"nein sagen" können, immer sinnvoll?
Ich denke, dass man seine eigenen Bedürfnisse niemals vergessen darf und man daher immer "nein" sagen sollte, wenn jemand etwas Gegensätzliches von einem verlangt. Sicherlich gibt es auch Situationen, in denen man gezwungen ist, einen Kompromiss einzugehen, aber auch hier sollte man sich selbst nicht vergessen. Ansonsten wird man nämlich ganz schnell von anderen Menschen ausgenutzt, die bspw. unangenehme Arbeiten abgeben wollen. Und weil man nicht gelernt hat, "nein" zu sagen, nimmt man diese Arbeiten an und ärgert sich insgeheim fürchterlich darüber.
An diese Menschen richten sich letztlich auch diese Seminare, bei denen sie dann lernen, auch mal "nein" zu sagen. Allerdings gehen sie ja nun nicht als pure Egoisten aus dem Seminar und sagen auf einmal zu allem "nein". Nun sind sie nur in der Lage, abzuwägen, wann es denn sinnvoll sein kann, auch mal "nein" zu sagen, um eben nicht zum x-ten Male die unangenehmen Arbeiten aufgedrückt zu bekommen. Natürlich muss man über kurz oder lang auch mal wieder solche Arbeiten erledigen, aber diese beschränken sich dann auf ein Minimum, mit dem man leben kann.
Der Idealzustand sieht natürlich so aus, dass man immer "nein" sagen kann, wenn die eigenen Bedürfnisse in Gefahr sind. Tatsächlich sind wir aber ja gezwungen, ständig Kompromisse eingehen zu müssen, insbesondere, was das Berufsleben betrifft. Nur, weil man gerade keine Lust auf Arbeit hat, kann man ja nicht sagen: "Nein, heute habe ich keine Lust. Ich bleibe zu Hause." - Gut, das kann man schon machen, aber langfristig wird sich der Chef daran stören und die Kündigung flattert ins Haus. Dies ist ein Beispiel eines solchen Kompromisses, den man quasi mit sich selbst eingeht. Man wägt morgens ab, welche Strategie sinnvoller ist und geht trotz der eigenen Unlust zur Arbeit, weil man seine eigenen Bedürfnisse ansonsten viel stärker gefährden würde. Denn wird man gekündigt, erhält man logischerweise kein monatliches Gehalt mehr und muss seinen Lebensstandard womöglich drastisch reduzieren.
Im Beispiel der Threaderstellerin wägt diese auch ab: Entweder versäumt sie den Auftritt ihres Neffen oder sie geht hin. Letztere Variante bringt ihr zwar ein paar persönliche Nachteile ein, aber gleichzeitig macht sie ihren Neffen und seine Eltern mit ihrem Erscheinen glücklich, was wiederum persönlichen Vorteile mit sich bringt. Langfristig zahlt sich diese Tat vermutlich zurück und die eigenen Bedürfnisse wurden berücksichtigt, obwohl auch hier nicht "nein" gesagt wurde.
Jeder sollte "nein" sagen können, egal ob es einem Anderen seine Gefühle verletzen sollte. Du sagst, dass die Sache mit deinem Bruder vollkommen harmlos wäre. Wenn sie harmlos ist, dann kannst du ja auch "nein" sagen. Wenn du jetzt gar keine Lust hast und wirklich Besseres zu tun hast, dann ist das kein Problem. Kompromisse sind völlig in Ordnung. Von Egoismus redet keiner, wenn man einmal "nein" sagt.
Allerdings sollte man auch nicht zu egoistisch sein und immer nein sagen. Damit macht man sich dann natürlich auch keine Freunde. Wenn es jetzt nur ein kleiner Job ist, zum Beispiel der Oma etwas einkaufen, dann kann man schon mal "ja" sagen. Es ist immer wichtig, seine Grenzen zu kennen.
'Nein sagen'-Können zumindest erachte ich als extrem esentiell für jede Form eines normalen Lebens mit normalen sozialen Kontakten. Umgekehrt ist aber auch das 'Ja sagen' extrem wichtig. Wie du selbst schon geschrieben hast, ist das ja nötig um überhaupt einmal einen Kompromiss einzugehen, der sich eben nicht ausschließlich um die eigenen Bedürfnisse geht. Zum einen muss man selbstverständlich die eigenen Bedürfnisse wahren und man muss sich auch das Recht auf eben diese erarbeiten und in solchen Moment ist ein deutliches 'Nein' dann oft die einzige Lösung - Mache ich so etwas aber ausschließlich oder sogar nur überwiegend, dann wird sich das sicherlich sehr schnell auf meine sozialen Kontakt auswirken. Kaum jemand würde überhaupt mehr Lust haben, etwas anzufragen oder um etwas zu bitten, wenn eh schon klar ist, die Person ist so ein typischer 'Nein-Sager'. Das Umfeld bemerkt so etwas sehr schnell und die Ablehnung ist in meinen Augen nur die logische Konsequenz.
Ich glaube wirklich, dass hier das richtige Gleichgewicht gefunden werden muss. Eine Mischung aus einem 'Ja-Sager' und einem 'Nein-Sager' ist sicherlich sehr gesund; nicht nur sich selbst gegenüber sondern auch mal anderen gegenüber. Man selbst wünscht sich ja auch oftmals, dass jemand einen Kompromiss eingeht, auch wenn man weiss, der Person hängt es eigentlich zum Hals raus.
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