Federvieh als Ersatz für Toiletten Papier verwendet

vom 29.05.2010, 01:05 Uhr

In irgendeiner Diskussion bekam ich mit, dass jemand schrieb, man habe bis in die 1980er Jahre nicht nur in ländlichen Gebieten Deutschlands zum Teil klein geschnittenes Zeitungspapier als Art Toilettenpapier verwendet. Das heute übliche Toilettenpapier habe es damals noch nicht überall zu kaufen gegeben und viele Menschen hätten es auch als zu teuer empfunden. Das fand ich sehr kurios, da in meiner Familie seit meiner Geburt eigentlich nur gewöhnliches, im Laden als solches gekauftes, Toilettenpapier verwendet worden ist, und keineswegs Zeitungspapier. Also wollte ich online natürlich weiter recherchieren, ob denn an dieser Zeitungspapier-Nutzung tatsächlich etwas Wahres dran ist.

Dabei stieß ich auf den Wikipedia-Artikel zum Thema "Toilettenpapier". Dort steht das mit dem Zeitungspapier auch, wobei es natürlich immer etwas fragwürdig ist, ob bestimmte Wikipedia-Artikel glaubwürdig sind, oder nicht. Allerdings fiel mit im Artikel noch etwas viel Kurioseres auf: Man habe früher auch lebendes Federvieh genutzt, um sich nach dem Stuhlgang zu säubern. Das finde ich nicht nur widerwärtig, sondern irgendwie kommt es mir auch unrealistisch vor. Würde denn so ein Hühn beispielsweise nicht ziemlich zappeln, wenn man sich damit abwischen wollen würde?

Kann mir jemand von euch vielleicht sagen, ob das tatsächlich stimmt, dass man da tatsächlich einmal lebende Tiere für verwendete? Kann jemand mir eine seriöse Quelle nennen? Am besten wäre natürlich eine online, da man die schnell selbst nachsehen kann, wogegen es sich bei Büchern schwieriger gestalten könnte, diese zu bekommen, um einen Blick hinein werfen zu können.

Benutzeravatar

» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich habe mal bei Horst Vetten nachgelesen. In seinem Büchlein "Über das Klo- Ein Thema auf das jeder täglich kommt" kann man so einige kurioses und interessantes über das stille Örtchen lesen. Es ist allerdings nicht das aktuellste, da meine Auflage, die ich mal im Antiquariat erwarb, 1980 gedruckt wurde.

Bei Amazon kann man dieses Büchlein hier für rund drei Euro inclusive Versand auch antiquarisch erwerben. Es ist ein nettes Büchlein, das vermutlich auch seriös recherchiert wurde. Allerdings ist es mehr im Anekdotenstil geschrieben und weist einie relativ niedrige Faktendichte auf. Das achte Kapitel handelt ab Seite 103 unter anderem vom Klopapier. Dort kann man beispielsweise folgendes lesen:

Aus dem 16. Jahrhundert ist wohl von Francois Rabelais der Roman "Pantagruel und Gargantua" erhalten geblieben. Dieser enthält z. B. eine Passage, in dem der Protagonist Gargantua beklagt, dass noch niemand ein von ihm so genanntes "Arschwisch" erfunden habe. Er erzählt statt dessen, mit welch kuriosen edlen Bekleidungsstücken er sich den Podex gereinigt hat. Der Text geht insofern weiter, dass sich zumindest der literarische Held den Po nach dem Stuhlgang mit einer "Märzkatze" gewischt haben will, die ihm aber die Krallen spüren ließ und ihn verletzte. Auch von Experimenten Hühner und anderes Geflügel zur Reinigung nach dem großen Geschäft zu verwenden ist hier die Rede. Ebenso führt er in diesem literarischen Werk auch Klopapierexperimente mit diversen Blättern und Kräutern an und sogar den Versuch, einen Weidenkorb als Klopapier zu verwenden.

Er beschreibt auch, dass er sich den Po mit einer "Pagenkappe" reinigte, die mit Federn besetzt war. Als Fazit zieht Gargantua, dass am allerbesten angeblich ein "zartflaumiges Gänschen" geeignet sei, da die Flaumfedern sehr weich sind und das Gänslein durch seine Körperwärme wohl sehr angenehm temperiert sei. So grotesk das für heutige Ohren klingt, ich gehe davon aus, dass da zumindest ein Teil Wahrheit ist, auch wenn es wohl literarisch überspitzt ist.

Weiter wird berichtet, dass der Marktbereiter des industriellen Klopapiers in Deutschland wohl Hans Klenk war. Nach ihm wurde die Marke Hakle benannt. Seine Erfindung kam wohl schon Anfang des letzten Jahrhunderts auf den Markt. Wie sich allerdings der Markt entwickelt, darüber gibt auch dieses Buch keine genauere Auskunft. Aber diese Angabe deckt sich mit dem, was man bei Wikipedia über Hakle nachlesen kann.

Von meine Großeltern kenne ich auch noch die Geschichten, dass sie zu Kriegszeiten ein Plumpsklo hatten und kriegsbedingt kein Klopapier hatten. Deshalb nahm man eben Zeitungsschnipsel und konnte auf dem Klo auch gleich noch lesen. Ich kann mir höchstens vorstellen, dass Zeitung als Klopapierersatz in den 80ern höchstens noch in ländlichen Gegenden oder höchst alternativen Ökohaushalten genutzt wurde. Ich persönlich kenne aus meiner Kindheit niemanden mehr, der kein Klopapier hatte. So etwas hätte ich mir bestimmt gemerkt.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Francois Rabelais ist mir ein Begriff, und eben besonders sein Werk "Gargantua und Pantagruel". Das sind übrigens zwei Riesen, vielleicht eine Erklärung, wieso die Hühner als Toilettenpapier-Ersatz verwenden könnten? ;)

Andererseits ist das, wenn man von historischen Fakten sprechen möchte, leider absolut keine verlässliche Quelle. Also wenn der Autor dieses Toiletten-Buches die historische "Wahrheit" erforschen möchte, dann tut er sich keinen Gefallen, wenn er Rabelais zitiert. Der Gargantua-Roman war eine reine Satire, die insgesamt sehr überspitzt und derb war. Damals, als das Buch erschien, in der Frühen Neuzeit, war er von vielen Leuten sehr geächtet und man wollte seine Werke verbieten, eben weil sie so derb und zum Teil auch voller fantastischer Erzählungen, die man damals als Lügen auffasste, waren. Ob das eine realistische Quelle dafür ist, was damals Menschen dazu verwendeten, sich nach dem Toilettengang zu reinigen, das wage ich mal leider zu bezweifeln.

Benutzeravatar

» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich habe jetzt mal recherchiert und muss Dir recht geben. Ich wusste nicht, dass es sich hier um eine Satire handelt.

Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass Satiren nicht im luftleeren Raum entstehen. Wenn man sich die Satiren von zeitgenössischen Kabarets und Comedians ansieht, dann stellt man fest, dass sie meist irgendwelche Klischees oder aktuellen Geschehnisse durch den Kakao ziehen. Es muss also trotz Satire nicht sein, dass die Idee, sich mit Federvieh den Po zu wischen total aus der Luft gegriffen ist.

Ob man über die Toilettengewohnheiten des gewöhnlichen Volkes Überlieferungen und verlässliche historische Quellen findet, weiß ich nicht. Was allerdings historisch überliefert ist, sind die Toilettengewohnheiten von Herrschern wie dem Sonnenkönig. Da waren unsere Vorfahren wenig zimperlich und schamhaft. Bei mir ist jedenfalls noch nicht der letzte Zweifel ausgeräumt, dass an derartigen Behauptungen vielleicht doch etwas dran sein könnte.

Benutzeravatar

» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^