Mit anderen reden - oft anstrengend und unbefriedigend

vom 15.07.2010, 13:07 Uhr

Es gibt eine Sache, die mich schon lange und bei vielen Menschen - ja ich würde sogar sagen, bei den meisten - stört. Und zwar habe ich das Gefühl, dass sich die wenigsten Leute wirklich für andere interessieren. Oder besser gesagt, wenn ich Gespräche führe, fällt mir oft auf, dass die meisten einfach nur reden, weil sie sich gern reden hören - oder warum auch immer - und selten wirklich an einem Austausch, Kennenlernen des anderen oder an einer Diskussion interessiert sind. Vielmehr scheint es mir, als redeten Leute nur aus egoistischen Motiven miteinander, zum Beispiel um einen guten Eindruck zu hinterlassen oder um auf sich aufmerksam zu machen. Klar, in einem gewissen Maße ist diese Art von Smalltalk auch notwendig, aber ich habe den Eindruck , dass es Menschen gibt, die den Großteil ihrer Gespräche so gestalten.

Für mich gibt es mehrere Faktoren, die dafür sprechen: Zum Beispiel fallen viele Leute sich gegenseitig ständig ins Wort. Keiner schafft es, auch nur einen Gedanken zu ende zu führen, weil der andere ihn gleich wieder mit seinen eigenen unterbricht. Das ist dann keine Diskussion mehr, sondern nur gegenseitiges Übertrumpfen. Besonders schlimm ist es, wenn derjenige plötzlich mit einem ganz anderen Thema anfängt, oder von irgendetwas abgelenkt wird, das natürlich sofort kommentiert werden muss. Beispielsweise sitze ich mit einer Freundin im Auto, wir reden über die Beziehung einer anderen Freundin. Sie sagt, was sie dazu sagen will, aber als ich anfange zu reden, unterbricht sie mich und flucht über die anderen Autofahrer.

Danach entschuldigt sie sich aber nicht für die Unterbrechung oder bittet mich, weiterzureden, sondern scheint ganz vergessen zu haben, dass wir mitten in einem Gespräch waren. Solche Situationen passieren mir oft und ich habe mir inzwischen angewöhnt, dann einfach zu schweigen, bis es der andere vielleicht merkt. Hinweise bezüglich dessen bringen leider nichts; meist wird es sofort wieder vergessen. Für mich ist das aber auch eine Frage der Höflichkeit: Man hat seinen Redeanteil und dann ist der andere dran. Wobei es auch traurig wäre, wenn man nur aus Höflichkeit zuhören würde und nicht aus ehrlichem Interesse.

Selbst Gespräche mit meinen Freunden dauern nie wirklich lang, zumindest bleibt man nie wirklich bei einem Thema. Meist wird nur ein kurzes Statement abgegeben, um dann wieder zum nächsten zu springen. Oder man wiederholt seine Meinung nur immer und immer wieder, ohne auf die des Gegenübers einzugehen. Bei solchen Gesprächen kommt auch meistens nichts heraus, es wird nur geredet, damit man nicht schweigen muss.

Manche schließen andere in einer Unterhaltung auch ganz offen aus, aber merken es nicht einmal. Zum Beispiel stehe ich auf einer Party mit meinem Freund und einem anderen Bekannten herum. Die beiden kennen sich untereinander nur flüchtig. Trotzdem kann man sich aber ganz gut miteinander unterhalten. Plötzlich fängt aber der Bekannte an, über eine andere Person zu reden, von der er weiß, dass mein Freund sie nicht kennt. Ich antworte kurz und versuche, dann wieder auf ein anderes Thema zu kommen, bei dem alle mitreden können. Doch der Bekannte lässt nicht locker und mein Freund muss danebenstehen und schweigen. Solche Situationen sind mir immer sehr unangenehm.

Außerdem habe ich das Gefühl, jeden Tag 100 Gespräche anzufangen, die aber nie zu Ende geführt werden. Das hinterlässt manchmal irgendwie ein Gefühl der Leere.

Ich selbst versuche immer, meine Gesprächspartner ausreden zu lassen, auf sie einzugehen, Fragen zu stellen, Interesse zu zeigen. Am Liebsten diskutiere ich lange über ein Thema, ohne dass es mir langweilig wird. Solche Gespräche sind meiner Ansicht nach die einzigen, die wirklich verbinden. Leider teilen aber die Wenigsten diese Ansicht und deshalb komme ich mir oft allein mit meiner Meinung vor. Gibt es hier jemanden, der genauso denkt? Oder vielleicht jemanden, der mir erklären kann, warum er es nicht tut?

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» microonde » Beiträge: 231 » Talkpoints: 0,30 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich denke manchmal auch so wie du, das ist wahr. Es kommt bei mir nicht dauernd vor, weil ich selbst nicht so viel rede außer mit meinen Freunden oder meiner Familie, aber selbst da merke ich das auch manchmal, dass man sich so verhält wie du beschrieben hast. Bei meinen Eltern zum Beispiel. Ich rede mit meiner Mutter über irgendetwas und plötzlich platzt mein Vater dazwischen und will sofort wissen, was er einkaufen soll oder will irgendeine Mitteilung machen, was weiß ich. Meine Mutter geht sofort darauf ein und fängt mit ihm ein Gespräch an, obwohl wir noch längst nicht fertig waren. Und dann wird sie mit ihm fertig und erinnert sich gar nicht mehr daran, dass wir auch nochwas offen hatten.

Oder meine älteste Schwester. Die will oft irgendetwas aus meinem Leben wissen und dann fange ich an zu erzählen und während ich erzähle, fängt sie schon wieder mit meiner Mutter irgendetwas an und das dauernd! Man kann mit ihr kein zusammenhängendes Gespräch führen, es sei denn, man ist alleine und es ist sonst keiner weiter da, der sie ablenken könnte.

Mich regt das auch total auf und dann denke ich immer: na dann brauchst du ja auch gar nichts mehr erzählen. Man hat einfach das Gefühl, dass es gar keinen ernsthaft interessiert, was man sagt oder was überhaupt gesprochen wird - wie du schon geschrieben hast. Das macht mich wütend bis sehr traurig.

Ich habe es immer oft in der Schule gehört, dass ich zu schweigsam bin, aber dass kaum einer mehr die Fähigkeit besitzt, richtig, konzentriert und interessiert zuzuhören, das merken die meisten Leute gar nicht - diese ganzen Vielredner, die sich gerne selber reden hören. Ich höre gerne zu und wenn ich merke, dass man mir auch zuhört, dann rede ich auch gerne, aber sonst nicht. Sonst spare ich mir lieber meine Worte, wenn ich eh dauernd unterbrochen werde oder man gar nicht richtig zuhört.

Aber mit meinen Freunden kann ich überwiegend schon gute und lange Gespräche führen. Darum sind sie ja meine Freunde. :wink: Aber auch da gibt es Einschränkungen. Naja, ganz bei der Sache sind wir wahrscheinlich alle mal nicht, aber es darf einfach nicht Überhand nehmen.

» Mandragora » Beiträge: 1763 » Talkpoints: 0,49 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Mir passiert es oftmals bei Gesprächen mit flüchtigen Bekannten oder auch beim Smalltalk mit fremden Personen so, dass ich die Gespräche unbefriedigend finde. Man kann einfach nicht unbeschwert über alles reden, sondern muss immer darüber nachdenken, welches Thema nun angebracht wäre oder nicht. Außerdem ist es auch so, dass man auch nicht zu tief gehen möchte, wenn man die Personen nicht richtig kennt. Man möchte aber auch nicht über völlig belanglose Dinge reden, so dass das Gespräch dann meistens einen gezwungenen Charakter hat. Das finde ich selbst auch nie so toll und ich habe nicht besonders großen Spaß an solchen Gesprächen.

Ich denke, dass es aber auch normal ist, dass man nicht ständig tiefgründige Gespräche mit allen möglichen Menschen führen kann. Immerhin kommt im Alltag ja viel zu oft was dazwischen. Gerade dann, wenn man sich in der Öffentlichkeit mit jemandem unterhält, dann muss man damit rechnen, dass man immer wieder abgelenkt wird oder dass auch andere Menschen dazu kommen, so dass das Gespräch dann immer wieder eine Wendung dadurch nimmt. Das ist eben jedoch so und von daher versuche ich auch nicht, wirklich ernste Themen in der Öffentlichkeit zu besprechen. Stattdessen treffe ich mich mit meiner Freundin oder der entsprechenden Person alleine bei mir oder bei ihr zu Hause, so dass man dann auch wirklich Zeit hat, um ungestört über ein Thema zu sprechen.

Mich stört es eigentlich nicht so sehr, dass die meisten Gespräche nicht befriedigend sind, die ich so über den Tag führe. Immerhin weiß ich ja, dass ich mit meinem Freund jederzeit über alles sprechen kann und mit ihm kann ich dann auch alle Themen besprechen, die mir auf dem Herzen liegen. Und auch dann, wenn ich ein ernstes Gespräch mit einer Freundin oder meiner Mutter möchte, dann kündige ich das auch an, so dass wir uns dann beide extra Zeit nehmen können. Ansonsten stört es mich nicht, dass nicht jedes Gespräch auch zu einer Erkenntnis führt und manchmal tut es ja auch ganz gut, sich einfach so über völlig belanglose Sachen unterhalten zu können.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Kommunikation wird immer schwieriger, nicht, dass wir nichts mehr zu sagen hätten, ganz im Gegenteil, aber wir können es nicht mehr richtig. Ich denke, dass da auch soziale Netzwerke Schuld sind, aber auch Messengerdienste. Da wir da unsere Kommunikation künstlich kurz halten, Worte nicht mehr ausschreiben und so weiter, wir haben es schlichtweg verlernt.

Ausreden lassen ist eine Form der Höflichkeit, gerade in Diskussionen geht dies aber schlichtweg nicht, weil Gespräche dann leicht mal, mit allen Argumenten, zu einem Monolog werden. Meiner Meinung nach muss man dann auch mal einschreiten und sein Argument unterbringen, was ich auch gar nicht so schlimm finde. Eine Diskussion kann durch so etwas belebt werden, ein normales Gespräch nicht.

In meinem Freundeskreis ist es eher so, dass wir uns ausreden lassen und gegenseitig auch zuhören, spricht dann doch mal einer dazwischen, werden Themen auch wieder aufgenommen. Entschuldigen muss man sich bei einer Unterbrechung aber meiner Meinung nach nicht, das ist auch denke ich nicht so bewusst gemacht, sondern eher spontan. Wenn dich dieses Verhalten bei deiner Freundin stört, solltest du es aber ansprechen, bei Freuden ist es immer so eine Sache, aber mit dem Partner muss das geklärt werden, weil es dann irgendwann zum Streit kommt.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



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