David Beckham als neuer Trainer der Briten?
Nach der, trotz aller unbestreitbaren Schiri-Beteiligung, immer noch relativ verheerenden Niederlage der "Three Lions" gegen die deutsche Nationalmannschaft geht es natürlich wieder mit Debatten darüber los, ob nicht doch der Trainer an allem schuld ist (und zwar alleine). Jetzt wird spekuliert ob Fabio Capello zeitnah seines Amtes enthoben und durch einen kompetenteren Trainer ersetzt werden soll. Der englische Fussballbund verschob die Entscheidung auf in zwei Wochen, Capello selbst erklärte schon, dass er auf jeden Fall nicht zurück treten wird.
In diesem Zusammenhang brachte die "Sun" nun David Beckham ins Gespräch. Englands viel bejubelter Spieler ist bei dieser WM, bei der verletzungsbedingt nicht antreten konnte, bereits 35 Jahre alt und wird damit wohl in Zukunft in Rente geschickt und nicht mehr für die englische Nationalelf aufgestellt werden. Ergo wäre es zumindest theoretisch möglich, dass Becks den Posten des Nationaltrainers übernimmt, sollte der tatsächlich frei werden. Ich persönlich sehe das ein wenig kritisch, denn ein guter Spieler ist noch lange kein guter Trainer, das sind zwei Paar Schuhe. Außerdem hat er ja bislang noch keinerlei Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln können, ob man es aber zum Wohl aller Beteiligten wäre, wenn er seine ersten Schritte ausgerechnet als Nationalcoach versucht ist meines Erachtens doch recht fraglich.
Sorcya hat geschrieben:immer noch relativ verheerenden Niederlage der "Three Lions" gegen die deutsche Nationalmannschaft
Zunächst ist es unbestritten, dass das Spiel der deutschen Mannschaft zielgerichteter, genauer, schneller und schlicht besser war. Da beißt die Maus keinen Faden ab! Aber es ist ja immer schwer bis unmöglich die Sachlage zu bewerten, wenn ein Ereignis eben anders eingetreten wäre. So stellt sich wirklich die Frage, ob beide Mannschaften bei einem 2:2 wirklich so weiter gespielt hätten, wie sie es nach dem nicht gegebenen Treffer getan haben. So mussten die Engländer hinten auf machen und sich vorne verausgaben. Das bietet natürlich Platz und die deutschen Spieler rekrutieren sich nicht aus Hobbyspielern. Die wissen natürlich ihre Gelegenheiten zu nutzen. Das führt letztlich zu dem hohen Ergebnis. Und den Engländern kann es egal sein, wie sie Ausscheiden. Auch nach einem 0:1 wären sie ausgeschieden.
Jetzt die Schuldfrage allein am Trainer aufzumachen, halte ich für üblich und einfach, würde aber dem Kern der Sache nicht gerecht werden und ein weiters Debakel bei der EM 2012 wäre vorgezeichnet. Das hat ja Italien und nicht zuletzt Frankreich vorgemacht.
Natürlich wäre ein Neubeginn notwendig. Gerne auch mit einem neuen Trainer. Aber man muss sich auch die Frage stellen, wer die Spieler wie nominiert hat und ob diese wirklich in der Zusammenstellung die richtige Wahl waren. Mag sein, dass die in den Vereinen Top sind. Aber in der Nationalmannschaft sind sie wohl nicht aufeinander abgestimmt. Das Ganze (Mannschaft) ist immer mehr als die Summe aller Einzelteile (Spieler). Nur Stars der verschiedenen Vereine zu haben, bedeutet keinen garantierten Erfolg. So wird vergessen, was die Wasserträger leisten. Und erst die sind es, die den Star strahlen lassen!
Wenn jetzt Beckham als neuer Trainer ins Spiel gebracht werden würde, spräche das aber eher von verzweifelten Kurzschlussreaktionen. Denn der hat ja noch nicht mal genügend Abstand von seiner aktiven Zeit. Selbst bei Klinsmann war ja hier der Abstand gewahrt worden. Und es ist auch richtig, dass man einen guten Spieler nicht gleichzusetzen hat, mit einem guten Trainer. Egal wo es auch immer geklappt hat (Deutschland - Beckenbauer, Argentinien - Maradonna, Brasilien - Dunga, usw.): immer war es so, dass der jeweilige Trainer einen gewissen Abstand und evtl. auch Erfahrungen gesammelt hat. Dann ist er vielleicht in der Lage, ein Team zusammen zu stellen und von der Seitenlinie ein Spiel zu machen. So wäre es überstürzt und hat schon was von einem Sommerloch-Thema.
Das es aber einen neuen Trainer geben wird, halte ich für unvermeidlich. Auch wenn ich nicht glaube, dass das prinzipiell die beste Möglichkeit ist. Denn Capello hat ja im Gegensatz zum französischen Kollegen die Qualifikation aus eigener Kraft und auf Anhieb geschafft. Bei Frankreich zeichnete sich ja ein Scheitern ab: erst nur zweiter in der Qualifikation hinter Serbien und dann ein irregulärer "last minute" Treffer gegen Irland, was die Teilnahme in Südafrika sicherte. Knapper kann man so eine Qualifikation nicht gestalten. Eben da war England mit Capello sicher besser dran.
England hat sicherlich in der Qualifikation mehr zu überzeugen gewusst als bei der EM-Qualifikation, bei der sie an Kroatien gescheitert waren und das Turnier aus der Ferne mitverfolgen durften.
Aber auch wenn England die WM-Qualifikation für das Turnier 2010 gut hinter sich gebracht hat, war es doch abzusehen, dass diese Mannschaft nicht lange im Turnier bleiben wird, und damit meine ich, dass dies auch vor den spielerisch sehr durchwachsenen Spielen in der Vorrunde schon zu erwarten war. Capello ist dabei nur ein kleines Rädchen im Getriebe, das nicht so rund lief, wie man dies auf der Insel gerne gehabt hätte. Ein neuer Trainer könnte Hoffnung machen, aber das Problem des englischen Fußballs liegt in verschiedenen kleinen Faktoren begründet.
Zunächst einmal ist die Auswahl der Spieler eher fraglich. Dass besonders Green, der als Nummer Eins ins Turnier gestartet war, sehr schlecht aussah, ist der Tatsache geschuldet, dass England nicht an die Tradition großer Torhüter anknüpfen konnte, die es einmal hatte, und schon seit längerem unter seinen 'Fliegenfängern' im Nationaltrikot leidet.
Als nächstes hat nicht nur mich, sondern auch die Kritiker von Capello sehr überrascht, dass er im Mittelfeld in der A-Elf sowohl Lampard als auch Gerrard aufgeboten hat. Beides sind sehr gute Fußballer mit einem sehr guten Standing und Leistungsnachweis in ihren Vereinen. Aber jeder England-Fan weiß, dass die beiden in der Nationalelf Englands noch nie harmoniert haben und England stets Probleme hatte, wenn diese beiden Akteure gemeinsam auf dem Platz standen.
Dann die Nominierung von 'No-Name' James Milner von Aston Villa, der die Mannschaft auch nicht wirklich bereichern konnte. Auch über Shaun Wright-Philips sagen zynische Kritiker, dass er ausser schnell laufen nicht sehr viel kann. Zwar noch nicht so schlimm wie Odonkor 2006 auf deutscher Seite, jedoch dürfte von einem erfahrenen Profi auch mehr verlangt werden können.
Weiterhin hatte der Kader Englands ein hohes Durchschnittsalter, der Jüngste war Milner, gefolgt von Wayne Rooney, der seine tollen Leistungen auf Clubniveau bei Manchester United im Nationaldress mitnichten bestätigen konnte. Dies lag wohl aber nicht daran, dass Capello lieber alten Haudegen den Vorzug gab, sondern daran, dass England jetzt erkennen und dafür büßen muss, dass die Jugendarbeit dort lange stiefmütterlich behandelt wurde und nicht genug Ressourcen dort hinein gesteckt wurden. Die englische Premier League ist eine der stärksten Fußballligen der Welt, es tummeln sich dort neben den besten Englands auch viele hochdotierte ausländische Starkicker. Man braucht und will den schnellen Erfolg. Abgesehen vom vorbildlichen Arsenal wird in England der Jugendarbeit viel zu wenig Bedeutung beigemessen.
Und das kann auch ein Trainer Beckham nicht richten. Diametral entgegengesetzt dazu sehe ich die Jugendförderung in Deutschland, deren erste Früchte wir bei der diesjährigen Weltmeisterschaft bereits gesehen haben. Nicht umsonst wurde die deutsche U21 letztes Jahr Europameister. Sie setzte sich im Finale durch gegen - England. Auch das Ergebnis kommt uns bekannt vor: 4:0
Bezeichnend, dass aus der deutschen U21 Europameister-Elf vom letzten Jahr sage und schreibe fünf Spieler den Sprung in die Nationalelf geschafft haben, und das nicht nur als Ergänzungsspieler, die 'mal reinschnuppern' dürfen, sondern teils als Stützen der Mannschaft wie die solide Nummer Eins Manuel Neuer, Abwehr-Alternativen Jérôme Boateng sowie Dennis Aogo, und vor allem auch Mittelfeldmotor Sami Khedira, der super mit Schweinsteiger harmonierte sowie Mesut Özil, der als Ideen- und Taktgeber im offensiven Mittelfeld sein Potenzial angedeutet, wenngleich auch nicht voll ausgeschöpft hat. Im erweiterten Kreis der deutschen Nationalelf sind die Verteidiger Benedikt Höwedes und Mats Hummels, bei denen ich davon ausgehe, dass mindestens einer von Ihnen zum EM-Aufgebot 2012 gehören wird.
Wenn wir dagegen mal bei den Engländern nachsehen, wieviele den Sprung in die A-Mannschaft geschafft haben, fällt die Antwort relativ ernüchternd aus: Einer, nämlich James Milner. Hier wird das Dilemma des englischen Fußballs in der Gegenwart und vor allem in der Zukunft deutlich. Die Qualität der Jugendförderung reicht nicht aus, und das Vertrauen in die Jugend ist auch nicht da, dass man einmal jüngere Spieler mitgenommen hätte.
Daran könnte auch ein David Beckham nichts ändern.
Wohl aber an der Taktik, bei der Fabio Capello auch noch nicht gerade glücklich aussah. Er hat versucht, das Dilemma des gleichzeitigen Einsatzes von Gerrard und Lampard dadurch abzumildern, dass er Gerrard, eigentlich im zentralen offensiven Mittelfeld zuhause, nach dem schwachen Anfangsspiel gegen die USA über die Seite kommen ließ. Dies war zwar eher ein guter Schachzug, jedoch konnte es die Schwächen des englischen Systems nicht verbergen. England spielt ein 4-4-2 flach, ein System, das in der letzten Zeit zwar durchaus beliebt war (Bayern München spielte damit bspw. in der Zeit vor Louis van Gaal), das jedoch besonders im Paßspiel und in der Dynamik ziemliche Mängel hat.
Deutschland hat bereits bei der EM 2008 auf ein viel flexibleres 4-2-3-1 umgestellt, mit nur einer echten Spitze, jedoch dafür einem Mittelfeld, das mit 5 Spielern besetzt ist. Hier hat man im offensiven zentralen Mittelfeld fast schon einen klassischen 10er, einen Spielmacher, den Mesut Özil bei der deutschen Elf bereits sehr gut zu bekleiden wusste. Situationsabhängig kann diese Position auch als hängende Spitze interpretiert werden, ein Stürmer, der aus der Tiefe des Raums kommt, wie es zum Beispiel Thomas Müller beim FC Bayern (nicht in der Nationalelf) hervorragend macht. In der Rückwärtsbewegung hat man dabei durch zwei defensive Mittelfeldspieler eine gute Ordnung in der Zentrale, kann insbesondere bei Kontern gut umschalten und büßt vorne kaum Torgefährlichkeit ein, da je nachdem über welche Seite der Angriff kommt, der offensive Mittelfeldspieler der gegenüberliegenden Seite als Strafraumstürmer agieren kann. Auf das System will ich hier nun nicht weiter eingehen, da dies eh schon den Rahmen sprengt.
Dies nur nochmals als Darlegung der Gründe, die meiner Meinung nach zum bitteren, aber auch zu erwartenden schlechten Abschneiden der 'Three Lions' geführt haben:
- schlechte Jugendarbeit und -förderung
- mangelndes Vertrauen in die Jugend
- dadurch zweifelhafte Kaderzusammenstellung
- rigide Taktik
Ich denke nicht, dass ein Tausch von Capello gegen Beckham diese Probleme beseitigen kann, zumal ich nicht davon ausgehen würde, dass Beckham ein hohes taktisches Verständnis hat, wie es für einen Trainer notwendig ist. Er hatte sicher Spielintelligenz für seine Position. Als Trainer müsste er jedoch diese für eine ganze Mannschaft haben. Auch einer der Gründe, warum Argentinien nicht annähernd so glänzte, wie Maradona vermuten ließ. Aber dazu vielleicht einandermal.
Wenn jemand andere Meinungen vertritt bezüglich des Traineramtes der Engländer oder meiner Meinungen generell, würde ich mich freuen, darüber zu diskutieren.
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