Gutscheine kontra Bargeld
Ich beziehe mich hier auf Gutscheine, wie Bildungsgutscheine, Einkaufsgutscheine und ähnliches, die statt Bargeld als eine Form der zur Verfügung Stellung von Mitteln im Bereich Hartz 4 „gehandelt“ werden. Wir diskutieren ja an anderer Stelle schon über die Erhöhung des Regelsatzes um 5 Euro. Dort wird immer wieder von Bildungsgutscheinen oder anderen Formen der zur Verfügung Stellung von anderen Mitteln gesprochen. Also im Endeffekt, einen Teil der Mittel in Form von Sachleistungen auszugeben, statt wie bisher als quasi Bargeld zur freien Verfügung.
Ganz generell halt ich das grundlegend für eine sicherlich nicht schlechte Idee. Das war mal mein erster Gedanke. Mittlerweile stehe ich dem eher ablehnend gegenüber. Klar ist, dass Sachmittel eventuell besser dort ankommen, wo sie ankommen sollen. So Sachen wie das Eltern das Geld ihrer Kinder Zweckentfremden kann da Einhalt geboten werden. Aber sind es wirklich so viele Eltern, die das Geld ihrer Kinder im Endeffekt versaufen oder davon Zigaretten kaufen? Oder wird uns das nur durch das Boulevardfernsehen so vermittelt? Fälle in denen Eltern auf vieles verzichten, um den Kindern ein besseres Leben zu bieten, werden ja an sich eher gar nicht gezeigt.
Klar wären Gutscheine in manchen Bereichen sicherlich nicht schlecht. Zum Beispiel für Lebensmittel. Nur die Umsetzung stelle ich mir schwierig vor. Vor allem wäre es ein riesiger Verwaltungsaufwand, der auch von irgendwas bezahlt werden muss. Was für mich schon ein Argument dagegen ist. Dann ist es schwer, eine Supermarktkette zu finden, die bundesweit zu finden ist. Mir fallen da spontan nur Aldi und Lidl ein. Ich bezweifle das Aldi sich darauf einlassen wird, weil die Kosten für den Betrieb ja damit auch steigen. Es bringt zwar mehr Kunden, aber die Kaufabwicklung an der Kasse dauert auch länger. Was ja auch für Aldi lange Zeit ein Grund war, keine Kartenzahlung zuzulassen. Weiteres Problem wäre, dass Aldi und auch Lidl zwar deutschlandweit Filialen haben, aber halt nicht in jeder kleinen Ortschaft. Die meisten Hartz 4 Empfänger haben aber oftmals kein Auto und können gar nicht in solchen Geschäften einkaufen. Weil einfach die Fahrtkosten und der Aufwand zu groß wäre.
Eine Möglichkeit wäre aber mit Sicherheit eine Art Bankkarte, die regelmäßig durch die Ämter aufgefüllt wird. Man müsste das System halt nur quasi gleich zu den momentan benutzten Systemen machen. Und man müsste es irgendwie einrichten, dass kein Missbrauch der Karten stattfinden kann. Wie zum Beispiel das Einkaufen von Artikeln wie Alkohol, Zigaretten oder anderen reinen Konsumgütern auf Kosten des Kartenguthabens.
Generell befürchte ich aber mit der Einführung von quasi Lebensmittelgutscheine, dass man die nur in bestimmten Geschäften nutzen kann. Was dann ja auch wieder zu einer Monopolstellung führen könnte. Denn wenn man halt nur dort kaufen kann, kann der Geschäftsinhaber an sich auch die Preise vorgeben. Die Ämter wird es wenig interessieren, o man nun ein Päckchen Brot für 50 Cent oder für 3 Euro kauft/verkauft.
Bei Bildungsgutscheinen bin ich ein wenig zwiegespalten. Ich denke da könnte es auch andere Möglichkeiten geben. Viele der Familien die in irgendeiner Form Leistungen beziehen, schämen sich. Würde man die Kinder dann dort hin schicken? So das man den Kindern quasi schon den Stempel aufdrückt, ach sieh mal da kommen die Kinder der armen Leute? Und unbegrenzt Angebote kann man da auch nicht unbedingt anbieten. Was ja dann auch zur Folge haben könnte, dass halt in Stadt A Gitarrenkurse angeboten werden und in Stadt B halt Handballkurse. Was in beiden Fällen gleich wäre, die Kinder bräuchten außer den Gebühren für die Kurse, die dann ja übernommen werden, auch noch Material. Ein weiteres Problem wäre, dass man Kinder dann ja auch quasi eventuell zwingt, einem Hobby nachzugehen, was sie eventuell gar nicht machen wollen. Was interessiert einen sportbegeisterten Jungen eine Gitarre? Aber was machen, wenn das die einzige Möglichkeit vor Ort ist?
Vielleicht fallen euch noch Pro und Kontra zu dem Thema ein. Ich finde nur, wir weichen in dem anderen Thread ziemlich vom Thema ab.
Ich weiß nicht so recht ob das mit den Bildungsgutscheinen nur propagiert wird weil sie wahrscheinlich dem Land nichts zusätzliches an Geld kosten werden. Es gab vor einiger Zeit in irgendeinem Bundesland eine Studie die explizit ausgewertet hatte für welche Aktivitäten dieser Bildungsgutschein verwendet wurde. Ganz oben in der Hitliste stand der Schwimmbadbesuch was auch irgendwie nachvollziehbar ist und wo auch niemand nachfragt ob man wirklich als Kind eine Berechtigung oder einen Ausweis hat, danach kam lange überhaupt nichts, etwas an Theaterbesuchen und Konzerten war dabei und mit <0,1 % wurde ein Museenbesuch registriert. Leider ist diese Studie ganz schnell wieder aus den Schlagzeilen verschwunden so dass ich sie nicht noch einmal genauer studieren kann.
Das Problem hast du schon richtig erkannt, die Bildungsgutscheine können auch verkauft werden. So wie früher die Schüler mit kostenloser Schulspeisung ihre Essenmarken für fünfzig Pfennig verkauft haben werden hier eventuell Leistungen wie Theaterbesuche an einen Bekannten dem man noch einen Gefallen schuldet weiterverkauft. Genauso verhält es sich auch mit den Lebensmitteln, wer glaubt dass ein anderer Bürger der nicht auch stark rechnen muss eine Büchse Wurst für den halben Preis nicht kauft wenn er die Möglichkeit dazu hat der ist der Realität entrückt.
Ich würde auch so eine Art Prepaidkarte ausgeben die automatisch zum ersten des Monats aufgeladen wird und natürlich einige Genussmittel und Pfandgeld vom Kauf ausschließen. Missbrauch kann deshalb trotzdem nicht ausgeschlossen werden aber um solche Riesensummen für den Einzelnen geht es ja hier auch eigentlich nicht.
Lebensmittelgutscheine gab es damals, als es noch Sozialhilfe gab schon. Diese wurden aber nur an Familien gegeben, die nachweislich das Geld "auf den Kopf schlugen". Das heißt, Familien, die schon aufgefallen sind, dass sie die Miete nicht gezahlt haben, obwohl das Sozialamt sie überwiesen hat oder Familien, die schon mit Alkoholfahne zum Amt kamen. Von diesen Lebensmittelgutscheinen durfte auch wirklich nur Lebensmittel gekauft werden. Weder Zigaretten, noch "Non-Food-Artikel" oder Alkohol durften die Kassiererinnen mit diesen Gutscheinen rausgeben. Das weiß ich, weil ich damals bei Plus an der Kasse gesessen habe und wir eine Mitteilung vom Amt bekamen.
Als ich dann selber Sozialhilfe eine Zeit empfangen habe, wollte die Bearbeiterin mir so einen Gutschein geben und ich habe mich geweigert ihn anzunehmen. Da kann ich mir ja gleich "Sozialhilfe" auf die Stirn tätowieren und das sollte meines Erachtens nicht der Sinn sein, dass jeder im Laden mitbekommt, dass man bedürftig ist. Zumal man sich derartig nichts zu Schulden kommen lassen hat. Also habe ich damals darauf bestanden Bargeld zu bekommen und es ging.
Bei Familien, wo es nachweisbar so ist, dass das Geld mehr oder weniger zweckentfremdet wird und nicht das gekauft wird, was sein sollte, finde ich solche Gutscheine ok. Aber die Leute müssen dann wirklich schon mal aufgefallen sein und Drogenmißbrauch oder übermäßiger Alkoholkonsum muss dann auch nachgewiesen sein. Ansonsten finde ich es eine Diskriminierung. Denn wenn man auch unverschuldet in diese Notlage gerät muss nicht jeder sehen, dass man vom Amt lebt.
Bei diesen Bildungsgutscheinen sehe ich es ähnlich. Muss denn jeder sehen, dass das Kind vom Amt unterstützt wird? Kann man das nicht so regeln, dass man die Rechnung beim Amt einreicht und diese dann vom Amt bezahlt wird? Viele schämen sich das Geld vom Amt zu beziehen und diese Leute lassen dannn eher Gutscheine verfallen, als dass sie das "Gutscheingeld" auch wirklich nutzen. Dann haben die Kinder auch wieder nichts davon.
Jetzt einmal mal weg von der Hartz 4 Diskussion, denn ein Gutschein nicht immer und ewig die beste Lösung. Die Leute verlieren dann allerdings schnell den Umgang mit Geld und das hat wie wir alle wissen gravierende Folgen. In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Betreuer sehe ich diese negative Wirkung in der Praxis. Wenn überhaupt sollte der Gutschein egal ein welcher Form nur ein Zubrot sein, denn auch damit muss ein angemessener Umgang erreicht werden.
Man kann die Geldleistungen nicht ins Unendliche zurück fahren, denn selbst der Staat spart dabei auf längere Sicht nichts. Beispielsweise erhält ja ein ganz normaler Arbeitnehmer auch keine Gutscheine als Lohn. Deshalb sollte meiner Meinung nach der Gutschein nur eine unterstützende Wirkung haben, nicht aber eine total komplette Leistung beinhalten.
hooker hat geschrieben:Es gab vor einiger Zeit in irgendeinem Bundesland eine Studie die explizit ausgewertet hatte für welche Aktivitäten dieser Bildungsgutschein verwendet wurde. Ganz oben in der Hitliste stand der Schwimmbadbesuch was auch irgendwie nachvollziehbar ist und wo auch niemand nachfragt ob man wirklich als Kind eine Berechtigung oder einen Ausweis hat, danach kam lange überhaupt nichts, etwas an Theaterbesuchen und Konzerten war dabei und mit <0,1 % wurde ein Museenbesuch registriert. Leider ist diese Studie ganz schnell wieder aus den Schlagzeilen verschwunden so dass ich sie nicht noch einmal genauer studieren kann.
Das war in Stuttgart, wo es die Familien-Card schon lange gibt. Siehe auch Der Bildungschip. Es gibt wie im verlinkten Beitrag schon geschrieben, Börsen, deren Inhalt nur für bestimmte Zwecke genutzt werden kann.
Zum Schwimmbadbesuch. Es ist ja schön und nett, wenn der Schwimmbadeintritt kostenlos wäre. Aber ich gehe mal von hier aus. Wenn man in der Innenstadt wohnt und auch eine Schule besucht die zu Fuß zu erreichen ist, haben die Kinder hier in der Regel auch keine Monatsfahrkarte. Die Schwimmbäder sind aber alle weiter weg. Zu weit zum Laufen. Somit hätten man dann trotzdem noch die Fahrtkosten, die hier nicht ganz ohne sind.
Für Museen etc. würden sich vielleicht mehr interessieren, wenn es die Möglichkeit halt gäbe. Ich denke es ist ein Unterschied, ob man nun wahllos Wünsche äußern kann oder halt einfach eine Liste bekommt, mit den Dingen die man kostenlos machen kann.
Essensgutscheine gab es hier früher mal für Bedienstete der Stadt, dem Land und ich glaube auch dem Staat. Da gab es jeden Tag einen Zuschuss zum Essen in Form einer Marke. Sprich man bekam am Monatsanfang halt so viele Marken, wie es Arbeitstage im Monat gab. An sich war gedacht, dass man damit halt Einkaufen gehen kann und zum Beispiel ein Mittagessen erwirbt und dazu halt ein Märkchen einsetzt. Wenn das Mittagessen sagen wir 5 DM gekostet hat und das Märckchen einen Wert von 1,50 DM hatte, musste man halt 3,50 Euro selbst investieren. An sich eine nette Idee. Nur ging die soweit, dass manche ihren Marken sammelten und dann halt einen Großeinkauf machten. Was man ja noch nachvollziehen kann. Aber es gab auch Leute, die halt in ein Kaufhaus gingen, welches die Marken nahm ( die Marken nahm nicht jedes Geschäft) und davon halt was ganz anderes als Lebensmittel kaufte. Oder man halt was für 1 DM kaufte und versuchte sich die 50 Pfennig auszahlen zu lassen.
Karten zum Aufladen sind sicherlich keine schlechte Idee. Was mich daran stört, dass man dann ja irgendwo hin muss zum Aufladen und dann auch wieder eine Art Stigmatisierung stattfinden kann. Oder halt auch eventuell mit Kosten verbunden ist. Und auch mit solchen Karten ja leider Missbrauch stattfinden kann.
Der Hinweis, dass die Menschen durch Gutscheine und ähnliches den Bezug zum Umgang mit Bargeld verlernen könnte, finde ich recht gut. Soweit hatte ich noch gar nicht gedacht. Aber ich stimme dem zum Großteil zu.
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