Modedroge Tilidin

vom 23.01.2008, 08:01 Uhr

Was ist Tilidin? Der Wirkstoff gehört zu den Opioiden, d.h. zu einer Gruppe an Wirkstoffen, die morphinartige Eigenschaften haben. Erst durch die Verstoffwechslung im Körper entsteht daraus Nortildin, dass dann zu einer starken Wirkung führt. Eingesetzt wird der Wirkstoff als Schmerzmittel.

Leider hat aber auch dieses Medikament Nebenwirkungen. In Deutschland werden Medikamenten mit mit dem Wirkstoff Tildin Naloxon zugesetzt. Dies sorgt dafür, dass die berauschende Wirkung reduziert wird und soll vor allem Missbrauch durch Drogenabhängige aber auch generell Abhängigkeiten verhindern.

Eine weitere Nebenwirkung des Wirkstoffs ist aber, dass man eben keinerlei Schmerzen mehr spürt und auch hemmungsloser wird. Daher findet man immer öfter Präperate mit Tilidin bei Jungendlichen. Der Amokläufer von Erfurt hatte Tilidin-Medikamente eingenommen, aber auch der jugendliche Messerstecher, der bei der Eröffnung des neuen Berliner Hauptbahnhofes ausrastete hatte solche Medikamente vorher genommen.

Sie sind zwar in Deutschland verschreibungspflichtig, aber der Schwarzmarkt blüht inzwischen. Zudem wird bei Einbrüchen in Apotheken festgestellt, dass immer öfter auf Tilidin-Medikamente mitgenommen werden. Und in Berlin gehen fast 90% der Rezeptfälschung zu Lasten solcher Medikamente mit diesem Wirkstoff. Und auch aus dem Ausland wird dieser Wirkstoff immer mehr eingeschleust. Gerade Polen ist hier ein großer Lieferant, aber auch aus der Schweiz kommen immer wieder Medikamente, die dort teilweise ohne die "Bremse" Naloxon angeboten werden.

Inzwischen fordern viele Verbände, von der Polizeigewerkschaft bishin zu den Apothekern, dass die Mittel ins Betäubungsmittelgesetz aufgenommen werden.

Gerade muslimische Juendliche greifen gern zu dieser Droge, denn Medikamente zur berauschung sind in ihrer Religion nicht verboten.

Wirkliche Zahlen gibt es nur aus Berlin. Aus anderen Bundesländern gibt es leider keine Details, da dort Rezeptfälschungen als urkundenfälschung eingestuft werden und sich nicht mehr aus der Statistik rausrechnen lassen. Allerdings gibt es bundesweit Hinweise darauf, dass die Zunahme an Rezeptfälschung größtenteils im Zusammenhang mit Tilidin steht.

Man kann nur hoffen, dass sich die Pharmalobby in diesem Fall wirklich zurückhält und dieser Wirkstoff in das Betäubungsmittelgesetz aufgenommen wird. Damit wäre eine Verschreibung nicht mehr so einfach, die Beschaffung nur noch illegal möglich und damit schwieriger.

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» betty » Beiträge: 1460 » Talkpoints: 0,13 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



betty hat geschrieben:Inzwischen fordern viele Verbände, von der Polizeigewerkschaft bishin zu den Apothekern, dass die Mittel ins Betäubungsmittelgesetz aufgenommen werden.


Es ist bereits im BtM-Gesetz geregelt - Anlage 3 des BtMG. Der Umgang ohne eine Erlaubnis oder einer Verschreibung von einem Arzt ist Strafbar.

Zudem ist es eigentlich kein wirkliches Opioid, sondern nur die erste Stufe des Abbaues im Kreislauf setzt diese Wirkung frei, ansonsten hat es diese Wirkungsweise nur in geringen Mengen. Deswegen bringt es auch nichts bei starken Schmerzen ... dabei ist es wesentlich insuffizienter in der Analgesie (Schmerzbekämpfung) als Morphin.

Lässt sich wie alle andere Opiate sehr einfach mit Naloxon antagonisieren, und demnach kann man sehr schnell und unsanft von seinem Trip geholt werden und ein Haufen Geld in den Sand setzen. Allgemein boomt alles, was berauschende Wirkungen hat auf dem Schwarzmarkt - das eine gibts billiger, für das andere muss man ein bisschen mehr hinlegen.

Liebe Grüße
Sorae

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Hm ich verstehe auch nicht, wieso die Leute so auf Tilidin stehen sollen, da die analgetische Potenz ja wirklich gerade mal bei maximal dem 0,2-Fachen vom Morphin liegt.
Und als Modedroge würde ich es auch nicht unedingt bezeichnen, denn Valoron haben die Leute schon in den 60er und 70er Jahren eingeworfen.
Und ich denke auch, dass man heutzutage auf dem Schwarzmarkt wirklich alles bekommen kann, da kann man das BtMG-Pflichtig machen wie man möchte.

Ach und Sorae, wie meinst du das, es ist kein wirkliches Opioid? Klar ist es ein Opioid-Analgtikum, hat aber eben einen first-pass-Effekt, in dem durch Biotransformation in der Leber das Nortilidin entsteht.
Und der Metabolit macht dann die Wirkung. Aber es steht eindeutig unter den Opioiden und den Wirkungsverlust hat man dann eigentlich nur bei schwerer Leberinsuffizienz, wobei ich nicht denke, dass das einer der Abhängigen hat ;-)

Aber den besseren "Flash" bekommt man natürlich durchs Heroin, weil das ja alles mit einem mal schön parenteral appliziert wird. Aber das wird wohl auf dem Schwarzmarkt teurer sein ;-) Und viele haben vielleicht auch Angst, sich selbst zu stechen.

Dann könnte man aber auch noch auf die Modedroge Kokain zurückgreifen, obwohl die ja am aller teuersten sein soll (okay, ich kenne mich mit den Preisen nicht so wirklich aus, nur was man eben so im TV hört)...

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» Grooovegirl » Beiträge: 3409 » Talkpoints: 11,54 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Grooovegirl hat geschrieben:Ach und Sorae, wie meinst du das, es ist kein wirkliches Opioid? Klar ist es ein Opioid-Analgtikum, hat aber eben einen first-pass-Effekt, in dem durch Biotransformation in der Leber das Nortilidin entsteht.
Und der Metabolit macht dann die Wirkung. Aber es steht eindeutig unter den Opioiden und den Wirkungsverlust hat man dann eigentlich nur bei schwerer Leberinsuffizienz, wobei ich nicht denke, dass das einer der Abhängigen hat ;-)


Ist mir bekannt, das es zu der Gruppe der Opiate gehört. Allerdings ist die Wirkung wie du sie beschrieben hast, anders als bei den anderen Opiaten durch den frist-pass Effekt und deswegen hat ist eine Art "Sonderform" unter dieser Gruppe der Opiate. Wollte jetzt nicht mit der Fachtermina hier aufschlagen da es wohl nicht viele verstehen und habs deswegen bisschen vereinfacht ausgedrückt :wink:

Von den Preisen her, eine Ampulle Diazepam bringt ca. 20 Euro, Dormicum 10 Euro, eine Ampulle Fentanyl (10 ml) um die 400 Euro (laut einem Notarzt bei uns, probiert hab ich es noch nicht den Inhalt des RTW zu verschachern :lol: ).
Wenn ein RTW ausgeräumt wird, ist oftmals nur das Diazepam und das Dormicum weg - mit dem Rest können die Leute nichts anfangen.

Und das Koks aus der Klinik ist ja wohl dann das allerbeste, soweit ich weiß ist das zu 100 % rein :wink:

Liebe Grüße
Sorae

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Wow Fentanyl 400 Euro, das ist ja krass.
Ich muss mir demnächst die Mandeln entfernen lassen, mal sehen, was mir da der Anästhesist so alles einverleibt und wieviel ich dann gegenüber dem Schwarzmarkt gespart hab ;-)
Noch mal zum Thema Modedrogen:
Ich hab letztens den Film "Kammerflimmern" gesehen, ein deutscher Film mit Matthias Schweighöfer, in dem er Rettungsassistent ist und gezeigt wird, wie sein Arbeitstag im RTW so aussieht.
Jedenfalls hat da ein Kollege von ihm auch alles mögliche mitgehen lassen, zum Beispiel als sie einen Herointoten nicht mehr retten konnten, hat er erst mal alles, was sie ihm theoretisch noch hätten geben können in die eigene Tasche gesteckt. Hat dann ja auch keiner gemerkt und er hats selbst genommen.
Das fand ich schon ganz schön krass und ich weiß nicht, ob jetzt das Rettungswesen Deutschlands total überzogen dargestellt wurde, oder ob sowas wirklich durchaus häufiger vorkommt...hast du da Erfahrungen Sorae?

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» Grooovegirl » Beiträge: 3409 » Talkpoints: 11,54 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Ich finde den Rückgriff auf Modedrogen immer wieder faszienierend - einerseits weil viele Unmengen Geld in diese stecken und andererseits weil es zig Drogen gibt, die in Deutschland nicht direkt unter das BtmG fallen und weit stärker wirken.

Wer weiß was salvia divinorum, Kratom, Wild Dagga, Blauer Lotus, Kanna usw. bewirken, weiß was ich meine - größter Skandal: Das wird meistens von online shops in Deutschland angeboten unter dem Vorwand, dass dies zu allem anderen (z. B. für Salben) dient, aber nicht zum Konsum - und rechtlich befinden sie sich damit in einer Grauzone obwohl Verbote schon lange gefordert werden.

Naja, das Verbot befürworte ich weniger, aber wie das Zeug teilweise in ungeheuren Mengen (Kilos sind keine Seltenheit) ohne echte Kontrolle an jeden verschachert wird, unmöglich.

Zum Thema Medikamente aus dem Krankenhaus - ich kenne es von mir und anderen Zivis, dass man oft zum Medikamente verteilen eingesetzt wurde und diese auch nach Angaben rationieren musste. Bei uns auf Station gab es beispielsweise auch den Drogenschrank mit Spezialschlüssel und Buchführung, jedoch wäre ein entwenden von Morphium und anderen "Hammern" aus diesem ohne große Probleme möglich gewesen. Wenn das Personal nun genug kriminelle Energie mitbringt, dann ist das Problem der Beschaffung das kleinste.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Grooovegirl hat geschrieben:Das fand ich schon ganz schön krass und ich weiß nicht, ob jetzt das Rettungswesen Deutschlands total überzogen dargestellt wurde, oder ob sowas wirklich durchaus häufiger vorkommt...hast du da Erfahrungen Sorae?


Der Film ist seht gut, und muss man gesehen haben als Rettungsfachpersonal :lol: Kommt eher selten vor (bei uns zumindest), die Kollegn wollen wie ich auch den Job behalten, zudem wird genau Liste über die Medikamente geführt was täglich gegengezeichnet werden muss. BTM sind immer am Arzt und haben nicht einmal etwas auf dem Notarztfahrzeug verloren, muss sich der Doc schon selbst mitbringen aus der Klinik (ist bekannt, sind nie ohne :wink: )

Aber mit anderem Zeug wie mit einem Tubus kann man schon mal Späßle machen, wenn das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist und das dürfen wir auch nehmen zu "Schulungszwecken" wie es sich offiziell nennt.

Über Diebstähle eines Kollegen beim Patienten wurde letztes Jahr ein Fall bekannt, der bereits auch Verurteilt ist. War mir aber bislang der einzigste Fall der mir bekannt ist, wo es so öffentlich geworden ist.
Und normal vögelt man auch nicht die Doktorin im RTW :wink:

Liebe Grüße
Sorae

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Naja, ich finde schon, dass es eine Modedroge geworden ist. Ich hab vielleicht in meiner Beschreibung nicht so ausdrücklich darauf hingewiesen, aber eben gerade bei jugendlichlichen Moslems ist Tilidin so beliebt, weil es eben eine "Droge" ist, die als Arzneimittel verpackt ist. Alkohol und "richtige Drogen" sind dem Glauben nach verboten, indem man dann eben Medikamente nimmt, bescheißt man zwar nicht nur sich selber sondern auch seine Religion, aber zu dieser Schlußfolgerung dürften bur die wenigstens Konsumenten in der Lage sein.
Und der Unterschied zu Morphin, das eine fünffache Wirkung hat ist doch auchklar: man bekommt es viel einfacher auf Rezept. Und so ein Rezept, ob gefälscht oder tatsächlich echt fällt in der Apotheke kaum auf. Inzwischen wohl schon, aber anfangs gab es dafür keine Sensibilität bei den Apothekern.

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» betty » Beiträge: 1460 » Talkpoints: 0,13 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Aber ich dachte, als Modedroge könnte man nur etwas bezeichnen, was ganz neu auf dem Markt ist oder eben erst seit kurzem total im kommen ist.
Und darum hatte ich mich gewundert, weil Tilidin schon seit mindestens 30 Jahren konsumiert wird.
Da empfand ich zum Beispiel Ecstasy viel mehr als Modedroge, weil das seit Ende der 80er/Anfang der 90er erst so richtig populär würde und quasi als schick galt in der Technoszene.
Und das mit den Muslimen war mir auch neu.

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» Grooovegirl » Beiträge: 3409 » Talkpoints: 11,54 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Modedroge hin oder her, gefährlich ist es auf jeden Fall. Das Problem ist nur, das man dieses Medikament einfacher besorgen kann als andere Drogen. Selbst jetzt, wo bekannt ist, wozu es verwendet wird, werden kaum Anstrengungen unternommen, dieses zu unterbinden oder einzugrenzen. Wird es also billigend in Kauf genommen?

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» Entertainment » Beiträge: 3654 » Talkpoints: -10,46 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


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