Nah am Wasser gebaut - Wie Tränen unterdrücken?

vom 06.06.2010, 08:46 Uhr

Ich war schon immer ein Mensch, der, zzumindest im stillen Kämmerlein oder unter sehr guten Freunden, das Weinen hin und wieder nutzte, um den eigenen Gefühlen Luft zu machen. Bis vor einigen Monaten war das auch überhaupt kein Problem, denn ich weinte nur in extremen Situationen, sodass mir kaum öfter als zweimal im Jahr die Tränen über die Wangen liefen.

Nun hat sich das Blatt aber seit einiger Zeit sehr deutlich gewendet und ich weine beinahe wöchentlich, egal, was sich ereignet hat. Ein Streit mit meinen Eltern, eine lautstarke Auseinandersetzung mit Freunden, eine unerwartet an mich gerichtete Beleidigung, ein gefühlvolles Liebeslied, ein trauriger Film oder ein ergreifendes Buch, all das bewirkt zumindest, dass ich mir die Tränen aus den Augen blinzeln muss.

Ich weine keinesfalls aus Hilflosigkeit, denn in den meisten Konflikten wüsste ich sehr wohl, wie ich mich verteidigen könnte und wie das Streitgespräch somit niveauvoll fortzusetzen wäre. In meinem Leben ist in den letzten Monaten auch nichts Einschneidendes passiert, das den Verlust meiner Selbstbeherrschung erklären würde. Bei diesem Weinen handelt es sich irgendwie viel mehr um einen Reflex, den ich einfach nicht zu unterdrücken weiß.

Nun bin ich niemand, der sich für das viele Weinen schämt, weswegen ich auch kein Problem damit habe, wenn die Tränen fließen, zumal es mir nach dem Weinen oftmals besser geht. Dennoch gibt es Situationen, in denen die Tränen einfach störend sind, wie zum Beispiel bei einem Konflikt, den ich gerne fortsetzen würde, bei dem ich aber durch mein plötzliches Weinen nicht mehr in der Lage bin, ordentlich zu sprechen, ganz abgesehen davon, dass mich mein Streitpartner nach einem solchen Ausbruch natürlich nicht mehr ernst nimmt. Auch durfte ich mir schon oft anhören, ich würde das Weinen zu meinem Vorteil nutzen, um bei anderen Menschen ein schlechtes Gewissen zu verursachen oder sie in eine von mir gewünschte Richtung zu lenken, was nun keinesfalls zutrifft.

Aus diesen Gründen wäre es mir deutlich lieber, wenn ich die Tränen hinauszögern könnte, bis ich mich zurückziehen kann, um ihnen freien Lauf lassen zu können. Seid ihr ähnlich nahe am Wasser gebaut? Habt ihr vielleicht Tipps für mich, wie ich dieses Problem in den Griff bekommen könnte? Gibt es vielleicht bereits weit verbreitete Methoden, um die Tränen zurückzuhalten?

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Das Weinen ist ein Zeichen dafür, dass du ein sehr empfindsamer und emotionaler Mensch bist. Ich kann es gut nachvollziehen, dass du dir durch Tränen manchmal Besserung verschaffen kannst. Ich habe es auch öfter mal, dass ich weinen muss, wenn viel auf einmal, auf mich zugekommen ist. Und wie du schon schreibst, ist weinen eine Art seelische Reinigung.

Wenn ich Tränen unterdrücken möchte, dann versuche ich immer an etwas anderes zu denken. Oder mich eben selbst zu beruhigen, in dem ich mir sage, dass es jetzt unpassend ist, den Tränen freien Lauf zu lassen. Es ist eine Sache des Trainings. Früher habe ich auch viel häufiger und schneller geweint als heute. Vielleicht würden dir auch Entspannungsübungen dabei helfen.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Kannst du Hormone - wie die Antibabypille - ausschließen? Ansonsten kann es durchaus auch davon kommen, dass du nun noch mehr weinen musst und vor allem auch wegen Sachen, wo man eigentlich nicht weinen müsste.

Sicherlich gibt es durchaus Menschen, die auch auf Kleinigkeiten sehr sensibel reagieren. Aber als normal würde ich es eigentlich nicht bezeichnen, wenn man wirklich plötzlich auch wegen banalen Dingen weint. Wobei das plötzlich aber im Vordergrund steht.

Tränen unterdrücken ist ziemlich schwer. Ich denke, dass spazieren gehen oder frische Luft allgemein durchaus dabei helfen kann, dass man nicht mehr weinen muss, aber die Möglichkeit hat man nun auch nicht immer.

Wenn es wirklich mehr geworden ist, sollte man sich vielleicht eher auf die Suche des Grundes machen. Möglicherweise gibt es nämlich einen. Wenn nicht, auch gut.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge



Manchmal sieht man einfach das Offensichtliche nicht; ich nehme nämlich in der Tat seit einigen Monaten die Pille, habe das plötzliche Weinen aber nie damit in Verbindung gebracht, weil diese überhöhte Sensibilität erst etwa drei Monate nach der ersten Einnahme der Pille einsetzte. Nun sagte mir aber meine Ärztin damals, dass es sich hierbei schon um ein sehr schwaches Präparat handele und sie mir kaum noch etwas Schwächeres verschreiben könne. Da ich die Pille im Moment weder absetzen sollte noch möchte, wäre ich aber weiterhin über Tipps zur Unterdrückung des Weinens dankbar, auch wenn der Grund nun gefunden zu sein scheint.

Auch dir vielen Dank für deine Antwort, Nelchen. Du hast schon recht, ich war schon immer ein sehr empfindsamer und sensibler Mensch, der alles nah an sich heranließ, nur zeigte ich es eben nie so extrem wie in den letzten Monaten. Vielleicht sind bei mir die Hormone gar nicht unbedingt der konkrete Auslöser, sondern nur ein Verstärker dieser Gefühle.

Dein Tipp bezüglich der Entspannungsübungen gefällt mir, allerdings gibt es Anleitungen dazu ja wie Sand am Meer, zumal es ja ganz verschiedene Arten dieser Übungen gibt. Ich wüsste jetzt gar nicht genau, wonach ich konkret suchen müsste. Gibt es eine bestimmte Richtung, die du mir empfehlen kannst? Könntest du mir hier vielleicht zusätzlich noch ein paar Übungen nennen, die dir persönlich geholfen haben?

» Anemone » Beiträge: 1740 » Talkpoints: 764,26 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich kenne das von mir selbst. Ich bin häufig einfach sehr betroffen und kann dann nicht einfach nur innerlich diese Betroffenheit ausleben, sondern ich fange dann schnell an zu weinen und mir ist das auch oft total peinlich. Weil es meistens auch echt unangebracht ist und keiner nachvollziehen kann, weshalb ich überhaupt weine. Oftmals entsteht das bei mir aber durch ein Kopfkino; Situationen, die ich mir wieder ins Gedächtnis rufe oder die hervorgerufen werden durch andere Situationen, bringen mich zum Weinen. Das kann ein Außenstehender dann oft nicht verstehen.

Ich mache das deshalb meistens so, dass ich versuche an etwas zu denken, das ich echt lustig finde und vielleicht auch etwas lächerlich, teilweise probiere ich es auch einfach mit extrem neutralen Momenten. Ich habe mir da immer etwas parat gelegt im Kopf: Bestimmte Momente, die ich einfach total emotionslos betrachten kann. Ein Beispiel ist ein Moment, in welchem ich mit einer Freundin an der Tankstelle war und wir Zigaretten gekauft haben. Das klingt jetzt doof, aber ich versuche in solche Momenten einfach an sowas zu denken und schaffe es ganz gut, das Weinen zu unterdrücken.

» Sippschaft » Beiträge: 7575 » Talkpoints: 1,14 » Auszeichnung für 7000 Beiträge


Ich habe auf YouTube einige interessante Videos eines Psychologen bzgl. Emotionen gesehen.Vorab, das Wort Emotion kommt aus dem lateinischen von „emovere bzw. emotio“ was so viel bedeutet wie „heraus bzw. starke innere Bewegung“.

Somit ist er der Meinung, dass alle Emotionen aus dem Körper oder Geist austreten müssen. Unterdrückt man nun die Gefühlsausbrüche, so bedarf es einer mindestens genauso hohen Gegenkraft, welcher letztendlich Druck und Unzufriedenheit auslöst.

Aus diesem Grund würde ich mich an deiner Stelle eher freuen, denn es gibt einige Menschen die seit Jahren nicht geweint haben und alles in sich hineingefressen haben. Früher oder später explodieren solchen Menschen und brauchen professionelle Hilfe.

» Wüstenblume88 » Beiträge: 2 » Talkpoints: 1,21 »


Ich bin auch so eine kleine Heulsuse, wenn man das so sagen kann. Obwohl man es mir äusserlich eigentlich eher nicht nachsagen kann, denn viele meinen, ich sei eine starke Bikerin und mich könnte nix umhauen, aber dem ist ganz und gar nicht so.

Grad in der letzten Zeit merke ich es immer wieder, wie emotional ich bin, denn seitdem ich meinen neuen Partner habe, der leider zur Zeit noch inhaftiert ist, kommen mir auch öfter die Tränen, als ich selber möchte. Jedesmal nämlich dann, wenn ich ihn nach seinem Hafturlaub zurück bringen muss und die Tore sich wieder zwischen uns stellen. Das ist einfach ein grausames Gefühl

Ich finde, man sollte seine Tränen nicht unterdrücken und es ist auch kein negatives Zeichen, wenn man weinen kann. Mein Partner kann das auch vor mir und das finde ich auch sehr gut, das auch Männer so eine Seite zeigen können.

Aber in bestimmten Situationen kann man einfach seinen Tränen keinen freien Lauf lassen, weil die Umgebung einfach unpassend ist und ich versuche mich dann immer in Gedanken abzulenken.

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» EmskoppEL » Beiträge: 3423 » Talkpoints: 20,21 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Also ich glaube dass das eigentlich ganz normal ist. Jeder hat in seinem Leben Phasen, in denen er mal weniger und mal mehr emotional reagiert und dementsprechend auch mal sehr nah am Wasser gebaut ist. Besonders bei Jugendlichen sind solche Phasen häufig zu beobachten. Das ist natürlich keine Schande und sollte auch nicht kritisiert werden.

Trotzdem erlebe ich auch immer wieder, wie man einigen Menschen vorwirft absichtlich zu weinen, um ihr gegenüber einzuschüchtern und zu beeinflussen. Da kann man eigentlich gar nicht mal so viel tun. Ich versuche dann manchmal einfach schnell das Gespräch zu beenden und aus dem Raum zu gehen, aber das bringt meistens gar nichts, weil die Personen eh wissen, dass man weint.

Aber schämen oder einschüchtern lassen sollte man sich deswegen nicht. Eine wirkliche Methode, um dass Weinen zu unterdrücken, wenn man es selbst nicht schafft, gibt es glaube ich nicht. Man kann halt nur versuchen an was anderes zu denken und wenn man dann trotzdem weinen muss, kann man es meistens nicht aufhalten.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ich bin auch sehr nah am Wasser gebaut und ich weine auch, wenn ich mich mit meinen Eltern oder mit Freunden streite, außerdem weine ich auch bei traurigen Geschichten oder Reportagen im Fernseher und deswegen weine ich auch bei traurigen Filmen. Bei traurigen Liedern kann ich auch weinen und wenn ich über traurige Dinge nachdenke, dann kommen mir auch die Tränen, so bin ich einfach und das kann ich nicht ändern. Vielleicht liegt es daran, weil ich noch relativ jung bin?

Wenn ich weinen muss, dann sage ich mir manchmal, dass ich wegen meinem Make Up aufhören soll und manchmal sage ich mir auch selbst, dass ich jetzt nicht anfangen soll zu weinen, aber Zuhause so viel weinen kann wie ich möchte, wenn ich alleine bin. Trotzdem funktioniert das eigentlich nie und ich versuche in solchen Situationen eher an etwas anderes zu denken, was mich glücklich macht.

Ich mag es überhaupt nicht, wenn ich in der Öffentlichkeit oder vor anderen Leuten weine, weil manche Menschen meine Tränen einfach nicht verstehen. Zum Glück kann ich bei meinem Partner auch weinen und er tröstet mich dann auch, was mir sehr hilft. Wenn man über die Dinge redet, welche einem zum Weinen bringen, dann geht es einem meistens auch viel besser.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9232 » Talkpoints: 24,53 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Mir geht es ähnlich, denn ich bin auch ein sehr sensibler Mensch, der oft weinen muss. Erst letztens gab es eine Situation, in der ich fast vor allen Menschen losgeheult hätte. Ich war morgens mit Kind und Freund unterwegs, da er zur Arbeit musste und ich zum Berufskolleg. Wir haben uns am Bahnhof ein wenig verkracht, was mir sehr weh getan hat und wenig später kam dann auch schon der Zug. Mit sehr viel Mühe musste ich meine Tränen unterdrücken, denn ich wollte ja auch nicht, dass meine Kleine mich weinen sieht. Später musste ich alleine im Bus weiter fahren und ich war immer noch sehr traurig und kämpfte weiterhin mit den Tränen.

Das einzige was mir in solchen Momenten hilft, ist tief durchatmen, denn mir ist es sehr unangenehm, wenn ich vor vielen fremden Menschen anfange zu weinen. Zuhause ist das natürlich was anderes oder auch bei Familie und Freunden. Tränen sollte man nicht unterdrücken, weil es den Druck nur verstärkt und wenn man das über eine längere Zeit macht, dann explodiert man früher oder später und es ist viel schlimmer als vorher. Ich lasse meine Tränen zuhause auch immer raus, aber dann nur, wenn meine Tochter es nicht mitbekommt und danach geht es mir auch immer viel besser, weil ich so auch einen Teil des Schmerzes "heraus weinen" kann.

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» Marina_1 » Beiträge: 1090 » Talkpoints: 56,17 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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