Erster Internetfriedhof für virtuelle Figuren eröffnet
Heute habe ich auf einer lokalen Nachrichtenseite etwas über einen "Internetfriedhof für virtuelle Figuren" gelesen und war erstaunt. So handelt es sich dabei um das erste Projekt dieser Art bundesweit. Die Stadt Frankfurt will mit dieser Art Projekt auf der Plattform herolymp.de Computerspielsüchtigen die Möglichkeit geben, virtuell ihren Charakter zu beerdigen und somit leichter die Sucht zu besiegen.
Entstanden ist dieses Projekt durch zwei Studenten, die dieses im Auftrag der Stadt Frankfurt entworfen haben. Da sie selber aus dieser Szene kommen und viel Zeit mit den Spielen verbracht haben, wissen sie wovon sie sprechen. Wer mehr darüber erfahren will, der kann sich hier informieren.
Ich selber finde die Grundidee nicht verkehrt und wenn sich viele Computerspieler dafür interessieren und so "Abschied" nehmen können, warum nicht. Grundsätzlich kann ich mir vorstellen, dass dies funktioniert. Denn es ist immer die symbolische Art dahinter und wird oft angewendet in verschiedenen Gebieten. Wie seht ihr das und was haltet ihr von der Idee?
Die neue Idee hinter diesem Internetfriedhof ist aber nur, dass er zur Suchtbekämpfung eingesetzt wird und nicht, dass es so etwas überhaupt gibt. Internetfriedhöfe für virtuelle Figuren und dergleichen gibt es schon seit gut zehn Jahren oder länger.
Der Friedhof soll also wie so eine Art Schnullerbaum für Spieler sein und helfen einen Anfang vom Ende zu finden. Für zahlreiches Spielen als lästige Angewohnheit wird das vielleicht helfen, nicht aber bei einer echten Sucht. Außerdem sollte man davon ausgehen, dass ein mündiger, nicht süchtiger Mensch auch ohne solch einen Friedhof mit dem Spiel aufhören kann.
Für Süchtlinge kann diese Maßnahme vielleicht unterstützend sein und symbolische Funktion haben, aber sie wird nichts bringen, wenn nicht an den Gründen für die Sucht gearbeitet wird. So denke ich, wird der Friedhof leicht zu einem suchtunterstützenden Mittel, der gestorbenen Figuren ein Andenken ermöglicht.
Das muss dann aber der erste virtuelle Friedhof sein, der zu diesem Zweck eingerichtet wurde. So eine Möglichkeit der sinnlosen Traffic-Verschwendung ist aber mit Sicherheit bereits mehrfach auch in der Bundesrepublik angelegt worden. Sei es, um virtuelle Gedenksteine für real verstorbene Haustiere zu setzten, sei es um seiner kaputten Spielsachen zu gedenken, sei es, um virtuelle Charaktere zu verabschieden.
Wie weit das im Rahmen einer Therapie helfen kann, vermag ich nicht zu beurteilen. Anders als z.B. beim Abschwören von Zigaretten oder des Schnullers oder was auch immer, wirft man hier nichts real Greifbares weg, von dem man wegkommen möchte. Es ist mehr eine Willensbekundung, und ich denke, es würde mehr bringen, den Willen zu Papier zu bringen (also handschriftlich) und eben dieses Dokument real zu vergraben. Sozusagen als eine Art Grundstein für ein neues Leben.
Trotz meiner Skepsis wünsche ich natürlich den Teilnehmern alles Gute und vor allem Erfolg beim Ablegen ihrer Laster. Auch wenn es - wie ich glaube - nur begleitet von Fachleuten zum wirklich nachhaltigen Erfolg führen kann.
Von einem solchen Konzept habe ich bisher auch noch nichts gehört. Ich meine, dass es vor einigen Jahren, als dieses seltsame Tamagotchi-Viech recht verbreitet war, auch schon virtuelle Friedhöfe für die Objekte gegeben hat, die "gestorben" sind. Irgendwann wurde so etwas mal in den Nachrichten oder in einer Doku gezeigt und ich fand das damals schon ziemlich bescheuert.
Dieses neue Konzept finde ich nun auch erst einmal recht merkwürdig. Falls den Leuten, die sich zu sehr in irgendwelche Spielwelten hineingesteigert haben, dieser virtuelle Friedhof dabei helfen kann, aus ihrer Scheinwelt auszusteigen und wieder in der Realität anzukommen, ist das sicher eine gute Sache, auch wenn sich diese Geschichte erst einmal ziemlich kurios anhört.
Das Problem ist nur, dass dieser virtuelle Friedhof die eigentlichen Probleme nicht löst, die manche Leute dazu bringen, sich so stark von diesen virtuellen Welten abhängig zu machen. Der Friedhof allein hilft keinem Süchtigen. Vielleicht kann er helfen, aber niemals ersetzt er die Disziplin des Betroffenen und die Annahme von Hilfe, die notwendig ist, um sich aus einem kranken Verhaltensmuster zu befreien.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass so ein virtueller Friedhof wirklich hilft seine Internetsucht zu bekämpfen. Denn wenn die Leute auf so eine Seite gehen und sich von ihrem virtuellen "Ich", trennen wollen, dann muss das ja einen Grund haben. Entweder sind sie zu der Ansicht gekommen, dass sie ein Problem haben oder sie haben zum Beispiel einfach nur kein Interesse an dem Spiel, dass sie im Moment spielen und wenden sich später nur einem anderen zu und machen dort dann mit ihrer Sucht einfach weiter.
Und wenn man selber mal einige Onlinerollenspiele gespielt hat, dann kennt man eine Menge Leute die sich von ihren Charakteren trennen und erzählen, dass sie nun mehr in ihrem realen Leben machen wollen und gar kein Interesse mehr an diesem oder jenem Spiel hätten. Aber spätestens nach zwei bis drei Monaten sind sie dann eben mit einem neuen Charakter wieder online und alles geht von Vorne los. Daher glaube ich einfach nicht, dass so ein Friedhof auch nur einem Menschen helfen kann von dieser Sucht los zu kommen.
Das Konzept eines solchen Internetfriedhofs ist mir neu und um ehrlich zu sein erschließt sich mir der Sinn einer solchen Aktion nicht. Wenn jemand süchtig ist was Computer und Internet angeht, dann wäre das doch kontraproduktiv, wenn man durch eine "Beerdigung" veranstaltet, die dann auch wiederum online stattfindet um virtuelle Figuren beerdigen zu können. Ich würde so etwas weder nutzen noch empfehlen und empfinde dieses Konzept als ziemlich schwachsinnig und überflüssig.
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