Rezension: C. Scott Littleton - Shintoismus

vom 16.07.2010, 20:13 Uhr

Ich habe vor einer Weile begonnen, mich mit der japanischen Religion, des Shinto oder Shintoismus, zu beschäftigen. Was ich grob darüber gelesen hatte, war recht spannend und ansprechend, daher wollte ich mich tiefer darüber informieren. Leider ist es schwer, deutschsprachige Bücher darüber zu finden, aber ich habe in einem Second-Hand-Lädchen eines gesehen, also habe ich zugeschlagen. Es war, um genau zu sein, "Shintoismus" von C. Scott Littleton in der deutschsprachigen Übersetzung. Gekostet hat es mich etwa fünf Euro, da kann man nichts falsch machen, zumal das nicht nur so ein kleines Heftchen war, sondern schon ein Taschenbuch von relativ normalem Format.

Nachdem ich das Buch durchgelesen hatte, kam ich zu dem Schluss, dass es schon eine gute Einleitung in das Thema gibt, wenn nun leider auch so einige Details fehlen. Auf die Natur-Geisterwesen und Gottheiten wird nicht so ausführlich eingegangen, die Entwicklung des Shinto wird auch nur grob beschrieben. Da hätte ich mir etwas mehr Informationen gewünscht. Gut, man kann dieses Buch von Herrn Littleton natürlich als Einführung in das Thema betrachten, aber schade ist es schon, zumal es auf dem deutschsprachigen Buchmarkt eben sonst keine "ernsthaften" Bücher zu diesem Thema gibt. Da hätte ich mir schon gewünscht, dass die wenigen existierenden eben auch mal bisschen tiefer auf das Thema eingehen.

An sich finde ich dieses Buch also trotzdem ganz gut, es lässt sich leicht lesen, ist sprachlich und stilistisch angenehm und bietet immerhin Basis-Informationen, nur einige Kritikpunkte möchte ich auch noch anführen, damit die Interessierten wissen, was ihnen vielleicht missfallen könnte. Jeder kann dann selbst entscheiden, wie wichtig oder unwichtig ihm diese Dinge, die ich als kleinere oder größere Makel betrachte, sind.

Und zwar ist mir aufgefallen, dass in diesem Buch oft Namen genannt werden, ohne sie zu erläutern. Das ist meiner Meinung nach das größte Problem. Wenn es nur heißt, "XY sagt über den Shintoismus, dass...", ja, was bringt mir das, wenn keiner sagt, wer XY ist? Denn wer diese Person ist, dürfte ja einen großen Einfluss auf seine Meinung haben. Und das würde vielleicht auch die Wichtigkeit und die Wahrhaftigkeit der Aussage dieser Person bestärken oder vermindern, wenn man wüsste, wer er ist. Daher hätte ich zu den genannten Namen schon gerne erfahren, ob das jetzt ein Shinto-Priester, ein ultrakonservativer Christ, ein Industrieller, ein Adliger im feudalen Japan oder wer auch immer war. Nur leider fehlen solche Angaben eben an einigen Stellen im Buch, also die Person wurde weder vor noch nach dem Zitat genauer erklärt. Dadurch werden Aussagen meiner Meinung nach vielleicht nicht gerade nutzlos, aber immerhin weniger wertvoll.

Was ich auch nicht so schön fand, waren zahlreiche Verallgemeinerungen. "Die Japaner", "wir westlichen Menschen", und so weiter. Ich weiß, dass das bei ethnischen und soziologischen Themen sehr gerne so gemacht wird, aber das hat mir schon immer missfallen. Dass man Menschen in Klischees rückt und so tut, als seien alle auf eine bestimmte Weise gleich, gefällt mir gerade bei religiösen Belangen nicht. Besonders diese vielen "wir Westler können diese Asiaten nicht verstehen"-Sprüche fand ich bescheuert. Erstens bin ich selbst Asiat (wenn auch keine Japanerin), und zweitens weigere ich mich, Dinge komplett als "ich komme nicht von da, ich kann das nicht nachvollziehen" abzulehnen, denn das zeigt für mich eine Ablehnung von kultureller Offenheit, ja, es sieht aus, als wolle man sich mit "dem Fremden" nicht befassen, da man es sowieso nie begreifen könne.

Etwas schade fand ich auch, dass das Buch, obwohl es ja eigentlich von der Religion handeln sollte, sehr stark die japanische Politik und auch das japanische Verhalten im Kriegsfall thematisierte. Klar spielt Religion bei diesen Themen auch eine Rolle, der japanische Kaiser hat sich eine Zeit lang als religiöser Führer und gottartige Figur ansehen lassen (wie es bei vielen Kulturen schon war, auch in Europa übrigens), aber dennoch sollte meiner Meinung nach in einem Buch, das den Shintoismus behandeln möchte, der Glauben an sich die größte Rolle spielen. Also nicht, was Soldaten tun, weil sie sich durch die Religion legitimiert fühlen, sondern ich hätte lieber etwas über die Lehren, den Götter- und Geisterglauben, die Glaubensgrundsätze, und so weiter, erfahren, statt darüber, wie etwas, das gar nicht so genau erklärt wird, auf die Gläubigen wirkt. Denn ich finde, erst muss man den Glauben kennen, dann versteht man die Gläubigen wohl auch besser. Dann stellt man sie vielleicht nicht so als Untersuchungsobjekt hin, nach dem Motto "Die Japaner tun wegen ihrer Religion dieses und jenes". Irgendwie hilft das meiner Meinung nach nicht weiter.

Das also wären meine Kritikpunkte. Wer damit gut leben kann, dem kann ich dieses Buch sehr empfehlen. Ich persönlich würde es, nach meinen Maßstäben, als durchaus gutes Buch bezeichnen. Über dem Mittelmaß ist es auf jeden Fall angesiedelt, aber es ist eben auch nicht so gut, dass ich jetzt völlig begeistert davon wäre.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich gehe mal davon aus, dass das Werk Shintoismus von C.Scott Littleton für Leser gedacht waren, die mit der Materie bekannt sind und deshalb auf die Personen nicht näher eingegangen wurde. Was mich als in der Materie nicht bekannter Leser allerdings auch ein wenig ärgern würde.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


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