Umgekehrte Psychologie in der Kindererziehung

vom 16.07.2010, 22:59 Uhr

Die umgekehrte Psychologie wird ja oft in der Kindererziehung angewendet. Wenn ein Kind zum Beispiel ohne ersichtlichen Grund anfängt zu bocken und man umgekehrte Psychologie anwendet, dann sagt man "Mach weiter, kannst du das noch lauter und noch intensiver? Das machst du richtig toll". Meist hört dann das Kind verdutzt auf und das Bocken hört auf. Auch wenn es weint und man sagt "Du kannst ja toll weinen. Kannst du das auch lauter?" hört ein Kind meist auch auf zu weinen, weil es wohl auch nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die es eigentlich bezweckt hat.

Aber ist umgekehrte Psychologie, gerade in der Kindererziehung wirklich sinnvoll? Kommt das Kind nicht durcheinander und weiß hinterher gar nicht mehr, was es wirklich darf und was nicht? Ich muss sagen, dass ich bestimmt bei meinen Kindern auch manchmal so reagiert habe. Das ist aber schon so lange her, dass ich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen kann, ob es was gebracht hat für die Zukunft.

Was sagt man heutzutage zur umgekehrten Psychologie bei der Erziehung der Kinder? Wird diese auch manchmal auf Ratschlag des Kinderarztes oder des Kinderpsychologen angewendet? Was ist nicht gut an umgekehrter Psychologie?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Wenn Kinder oder Jugendliche nur aus Trotz irgendetwas tun oder haben wollen, mag das vielleicht klappen. Ja, ich bin mir sogar sehr sicher, dass das bei einigen Leuten funktioniert. Aber es kann auch absolut daneben gehen. Also denke ich mal, kann man nicht pauschal sagen, dass das funktioniert. Es ist von der jeweiligen Situation und auch vom Charakter des jeweiligen Menschen abhängig.

Das sage ich, wenn ich nur an mich selbst denke. Ich weiß, dass ich als Kind manchmal wirklich nervig war. Aber nicht aus Trotz, sondern weil ich wirklich bestimmte Dinge tun oder haben wollte. Hätten mein Vater oder meine Mutter plötzlich nachgegeben, dann hätte ich nicht plötzlich das Gegenteil gewollt, sondern hätte mitgemacht: "Oh danke, Papi, dann spiele ich jetzt im Treppenhaus Trompete!" ;) Und hätte ich um Eis gequängelt und meine Mutter dann nachgegeben, dann hätte ich nicht plötzlich abgelehnt, sondern hätte auf jeden Fall so lange weiter genervt, bis es das Eis tatsächlich gegeben hätte.

Wobei ich auch finde, dass das bei Eltern manchmal sehr inkonsequent wirkt, wenn sie plötzlich auf der "Mach doch einfach"-Schiene fahren. Wie beim genannten Eis-Beispiel dürfte so manches Kind dann, wenn die Eltern plötzlich sagen, es soll doch machen, was es will, denken, dass es nur lange genug nerven muss, bis die Eltern auf jeden Fall nachgeben. Das sieht dann eher nach Schwäche aus, denn nach umgekehrter Psychologie. Und das wirkt sich dann sicher doch eher kontraproduktiv aus. Das Problem, das ein sehr junges Kind dann auch nicht mehr wissen könnte, was es darf, und was nicht, sehe ich übrigens zusätzlich.

Ob Kinderärzte diese Idee von umgekehrter Psychologie (noch?) propagieren, weiß ich nicht. Unter Eltern hört man solche Ratschläge allerdings immernoch häufiger. Vielleicht ja ein Grund für die vielen schlecht erzogenen Kinder und Jugendlichen heute? ;)

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Also ich finde schon dass es hilft, wenn man so handelt, wie es eben geschildert wurde. Von "Mach was du willst" halte ich allerdings nicht viel. Was ich auch gerne anwende, ist das Spiegeln. Meine Tochter macht mich nämlich momentan rasend, mit ihrer Surrerei. Ich surre dann genau so wie sie und sie muss dann meistens lachen und verhält sich wieder normal.

Was ebenfalls hilft, ist die Paradoxe Intervention. Dieses scheinbar wiedersprüchliche Verhalten kann beispielsweise im Supermarkt angewendet werden, von Eltern, die sehr viel Selbstbewusstsein haben. Wirft sich das Kind auf den Boden und zürnt, weil es nicht das bekommt, was es gerne hätte, macht Papa oder Mama genau dasselbe, bis das Kind sich für die Mama schämt.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



@Diamante
Ja die umgekehrte Psychologie macht Sinn und verspricht sogar greifende Erfolge. Diese Form der Erziehung wird daher nicht nur bei Kindern angewandt sondern auch bei schon erwachsenen Personen. Man kann nämlich bei dieser Form der Erziehung die negativen Effekte sehr gut heraus arbeiten und der betreffenden Person diese auch persönlich empfinden lassen.

Der praktische Lerneffekt macht hier den eigentlichen Sinn aus, denn wer beispielsweise als Kind sehr stark tobt ist dann auch sehr erschöpft. Dieser Erschöpfungszustand wird dann auch vom Kind als unangenehm empfunden. Bei Jugendlichen ist dann die erzielte Wirkung noch unangenehmer, weil die negativen Effekte einfach stärker zur Geltung kommen. Allerdings sollte man diese Erziehungsmethode nicht bei sehr sensiblen Kindern anwenden, denn sie können dan mit sogenannten Angstattacken darauf reagieren.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Im Prinzip hat das doch eher etwas mit Sarkasmus zu tun. Die meisten Eltern sind schlichtweg genervt von ihrem bockenden Kind, sodass ihnen ein "Kannst du das auch noch lauter" heraus rutscht, weil sie sich anders nicht mehr zu helfen wissen.

Ich würde durchaus behaupten, dass die wenigsten Eltern das gezielt anwenden. Wächst ein Kind mit ironischen und sarkastischen Bemerkungen auf, kann es sogar durchaus sein, dass es sowieso nicht klappt. Mein Bruder hat bei solchen Bemerkungen von genervten Bekannten und Verwandten nämlich genau so reagiert. Kam von denen ein: "Toll! Ich würde mal noch lauter schreien" hat er genau das gemacht.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge


Ich denke, dass in diesem Fall, wie auch sonst oft, die Dosis das Gift macht beziehungsweise über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Inflationär angewandt kann ich mir nämlich nicht vorstellen, dass man dann mit der sogenannten umgekehrten Psychologie Erfolge erzielt, denn dann wird ein Kind wohl eher durcheinander kommen als verstehen, was man eigentlich von ihm will.

Ob ein Kind etwas aus diesen Maßnahmen lernt, würde ich auch nicht so grundsätzlich und allgemein bejahen. Immerhin ist es doch so, dass ein Kind auch bereit dafür sein muss etwas zu begreifen. Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, dann wird diese Erziehungsmethode auch nichts nützen sondern eher nach hinten losgehen.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich würde mal behaupten, dass dieser Weg sicher nicht den Königsweg repräsentiert. Auch wenn man natürlich bei der Erziehung den Entwicklungsstand der Kinder berücksichtigen muss und es also keine generell richtige Antwort gibt, tendiere ich eher dazu, unmissverständlich und klar zu äußern, was mir am Herzen liegt.

Das ist dann auch in so einer Situation der Fall, wenn ich eben nicht möchte, dass ein Kind schreit. Wobei hier einfach bei einem zweijährigen Kleinkind sicher anders vorzugehen ist, als bei einem sechsjährigen Kind.

Ob aber der Weg der sog. umgekehrten Psychologie wirklich der ist, der einen nachhaltig ans Ziel führt, ist zu bezweifeln. Schließlich arbeitet man hier mit Ablenkung und erreicht nur als Nebenprodukt sein Ziel. Was bedeutet, dass irgendwann der Punkt erreicht wird, wo Ablenkung nicht mehr funktioniert und man dann damit klarkommen muss, dass das Kind nie gelernt hat, sich den Wünschen der Eltern unterzuordnen.

Nebenbei: ein Kind ist kein kleiner erwachsener Mensch sondern braucht Halt und Führung, Sobald Entscheidungen auszudiskutieren oder zu erklären sind, kann man sie auch in Frage stellen. Und damit verliert das Kind den Halt (welcher gerne auch mal der Widerstand sein kann, an dem sich das Kind reiben muss!).

» derpunkt » Beiträge: 9898 » Talkpoints: 88,55 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



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