht beurteilen, da ich keine Fachfrau bin, aber ich hatte immer den Eindruck, dass er Texte durchschnittlich gut verstehen kann. Er braucht manchmal Hilfe, um gewisse Informationen zu finden. Vieles klappt aber auch schon ganz gut. Er wird übrigens in ein paar Wochen auf LRS getestet; dann werde ich mehr wissen.
Es ist auch ein wenig schwer, zu erkennen, woher die Verständnisprobleme kommen: Da er Deutsch nicht als Muttersprache spricht, muss ich ihm oft Wörter erklären. Abgesehen von diesen einzelnen Wörtern versteht er den Sinn eines Textes meist problemlos.
Vielleicht hat der Schüler einfach keine Leseerfahrung und ist mit einem Text im Allgemeinen überfordert. Da kann man rational nicht gegen argumentieren, sondern ihm nur beibringen, dass man mit Texten auch anders umgehen kann, als nur einen Lückentext dazu zu beantworten.
Leseerfahrung hat er tatsächlich sehr wenig. Letztes Schuljahr habe ich ihm aber das Buch "die Brüder Löwenherz" ausgeliehen, von dem er total begeistert war. Wir haben auch viel darüber geredet, ganz ungezwungen und ohne, dass er Fragen beantworten musste. Ich will ja, dass er auch freiwillig gerne liest. Sollte ich das vielleicht öfters machen?
Vielen Dank übrigens für deine vielen Tipps! Ich werde das auf jeden Fall ausprobieren.
Hier denke ich, dass das wohl gar nichts mit dem sogenannten gesunden Menschenverstand zu tun hat. Vielmehr mischt sich hier vermutlich eine gesunde Portion Unlust mit fehlendem Verständnis. Denn ich kann mir schon vorstellen, dass in der Situation mit Dir der Schüler den Eindruck vermittelt, die Sache verstanden zu haben. Spaßeshalber kannst Du ja mal die gelöste Aufgabe - von der Du glaubst, dass er sie verstanden hat - 15 Minuten später wiederholen. Ganz ohne Hilfe mit aber der Bitte, Dir die vorgenommenen Schritte zu erklären. Besser aber, Du änderst in der Wiederholungsaufgabe ein paar Angaben leicht ab. Um zu verhindern, dass hier Auswendig bzw. gemerkte Resultate niedergeschrieben werden.
Ob hier dann schon wirklich Deine Grenze erreicht wurde, würde ich dann so noch nicht mal beurteilen können oder wollen. Richtig ist aber, dass Du ihn falsch eingeschätzt bzw. offensichtlich überschätzt hast. Für ihn selbst ist ja diese Tatsache am Testergebnis abzulesen.
Was aber für die Zukunft ein Problem darstellt (daher auch die Einschätzung der fehlenden Lust), ist die Tatsache, dass es ihm irgendwie egal zu sein scheint. Jedenfalls sind Aussagen wie "Keine Ahnung" nicht hilfreich, wenn man dem Problem auf den Grund gehen will. Hier solltest Du ruhig nachhaken.
@ microonde
Ich will jetzt nicht mit dir ein wissenschaftliches und detailliertes Gespräch führen über den Status eines Lehrers. Was ist ein Lehrer? Ein Fachmann oder ein Laie? Förderunterricht geben Lehrer, wenn der Schüler in seinen Leistungen keinerlei Besserung zeigt, trotz schon eingesetzter Hilfe. In vielen Schulen wird daher dieser Förderunterricht nach dem normalen Unterricht angeboten.
Wo habe ich denn geschrieben, dass es nur eine einzige Stunde Förderunterricht gibt? Das entscheidet dann der betreffende Lehrer. Förderunterricht ist auch kein Nachhilfeunterricht wie kommst du jetzt darauf? Du kennst ja von der wichtigsten Sache nichts. Du solltest dir erst einmal dringend darüber schlau machen und dann den Jungen helfen.
Ich will jetzt nicht mit dir ein wissenschaftliches und detailliertes Gespräch führen über den Status eines Lehrers. Was ist ein Lehrer? Ein Fachmann oder ein Laie? Förderunterricht geben Lehrer, wenn der Schüler in seinen Leistungen keinerlei Besserung zeigt, trotz schon eingesetzter Hilfe. In vielen Schulen wird daher dieser Förderunterricht nach dem normalen Unterricht angeboten.
Ich wusste jetzt erstmal nicht, was du genau mit Förderunterricht meinst, da dieser Unterricht ja nicht an jeder Schule gleich aussieht. Es gibt zum Beispiel speziellen Förderunterricht für Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche oder auch frewilligen Förderunterricht, wo Fragen geklärt werden und Schulaufgabenstoff behandelt wird. Es hätte auch sein können, dass du von professioneller Deutschnachhilfe redest, oder von etwas ganz anderem.
Du hast dich leider nicht so ausgedrückt, dass ich auf Anhieb verstehen konnte, was du meinst.
Wo habe ich denn geschrieben, dass es nur eine einzige Stunde Förderunterricht gibt? Das entscheidet dann der betreffende Lehrer. Förderunterricht ist auch kein Nachhilfeunterricht wie kommst du jetzt darauf? Du kennst ja von der wichtigsten Sache nichts. Du solltest dir erst einmal dringend darüber schlau machen und dann den Jungen helfen.
Also, du hast das nicht geschrieben, aber ich weiß, dass mein Nachhilfeschüler ab nächster Woche einen Förderkurs in seiner Schule besuchen wird, genauso wie letztes Schuljahr. Dieser Unterricht findet einmal in der Woche statt. Erfahrungsgemäß reicht das aber nicht aus.
Wie nett, mir zu unterstellen, dass ich mich nicht auskenne! Das muss echt nicht sein. Natürlich stelle ich mir unter Förderunterricht auch speziellen Unterricht mit ausgebildetem Lehrer usw. vor. Ich wusste aber halt nicht, was du damit genau meinst! Deshalb habe ich nachgefragt. Was ist daran so schlimm?
@ microonde
Förderunterricht ist erst einmal eine freiwillige Angelegenheit, denn dazu besteht kein Zwang. Professionelle Deutschnachhilfe ist in der Tat Förderunterricht und nichts anderes an Unterricht. Was hat denn jetzt der Förderkurs mit dem Förderunterricht zu tun? Der Förderkurs hat mit deiner Sache erst einmal keinen direkten Zusammenhang.
Das du den Jungen hilfst finde ich gut, aber lass das erst einmal die Profis machen, damit er stabilisiert wird und man ihm aufbauen kann. Das bringt dann im Endeffekt mehr. Wenn du allerdings für deine Nachhilfe Geld nimmst, würde ich mir wirklich ernsthafte Gedanken machen. Du alleine wirst es nicht schaffen, dass er besser wird. Er braucht nämlich den abgestimmten Unterricht, der auf seine Schwächen zugeschnitten ist.
karlchen66 hat geschrieben:@ microonde
Förderunterricht ist erst einmal eine freiwillige Angelegenheit, denn dazu besteht kein Zwang. Professionelle Deutschnachhilfe ist in der Tat Förderunterricht und nichts anderes an Unterricht. Was hat denn jetzt der Förderkurs mit dem Förderunterricht zu tun? Der Förderkurs hat mit deiner Sache erst einmal keinen direkten Zusammenhang.
Wie ich vermutet habe, müssen wir tatsächlich hier erst einmal Begriffe klären. Deshalb muss man mich noch lange nicht behandeln, als hätte ich keine Ahnung. Du hast doch vorgeschlagen, dass mein Nachhilfeschüler in den Förderunterricht gehen soll. Genau das wird er ab nächster Woche tun. Bei ihm in der Schule heißt das Förderkurs und entspricht genau deiner Definition von Förderunterricht. Wieso hat das keinen Zusammenhang mit meiner Sache? Außerdem behauptest du auch ständig etwas anderes.
Link dieser Seite https://www.talkteria.de/forum/topic-142519.html
Ähnliche Themen
Weitere interessante Themen
- Calla Pflanze 2131mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Schlafendes Wiesel · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Calla Pflanze
- Tipps zur Geranien Pflege 2381mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: C97 · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Tipps zur Geranien Pflege
- Kräuter auf Balkon - was ist sinnvoll und robust? 1295mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Carmili · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Kräuter auf Balkon - was ist sinnvoll und robust?
- Luftwurzeln der Monstera: Tropfenbildung/Gestank 1764mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Diamante · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Luftwurzeln der Monstera: Tropfenbildung/Gestank