Bücher von Hitomi Kanehara

vom 21.04.2010, 19:52 Uhr

Ich habe neulich auf einem Blog über die japanische Schriftstellerin Hitomi Kanehara gelesen. Sie ist noch recht jung, hat aber in Japan schon einige Preise mit ihren Werken gewonnen. Doch sie gilt auch als "Skandal-Autorin".

In ihren Werken, die schonungslos und gesellschaftskritisch auch die Abgründe der Menschen zeigen sollen, sollen so einige Tabus gebrochen werden, meinen jedenfalls einige Menschen. So geht es in ihrem Roman "Hebi ni Piasu" (auf Deutsch erschienen als "Tokyo Love") um eine junge Frau mit Piercings, die wohl irgendwelche Probleme mit ihrem Freund hat, und somit dem Alkoholismus verfällt und wohl auch selbstzerstörerische Tendenzen entwickelt. Interessanterweise regen die meisten Menschen sich bei diesem Werk über einige Beschreibungen auf, bei denen die Protagonistin Body Modifications erhält (beispielsweise lässt sie sich die Zunge spalten). Auf den tatsächlichen Hintergrund des Werkes kommt man in Rezensionen seltsamerweise kaum zu sprechen.

Auch bei einem anderen Werk von ihr, "Otofikushon" (in Deutschland unter dem Titel "Obsession" erschienen) soll es um eine junge Frau mit selbstzerstörerischen Tendenzen gehen, die in ihren bisherigen Beziehungen nur schlechte Erfahrungen gemacht hat, und deswegen nicht daran glaubt, glücklich sein zu können. Sie soll somit selbst in eigentlich glücklichen Zeiten nur noch das Unglück sehen, was ihr Leben dann natürlich weiterhin negativ prägt.

Ich muss sagen, ich würde mich schon einmal dafür interessieren, ihre Werke zu lesen. Interessant klingen sie für mich. Aber in deutschsprachigen Rezensionen ist immer nur von ekligen oder skandalösen Szenen die Rede, von Vulgärheiten und viel Sex. Sie wurde sogar einmal als "japanische Charlotte Roche" bezeichnet. Und die kann ich nicht leiden, daher zweifle ich eben sehr, ob ich an den Büchern von Hitomi Kanehara Freude haben würde, wenn die genauso wären.

Also, ich weiß nicht, sind ihre Werke wirklich so oberflächlich und allein nach Aufmerksamkeit heischend? Oder verstehen die meisten Rezensenten sie einfach nicht und sehen gar nicht den tieferen Sinn hinter den Beschreibungen? Ist ihr Stil denn wirklich so vulgär und gleichzeitig banal?

Vielleicht kann mir jemand von euch ja mehr dazu sagen. Oder vielleicht habt ihr einen Link für mich, wo ich eine Leseprobe ansehen kann?

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Oh ja, "Obsession" habe ich gelesen. Ein grauenhaftes Werk, das wie eine japanische Feuchtgebiete-Fassung anmutet. Es geht um eine völlig durchgeknallte junge Frau, die in Rückblicken von ihrem von Sex und Drogen reichen Leben berichtet. Die Geschichte hat weder Anfang noch Ende, keinen roten Faden und die Erzählerin nervt. Warum das Buch in seinem Heimatland so hochgejubelt wurde und mit Preisen ausgezeichnet, weiß ich nicht. Vielleicht hat man da das gleiche gemacht wie hier mit "Feuchtgebiete". Das fanden auch nur wenige gut, aber das Buch hat sich verkaufte wie warme Semmeln.

Andere Bücher der Autorin kenne ich bislang nicht, und nach Obsession habe ich da auch keine wirklich große Lust drauf. Eine Leseprobe findest Du hier, einfach links auf Leseprobe klicken, dann öffnet sie sich, dafür muss man nicht angemeldet sein. Die Leseeindrücke und rezensionen kann man auch so offen lesen. Bei den rezensionen haben die meisten nur ein Stern gegeben, einige wenige fünf Sterne, dazwischen gibt es kaum was. Also genau das gleiche wie bei Feuchtgebiete.

» Morgaine » Beiträge: 2701 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Danke für den Link. Ich habe mir die Leseprobe jetzt auch schon einmal durchgelesen. Meine Meinung dazu ist ziemlich gespalten.

Einerseits muss ich ehrlich sagen, finde ich einige Stellen auf eine tragische Weise amüsant. Dass die Frau völlig krank ist, macht mir ganz ehrlich nichts aus. Im Grunde mag ich vollkommen verwirrte Charaktere. Probleme, ihr zu folgen, habe ich eigentlich auch nicht.

Nur, irgendwie wird das Interesse an dem Text bei mir dadurch gemindert, dass es doch stellenweise sehr vulgär ist, unnötig vulgär. Auch spricht mich der Sprachstil nicht so sehr an. Ich befürchte leider, das ist möglicherweise eine Folge der deutschen Übersetzung. Wer weiß, vielleicht ist das Original weniger vulgär? Würde dann vielleicht erklären, wieso es in Japan gut ankam. ;)

Wobei auch die Story mir soweit nicht so schlüssig erscheint. Die Erzählerin leidet ja andauernd darunter, dass ihr Mann wenig Zeit mir ihr verbringt. Irgendwie scheinen die beiden in Sachen Nähebedürfnis rein gar nicht zusammen zu passen. Da frage ich mich die gesamte Zeit, wieso sie überhaupt geheiratet haben. Also, das wirkt einfach von der Handlung her unlogisch für mich.

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» Wawa666 » Beiträge: 7277 » Talkpoints: 23,61 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Da ich das ganze Buch gelesen habe (weil es ein Rezensionsexemplar war; anderenfalls hätte ich das sehr schnell abgebrochen, bzw. gar nicht erst gekauft), kann ich Dir versichern, dass die Leseprobe im Gegensatz zum Rest vom Text kaum vulgär ist. Das wird später noch weit extremer.

Ob es an der deutschen Übersetzung liegt? Möglich, aber die Handlung wird ja in der Originalsprache ebenso sein und da wird die Protagonistin also genauso ihre Erfahrungen mit Sex, zugedröhnt sein, Drogen, Abtreibung, usw. machen. Ich kenne die japanische Mentalität nicht, bzw. hatte sie für eher zurückhaltend und nicht so offen gehalten wie in dem Buch dargestellt. Vielleicht ist das der Grund, wieso es in Japan ein solches Aufsehen erregte; eine sehr junge Frau (am Anfang des Buches ist sie 22, da aber in Rückblicken erzählt wird, ist sie am Ende, bzw. eigentlichem Anfang ihrer Geschichte erst 15), die durch sämtliche Abgründe geht und die in größter Freizügigkeit ausgiebig schildert. Feuchtgebiete ist ja auch nicht gerade als Spiegel der Gesellschaft und Buchwelt zu sehen und hat gerade deshalb diese Aufmerksamkeit (leider) bekommen.

Ich kenne den japanischen Buchmarkt nicht, inwieweit ist "Obsession" da ungewöhnlich? Oder sind generell solche Bücher - also mit menschlichen Abgründen - bei japanischen Lesern sehr beliebt?

Die Handlung bei "Obsession" ist so kaum vorhanden, die Protagonistin ist ja krankhaft eifersüchtig. Wie es dazu kommt, wird zwar dann erzählt, aber schlüssig war das für mich auch nicht. Der Titel trifft es dafür ausgezeichnet.

Wenn Dich das Buch interessiert, guck Dich mal bei Tauschticket und ebay um. Da das Werk bei den allermeisten Lesern nicht gut wegkam, kann man es relativ leicht für wenig Geld oder eben über Tauschticket bekommen.

» Morgaine » Beiträge: 2701 » Talkpoints: 9,09 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



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