Hintergründe zu Farinelli und Kastraten im Barock
Kastraten im Allgemeinen
Erste Kastrationen gab es in Ägypten (Eunuchen = treue Berater der Pharaonen), Kastraten jedoch, deren Bestimmung in der Musik lag, tauchten erst in den frühen Jahren der Spätantike Italiens auf. Die Hochblüte erreichten diese im Barock und hier vor allem auch in Italien, Schätzungen nach sollen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts 1.000.000 Jungen kastriert worden sein, wohlgemerkt unter dermaßen unhygienischen Bedingungen, dass jeder Zweite dem Tod geweiht war. Lediglich 5% all jener, die kastriert worden waren, verdienten tatsächlich ihren Lebensunterhalt mit ihrer Stimme, da durch diesen Eingriff keineswegs fehlendes musikalisches Talent ausgeglichen werden konnte.
Nichtsdestotrotz ließen Eltern deren Jungen kastrieren, in der Hoffnung, dass diese Opernsänger und – stars werden würden. Als Vorwand dienten hierfür Gründe, wie Reitunfälle und ähnliche, da Kastrationen ja offiziell verboten waren. Durch diesen Eingriff in früher Jugend gerät der Hormonhaushalt des Betreffenden außer Kontrolle, seine Stimmbänder wachsen nicht mehr, seine Brustkörper hingegen schon, was letztendlich der hohen Stimme zur Grundlage gereicht. Des Weiteren kommen enormes Wachstum, Fettleibigkeit und Depressionen im Alter sowie eine gestörte Libido hinzu. Jene, die es sich leisten konnten, wurden regelrecht süchtig nach Kastratengesang, dessen Ursprung in Kirchenchören des 16. Jahrhunderts, deren guter Klang (und damit verbundene hohe Spenden) bedeutend war, liegt.
Carlo Broschi - Farinelli: Kurzbiographie
Der im Jahre 1705 in Andria/Süditalien geborene und 1782 in Bologna gestorbene Carlo Broschi, der, gefördert von den Gebrüdern Farina, den Künstlernamen Farinelli annahm, war der bekannteste Kastrat des Barock.
Im Alter von 7 bis 8 Jahren wurde er kastriert und erhielt seine Ausbildung als Schüler des berühmten Porpora, der als größter Musiklehrer aller Zeiten angesehen wird. Seine weitere musikalische Ausbildung erhielt er in Neapel. Schon mit 15 Jahren hatte er seinen ersten öffentlichen Auftritt. Das Libretto dazu stammt vom Dichter Metastasio, einem späteren Freund Farinellis. Seine Jugend kennzeichneten noch verschiedene Duelle mit Kastraten und Trompetern, die er meisten zu seinen Gunsten entschieden hatte.
Seine erste "Tournee" führte in durch Rom, Bologna und Venedig. Kurz darauf beeiste er ganz Europa und bekam den Beinamen Königssänger, da er in Herrscherhäusern gern gesehen war (darunter Ludwig XV.). Den Höhepunkt seiner Karriere erfuhr er in London; wo auch der berühmte Ausspruch „One God, one Farinelli! “ gefallen sein soll. Insgesamt verbrachte er 20 Jahre in Spanien, wo er am Herrscherhaus mit seiner „Stimmtherapie“ zur Heilung verschiedener Krankheiten eingesetzt wurde.
Im Alter von 32 Jahren beendete er freiwillige seine Karriere. Obgleich er unglaublich reich war, blieb er bescheiden und empfing Persönlichkeiten, wie Mozart und Kaiser Joseph II. und ließ es sich nicht nehmen, weiterhin der Musik zu frönen.
Meinem Empfinden nach war diese Kastratenmusik ein Phänomenen des Barock, alles ein bischen verspielt und alles ein bischen anders und heute nicht mehr so in Mode.
Im vorigen Jahr konnte ich ein Konzert mit Cecilia Bartoli besuchen wo unter anderem die Kastratenmusik aus dieser Zeit das Leitthema war. Ich empfand es als sehr anstrengend mich zwei Stunden lang auf diese Art von Musik zu konzentrieren. Bewundernswert fand ich allerdings wie Cecilia Bartoli das alles stimmlich hinbekommen hatte, die Musik ist wirklich schwer zu singen. Man muss schon ein gut ausgebildeter Sänger sein um solche schwierigen Passagen auch fehlerfrei singen zu können.
Es ist absolut richtig, dass es sich um ein Phänomen des Barocks handelt, was aber nicht heisst, dass es danach überhaupt kein Kastratentum mehr gab. Auch in den nachfolgenden Jahrhunderten gab es durchaus Kastraten, auch wenn es nicht mehr so weit verbreitet war wie im 17. Jahrhundert.
Sinn dieser in meinen Augen schrecklichen Praktik war, dass der glockenhelle Jungensopran erhalten bleiben sollte. Dazu kam dann noch, dass es verpöhnt war, dass Frauen auf der Bühne auftraten und die Sopranstimmen dann eben von Männern gesungen werden mussten. Nicht umsonst gibt es heute ja auc die sogenannte Hosenrolle, da diese damals auch von Männern gesungen wurde.
Wenn ich mich nicht ganz täusche, dann gibt es einen Film über das Leben von Farinelli, ich glaube, auch unter genau diesem Namen. Darin wird deutlich gezeigt, dass das Leben für die "Männer" eine einzige Qual gewesen sein muss, da sie ausser dem Gesang nichts in ihrem Leben machen konnten und nicht als vollwertige Männer akzeptiert wurden. Ich würde nun mal behaupten, dass die Selbstmordrate bei dieser Berufsgruppe relativ groß gewesen sein dürfte.
Heutzutage gibt es zwar keine Kastraten mehr, aber die Art des Singens gibt es immer noch. Das heisst dann Altus oder Countertenor. Das sind Männer, meist Baritöne, die speziell geschult worden sind, ihre Kopfstimme intensiver zu nutzen und mehr Bruststimme mit hochzunehmen, damit die Kopfstimme und das Falsett voller im Klang werden. Damit erreichen die wirklich guten Countertenöre, wie z.B. Andreas Scholl, eine Höhe wie eine hohe Altistin. Und genau diese Partien werden auch von Countertenören besetzt. Dabei sind sie vor allem in der Musik der Gregorianik, Renaissance und dem Barock häufiger besetzt.
hooker hat geschrieben:Im vorigen Jahr konnte ich ein Konzert mit Cecilia Bartoli besuchen wo unter anderem die Kastratenmusik aus dieser Zeit das Leitthema war. Ich empfand es als sehr anstrengend mich zwei Stunden lang auf diese Art von Musik zu konzentrieren. Bewundernswert fand ich allerdings wie Cecilia Bartoli das alles stimmlich hinbekommen hatte, die Musik ist wirklich schwer zu singen. Man muss schon ein gut ausgebildeter Sänger sein um solche schwierigen Passagen auch fehlerfrei singen zu können.
Ich frage mich, wieso du Cecilia Bartoli in Zusammenhang mit Kastratengesang bringst, denn sie ist Sopranistin und kein Altus oder Countertenor, schlicht gesagt, sie ist eine Frau und kein Mann.
Ich mag nicht bestreiten, dass es sicherlich auch gewisse Gattungen gab, die speziell für Kastraten geschrieben wurden, aber gesangstechnisch sollten die von einer gut ausgebildeten Sängerin ohne größere Probleme zu bewältigen sein.
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