Erst Hass, dann Liebe?
Ich habe seit einigen Tagen wieder Kontakt zu einer Bekannten aus meiner alten Heimat. Als sie mir erzählte, dass sie seit 8 Jahren mit ihrem Mann verheiratet ist und mir dann auch erzählte, mit wem sie verheiratet ist, konnte ich es nicht glauben. Sie ist mit einem Mann verheiratet, den sie vor 11 Jahren eher gehasst als geliebt hat. Es beruhte auf Gegenseitigkeit. Die beiden haben sich immer nur gestritten und haben furchtbar gegeneinander gehetzt. Ich kann es nicht begreifen, wie aus Hass wirklich eine Liebe werden kann.
Sicher sagt man auch, "Was sich liebt das neckt sich". Aber bei den beiden war es kein necken, sondern wirklich tiefgründiger Hass. Sie haben sich gegenseitig "die Pest an den Hals gewünscht" wie man so schön sagt. Kann wirklich aus einer derartigen Abneigung eine tiefgründige Liebe entstehen oder kann es sein, dass sie sich was vormachen?
So wie ich das verstanden habe, führen sie eine ziemlich offene Ehe, wo jeder machen kann was er will und wirklich nett hat sie von ihrem Mann nicht gesprochen. Allerdings beteuerte sie immer, dass sie ihn lieben würde. Kann man sowas glauben? Wie kann aus Hass Liebe werden. Dass aus Liebe Hass wird kann ich eher verstehen, da man sich in der Liebe auch so verletzen kann, dass Hass daraus entsteht. Aber die beiden haben sich zu "Hasszeiten" schon immer sehr verletzt.
Zuerst gegenseitige Abneigung, bis man den anderen näher kennt, dann aber Liebe, ist denke ich gar nicht mal so selten. Ich zumindest kenne mehrere Pärchen, die einander anfangs nicht viel zu sagen hatten, dann aber durch irgendwas einander näher kennenlernten und feststellten, dass sie sich doch sehr mochten.
Hass allerdings ist ein ganz anderes Kaliber. Wenn man jemanden hasst, dann hat das ja normalerweise einen Grund. Bei Rivalen im Job wäre es ein unpersönlicher Grund, wenn der wegfällt, könnte ich mir schon vorstellen, dass sich romantische Gefühle entwickeln können.
Aber wenn der Hass aufgrund persönlicher Gefühle entstanden ist, dadurch genährt wird, weil einer den anderen (oder beide gegenseitig) verletzt, dann ist das nichts, was sich einfach so abschalten lässt. Das mag in der Literatur kein so seltenes Motiv sein, aber als funktionierende Beziehung auf lange Sicht halte ich es für schwierig bis unmöglich.
Also ich denke, dass es dann kein wirklicher Hass war. Oft ist es ja so bei Frauen und Männern, dass sie sich verletzen obwohl sie sich lieben. Also sie finden sich anziehend, aber können das in der Tiefe der Seele noch nicht so richtig begreifen und deuten das als Abneigung. In der Phase beleidigt man sich vielleicht auch auf Teufel komm raus. Aber irgendwann sieht man mit dem Herzen und denkt über alles nach und dann kann es sein, dass die Seele nach Liebe schreit. So kann aus Hass Liebe werden. Aber am muss es auch zulassen.
Ich bin der Meinung dass dieser Sachverhalt gar nicht mal so unwahrscheinlich ist und dass es auch öfter vorkommt als man denkt, dass zwei Leute sich erst scheinbar hassen und sich später irgendwann ineinander verlieben. Manchmal dauert es halt etwas, bis man erkennt, welche wahren Gefühle man für eine andere Person hat. Bei dem einen geht es schneller und bei dem anderen dauert es etwas länger. Und dass sich die Gefühle einem anderen gegenüber mit der Zeit quasi um 180 Grad wenden, kann meiner Meinung nach mehrere unterschiedliche Gründe haben.
Zum einen kann es sein, dass die Zwei sich am Anfang gar nicht wirklich kannten. Sie kannten sich vielleicht flüchtig vom Sehen, hatten aber noch nie wirklich etwas miteinander zu tun. Wenn dies so ist, reicht ja oft schon eine einzige Bemerkung einer der beiden, die den anderen dazu bringt, sich sofort eine negative Meinung zu bilden. Und ab dem Zeitpunkt ist man sich sicher, dass man den anderen nicht mag, obwohl man noch nie direkt mit ihm gesprochen hat.
Und bei jeder weiteren Bemerkung, die eigentlich gar nicht weiter schlimm ist, steigert man sich selbst in diese Sache hinein. Dabei kann der andere gar nichts dafür. Und diese Meinung kann sich nur ändern, wenn man irgendwann dann doch mal etwas mit dem anderen zu tun bekommt, in welcher Weise auch immer. Wenn man sich dadurch aber doch besser kennen lernt, merkt man dann, dass der andere eigentlich doch ganz in Ordnung ist. Danach kann man immer besser miteinander auskommen, und irgendwann entwickeln sich dann eben auch die Gefühle.
Eine andere Möglichkeit ist, dass die beiden sich von Anfang an eigentlich schon gegenseitig sympathisch waren, es aber keiner von beiden zugeben wollte und sich selbst auch nicht eingestehen wollte. Wenn man es selbst nicht wahrhaben möchte, dass man in gewisser Weise Gefühle für den anderen hat, versucht man sich das ja regelrecht selber auszureden, indem man sich Dinge einredet, die eigentlich gar nicht stimmen, nur damit man die Gefühle los wird und so vielleicht dazu kommt, den anderen weniger zu mögen.
Und wenn dies dann zufälligerweise auch noch bei beiden der Fall ist, dann kann es ja schonmal so seine Zeit dauern, bis beide sich erstmal selbst eingestehen, dass sie den anderen eigentlich doch ganz gerne mögen. Und bis sie sich ihre Gefühle gegenseitig gestehen, vergeht dann nochmal wieder einige Zeit. Aber letztendlich finden die Zwei dann doch zusammen, und aus ihrem Umfeld hätte das keiner für möglich gehalten, weil es für alle anderen ja die ganze Zeit so aussah, als wenn sie sich überhaupt nicht ausstehen könnten.
Meine Frau und ich waren am Anfang, als wir uns kennenlernten und öfter miteinander zu tun hatten, alles andere, als ein Herz und eine Seele.
Erst, als wir uns eher selten sahen und uns fast aus den Augen verloren haben, merkten wir beide, dass uns da etwas fehlt. Einige Jahre später wurden aus gelegentlichen gemeinsamen Unternehmungen dann regelmäßige Kontakte, bis wir dann irgendwann feststellten, dass da mehr ist, als Sympathie für den anderen.
Nun will ich nicht sagen, dass wir uns anfangs gehasst haben, aber beste Freunde waren wir wirklich nicht. So etwas scheint also durchaus nicht selten zu sein, dass man Gefühle entwickelt, die zu Beginn eher das Gegenteil waren.
Du schreibst ja, dass du lange keinen Kontakt mehr hattest. Es könnte ja sein, dass es mal einen Schlüsselmoment gab, eine Berührung, ein Gespräch oder eine Geste. Wie aus Liebe Hass wird, das weiß ja eigentlich jeder. Ich weiß nicht ob es dir hilft, doch ich erzähle dir mal was Wahres.
Vor acht Jahren war ich in der Firma einer sehr guten Freundin. Wir beide hatten von Männern die Nase voll. Dann sollte ich einen neuen anlernen. Erster Minuspunkt er war männlich, zweiter Punkt er kam zu spät und zur falschen Stelle. Er war wirklich unten durch. Das ganze ging dann noch weiter. Er hatte so eine arrogante Art und Weise an sich, dass es mich wirklich angenervt hat, dass ich ihn anlernen musste. Wir haben uns angebissen und waren auch nicht wirklich nett zu einander.
Eines Nachts auf der Runde, sah ich ihn so von der Seite an und dachte, oh Gott, der ist ja süß. Obwohl wir uns davor auch noch angebissen hatten. Ich hatte es ihm dann vorsichtig mitgeteilt und promt waren wir ein Paar. Und wie gesagt, diese Unsympatie ging von beiden Seiten aus. Es ging soweit, dass wir sogar beim Chef uns angepfiffen haben und nichts mehr miteinander zu tun haben wollten. Es war auch nur ein Schlüsselmoment. Wenn es dann kommt, dann ist man dagegen nicht gefeilt.
Ich kann mir schon vorstellen, dass das funktioniert. Vielleicht war der Hass der beiden eben gar nicht so extrem und es hatte ganz banale Gründe, die sich dann geändert haben. Das ist sicherlich sehr selten, aber trotzdem soll es wohl vor kommen. Es kommt dabei natürlich immer drauf an, warum man sich früher gehasst hat und das wäre hier sicherlich auch interessant.
In meinem Freundeskreis gibt es auch so ein Pärchen, was sich früher regelrecht gehasst hat. Es handelt sich dabei um ein Mädchen, welches früher nicht gerade ansehnlich war und sie wurde von diesem Typen ziemlich häufig gemobbt und fertig gemacht. Die beiden konnten sich absolut nicht leiden und sie hat ihn laut eigener Aussage auch ziemlich gehasst und hätte sich gewünscht, dass er einfach verschwindet. Als sie sich dann aber verändert hat, sind die beiden wohl im Alkoholrausch durch eine Wette ins Gespräch gekommen und haben sich da wohl verliebt. Das finde ich schon eine ziemlich witzige Geschichte, da man sie früher sicherlich immer als absolute Feinde angesehen hat und aus ihnen ist ein süßes Pärchen geworden.
Also ich für meinen Teil bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass aus Hass auch Liebe werden kann, denn dazu muss man sich auch manchmal die Motive für den Hass anschauen. Es gibt beispielsweise Menschen, die bringen anderen Menschen gegenüber hasserfülltes Verhalten auf, weil sie in sie verliebt sind. Das kann unterschiedliche Ursachen haben, möglicherweise hat nämlich eben diese Person einen Partner und ist somit vergeben oder aber, die verliebte Person ist in der Vergangenheit enttäuscht und in er Liebe verletzt worden, auch das können Ursachen sein. Die Liebe ist somit für diese Person etwas, was sie mit negativen Erfahrungen verbindet und was sie nicht unbedingt an sich heran lassen möchte. Demnach beginnt man die Person, in die man sich verliebt hat zu hassen, eine Art Selbstschutzmechanismus, weil man sich das nur einredet, damit man sich nicht in das Verliebtsein hinein steigert. Würde das passieren, riskiert man damit nur, dass man wieder verletzt wird und eben das will man ja damit vermeiden. Und so kann es eben durchaus sein, dass Menschen meinen, sie würden die Person, in die sie sich verliebt haben, hassen.
Ich finde diese Möglichkeit an sich sogar noch viel wahrscheinlicher, als die andersherum, nämlich dass man jemanden hasst, den man mal geliebt hat. Das geht meiner Ansicht nach nur dann, wenn sich diese Person wirklich sehr stark verändert hat, ansonsten war auch die vermeintliche Liebe schon eher Einbildung und wenn sich Paare trennen, ohne das großartig was vor fällt, dann ist das meiner Ansicht nach einfach ein Zeichen dafür, dass da wirklich keiner verliebt gewesen ist, zumindest nicht richtig. Denn ist das der Fall, löst sich das nicht einfach in Luft auf, sowas kann nur passieren, wenn der Mensch, den man mal geliebt hat, sich wirklich absolut verändert, so dass auf einmal Charakterzüge entstehen, die man hassen kann.
Ich selbst kenne übrigens aus meinem eigenen Umfeld ein solches Beispiel, in dem sich der Hass in die Liebe verwandelt hat. Dabei ging es in erster Stelle um einen meiner Bekannten, der nur kurze Zeit zuvor von seiner Freundin auf recht hinterhältige Weise verlassen worden ist, das ihm nicht nur im Herzen, sondern auch im Portemonnaie weh getan hat. Auf jeden Fall wollte er zu der Zeit nichts von Beziehung wissen, als er dann eine meiner Bekannten kennen lernte, die ich ebenfalls zu einem gemütlichen DVD Abend bei uns eingeladen hatte. Und wie es der Zufall so will, war diese Single und hat ihm scheinbar auch offen zu verstehen gegeben, dass sie zu haben sei. Die Reaktion war vollkommene Ablehnung und Hass. Die beiden haben sich dann mit dem Hintern nicht angesehen, saßen an unterschiedlichen Seiten des Zimmers und ignorierten sich total.
Lange angedauert hat das nicht, ich glaube ich habe drei oder vier solcher Treffen mitgemacht, bis ich von beiden einzeln wissen wollte, was denn da vor ging. Kurzum löste sich das Problem aber schließlich selbst, als eine andere Freundin von mir uns zu ihrer Hochzeit einlud, die Plätze waren vorgegeben und da meine Freundin von dem Streit zwischen den beiden nichts wusste, saßen sie als Single nebeneinander. Was genau sich da zugetragen hat weiß ich nicht, aber auf jeden Fall kam mein Bekannter am nächsten Tag niedergeschlagen zu mir um zu gestehen, dass er sich in meine Bekannte verliebt hatte und nachdem das geklärt war, waren die beiden zusammen. So schnell kann das gehen, denn Hass ist nicht immer der Hass, den man vermutet, manchmal steckt tatsächlich einfach was ganz anderes dahinter.
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