Bedingungsloses Grundeinkommen - Meinungen
Mich würde mal interessieren, welche Meinungen hier zum bedingungslosen Grundeinkommen vertreten werden. Ich habe mich oft mit dieser Frage beschäftigt, insbesondere nachdem ich gelesen habe, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle in Höhe etwa des heutigen Sozialhilfeniveaus für den Staat kostengünstiger wäre als die jetzige Regelung.
Es würden zwar die Arbeitsplätze derer verloren gehen, die sich um die Verwaltung der Menschen und Akten kümmern, aber es würde viel gespart durch nicht mehr benötigte Bürokomplexe, Akten- und Papierberge, Energieverschwendung, Büromaterial usw. In der Diskussion habe ich oft den Eindruck, dass die, die dagegen sind, vor allem nicht wollen, dass die Typen, die teilweise schon in der zweiten oder dritten Generation „auf der faulen Haut“ liegen, ihr Geld ohne Anstrengung bekommen können. Bloß was haben wir davon, wenn wir anderen das Leben schwer machen, wenn wir selbst damit die Chance vertun, dasselbe zu bekommen und damit vielleicht etwas besseres anfangen zu können.
Bekäme jeder dieselbe Grundsicherung und es stünde ihm frei, ob er darüber hinaus noch etwas verdienen möchte, fiele jeder Grund für Neid auf die „Stütze“-Empfänger weg, damit aber auch die Diskriminierung der Kinder und sonstigen Angehörigen dieser Personengruppen. Die Kinder aus bisherigen Hartz-4-Familien hätten die Chance, sich in den Ferien – auf dem Weg zu einer qualifizierten Schul- und Berufsausbildung – ihre Träume zu erarbeiten (Computer, Musikinstrument, Sprachreise u.ä.) und müssten nicht alles bis auf 100 € an ihre Bedarfsgemeinschaft abführen, so dass sie schnell lernen, dass Arbeit an sich nicht lohnt, nur Schwarzarbeit sinnvoll ist, und dass frühzeitiger Schulabbruch und ungelerntes Jobben die beste Gewähr ist, schnellstmöglich aus der Bedarfsgemeinschaft herauszukommen.
Ich könnte mir denken, dass mehr Mut zur Innovation, zum Ausprobieren neuer Ideen vorhanden wären, wenn man wüsste, dass man beim Scheitern nicht ins Bodenlose fällt, und ich könnte mir vorstellen, dass es dem sozialen Bereich helfen würde, wenn hier in verstärktem Maße qualifiziertes berufliches Personal – aber auch ehrenamtliche Helfer – zum Einsatz kommen.
Dass ungeliebte Arbeit, die notwendig ist, gar nicht mehr gemacht würde, kann ich mir nicht vorstellen. Erstens spekuliere ich auf Verantwortungsbewusstsein und soziale Kompetenz zumindest eines Teils der Menschen, zweitens werden viele das Bedürfnis haben, mehr als das Minimum zu haben, und schließlich könnte ein System von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ja dafür sorgen, dass beides übereinstimmt. Dann wird vielleicht mehr für die ungeliebte Arbeit gezahlt werden müssen als für die höher qualifizierte, für die es eine Menge Interessenten gibt.
Ich denke, dass die Welt eine Chance hätte, menschlicher zu werden. Andere Meinungen interessieren mich aber selbstverständlich.
Ich verfechte stets die Meinung, dass an eine Leistung auch eine Gegenleistung gekoppelt sein muss. Eine Sache kann und darf nie bedingungslos sein, denn dass wäre in der Tat völlig halbherzig und naiv. Dann könnte ja einmal als Beispiel angenommen jemand eine EU-Rente erhalten, ohne einen direkten medizinischen Nachweis zu haben.
Eben nur weil er die Versicherungsjahre hat und damit eine Rentensumme errechnet wurde. Es ließen sich noch viele andere Beispiele aufzählen, bei denen es so ähnlich funktionieren könnte. Das wird in der Praxis unter keinen Bedingungen so funktionieren.
Eine EU-Rente ist doch nicht bedingungslos. Die bedingungslose Grundrente geht doch gerade davon aus, dass jeder, weil er lebt, zunächst mal das Recht hat, so viel zu haben, dass er in den Gegebenheiten eines Landes, in dem man sich eben keine Baumhütte bauen oder in den Wäldern leben kann, so gerade eben über die Runden kommen kann und ihm dann die Möglichkeit schafft, sich jeder Mehr selbst zu erarbeiten.
Dass dies ein grundlegend neuer Ansatz ist, ist völlig klar. Ebenso klar ist aber auch, dass es ja nicht nur den anderen zugute kommen würde, sondern auch einem selbst.
Richtig ist aber, dass man etwas, was man sich nicht vorstellen kann, sicher auch nicht bewerten kann. Ich glaube aber nicht, dass der Mechanismus - wer leistet, wird bezahlt, wer nichts leistet, hungert oder bekommt Almosen - der einzig mögliche oder auch nur der beste nsatz zum friedlichen Miteinander ist.
Eine EU- Rente ist nun einmal ein Grundeinkommen, die Art des Einkommens ist hierbei erst einmal zweitrangig. Willst du aber ein bedingungsloses Grundeinkommen, muss du aber andere Grundeinkommen rein vom Zugang mit berücksichtigen. Ansonsten bekommen nämlich einige Personen gewisse Vorteile dabei.
Und damit hat sich dann die Vorstellung vom bedingungslosen Einkommen erst einmal erledigt, weil es dann nicht mehr als ein bedingungsloses Einkommen gesehen werden kann. Es funktioniert nur, wenn alle Personen total gleich behandelt würden. Und ich lasse hier einmal die Betonung auf das Wort total.
Es scheint ausgesprochen schwer zu sein, sich ein neues Konzept vorstellen zu können, weil hier jeder, der bisher gepostet hat, davon auszugehen scheint, dass etwas Neues dazu kommt und alles andere bleibt.
Zunächst einmal ist es ja so, dass nicht zwangsläufig das EU-Einkommen zusätzlich zu zahlen wäre. Hätte jeder seinen Sockelbetrag, könnte im Rahmen von EU-Renten vielleicht ein Mehrbedarf festgestellt oder gewährt werden. All das wäre doch eine Frage der Ausgestaltung. Selbstverständlich würde das nicht bedeuten, dass zusätzlich zum Grundeinkommen die bisherigen Einnahmen weiter fließen, und sicherlich müsste es eine Übergngszeit geben, in der erworbene Anwartschaften für Renten und ähnliches mit dem Grundeinkommen zu harmonisieren wären.
Ich habe aber in Gesprächen stets den Eindruck, dass die meisten Leute Angst davor haben, dass es ihren Mitmenschen zu gut gehen könnte und dabei gar nicht begreifen, dass sie dasselbe haben könnten, mit dem es ihrer Meinung nach ihren Mitmenschen zu gut geht. Für mich klingt das so ein bißchen nach: Ich schädige mich selbst gerne, wenn es dafür den anderen auch schlecht geht.
Nein es kommt nichts Neues dazu, denn nur das jetzige Regelwerk in Bezug auf ein Grundeinkommen soll geändert werden. So weit so gut aber wo liegt der positive Nutzen dafür begründet? Soziale Schieflagen werden vielleicht gelindert, wenn dein vorgeschlagenes System überhaupt finanzierbar ist.
Was du schaffen willst mit deiner Idee ist die Vorstufe zum Kommunismus fast, weil du hier eine bedingungslose Sache schaffen willst. Das kann so nicht funktionieren, denn dann muss sich das gesamte Staatssystem total verändern. Ob man das alles noch auf dem demokratische Wege bestreiten kann ist allerdings äußerst fraglich.
Wenn jeder das gleiche bekommt und zusätzlich freiwillig arbeiten kann, wenn er ein luxeriöseres Leben haben möchte, besteht doch überhaupt keine Motivation mehr schlecht bezahlte Jobs mit schlechten Arbeitsbedingungen anzunehmen. Wer hat schon Spaß daran Müll zu sortieren oder Nachts bei Mc Donalds zu arbeiten, wenn er am nächsten Morgen in der Vorlesung sitzen muss?
Unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft sind doch darauf angewiesen, dass es Leute gibt, die sich in einer Position befinden, in der sie solche schlecht bezahlten Jobs annehmen müssen. Das ist natürlich nicht schön und meine ideale Welt sieht auch anders aus, aber deshalb kann man doch nicht die Augen vor den Tatsachen verschließen.
Ich denke, man würde jedenfalls sehr schnell dahin kommen, dass Leute zu solchen Sachen wie Müll im Park aufheben eingeteilt werden müssten, wenn man nicht völlig im Chaos versinken will. Und ehe man sich versieht, hätte man kein bedingungslosen Grundeinkommen mehr, denn sicher wird es auch Leute geben die nicht aus reiner Freundlichkeit Müll aufheben wollen, sondern nur, wenn sie Druck bekommen.
Es werden immer wieder Argumente gebracht, die davon ausgehen, dass alles andere bleibt und die Leute nur etwas ohne Gegenleistung bekommen.
Auf das Argument mit der Müllabfuhr und ungeliebten Nachtdiensten habe ich gewartet, aber in einem System, dass jedem allein aufgrund der Tatsache, dass er als Mensch ein Recht auf Leben hat, das Lebensminimum ohne Gegenleistung zubilligt, wird auch das Bewusstsein bestehen, dass es Dinge gibt, die erledigt werden müssen, die als Tätigkeit ausgeschrieben werden und vergeben werden können.
Hier ist davon die Rede, dass es nicht fair ist, wenn man Geld ohne Gegenleistung erhält. Soviel ich weiß, ist bisher noch kein Kind gefragt worden, in welche Familie und in welche gesellschaftliche Schicht es hinein geboren werden möchte. Ist dies vielleicht fairer?
Wir haben doch die Situation, dass Kinder und Jugendliche aus Hartz-4-Familien wesentlich schlechtere Chancen als jeder andere haben, anerkannt zu werden und sich durchzusetzen - ein Fakt, der auch dafür sorgt, dass eine Gegenkultur - womöglich auch mit kriminellem Einschlag - entsteht, in der man kein Außenseiter ist.
Von diesen Kindern und Jugendlichen verlangt man im Rahmen von ihren Bedarfsgemeinschaften, denen sie zwangsläufig angehören, dass sie das Geld aus dem Ferienjob bis auf 100 € für die Bedarfsgemeinschaft anrechnen lassen. Sie haben - außer Schwarzarbeit - keine Chance, sich etwas selbst zu erarbeiten, lernen sehr schnell, dass sie sich während der Ausbildung und der Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft nicht leisten können, was die Tendenz zum Schulabbruch fördert, und dass Arbeit entweder gar nicht lohnt oder nur, wenn sie schwarz bezahlt wird.
Ich habe aufgrund meines Berufes viel mit Leuten zu tun, die kaum eine Chance haben oder über den Tisch gezogen werden. Als der Gesetzgeber auf den Einfall kam, die Bedarfsgemeinschaften einzuführen, hat dies in vielen Fällen die Familienbande zerschlagen. Viele Familien sind nämlich bereit gewesen, psychisch kranke oder behinderte Angehörige bei sich wohnen zu lassen, solange die Geld "von der Stütze" bekamen.
Als die hilfsbereiten Angehörigen dann aber damit konfrontiert wurden, dass sie Bedarfsgemeinschaft sind und seitenlang mit umfänglichen Nachweisen, Kopien, Behördengängen usw. belegen sollen, dass sie das möglicherweise nicht sind, da warfen viele das Handtuch. Es gibt eben keine Hilfsbereitschaft mehr, wenn der Staat sie überstrapaziert. Und zugleich hat man versucht, den Betroffenen zu Würde zu nehmen, indem man ihnen den eigenen Anspruch streitig machte und sie auf Familiensolidarität verwies.
Warum sollen nur Familien solidarisch sein? Warum nicht eine ganze Gemeinschaft, eine Stadt, ein Land - ein Land, in dem jeder das Recht auf ein Existenzminimum hat, keiner diskriminiert oder stigmatisiert wird, weil er einer Hartz-4-Familie angehört und jeder das Recht hat, sein Leben entweder im Minimum einzurichten (das, was man den Hartz4-Empfängern neidet) oder durch Arbeit ein höheres Level zu erreichen.
Was die Müllabfuhr oder den Nachdienst bei MacDonalds betrifft - das wäre doch ein Aspekt von Angebot und Nachfrage - vielleicht würde es ein Umdenken in der Bewertung einzelner Tätigkeiten geben, bei dem das Unbeliebtsein ein Faktor ist, der in die Kalkulation einfließt.
RopiusK hat geschrieben:Auf das Argument mit der Müllabfuhr und ungeliebten Nachtdiensten habe ich gewartet, aber in einem System, dass jedem allein aufgrund der Tatsache, dass er als Mensch ein Recht auf Leben hat, das Lebensminimum ohne Gegenleistung zubilligt, wird auch das Bewußtsein bestehen, dass es Dinge gibt, die erledigt werden müssen, die als Tätigkeit ausgeschrieben werden und vergeben werden können.
Das ist eine schöne Theorie und ich finde es generell sehr begrüßenswert, wenn jemand an das Gute im Menschen glaubt. Aber die Realität ist doch eine andere und ich denke, dass man die weniger schönen menschlichen Eigenschaften nicht durch Gesetze ausrotten kann.
Der Kommunismus in der Theorie im Gegensatz zum real existierenden Sozialismus ist doch hier das beste Bespiel. In der Theorie ist das für mich das beste politische System überhaupt und das einzige, das eine gerechte Gesellschaft garantieren kann - und was daraus geworden ist, als versucht wurde es in die Realität umzusetzen, kann man in jedem Geschichtsbuch nachlesen.
Warum sollen nur Familien solidarisch sein? Warum nicht eine ganze Gemeinschaft, eine Stadt, ein Land.
Auch ein schöner Gedanke, der leider genauso utopisch ist. Es gibt ja Untersuchungen über das Verantwortungsbewusstsein in Gruppen und es ist ja so, dass, wenn eine Gruppe größer wird, die Zahl der Mitglieder zunimmt, die sich nicht mehr verantwortlich fühlen. Und die Bevölkerung dieses Landes ist ja noch nicht mal eine Gruppe. Wie wolltest du es denn schaffen bei 80 Millionen Menschen ein Gruppengefühl herzustellen, das für die Solidarität nötig wäre?
Mal rein nur theoretisch angenommen man würde ein bedingungsloses Grundeinkommen wirklich erschaffen, dann würden ja andere bestehende Dinge unter Umständen auch bedingungslos werden. Das löst dann eine sogenannte Kettenreaktion aus, die man dann allerdings wieder mit Bedingungen bremsen muss.
Bremst man es nicht entstehen hier deutliche Probleme, deren Ursache oder besser gesagt Auswirkung wirklich keiner wollte. Denn der eine gegebene Fakt (bedingungsloses Einkommen) macht andere Gegebenheiten ungültig oder macht diese den anderen Gegebenheiten einfach gleich. Und das ohne es zu wollen oder in irgendeiner Absicht dazu.
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