Interessantes über den Sänger Ernst Busch
Pünktlich zum 30. Todestag des Agitprop- Sängers und Schauspielers Ernst Busch wurde von dem Historiker Jochen Voit eine umfangreiche Biografie aufgelegt.
Wer wie ich in der DDR groß geworden ist wurde ziemlich regelmäßig mit der Musik von Ernst Busch konfrontiert. Kein Vorsingen im Musikunterricht ohne sein Spanienkämpferlied (Spaniens Himmel breitet seine Sterne über unsere Schützengräben aus, bald geht es zu neuem Kampf hinaus), natürlich in Buschintonation, also ziemlich abgehackt. Der Text und die Melodie hat sich bei mir so eingebrannt, zu jeder offiziellen Veranstaltung wurde dieses Lied und seine anderen Klassenkampflieder geschmettert, ohne sich großartig Gedanken darüber zu machen.
Wie in der Biografie zu lesen ist war Busch in dem Etagen des Politbüros nicht unumstritten. Honecker persönlich forderte Berthold Brecht auf in einer seiner Kantaten das Wort Walter Ulbrichtstadion und Ernst Busch zu streichen weil das für ihn Personenkult darstellte. Ihm war die ganze Person Ernst Busch suspekt, vielleicht auch auf Grund seiner Frauengeschichten und seine Eitelkeiten. Dazu passt auch die Äußerung Buschs „Das Zentralkomitee soll mich am Arsch lecken“ mit dem er sich nicht gerade Freunde im Politbüro schuf.
Sein letzter öffentlicher Auftritt war 1977 bei der Einweihung der neuen Akademie der Künste in Ostberlin. Honecker saß in der ersten Reihe und musste dem Revolutionssänger zuhören wie er Brechts Lied vom Klassenfeind interpretierte. Das Lied schloß mit „Der Regen fließt von oben nach unten und du bist mein Klassenfeind“. Danach wurde es still um Busch, er zog sich immer mehr in sein Haus in Pankow zurück und hörte nur noch seine Schallplatten. Er erkrankte an Demenz und hielt sich längere Zeit in der Psychatrie in Bernburg auf wo er auch verstarb. Auch das wurde, genau wie die Krankheit, vor der Bevölkerung geheim gehalten. Als offizieller Sterbeort wurde Berlin angegeben.
Der Künstler wurde oft proletarischer Hans Albers genannt und entsprechend hoffiert. Seine Karriere nach seiner Spanienkämpferzeit, Exil in Moskau und Haft während der NS-Zeit begann 1945 neu, und zwar genauso wie er meinte das es ihm zustünde, mit Wohlstand, Macht und Bewunderung. Er wird der höchstbezahlte Schauspieler in der DDR, er verdient fast 9000 Mark im Monat, zu einer Zeit wo der normale Arbeiter vielleicht 200 Mark nach Hause brachte. Mitstreiter kennzeichnen ihn unter anderem als cholerisch, hochmütig, eitel, mimosen- und machohaft. Als die SED beginnt ihn auszugrenzen verträgt er das natürlich nicht und zerreißt sein Parteibuch, Jahre später überreicht man es ihm wieder, mit nachgeklebten Marken.
Der Autor Voit sieht Busch als linken Aristokraten und Künstler der seine eigene Partei und Institution war, aber kein Parteikader, ein Fossil und Kampfsänger aus der Kriegszeit den die DDR-Mächtigen brauchten und dann ausgrenzten und später abschoben.
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich als hoffnungsloser Kulturbenause oute, muss ich gestehen, dass der Name Ernst Busch mir unbekannt ist. Ich bin zwar in der DDR geboren, allerdings nicht dort aufgewachsen. Bisher kann ich noch nicht beurteilen, ob ich Entscheidendes versäumt habe, weil ich die Werke des Meisters nicht kannte. Diesen Spanientext vermisse ich in meiner rudimentären Allgemeinbildung allerdings nicht; ich denke, denn muss man nicht zwangsläufig kennen.
Du bist kein Kulturbanause wenn du Ernst Busch nicht kennst und schon garnicht wenn du ihn nicht magst. Er hat viel mit den Brechtschen Texten gearbeitet, da muss man wirklich großer Fan von sein um die alle zu Verstehen.
Für mich war es nur faszinierend zu erfahren dass in der ehemaligen DDR alles getan wurde um dieses Denkmal nicht vom Sockel zu stoßen obwohl er eigentlich kein Vorzeigeheld war. Generationen von Schülern wurden mit seinen Liedern konfrontiert, selbst mein Vater der 1950 noch zur Schule ging, lernte und sang seine Lieder. Seine (geschönte) Biografie kannte auch fast jeder, besonders seine Zeit als Spanienkämpfer, das war schon fast Personenkult.
hooker hat geschrieben:Du bist kein Kulturbanause wenn du Ernst Busch nicht kennst
Wenn man Kultur mal auf deutschsprachiges Liedgut begrenzt, dann schon. Ernst Busch ist hier schon ein bedeutender Interpret der Texte von Brecht. Und was Brecht gemacht hat, hat sehr wohl Bedeutung. Wenn auch nicht unbedingt seine späten Werke.
hooker hat geschrieben:und schon garnicht wenn du ihn nicht magst.
Was man nicht mögen muss, ist der Stil mit dem er singt. Das ist richtig. Ändert doch aber nichts daran, dass es schon mal gehört worden sein sollte. Auch von Leuten, die nicht aus der DDR kommen oder sonst wie etwas mit der DDR zu tun haben.
Ich erinnere mich an Deutschlehrer (die der alten Schule), die sich schlicht geweigert haben (und das natürlich auch konnten), Texte von Brecht lesen zu lassen oder zu behandeln. Der wurde schlicht ignoriert. Aber ob das wirklich sinnvoll ist?
hooker hat geschrieben:Er hat viel mit den Brechtschen Texten gearbeitet, da muss man wirklich großer Fan von sein um die alle zu Verstehen.
Mit Geschichtskenntnissen kommt man da schon auch weit. Eben gerne auch ohne Fan zu sein. Ich jedenfalls sehe hier nicht wirklich unverständliches.
hooker hat geschrieben:um dieses Denkmal nicht vom Sockel zu stoßen obwohl er eigentlich kein Vorzeigeheld war.
Letztlich war auch der große Brecht einer, der sich zwar gerne proletarisch gab, aber dies keines falls seinem Wesen entsprach. Er war ein Star (eigentlich der Star!) und das wusste er und liess es die anderen auch wissen!
hooker hat geschrieben:das war schon fast Personenkult.
Was die Partei auch so gesehen hatte und eigentlich dagegen vor gehen sollte.
Was aber die Spanienzeit angeht, darf nicht vergessen werden, dass es für jeden Teilnehmer lebensgefährlich war! Nicht nur der Kampf vor Ort, sondern auch die Zeit nach einer Rückkehr nach Deutschland wurde eben durch die Erfahrung bestimmt. Die Ereignisse jedenfalls haben die Spanienkämpfer auch zu Feinden des neuen Deutschlands gemacht, was für die nur eine Flucht (vornehmlich in den Osten) erlaubte. Daher braucht man auch für Busch die Spanienzeit nicht zu schönen. Auch er hätte es einfacher haben können.
Machen wir uns nichts vor, Ernst Busch als Sänger und Schauspieler kennt kaum einer der nicht gerade in der DDR aufgewachsen ist oder der sich meinetwegen auch mit den Brechtschen Texten gerne beschäftigt, sei es nun als Kulturliebhaber oder auf Grund seiner politischen Ansichten.
Schade dass man hier keine Umfrage zum Thema starten darf, ich bin aber überzeugt dass vielleicht ein Prozent der Talkterianer vielleicht schon einmal etwas von Ernst Busch gehört hat und davon die Hälfte ihn in Wirklichkeit mit Wilhelm Busch verwechselt.
All jene, die davon sprechen und wenigstens die Überzeugung vorgeben, dass während des Dritten Reichs eben nicht alle Nazis waren, müssen schlicht auch auf Brecht kommen. Um einfach ein moralisches Gegengewicht aufzustellen, der sich offen künstlerisch gegen das Regime gestellt hat und vor diesem immer wieder gewarnt hat!
Auch in der Zeit der Entnazifizierung (wenn es diese ernsthaft gegeben haben sollte), hätte man um Brecht nicht herumkommen können. (Der Kalte Krieg hat aber dann zumindest bis in die 60er Jahre gezeigt, dass es entweder doch gegangen ist oder aber die Entnazifizierung nicht ernst betrieben wurde.)
Und im Zuge dessen hätte man sehr wohl auf Busch kommen können - ja müssen. Schließlich ließt man Brecht nicht nur. Und auch jenseits des Kampfes gegen die Nazis kommt z.B. der Dreigroschenoper eine gewisse Bedeutung zu. Spätestens mit dessen Verfilmung ist auch Busch als Moritatensänger zur Bekanntheit geworden.
hooker hat geschrieben:und davon die Hälfte ihn in Wirklichkeit mit Wilhelm Busch verwechselt.
Was für ein Bild machst Du Dir von Dein Menschen, die Dich umgeben? Ist das nun einfacher Pessimismus oder schon Resignation?
Ich kenne Ernst Busch auch, allerdings bin ich eher durch Zufall auf ihn aufmerksam geworden, da mir ein guter Freund ca. 2003 mal ein paar seiner Lieder auf CD gezeigt hat. Ich fand das alles sehr interessant und habe mich aus reinem Interesse dann über Ernst Busch als Person erkundigt und auch noch weitere seiner Lieder gehört.
Seine Stimme ist das, was mich an ihm am meisten fasziniert, muss ich sagen. Die Lieder sind ganz sicher Geschmackssache, aber es ist sicher nicht verkehrt, mal von Ernst Busch gehört zu haben.
derpunkt hat geschrieben:hooker hat geschrieben:und davon die Hälfte ihn in Wirklichkeit mit Wilhelm Busch verwechselt.
Was für ein Bild machst Du Dir von Dein Menschen, die Dich umgeben? Ist das nun einfacher Pessimismus oder schon Resignation?
Ich habe das bewusst so drastisch und provokativ formuliert und würde mich freuen wenn man mir vehement widerspricht. Vielleicht wird dann mein Bild von der geistigen Verkommenheit von breiten Massen der Gesellschafft wieder etwas gerade gerückt, allerdings wäre alles weitere dazu hier jetzt OT.
hooker hat geschrieben:Ich habe das bewusst so drastisch und provokativ formuliert und würde mich freuen wenn man mir vehement widerspricht.
Dann betrachte meinen Einwurf als vehement vorgetragenen Widerspruch mit der finsteren Absicht, die Überzeugung zu widerlegen, dass die Gesellschaft in ihrer breiten Masse hoffnungslos verkommen ist!
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