Beim auswandern seinen Vornamen anpassen?

vom 27.08.2010, 22:08 Uhr

Letztens sind Bekannte von uns aus Polen in eine deutsche Stadt in unserer Nähe gezogen, weil sie hier bessere Arbeit bekommen haben. Wie das nun mal so ist, haben sie natürlich auch polnische Vornamen. Die Frau hieß Irena, der Mann Jerzy und die beiden Töchter Jolanta und Mariola.

Einige Wochen nach dem Umzug haben wir die Familie nun wieder getroffen und ich bin wirklich erstaunt über das, was sich inzwischen verändert hat. Alle vier Familienmitglieder haben ihre Vornamen geändert und sie ihrem neuen Heimatsland angepasst. Die Frau heißt nun einfach Irene, was keine große Umstellung ist. Der Mann hingegen nennt sich jetzt Jörg. Die beiden Töchter haben meiner Meinung nach die argsten Veränderungen hinter sich. Jolanta wurde zur Julia und Mariola ist jetzt Meika.

An sich kann ich irgendwie wirklich nicht verstehen, wie jemand sowas tun kann. Wenn man sein ganzes Leben lang ein ''Jerzy'' war, wie kann man dann einfach so plötzlich zum ''Jörg'' werden? Und das nur, weil man jetzt woanders wohnt. Wenn ich auswandern würde, würde ich deswegen meinen Namen ganz sicher nicht ändern, weil er einfach ein Teil meiner Persönlichkeit ist und ich mich nicht einfach so plötzlich als jemanden anderen sehen könnte. Und ich glaube auch nicht, dass man hierzulande wegen eines ausländischen Namens gemobbt werden würde oder?

Am schwersten stelle ich mir die Umstellung für die beiden Töchter (6 und 8 Jahre alt) vor, wie nimmt ein Kind sowas denn auf? Ich fand die Vornamen der beiden sehr schön und finde es weniger gut, dass sie jetzt alltägliche und langweilig normale deutsche Vornamen bekommen haben, nur weil ihre Eltern den Drang dazu haben, sich zu ''verdeutschen''. Das sie Ausländer sind merkt man doch eh, schließlich sprechen alle sehr wenig und schlechtes Deutsch, was ja an sich nicht schlimm ist, weil man dazulernt, aber das Ganze mit deutschen Vornamen zu überspielen kommt mir schon geradezu lächerlich vor.

Was hält ihr davon? Würdet ihr euren Vornamen ändern lassen, wenn ihr auswandern würdet?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Also grundsätzlich käme ich nicht von selbst auf die Idee meinen Vornamen deswegen zu ändern. Nun gefällt mir aber mein Vorname auch nicht so sehr, dass ich damit keinerlei Probleme hätte, wenn man mir im Ausland sozusagen dann in meiner neuen Umgebung eine Art passenderen Spitznamen gibt. Das würde ich absolut in Ordnung und auch nett finden.

Ich selbst würde auch den Namen "Irena" gegen den langweiligen Namen "Irene" eintauschen, einfach, weil egal, ob das vielleicht dasselbe ist, wenn man den Namen übersetzt, Irena doch als Name etwas spezieller und auch interessanter klingt. Ich weiß nun nicht, inwiefern so ein Schritt in manchen Gegenden vielleicht sogar "besser" ist, um nicht unangenehm aufzufallen, aber oftmals sieht man den Menschen doch an, woher Sie in etwa kommen, wenn auch nicht immer. - Allerdings würde für mich eine Gegend, in der es solch einen Ausländerhass gibt, sowieso nicht wirklich als Wohnort in Frage kommen.

Ich kenne zum Beispiel Leute aus Deutschland, die haben im Ausland dann von ihren Nachbarn für das Land passende Spitznamen bekommen, als die dann auch dort ein Kind bekamen, bekam dieses dann einen deutschen Vornamen und zwei englische, so fand ich das auch ganz passend. So ist es auch bei anderen Leuten gewesen, die ich so kenne.

» ygil » Beiträge: 2551 » Talkpoints: 37,52 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Das ist aber durchaus üblich dass sich hier eingebürgerte Migranten ihre Vornamen eindeutschen lassen. Selbst schon zu DDR-Zeiten haben das vor allem die Polen und die Russen gemacht und vor allem freiwillig. Ich hatte mal jemanden gefragt und er sagte mir dass er seinen Vornamen Wladimir hasste.

So schlecht finde ich die Namenswahl eigentlich nicht und ich kann mir auch nicht vorstellen dass die Mädchen in diesem Alter kein Mitspracherecht haben. Eine Umstellung ist es sicherlich, aber vielleicht bekommt man es ja nicht so mit da man immer noch mit dem Lernen der deutschen Sprache beschäftigt ist und hier niemand den alten Namen kennt. Sicherlich soll es auch ein bischen Schutz sein. Ein typisch russischer oder polnischer Name, dazu noch die gebrochene Sprache - das kommt oft nicht gut an. Vielleicht ist es auch ein Zeichen für Anpassung womit man sich von anderen etwas abheben möchte. Wobei die Mädchen später höchstwahrscheinlich Deutsch akzentfrei sprechen werden, nur ihre polnischen Namen würden dann an ihre Herkunft erinnern. Dann sind die Eltern doch eigentlich recht klug und vorausschauend.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Crispin hat geschrieben:An sich kann ich irgendwie wirklich nicht verstehen, wie jemand sowas tun kann. Wenn man sein ganzes Leben lang ein ''Jerzy'' war, wie kann man dann einfach so plötzlich zum ''Jörg'' werden?

Du kannst es nicht verstehen, ich auch nicht, was aber daran liegt, dass in meiner kleinen Familie alle Mitglieder Vornamen haben, die im englischsprachigen Raum ebenfalls sehr verbreitet sind und wir eher dorthin Kontakte pflegen. Hast Du denn diese Familie gefragt, was sie zu ihrem Entschluss bewogen hat? Mir fallen da einige Gründe ein: Anpassung, wenn auch nur äußerlich, Rückkehr zu deutschen Wurzeln, Ablegen eines schon immer gehassten Namen.

Sicher kann man die neue Heimatsprache nicht auch gleich mit dem Vornamen annehmen. Aber fakt ist nun mal, dass gerade Osteuropäer in Deutschland nicht gerade einen makellosen Ruf haben. Da wird allein schon ein osteuropäisch klingender Name zum Stolperstein und nicht jeder hat die Kraft damit umzugehen. Da hilft eine Namensänderung ungemein.

Für die Kinder stelle ich mir das übrigens gar nicht so schwer vor, denn die schlüpfen in Rollenspielen ja ohnehin gern mal in andere Rollen und sind so leicht zu beeinflussen.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich würde meinen Vornamen auch nicht ändern, egal wo ich wohnen würde. Ich habe einige Zeit im englischsprachigen Raum gelebt und dort konnte kaum jemand meinen Namen richtig aussprechen. Da sind Wortkreationen bei rausgekommen, das war unglaublich. Aber würde ich deshalb meinen Namen gleich ändern? Auf keinen Fall. Gerade in solchen Fällen hat man doch schnell einen Spitznamen. Und die Namen deiner Bekannten waren ja nun auch nicht so, dass es da Probleme geben würde.

Einen Fall könnte ich mir allerdings schon denken. Wenn ich jetzt einen Namen hätte, der in er anderen Sprache irgendetwas "Unanständiges" heißt und ich deshalb nur Probleme hätte, würde ich zumindest drüber nachdenken. Wobei auch da vielleicht mit einem Spitznamen geholfen wäre.

» SuperGrobi » Beiträge: 3876 » Talkpoints: 3,22 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich kann solche Namensänderungen eigentlich nur verstehen, wenn sie wie bei der Mutter kaum auffallen. Die anderen Namen hätte ich anstelle der Familie erst gar nicht geändert und wäre stolz so zu heißen, wie mich meine Eltern getauft haben. Zudem finde ich Mariola und Jolanta sehr schöne Namen, die zwar in Deutschland sicherlich seltener vorkommen, aber trotzdem nicht zu außergewöhnlich sind, als dass man sie ändern müsste.

Außerdem ist es ja im Moment voll im Trend, wenn Eltern immer ausgefallenere und selten gebräuchliche Vornamen den Kindern bei der Geburt geben, so dass die polnischen Vornamen gar nicht auffallen würden.

Weiter gibt es ja auch hierzulande durchaus Namen, die im Ausland gebräuchlicher sind, die hier aber auch verwendet werden und nicht ins Deutsche übersetzt werden. So gibt es hier zum Beispiel den Namen Jeannette, der vor allem in Frankreich üblich ist. Hier würde aber vermutlich keine Jeannette auf die Idee komen sich in Johanna umzubenennen. Ebenso könnte man Namen wie Claudelle oder Estefania anführen.

Verstehen könnte ich eine Namensänderung höchstens, wenn mein Name in dem Land, wohin ich auswandere, schlecht bis gar nicht auszusprechen wäre und die Leute, wenn sie einen anreden immer irgendwas anderes sagen würden und dieses dann so missverständlich klingen würde, dass man sich schon gar nicht mehr angesprochen fühlt.

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» Nettie » Beiträge: 7637 » Talkpoints: -2,59 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Leider ist das vermutlich ein Kapitel der Einwanderung das gerne verschwiegen wird. Aus irgendwelchen Gründen auch immer wird Einwanderern aus slawischen Ländern dazu geraten ihre Namen den Deutschen anzupassen, wenn diese für deutsche Ohren viel zu "umständlich" sind. Es werden ihnen dazu mehrere Vorschläge unterbreitet. Dabei ist das nicht mal wirklich sinnig.

Ich meine was ist an Irena oder Irene denn nun so anders? Es ist der gleiche Name. Jerzy dürfte Jörg entsprechen, aber Jerzy ist doch auch kein Beinbruch. Was aus Jolanta und Mariola gemacht wurde finde ich regelrecht unverschämt. Maika ist ja wohl nicht deutscher als ein Mariola oder verbreiteter. Manchmal passiert es, dass der neue Name mit dem alten wirklich nichts zu tun hat. Das ist dann wirklich schwer nachzuvollziehen.

Ich selbst bin von dieser "Korrektur" betroffen, wie viele meiner Verwandten auch. Statt (J)elena heiße ich Helena. Ich bin allerdings mit meinem Vornamen vollkommen glücklich und würde das "H" auch nicht missen wollen.

» JeanSmith » Beiträge: 422 » Talkpoints: 4,88 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Naja ich denke das es früher einfach üblich war den Vornamen anzupassen wenn man eingewandert ist. Gerade diese Woche habe ich mit meiner polnischen Arbeitskollegin geredet. Sie ist als Kind nach Deutschland gekommen und ihr Name in Polen war Gizela mit "Z". Nun heisst sie seit sie hier lebt Gisela.

Gisela wie wir in Deutschland das kennen. Diese Gisela findet es aber auch unnötig. In Polen wurde Gizela auch wie hier in Deutschland gesprochen und wegen ihr hätte sie den Namen nicht anpassen müssen. Ist ja kein Muss. Vielleicht möchten es auch manche Leute, aber nicht alle würden das so haben wollen.

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» MoneFö » Beiträge: 2938 » Talkpoints: -3,73 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Ich finde es auch nicht so abwegig, wenn man seinen Namen bei einer Auswanderung ändern lässt. Wenn die Leute wirklich die Entscheidung getroffen haben, dass sie ihr restliches Leben in Deutschland verbringen wollen dann finde ich es vollkommen in Ordnung und auch gut, wenn sie ihre Namen anpassen. Natürlich wirkt dies in der Anfangszeit noch etwas komisch, weil sie noch nicht gut Deutsch sprechen aber das ist ja nur die erste Zeit und darauf folgen ja noch sehr viele weitere Jahre in denen sie es mit deutschen Namen sicherlich einfacher haben werden.

Wenn sie ihre Namen nicht ändern lassen würden, dann würden sie ihr Leben lang ständig als "Ausländer" angesehen werden. Es wäre dann egal, wie sehr sie sich integrieren würden, sie wären immer die Ausländer die anders sind. Wenn sie aber deutsche Namen haben, dann wird es irgendwann sicherlich einfacher für sie werden. Insbesondere für die Kinder ist natürlich die Umstellung zunächst groß aber das ist sie ja sowieso, wenn sie auswandern. Wenn sie erst einmal die Sprache richtig sprechen, dann werden sie sicherlich sehr froh darüber sein, dass sie nicht mehr direkt durch ihren Namen als Ausländer abgestempelt werden.

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» Prinzessin_Erika » Beiträge: 2010 » Talkpoints: 6,28 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Ich finde die Idee grundlegend gar nicht übel, und ich finde es auch gut, dass in Deutschland eine Namensanpassung zu Integrationszwecken kostenlos durchführbar ist.

Mein Arbeitskollege kam als Jugendlicher aus dem Libanon nach Deutschland und hat sich sofort in der Schule einen völlig anderen Rufnamen (Patric) verpassen lassen, denn keiner hier konnte "Ihssan" richtig aussprechen. Er fand das selber doof und hat sich diesen Namen dann einfach selbst gegeben, wenngleich er in allen Dokumenten weiterhin "Ihssan" hieß. Als er dann mit 25 mal alle Dokumente durch eine Namensänderung "anpassen" wollte, hat ihn fast der Schlag getroffen, was das alles kostet (Perso, Pass, Führerschein etc.) und erst 10 Jahre später zu seiner Hochzeit wollte er sich nochmal darum bemühen - und siehe da, in der Zwischenzeit wurde in Deutschland erlaubt den Vornamen zu Integrationszwecken einmalig kostenlos anzupassen, also genau das, was er damals aus eigenem Antrieb gemacht hat. Seitdem hat er jetzt auch ganz regulär den Vornamen Patric.

Einen Zwang zu soetwas fände ich ziemlich daneben, aber wenn jemand freiwillig entschließt, sein Leben in einer anderen Region fortzuführen, dann ist das allein ja schon eine gewisse äußere Veränderung der Identität. Identität funktioniert ja nur dadurch, dass es Außenstehende gibt von denen man sich differenziert, und wenn diese Familie sich wünscht, von ihrer neuen Umgebung nicht als "die mit den komischen Namen" wahrgenommen zu werden, weil auch das Teil der Identität ist, dann ist das eine gute Sache.

Gut, die speziellen Namen in diesem Fall mögen Geschmackssache sein - besonders die Kindernamen finde ich auch nicht direkt klassisch oder typisch deutsch, aber solange sie mit den neuen Namen nicht unglücklich sind ist doch alles in Ordnung damit.

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» Taline » Beiträge: 3594 » Talkpoints: 0,75 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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