Was wäre, wenn man eine Bombe vermutet?

Ich war gestern mit meiner Frau einen Stadtbummel machen. Sie musste auf die Toilette und ging in ein Kaufhaus, währenddessen ich mich vor das Kaufhaus auf eine Treppe setzte und auf sie wartete. Ich musste lange warten und mir war langweilig. So habe ich die verschiedenen Menschen beobachtet und dabei sah ich, wie jemand eine Tüte neben eine Mülltonne stellte.

Dabei überlegte ich, was würde ich tun, wenn ich beobachten würde, wie jemand eine Tasche oder einen Koffer auf einen öffentlichen Platz stellen würde, dann weggeht und ich dann das mulmige Gefühl hätte, in diesem Behältnis könnte eine Bombe sein? Viele von euch denken jetzt vielleicht, dass ich zu viele Krimis im Fernsehen gesehen habe, oder überlegen, wie langweilig es mir wirklich war. Dennoch hat mich die Frage beschäftigt und leider passieren solche Anschläge ja immer mal wieder, zwar noch nicht in Deutschland, aber auch das ist ja nicht ausgeschlossen.

Ich bin jetzt kein ängstlicher Mensch, aber über die Frage habe ich doch lange gegrübelt. Nimmt man dann seine Frau und läuft weg oder versucht man lauthals den Platz zu räumen? Reicht es, die Polizei zu rufen und was ist, wenn es nur eine Tasche mit Abfall war? Immerhin war es in meiner Fiktion ja nur ein Bauchgefühl. Ich möchte jetzt auch nicht sagen „ich würde Folgendes tun…“ denn es ist ein Unterschied, ob man hier im Forum darüber nachdenkt oder im echten, wahren Leben vor einer solchen Entscheidung steht.

Ich habe mit meiner Frau darüber diskutiert. Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten. Bringt man sich in Sicherheit und kurz darauf sterben durch die „wirkliche Bombe“ Menschen, dann macht man sich Vorwürfe. Ruft man die Polizei an und versucht dabei noch mit Rufen wie „hier ist eine Bombe“ den Platz zu leeren und es ist eben nur Abfall, hat man eine Panik ausgelöst, bei der vielleicht auch Menschen zu Schaden kommen. So steht auch die Option zur Verfügung, bei dem liegen gelassenen Gegenstand mal zu schauen, was drin ist. Löst man dann vielleicht die Bombe aus und bringt sich selbst in Gefahr?

Wie gesagt, es ist nur eine Überlegung aus Langeweile gewesen, wenn man sich aber damit beschäftigt, erkennt man schnell, wie ratlos man in einer solchen Situation sein kann. So hoffe ich, dass niemand von uns in eine solche Situation kommt. Überlegt aber mal, was ihr tun würdet und bedenkt dabei, dass es einen Unterschied macht, nur darüber nachzudenken oder wirklich vor der Entscheidung stehen zu müssen.

Auch wenn fast alle sagen, ich würde den Platz räumen und versuchen die Leute zu retten, zusätzlich natürlich die Polizei anrufen, so zeigen doch einfache Tests in viel einfacheren Situationen, dass die meisten aus Angst vor den Folgen dann nicht einschreiten. So wurden vor kurzem körperliche Angriffe auf Fahrgäste einer S-Bahn oder Spaziergänger in einer Fußgängerzone simuliert und die umstehenden haben weggeschaut oder sogar zugeschaut, nicht aber eingegriffen. Das ist zwar jetzt vielleicht weit hergeholt, aber meiner Meinung nach in diesem Fall doch zu vergleichen. Jeder weiß eigentlich, was zu tun ist, nur die wenigsten tun es aber dann in einem Ernstfall.

Ich glaube, es ist schwierig, solche Fragen zu beantworten. Natürlich kann man sich darüber Gedanken machen und man kann Vermutungen anstellen, was man wohl in so einer Situation machen würde, aber wie man dann tatsächlich reagiert, kann man wahrscheinlich nur sehr schwer sagen.

Ich habe ein wenig darüber nachgedacht und ich würde fürchte ich auch als erstes versuchen meinen Sohn oder wer eben gerade mit dabei ist und mich in Sicherheit zu bringen. Dann wäre ich wohl schon so neugierig und würde die Situation aus mir sicher scheinenden Entfernung zu beobachten. Wobei mir schon klar ist, dass es wohl nicht wirklich intelligent ist, so zu reagieren, weil man wohl schnell reagieren müsste. Aber ich tippe trotzdem darauf, dass ich wohl eine Weile beobachten und nachdenken würde.

Wenn ich dann noch immer ein sehr schlechtes Gefühl habe, würde ich die Polizei anrufen und es ihnen auch genau so schildern. Dass ich nicht unnötig Stress machen möchte und dass ich eben nur eine Vermutung habe, weil ich eben dies oder jenes beobachtet habe. Wenn man ehrlich ist, wäre da die Bombe wohl schon längst in die Luft gegangen.

Ich glaube aber nicht, dass ich laut in die Menschenmenge rufen würde, dass da eine Bombe ist. Das mag zwar wohl auch falsch sein, aber wenn ich ehrlich bin, würde ich fürchte ich so reagieren. Auf jeden Fall würde ich alles versuchen vor dieser Situation zu flüchten, weil man ja nie wissen kann, wann sie wirklich in die Luft geht. Aber dann ist es zumindest einen Versuch wert, möglichst unbeschadet zu entkommen.

Das ist ein sehr heikles Thema. Jedesmal ärgere ich mich, wenn im Fernsehen Gewaltszenen gezeigt werden, die in einem stark frequentierten Bereich nachgestellt wurden, und die Herumsitzenden, Vorbeilaufenden oder in kleinen Gruppen stehenden nicht eingreifen. Sie drehen die Köpfe zur Seite oder sehen zu, wie andere Menschen geschlagen oder getreten werden. Es betrifft ja nicht sie. Wie abgebrüht sind diese Menschen eigentlich? Es können nicht Angstgefühle sein. Ist es reines Desinteresse?

Wenn ich nun sehe, dass auf einen Platz mit einigen oder vielen Menschen ein Passant einen Koffer stellt und dann weitergeht, würden bei mir sämtliche Alarmglocken läuten. Ich würde sofort die Polizei anrufen. Dann würde ich die in meiner Nähe stehenden Menschen bitten, mir bei der Platzräumung zu helfen, weil das schneller geht mit mehreren. Angst um mein eigenes Leben hätte ich in dem Moment nicht.

Wenn ich mich nicht für das Leben dieser Menschen, vorausgesetzt es wäre eine Bombe, einsetzen würde, hätte ich mein ganzes Leben keine ruhige Minute mehr. Ich müßte immer daran denken, was ich hätte verhindern können und nicht getan habe. Nein, das könnte ich nicht ertragen. Sollte der Koffer nur Müll oder andere zu entsorgende Dinge enthalten käme mir eine Blamage nicht in den Sinn. Denn ich habe meine Pflicht getan und eine mögliche Gefahr von den Menschen abgewendet.

Es ist psychologisch recht gut erforscht, dass die allermeisten Menschen in Menschenmengen dazu neigen sich für nichts verantwortlich zu fühlen. Warum das so ist, darüber kann man viel spekulieren. Fakt ist nur, dass das unabhängig von Geschlecht und Herkunftsland so ist.

Zu aller erst würde ich mir den Menschen genau ansehen. Was oben über die üblichen Verdächtigen geschrieben wurde, ist zwar sehr krass, aber wahrscheinlich pragmatisch. Ein wenig sollte man sich schon von seiner Menschenkenntnis leiten lassen. Die Polizei würde in so einem Fall vermutlich auch eine Täterbeschreibung erfragen. Aber für mich wäre nicht nur wichtig, wer das fragliche Gepäckstück ablegt, sondern auch welche Mimik und Gestik der jenige hat. Wirkt er aufgeregt? Trägt er eine Waffe? Wirkt die Person sonst irgendwie seltsam? Beeilt er sich zusehends von dem Paket weg zu kommen? Das wären für mich eindeutige Alarmzeichen.

Dann würde ich anstelle des Geschilderten Beobachters zuerst meine Frau informieren, dass sie dringend den anderen Ausgang des Kaufhauses benutzen solle. Sodann würde ich sofort die Polizei anrufen und ihr den Verdacht genau erläutern, dort aber auch gleich erwähnen, dass es nur ein Verdacht ist. Man bekommt zwar keine Strafe, wenn man unbeabsichtigt einen Fehlalarm auslöst, aber bei einem Verdacht muss ja nicht gleich das ganze SEK ausrücken, da reichen vielleicht schon wenige Mann mit einem Sprengstoffspürhund, um die Angelegenheit zu klären.