Wenn sich ein Laie als Chefarzt fühlt...

vom 10.05.2010, 09:15 Uhr

Ich habe ja hier schon von einer Verwandten berichtet, die ihr Umfeld mit schlauen Ratschlägen traktiert, gerade wenn es um medizinische Dinge geht.

Diese Frau ist generell immer der Meinung, dass sie alles besser weiß - unter anderem auch im medizinischen Bereich (in anderen Bereichen leider auch). Man muss sich dabei vor Augen halten, dass sie in einer Bank gearbeitet hat und keine fundierten medizinischen Kenntnisse besitzt. Alles was sie an Ratschlägen verbreitet, basiert auf ihrer eigenen Meinung und irgendwelchen Artikeln aus Frauen- und Apothekerheftchen. Ein medizinisches Fachbuch hat sie bisher nur aus der Entfernung gesehen.

Wenn jemand aus ihrem Umfeld krank ist, "diagnostiziert" sie schnell, was diese Person hat - oft aus der Ferne - und fängt dann mit ihren Ratschlägen an. Als meine Oma, also die Schwester dieser Frau, Probleme mit ihren Gallensteinen und starke Schmerzen hatte, war sie der Meinung, dass es sich um einen Bandscheibenvorfall handelt und dass sie doch unbedingt zum Orthopäden gehen sollte. Nachdem meine Oma beim Arzt war und sie später auch operiert wurde, kommen nun Vorschläge in die andere Richtung. Die Gallenblase wurde natürlich entfernt und meistens gibt es danach keine weiteren Probleme. Es kann zwar vorkommen, dass es noch zu einer erneuten Steinbildung kommt, nur eben nicht mehr in der Gallenblase selbst. Meine Oma hat öfter mal mit Rückenschmerzen zu kämpfen und wenn sie meiner Tante das mal sagt, dann ist diese nun der Meinung, dass die Ärzte sie bestimmt nicht richtig operiert hätten und die Schmerzen von der Gallenblase kommen und ausstrahlen würden. Solche Dinge können vielleicht mal vorkommen, aber man sollte vielleicht nicht automatisch erst in diese Richtung denken, sondern in eine Richtung, die wahrscheinlicher ist. Meine Tante verbeißt sich dann regelrecht in ihre Meinung und beharrt darauf, dass sie Recht hat.

Vor zweieinhalb Jahren hatte meine Tante einen Unfall und musste daraufhin ins Krankenhaus. Sie hat sich dort sehr aufgespielt und war immer der Meinung, dass die Ärzte sie falsch behandeln und dass sie alles besser weiß. Für die Nachsorge der Verletzung, beziehungsweise die Behandlung der Narbe, geht sie nach wie vor zu einem Spezialisten, der wirklich der einzige Arzt ist, dem sie vertraut. Er ist zwar Chirurg, aber dennoch versucht sie nun, ihr ganzes Umfeld von diesem Arzt zu überzeugen, der 70 km von ihrem Wohnort entfernt in einem Krankenhaus arbeitet. Er ist sicher gut, aber ich finde es zeitweise wirklich kurios, wenn sie jemandem mit Rücken- oder Herzproblemen dann auch auf diesen Arzt verweist, obwohl das völlig andere Fachrichtungen sind. Diesem Arzt vertraut sie vor allem deshalb, weil er vor allem das tut, was sie auch möchte. Er hat ihr noch nie gesagt, dass es in ihrem Fall vielleicht keinen Sinn macht, noch weiter Krankengymnastik zu machen, sondern schreibt sie ihr brav immer auf, wenn sie bei ihm ist. Gleiches gilt auch für Narbenpflaster. Die Narben sind wirklich nicht besonders schlimm, nur eben in einem ungünstigen Bereich.

Viele Ärzte haben sie schon auf ihr Verhalten angesprochen und auch darauf, dass ein Teil ihrer Beschwerden psychisch bedingt sein könnte. Davon will sie nichts wissen, obwohl sie selbst auch gelegentlich zum Psychiater geht und auch diverse Tabletten bekommt. Wenn ein Arzt andeutet, dass sie zum Katastrophisieren neigt, schiebt sie die Meinung des Arztes direkt weg und geht dann auch nicht mehr zu diesem Arzt, sondern sucht sich einen, der mit ihrer Meinung konform läuft.

Habt ihr in eurem Umfeld auch Leute, die immer alles besser wissen und jede ärztliche Meinung anzweifeln und selbst in dem Glauben leben, dass kein Arzt sie richtig behandelt und dass nur sie selbst wissen, was sie (und auch andere Leute in ihrem Umfeld) haben und wie man es behandelt?

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ja, das kenne ich auch :) Am schlimmsten finde ich es bei einer Bekannten, ich mag sie eigentlich ganz gerne, aber diese ewige Besserwisserei geht mir manchmal schon auf die Nerven. Egal in welcher Lebenslage, ob medizinisch, in der Liebe, bei der Arbeit, immer weiß und kann sie alles besser. Dabei stören mich noch nicht mal so sehr die Ratschläge an sich, was mich nervt, sie gibt diese Ratschläge immer völlig ungefragt! Wenn ich sie um einen Rat bitte, dann höre ich mir das auch gerne an. Aber wenn ich nicht frage, dann will ich mich auch nicht belehren lassen.

Früher bin ich deshalb immer wieder heftig mit ihr aneinander geraten. Zum Beispiel mein Mann. Sie findet, er unterstützt mich nicht genug und lässt sich bedienen. Mag sie in manchen Dingen vielleicht sogar Recht haben. Sie erklärt mir, was ich dabei alles falsch mache und zwar in einem Ton, wie man ein kleines Kind belehrt. Dabei hab ich mich gefragt, woher sie das so genau wissen will, ihre letzte Beziehung liegt über 10 Jahre zurück. Ich wollte mich nicht in dem Ton belehren lassen und bin mit der Zeit sauer geworden, fand außerdem, dass sie manches auch gar nichts angeht. Also war ein riesiger Krach angesagt.

Oder mein Kunstverständnis. Sie kennt sich ein bisschen mehr aus als ich, die Welt der Malerei ist nicht so meins. Ich sage, das Bild gefällt mir nicht, sie sagt: "Du hast ja gar keine Ahnung, weißt nicht mal wer das gemalt hat, wenn Du ein bisschen Verstand hättest, dann würdest Du sowas nicht sagen." Also bin ich wieder sauer und wir kriegen Krach. Solche oder ähnliche Begebenheiten könnte ich noch in Mengen aufzählen, das würde hier aber den Rahmen sprengen.

Heute nehme ich das gelassener. Wenn sie in ihrem Oberlehrer-Ton anfängt, dann höre ich ihr zu, sage nicht viel, diskutieren bringt eh nichts. Mich nervts einfach nicht mehr, weil ich mir denke, es ist ok, sie weiß es wieder besser, sie kann mich aber nicht zwingen, dass ich ihrem Rat folge. Ich weiß, das ist nicht optimal, aber mit manchen Menschen kann man einfach nicht diskutieren. Für mich ist das stressfreier und außerdem habe ich gemerkt, wenn ich gar nicht darauf eingehe, dann hört sie auch irgendwann wieder auf.

» maryshelley100 » Beiträge: 248 » Talkpoints: 0,82 » Auszeichnung für 100 Beiträge


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