Sinn eines Rhetorik-Seminars?
Also ich habe mich gerade mal bei den Veranstaltungen meiner Uni für die Semesterferien umgeschaut. Dort werden unter Anderem Rhetorik-Kurse angeboten. Es ist so, dass diese für Lehramt-Studenten Pflicht sind, alle anderen können jedoch freiwillig auch an solchen Kursen teilnehmen.
Jetzt frage ich mich, ob dieser Kurs überhaupt sinnvoll für mich ist. Ich denke einerseits, dass so etwas ja vielleicht ganz praktisch ist, mal gemacht zu haben, allerdings kann es ja auch gut sein, dass es nur verplemperte Zeit ist und man dort eh nichts sinnvolles lernt. Dann wäre es eine ziemliche Zeitverschwendung. Allerdings muss man auch sagen, dass dieser Kurs für Studenten kostenlos ist, wohingegen man üblicherweise bei solchen Kursen ja schon eine gewisse Gebühr zahlen muss.
Wer von euch hat schon mal einen Rhetorik-Kurs gemacht und kann mir sagen, ob er für eine Studentin, deren Studium noch mindestens 2 Jahre dauert überhaupt schon Sinn macht? Ich könnte mir vorstellen, dass ich alles schon wieder vergessen habe, bis ich mit meinem Studium fertig bin.
Das kommt wie üblich sehr auf den Dozenten an. Bei uns hieß es nicht Rhetorik-Kurs sondern Sprecherziehung. Dabei ging es im Wesentlichen um "körperliche" Aspekte. Etwa wie rede ich möglichst stimmschonend, denn wenn ich sechs Schulstunden lang reden muss, strapaziert das die Stimme ja nun doch. Außerdem wurde dort geübt in angemessener Lautstärke und recht deutlich zu sprechen, denn nuschelnde, flüsternde Lehrer sind nun auch nicht wirklich der Hit. Um die Körpersprache ging es auch und zu guter Letzt um Gesprächsführung.
Das war aber das, was unsere Dozentin daraus gemacht hat, von anderen Leuten habe ich auch andere Sachen gehört. An unserer Uni kamen dafür extra Leute von außerhalb und die waren wohl recht frei in ihrer Ausgestaltung der Kurse.
Unter Rhetorik-Kurs stelle ich mir aber eher vor, dass man noch einmal lernt sich vernünftig auszudrücken und Inhalte gut zu strukturieren. Wenn ich mir angucke, wie zum Teil Referate von Kommilitonen auch aus hohen Semestern aufgebaut sind und wie manche reden, bin ich immer entsetzt, wenn ich mir vorstelle, dass sie mit diesem Stil nachher vor einer Schulklasse stehen und versuchen ihnen den Stiff begreiflich zu machen. Das hat zwar zum einen auch mit Unterrichtsplanung zu tun, zum anderen aber eben auch damit wie man sich ausdrückt und Sachen vielleicht auch spannender gestalten kann, indem man gewisse Stilmittel und Tricks einsetzt. Und dafür ist ein Rhethorikkurs meines Erachtnes ganz sinnvoll, denn auch Leute, die da schon recht versiert sind, können den ein oder anderen Tipp immer gebrauchen.
Ich finde beide Elemente sehr sinnvoll, sowohl das rhethorische als auch das stimmliche. Denn auch sichere Referenten sind nicht perfekt und gerade bei Lehramtstudenten, die ja noch lernen und erst Routine entwickeln müssen, kann ein wenig Anleitung nicht fehlen. Viele kleine Eigenheiten (bestimmte Füllwörter oder Gesten) sind einem vielleicht auch gar nicht so bewusst, da kann eine Anregung von außen nie schaden, vor allem nicht wenn man gleichzeitig konkrete Ansätze bekommt, wie man sich verbessern kann, anstatt nur kritisiert zu werden. Und genau dafür sind solche Seminare ja gedacht. Denn nicht nur rhethorisch, auch für das laute und deutliche Sprechen oder die gesamte Ausstrahlung gibt es eben gewisse Kniffe, wie man sich besser präsentiert.
Ich hatte früher in der Schule "Debating Club", was auch viel mit Rhetorik zu tun hatte und da das immer großen Spaß gemacht hat, habe ich mich an der Uni dann auch für ein Rhetorik Seminar angemeldet.
Der Schwerpunkt meines Seminars lag dann aber nicht auf dem Erörtern von verschiedenen Standpunkten, sondern auf dem Sprechen vor einem Publikum. In meinem Seminar gab es auch eine ganze Reihe von praktischen Übungen mit Videoanalyse und ich muss sagen, dass ich dadurch mehr Erkenntnisse gewonnen habe als durch die ganze Theorie, die wir uns natürlich auch anhören durften.
Ob das nun sinnvoll ist, wenn man noch eine ganze Zeit lang studieren wird, hängt sicher von den Studieninhalten, bzw. von der allgemeinen Gestaltung des Studiums ab. Bei mir war es damals üblich, dass man in Seminaren relativ regelmäßig Referate schreiben und vortragen musste und bei den praktischen Seminararbeiten war es sowieso normal, dass man seine Arbeit vorgestellt und das Konzept erläutert hat. Für mich war das Rhetorik Seminar deshalb auf jeden Fall sinnvoll.
Natürlich vergisst man einige Sachen wieder und man läuft ja auch immer Gefahr, wieder in alte Gewohnheiten zurück zu fallen. Aber wenn man Übungen macht und wird dann in der Analyse auf seine größten Fehler hingewiesen, wird man sich schon einiges davon merken. Mir wurde zum Beispiel gezeigt, wie ich etwas an einer Tafel erklären und meine Körpersprache auf das Publikum ausrichten kann - und es ist heute noch so, dass ich mir bei jeder Präsentation im Job sage "zum Publikum und nicht zur Tafel sprechen".
Wenn du die Möglichkeit hast an einen kostenlosen Rhetorikkurs teilzunehmen dann mache das ruhig. Dümmer wirst du sicherlich nicht und ein guter Redner der die Grundregeln der Rhetorik beherrscht hat immer gute Karten auf dem Arbeitsmarkt und steht auch beim Halten von Vorträgen immer ganz gut da. Gerade wer eine Karriere anstrebt sollte diese Möglichkeit der öffentlichen Darstellung gut nutzen. Auch in Diskussionsrunden gibt man ganz einfach ein besseres Bild wenn man etwas schnell und sachlich auf den Punkt bringt und nicht nur schwafelt.
Ich habe vor einigen Jahren mal an so einem Rhetorikkurs der Volkshochschule teilgenommen und es nicht bereut. Auch heute noch, wenn ich einen Vortrag vorbereite, hole ich mir manchmal noch die Unterlagen hervor und schaue nach was ich noch verbessern könnte. Sicherlich kommt vielles später auch von alleine, aber mir hat es bei den Anfängen meiner beruflichen Laufbahn gut geholfen. Neben den theoretischen Grundlagen bekam ich durch die viele Rollenspiele ein noch besseres und tieferes Wissen, gerade weil sich diese Rollenspiele irgendwie tief im Gedächtnis einprägten.
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