Keine Behandlung für verschleierte Frauen
In Wächtersbach hat ein Arzt vor kurzem ein Schild an seiner Praxis angebracht. Auf dem war zu lesen, dass ein striktes Kopftuchverbot für islamische Mädchen und Frauen besteht. Außerdem fordert er gute deutsche Sprachkenntnisse, sowohl in Wort und Schrift. Und kinderreiche islamische Familien die mehr als fünf leibliche Kinder haben, wird er nicht mehr behandeln.
Er wurde unter anderem von einer Zeitung auf dieses Schild angesprochen. Der Arzt berichtete dann, dass es immer wieder zu Problemen bei der Behandlung von moslemischen Frauen kam. Einer Frau mit Schleier, die kaum Deutsch spricht kann er nur schwer behandeln. Deshalb erwartet er, dass sie zumindest im Sprechzimmer den Schleier ablegt und sich auch in Deutsch verbalisieren kann. Und es habe mehrfach Vorkommnisse in seiner Praxis gegeben, wenn Mütter mit mehreren Kindern kamen und die durch das Wartezimmer tobten. Er selbst behandele viele türkische Familien und habe generell auch kein Problem damit. Nur wird ihm seine Arbeit halt enorm erschwert, wenn er die Frauen weder sieht noch sich mit ihnen verständigen kann. Das sei im Endeffekt der Auslöser für das Schild gewesen. Er habe zwar bisher mehrfach um die einzelnen Punkte gebeten, aber man habe ihm nie wirklich zugehört.
Mittlerweile ist das Schild wohl nun umformuliert worden, aber die Sache scheint noch Wellen zu schlagen. Die Kassenärztliche Vereinigung findet seine „Aktion“ natürlich weniger gut. Außerdem würde man darüber nachdenken, ob man ein Disziplinarverfahren einleitet. Die Ärztekammern hat den Fall vorerst an die Rechtsabteilung weitergeleitet, die den Fall nun erst mal prüfen wird.
Ich kann das Handeln des Arztes schon ein wenig verstehen. Ich sehe es regelmäßig bei der örtlichen Tafel, dass die Kunden teilweise noch nicht mal sagen können, was sie gerne hätten. Für einen Arzt stelle ich mir das noch schwerer vor, vor allem da er sich bei einer falschen Behandlung ja auch strafbar macht. Vielleicht wäre es aber besser gewesen, wenn er seine Worte anders gewählt hätte. Andere Kollegen sind wohl in ähnlichen Fällen dazu übergegangen, verschleierte Frauen zu einem Kollegen zu schicken, der sie auch sprachlich versteht, da sie nicht geschult sind, Frauen mit Schleier zu behandeln.
Eine Bekannte von mir hat sich in Japan die Hüfte gebrochen und da haben sich die Ärzte geweigert sie zu operieren, es sei denn ein deutscher Arzt wäre zugegen. Es hätte ihnen noch nichtmal ein Dolmetscher gereicht. Sie wurde dann nach Deutschland ausgeflogen.
Insofern kann ich den deutschen Arzt verstehen, dass er genügend Sprachkenntnisse bei seinen Patienten haben möchte. Genauso, dass das Gesicht nicht verdeckt sein soll. Denn wenn die Patientin schon nicht mitteilen kann, was sie hat, dann könnte der Arzt eventuell an den Reaktionen ablesen, wo es weh tut.
Mein Sohn hat ja in seinem FSJ ausländische Jugendliche betreut und die musste er dann auch zu Ärzten begleiten. Sodass er dem Arzt sagen konnte, was der Jugendliche für Probleme hat und mein Sohn konnte später dem Dolmetscher sagen, was der Arzt für Maßnahmen vorgesehen hat.
In Hamburg habe ich von einem Projekt gelesen, da sollen Stadtteile international erfasst werden, damit ausländische Mitbürger Hilfe bei kompetenten Personen finden, die ihre Sprache sprechen. Du siehst, diese Problematik wurde auch schon in anderen Städten erkannt.
Wobei natürlich auch erwartet werden kann, dass Ausländer, die ständig hier leben auch die deutsche Sprache lernen. Nur gerade in Stresssituationen und das ist ein Arztbesuch für manch einen Menschen, helfen die Sprachkenntnisse nicht weiter und ein Muttersprachler wäre angebracht. Genauso bei Touristen, die nicht unbedingt die Sprache können, aber so wie meine Bekannte einen Unfall hatten und behandelt werden müssen.
Ich finde seine Entscheidung vollig okay, schließlich leben wir hier in Deutschland (ich bin ganz sicher keine Rassistin) , aber man kann ja wohl erwarten, wenn man als Äuslander/in in eine deutsche Arztpraxis geht, auch soweit die Sprache beherrscht, dass man sein Leiden beschreiben kann. Ich meine, sicher ist dieser Arzt kein böser Mann oder handelt rassistisch, denn es erschwert ihm ja einfach die Arbeit wenn er nicht mit seinen Patienten kommunizieren kann.
Außerdem sollte es, wie ich finde, den Ärzten freigestellt werden, ob sie jemanden, der die Sprache kaum beherrscht, behandeln wollen. Ich verstehe das volkommen, meine Mutter arbeitet nämlich auch in einer Praxis, als Physiotherapeutin und behandelt regelmäßig Ausländer, die kaum bzw. schlecht deutsch sprechen. Da ist dieses Problem auch sehr hinderlich, vor allem wenn sie ihnen die Physiotherapie erklären und Übungen beschreiben muss.
Dass die Aktion des Arztes wieder für Aufruhr sorgt, war ja klar, doch sollte man ihn deswegen nicht verurteilen.
Das Thema war ja urplötzlich auch überregional in den Medien, ob das vielleicht auch etwas mit der Veröffentlichung von Herrn Sarrazins Buch zu tun hatte? Davon abgesehen, habe ich auch ein Interview mit dem Arzt gesehen und war hin- und her gerissen zwischen Zustimmung und Ablehnung. Der Arzt berichtete nämlich, was für mich schon nachvollziehbar ist, dass eine Untersuchung nun mal bei einem bestimmten Verdacht verschiedene Maßnahmen beinhaltet. Beispielsweise das Fiebermessen und das die Untersuchung der Ohren. All das war wohl bei verschleierten Frauen schlecht möglich. Auch waren Behandlungserfolge teilweise gar nicht möglich, da bei Diabetes einfach nicht verstanden wurde, was der Arzt empfahl. Fraglich ist aber für mich, ob das nicht auch auf Deutsche zutrifft. Das mit der Verschleierung sicher eher nicht, aber das Verstehen. Trotzdem kann ich diese Forderungen nachvollziehen.
Etwas merkwürdig fand ich die Begründung des Arztes, er hätte im Sommer eine Reise in die Zentraltürkei unternommen um mehr über diese Nationalität zu lernen und sie auch besser zu verstehen. Allerdings sei man ihm da auch nicht entgegen gekommen. Wenn in einem Schwimmbad Frauenschwimmtag war, dann durfte der Tourist um keinen Preis auch in das Schwimmbad und da sei ihm eben die Idee gekommen, dass wenn dort strenge Regeln aufgestellt werden, er das auch können. Ebenso merkwürdig fand ich, dass ausgerechnet nur ausländische Familien das Wartezimmer verwüsten würden. Also da gibt es ja nun wirklich genug andere Familien der verschiedensten Nationen - auch Deutsche - die das ebenso gut und mit deutlich weniger Kindern schaffen.
Ich denke fast, dass der Mann einfach mal seinen Frust abladen wollte, der sich in den 16 Jahren Praxistätigkeit aufgestaut hat. Dass er damit teilweise übers Ziel hinaus geschossen ist, ist keine Frage. Mal sehen, was ihn nun noch von Seiten der kassenärztlichen Vereinigung erwartet.
Ja JotJot es wurde unheimlich viel ein Bezug zu der Sarrazin Debatte gezogen. Da ich der Diskussion nicht wirklich gefolgt bin, habe ich mich dazu nicht geäußert. Denn im Endeffekt sind es halt Handlungen einzelner Personen und für mich war an sich klar, dass der besagte Arzt aus Wächtersbach da alleine gehandelt hat.
Wenn man alleine von dem Inhalt des Schildes ausgeht, halte ich den auch nicht für gut. Wenn man aber mal die Beweggründe des Arztes mit einbezieht, sieht die Sachlage halt ganz anders aus. Und ich kann alle Seiten ein wenig verstehen. Ich denke aber auch, dass ein Arzt das durchaus auch anders hätte handhaben können.
Die Erklärung die du beschreibst, dass er so handelt, weil man in der Türkei halt bestimmte Sachen auch nicht darf, finde ich hingegen heftig. Erinnert mich leider auch immer wieder an meinen Vater, der immer wieder alte Story´s aus seiner Jugend erzählt, in denen es vor allem darum geht, was er im Ausland alles nicht durfte und er deshalb der Meinung ist, dass Ausländer sich hier auch komplett unseren Sitten anzupassen haben. Nur die Art wie er das sagt, die kotzt mich schon an. Und den Vergleich des Arztes von einem Frauenschwimmtag zu der Behandlung in einer Arztpraxis, finde ich schon sehr weit hergeholt. Auch in Deutschland gibt es Frauenschwimmtage und kein Mann darf das Schwimmbad betreten. Und diese Schwimmbäder sind keine moslemischen Einrichtungen, sondern zum Teil staatliche Schwimmbäder.
Wie gesagt, ich kann den Frust des Arztes nachvollziehen. Ich denke aber auch, dass hätte man halt anders handhaben können. So wie es da stand, war es doch ziemlich ausländerfeindlich.
Der betreffende Arzt gehört meiner Meinung nach in die Arbeitslosigkeit. Wenn überhaupt sollte man es hier nur beim Denken belassen, denn ein Arzt sollte ja eigentlich genug Bildung haben. Aber auch hier gilt eben das Gesetz der Wahrscheinlichkeit, d.h. ein Arzt ist wahrscheinlich intelligenter als eine Person die nicht studiert hat. Wenn man so etwas hört, braucht man sich über plumpe Vorurteile allerdings nicht zu wundern.
Vor allem hat es eine sehr gute Vorbildwirkung. Das werden mit Sicherheit dann auch sehr viele Jugendliche so sehen, denn es kam ja von einer studierten Person. Man kann nur hoffen das nicht der Rassismus gewinnt hierbei sondern die Menschlichkeit. Ob das der betreffende Arzt überhaupt versteht?
LittleSister hat geschrieben:Ja JotJot es wurde unheimlich viel ein Bezug zu der Sarrazin Debatte gezogen. Da ich der Diskussion nicht wirklich gefolgt bin, habe ich mich dazu nicht geäußert.
Bei uns war und ist diese eigentlich immer noch Thema am Mittagstisch, wobei ich mich da nur immer wieder über einige leichtgläubige Kollegen geärgert habe. Deswegen habe ich diese Debatte auch noch gut in Erinnerung und sie passt da wirklich gut zu den Äußerungen des Arztes.
LittleSister hat geschrieben:Nur die Art wie er das sagt, die kotzt mich schon an. Und den Vergleich des Arztes von einem Frauenschwimmtag zu der Behandlung in einer Arztpraxis, finde ich schon sehr weit hergeholt. Auch in Deutschland gibt es Frauenschwimmtage und kein Mann darf das Schwimmbad betreten. Und diese Schwimmbäder sind keine moslemischen Einrichtungen, sondern zum Teil staatliche Schwimmbäder.
Eben, das dachte ich mir auch. Diese Begründung ist ziemlich eigenwillig. Nur ist aber fraglich inwieweit das Interview mit dem Arzt zusammen geschnitten war, auch wenn es nicht von einem Sender war, dem ich da irgendwelche Ambitionen in dieser Richtung andichten würde. Vielleicht hatte er aber noch andere Beispiele genannt, die dann aber nicht über den Äther gingen.
LittleSister hat geschrieben:So wie es da stand, war es doch ziemlich ausländerfeindlich.
Definitiv, auch live in Person wirkte das alles ziemlich ausländerfeindlich. Es ging immer nur um die türkischen Patienten, die ja so fürchterlich seien. Da wird sich dann wirklich eine Menge angestaut haben; der Arzt hätte wohl besser erst mal nachgedacht, bevor er - scheinbar - voreilig ein Interview gab.
karlchen66 hat geschrieben:Wenn man so etwas hört, braucht man sich über plumpe Vorurteile allerdings nicht zu wundern.
Wobei ich immer noch frage, was zuerst war: der Wächtersbacher Arzt oder die Äußerungen des Herrn Sarrazin, in dessen Windschatten man so etwas vielleicht ungestraft sagen darf.
Wie gesagt, ich habe die Sarrazin Sache nur ganz leicht am Rande mitbekommen. War allerdings teilweise Thema einer Diskussion im Familienrahmen, aus der ich mich aber weitgehendst raus hielt, weil ich gar nichts darüber wusste. Da wurde aber auch was gesagt, dass die Inhalte des Buches von Sarrazin wohl mit einem anderen Buch verglichen wurden und Sarrazin wohl da viele auch einfach nur abgeschrieben hat.
Die Aktion des Wächterbacher Arztes fand aber wohl erst letzte Woche statt. Sarrazin steht ja schon länger zur Diskussion, wenn ich mich nicht irre.
@ karlchen66
Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es dem Arzt hauptsächlich darum, dass er verschleierte Frauen halt schlecht untersuchen kann. Und es ist für einen Arzt schon hinderlich, wenn der Patient erst mehrere Lagen Kleidung ablegen muss. Ich kenne das auch von mir. Ich habe auch meistens zu viel an und es ist gerade beim Arzt dann schon mal hinderlich und mir wurde da auch schon was zu gesagt. In meinen Augen zu recht. Nur wenn der Patient dann kaum versteht, was der Arzt von einem möchte, ist das doch noch schwieriger.
Klar ist die Wortwahl ziemlich daneben und begrenzt sich auf eine Bevölkerungsgruppe. Und die Sachen auf die sich der Arzt bezieht, treten ja auch bei anderen nicht deutschen Mitbürgern auf. Das hätte er im Grunde einfach nur allgemeiner Verfassen müssen. Zum Beispiel halt schreiben, dass es sehr aufwendig ist, wenn die Patienten erst gefühlte tausend Kleidungsschichten ablegen müssen. Oder das er halt nur fachgerecht behandeln kann, wenn der Patient der deutschen Sprache mächtig ist. Und das halt generell darum gebeten wird, dass Familien mit mehreren Kindern doch bitte entweder die Kinder daheim lassen oder halt einen Begleitperson zum Aufpassen für die Kinder mitgebracht werden soll.
Das Schild ist natürlich ein bisschen doof gewählt, auch wenn man ihm sein Anliegen nur schwerlich verübeln kann. Das man nicht mit einer Horde Kinder im Wartezimmer auftaucht sollte einem eigentlich klar sein, denn das ist kein Spielhort oder Kinderzimmer. Das der Arzt gerne auch mit seinen Patienten sprechen können muss verstehe ich auch noch. Da hätte man ja vielleicht formulieren können, dass dann Jemand mit Deutschkenntnissen zugegen sein soll. Aber was hat das Kopftuch damit zu tun?
Ich weiß wirklich nicht in welcher Weise es störend bei der Behandlung sein soll, wenn eine Frau ihr Kopftuch nicht abnehmen möchte. In den meisten Fällen muss der Kopf wohl nicht so genau untersucht werden und immerhin nimmt dieses Tuch ja auch dir beim Abhören störenden Haare weg. Das finde ich dann schon diskriminierend, oder zumindest etwas übertrieben.
Die Frage ist nur, wenn ihn gerade die mangelnden Sprachkenntnisse bei der Arbeit behindern, denn das stelle ich mir einfach mal am gravierendsten vor. Warum ist das Schild dann auf Deutsch? Theoretisch müsste so ein Schild ja eigentlich sehr vielsprachig sein, damit die betreffenden Personen es auch verstehen.
Ich weiß wirklich nicht in welcher Weise es störend bei der Behandlung sein soll, wenn eine Frau ihr Kopftuch nicht abnehmen möchte. In den meisten Fällen muss der Kopf wohl nicht so genau untersucht werden und immerhin nimmt dieses Tuch ja auch dir beim Abhören störenden Haare weg. Das finde ich dann schon diskriminierend, oder zumindest etwas übertrieben.
Es ging weniger um das Kopftuch alleine. Ich weiß leider nicht wie das genau heißt, aber die meisten moslemischen Frauen haben ja auch über ihrer "normalen" Kleidung so ein schwarzes Gewand. Ähnlich wie die Kutten bei Nonnen. Und wenn der Arzt die Patientin nun abhören möchte und sie muss erst umständlich anfangen alles auszuziehen, ist das doch sehr zeitaufwendig.
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