De Maiziere sieht DDR nicht als Unrechtsstaat

vom 23.08.2010, 14:50 Uhr

Honecker und Mielke haben das ja auch schon gewusst und nun haben sie nicht mehr miterleben können, wie ein Kohl Anhänger und CDU Mann wie Lothar de Maiziere klarstellt, dass die DDR selbst kein Unrechtsstaat war! Das wird gerade in seiner Partei vermutlich (wobei eher im Westen) wie ein Erdbeben wirken. Jedenfalls dann, wenn man nicht gleich davon spricht, dass das nur eine Einzelmeinung eines sehr alten (und verwirrten) Herren wäre.

Aber de Maiziere bringt die Äußerung ja nicht völlig haltlos. Sowohl in Straf- als auch Zivilrecht gab es eben die Rechtsstaatlichkeit, wie sie auch in Westdeutschland vorhanden war. Lediglich das politische Strafrecht sowie das gänzliche Fehlen einer Verwaltungsgerichtsbarkeit war eine massive Schwäche. Aber den Vertretern der BRD (auch die, die heute noch Federführend sind) war bei der Einigung bewusst, dass die DDR eben kein Unrechtsstaat war. So ist ja auch beim Einigungsvertrag explizit aufgenommen worden, dass DDR Urteile auch in der BRD Geltung haben. Ein verurteilter Mörder hat sich nicht herausreden können, in einem Unrechtsstaat verurteilt worden zu sein.

Probleme bekommen nun all jene, die keine weiteren Argumente gegen die Linke haben, als sie auf die Unterstützung eines vermeintlichen Unrechtsstaates zu reduzieren. Jedenfalls dann, wenn ernsthaft eine Debatte darüber aufkommen sollte. Daher finde ich die Aussage eben eines damals Führenden CDU Manns äußerst wegweisend hinsichtlich der Aufarbeitung der Geschichte. Um wie viel weniger Glaubwürdigkeit hätte so eine Aussage, wenn sie von einem Gregor Gysi gekommen wäre?

Was jetzt eigentlich fehlt, ist das Urteil (bzw. die persönliche Einschätzung) einer Frau Merkel, die ja ebenfalls beide Systeme bestens kennt und hinsichtlich ihrer analytischen Fähigkeiten (ja, ich halte sie wirklich in der Frage für schlau!) eine sinnvolle Einschätzung abgeben kann. Leider vermute ich, dass sie sich dazu nicht äußern wird. Interessant wäre es aber allemal. Ebenso die Ansicht dazu (gerade wenn auf den Einigungsvertrag verwiesen wird) der (alten) CSU Größen, die ja hiermit ganz besonders provoziert worden sein dürften.

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Die DDR sehe ich auch nicht als Unrechtsstaat, die ehemalige DDR sehe ich allerdings als Unrechtsstaat an. Hier muss man sehr genau auf die Wortwahl achten, denn die zeitliche Betrachtungsweise ist hierbei sehr entscheidend. Wenn ich persönlich die DDR aus dem Blickwinkel von 1984 betrachte, sehe ich erst einmal kein Unrecht. Ich habe in der Zeit dort gelebt und beispielsweise wurde dort ein Dieb auch verurteilt.

Wenn ich nun die Sache aus heutiger Sicht betrachte, muss ich sagen die ehemalige DDR war teilweise ein Unrechtsstaat. Wirklich freie Meinungsäußerung war nämlich nur sehr begrenzt möglich und zwar höchstens in den eigenen vier Wänden. Das war zum Beispiel eine deutliche Einschränkung der Bürger damals gewesen.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


derpunkt hat geschrieben:Lediglich das politische Strafrecht sowie das gänzliche Fehlen einer Verwaltungsgerichtsbarkeit war eine massive Schwäche.

Naja, das mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit hakt aber etwas - natürlich gab es die nicht wie heute, allerdings war das politische System auch ein anderes, dass Beschwerden über diesen Weg nicht als angemessen betrachtete. Wer ein Problem mit etwas hatte oder sich ungerecht behandelt fühlte, konnte eine Eingabe machen - ausgenommen wieder politisches hatte man hiermit fast die gleichen Möglichkeiten und Chancen wie bei einem Gang vors Verwaltungsgericht. Der Grund hierfür lag einfach in der "basisdemokratischen" Ausrichtung, die der Sozialismus / Kommunismus verfolgt, eben dass man sich direkt mit seinem Anliegen an einen Vertreter des Staates zur sofortigen Bearbeitung wenden kann statt ewig mit dessen Organen hin- und her kommunizieren zu müssen.

derpunkt hat geschrieben:Daher finde ich die Aussage eben eines damals Führenden CDU Manns äußerst wegweisend hinsichtlich der Aufarbeitung der Geschichte. Um wie viel weniger Glaubwürdigkeit hätte so eine Aussage, wenn sie von einem Gregor Gysi gekommen wäre?

"Damals führend" ist wohl der Grund, warum de Maiziere sowas rausposaunen und keiner sich darum Gedanken machen muss - de Maiziere ist doch schon lange im politischen Ruhestand und in der Bedeutungslosigkeit. Das ist halt so ein Knochen wie Helmut Schmidt, der mal alle paar Monate noch zeigt, dass es ihn gibt, aber der weder innerhalb noch außerhalb seiner Partei ernstgenommen und mehr oder weniger als plappernder, seniler Greis abgekanzelt wird (siehe Helmut Schmidt). Außerdem ist de Maiziere Ostdeutscher und kein Westdeutscher, was seine Aussage wiederum abwertet!

derpunkt hat geschrieben:Was jetzt eigentlich fehlt, ist das Urteil (bzw. die persönliche Einschätzung) einer Frau Merkel, die ja ebenfalls beide Systeme bestens kennt und hinsichtlich ihrer analytischen Fähigkeiten (ja, ich halte sie wirklich in der Frage für schlau!) eine sinnvolle Einschätzung abgeben kann.

Da kommt doch nichts :D - das wäre ja das erste Mal seit 5 Jahren, dass sie zu einem Thema eine konkrete Auskunft geben würde ohne ihr markantes Wischiwaschi "Alles und nichts" Palaver. Und dann noch zu so einem Thema, was schön Wählerstimmen kosten kann?

Rein sachlich betrachtet war die DDR ein Unrechtsstaat - einfach deswegen, weil sie die Mindestanforderungen, die wir heute an einen Rechtsstaat stellen, nicht erfüllte. Nur sind das eben Werte, die einem ganz anderem System entspringen. Nach diesen wären übrigens auch alle Urteile zwischen 1945 - bis weit in die 60er hinein (Nürnberger Prozesse sowie Folgeprozesse in der jungen Bundesrepublik oder generell Urteile der ersten Jahre) Unrechtsurteile. Nur glaube ich kaum, dass heute jemand (außer irgendwelche Rechten) öffentlich die Urteile gegen, Göring, Heß und andere Nazi Größen als unrechtmäßig oder als Mord bezeichnen und fordern würde, diese aufzuheben oder freizusprechen ;).

Und was man "zugunsten" der DDR anführen kann und was vielen (im Osten) eben als rechtsstaatlich vorkommt: Verglichen mit anderen Diktaturen war die DDR schon extrem rechtsstaatlich gesinnt und sogar politische Flüchtlinge / Widerstädnler (nicht Häftlinge) hatten noch ein Recht ruhiges Leben - verglichen mit dem was es so gibt und gab.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Subbotnik hat geschrieben:das wäre ja das erste Mal seit 5 Jahren, dass sie zu einem Thema eine konkrete Auskunft geben würde

Das mag richtig sein. Aber ich will mal Deinen ungebremsten Pessimismus nicht teilen. Man darf nicht vergessen, dass sowohl auf der Seite der DDR als auch auf der Seite der BRD ein Lothar de Maiziere eben eine wichtige und entscheidende Persönlichkeit war! Niemand wird behaupten, dass er lediglich eine vom Westen installierte und gesteuerte Marionette war. Deshalb eben die Hoffnung, dass solchen Menschen Gehör geschenkt wird. Weil seine Stimme eben nicht dem Lager zuzurechnen ist, dem eine romantische Verklärung der DDR unterstellt wird! Außerdem hätten wir in Merkel eine Zeit- und Kronzeugin. Sie hat in der DDR auch politisch in der Jugend führende Positionen bekleidet (FDJ), hat in der DDR erfolgreich studiert und ihr wurde der Weg zur Promotion frei gemacht. Manche Geschichtenerzähler lassen einen glauben, dass so eine Karriere nur einem Mauerschützen nach zehn Jahren Dienst möglich war oder aber man als IM mindestens 20 Personen denunziert haben musste.

Und vielleicht sollte wir nicht vergessen, dass man Rechtsstaatlichkeit selbst nicht verordnen kann! Das sieht man im "freien Westen" (in der BRD) immer wieder. So gibt es hier durchaus Kräfte, die Entführungen dulden, Polizeipräsidenten die Folter androhen können und Außenminister, die "gezielte Tötungen" schönreden können. Und das im Rahmen eines Rechtsstaates. Auch musste keiner der Verantwortlichen eines Angriffskriegs Konsequenzen aller dazu aufgebauten Lügen (z.B. der "Hufeisenplan") fürchten. Aber all das führt zu weit und soll eigentlich darauf hinaus, dass diejenigen, die auf den Staat der DDR schimpfen oder gar mit vergangenen deutschen Diktaturen gleich setzten, eigentlich kein sachliches Argument haben - außer die Wucht der Rhetorik und die ideologiesche Verblendung!

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



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