Was ist eine Jugendweihe?

vom 17.04.2010, 19:27 Uhr

In einem anderen Beitrag habe ich gerade gelesen, dass jemand eine Jugendweihe hatte. Da es in dem anderen Thread jedoch um etwas anderes ging, wollte ich hier extra danach fragen was das ist.

Ich komme aus Österreich, liegt es daran, dass ich das nicht kenne? Gibt es das nur in Deutschland oder auch in anderen Ländern? In welchem Alter hat man eine Jugendweihe? Ist das mit einer bestimmten Zeremonie verbunden? Ist das eine religiöse Feier? Wie schaut so eine Zeremonie oder Feier aus?

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Also eine Jugendweihe ist umgangssprachlich so etwas wie die nicht religiöse Version einer Firmung oder Konfirmation. Hierbei gibt es eine offizielle Feierstunde wo alle vorne auf die Bühne aufgerufen werden ein schönes Buch und eine Rose erhalten und sozusagen in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen werden. Danach schmeißt man zu Hause eine Party und bekommt von den Verwandten Geld zugesteckt. Ach und die Jugendweihe findet meistens in der 8.Klasse statt.

Das du das nicht kennst fand ich im ersten Moment seltsam, aber dann ist mir wieder eingefallen das die Jugendweihe ja erst im letzten Jahrhundert eingeführt wurde. Ich glaube sie hatte sich im zweiten Weltkrieg entwickelt, auf jeden Fall wurde die Feierstunde in der DDR stark gefördert und genutzt um den Zusammenhalt zu fördern und dies zu propagandieren würde ich jetzt behaupten, dementsprechend ist es auch kein Wunder wenn du es nicht kennst. Allerdings würdest du zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern wohl niemanden finden der dies nicht kennt, denn dort werden selbst in Kleinstädten sehr viele Tage nur für Jugendweihen gelegt.

Ich selbst hatte auch eine Jugendweihe und fand es auch sehr schön, da es der erste Anlass war bei dem ich mal ein schickes Kleid tragen durfte und mir vom Friseur die Haare gemacht wurden. Weiterhin konnten wir an gewissen Ausflügen kostenlos teilnehmen, die inzwischen sozusagen zum freiwilligen Programm gehören, da gibt es eine Beratung beim Friseur, eine Fahrt nach Babelsberg, die allerdings nicht kostenfrei ist und solche Sachen halt. Bei mir zu Hause ist das ganz groß geschrieben, da macht dann fast die ganze Klasse in der 8. Klasse eine Jugendweihe, was allerdings auch daran liegt das die Religion bei uns stark zurückgeht. Ich hoffe du weisst jetzt was eine Jugendweihe ist und ich konnte es soweit erklären ;-)

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» pichimaus » Beiträge: 2016 » Talkpoints: 6,99 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Danke. Nach deiner Beschreibung habe ich nun zwar eine Vorstellung davon was eine Jugendweihe ist, jedoch kommt sie mir noch immer nicht bekannt vor. Ich glaube, sowas gibt es zumindest in Ostösterreich nicht. Oder lebe ich schon so blindäugig dass mir das noch nicht aufgefallen wäre?

Nur noch eine kurze Frage dazu: nehmen daran prinzipiell alle Jugendlichen teil, oder können sie das zumindest machen oder nur jene die keine Religion haben? Weil du ja geschrieben hast, dass es so was ähnliches wie eine Firmung ist nur eben nicht religiös.

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» tournesol » Beiträge: 7760 » Talkpoints: 69,99 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Es kann teilnehmen wer will, der Spaß muss von den Eltern ja schließlich auch bezahlt werden. Es dürfen natürlich auch religiös erzogene Kinder teilnehmen, aber es ist eher die Alternative wenn du keiner Religion angehörst.

Und ja es nehmen fast alles Jugendlichen daran teil. In meiner Klasse waren es ungefär drei viertel der Klasse, die zur Jugendweiheveranstaltung gingen. Es handelt sich hierbei allerdings um keine Pfilichtveranstaltung. Es gibt auch immer mal wieder vereinzelt Jugendlich die an gar keinem Ereignis teilnehmen, jedenfalls war das bei uns immer so.

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» pichimaus » Beiträge: 2016 » Talkpoints: 6,99 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Also bei uns war es eigentlich so, dass nur die nicht religiösen Kinder an der Jugendweihe teilgenommen haben. Die religiösen Kinder haben halt Konfiramtion oder Firmung gemacht. Das gehört da ja irgendwie dazu. Und als Alternative für alle nicht kirchlichen Kinder wird dann halt hier die Jugendweihe gefeiert.

Eine wirkliche Zeremonie ist das aber in meinen Augen für die meisten nicht. Klar gibt es eine obligatorische Feierstunde. Aber viele nehmen das fast eher als kleines Übel mit, was dazu gehört, da die meisten sich auf die Geldgeschenke freuen die es da gibt. Da wird teilweise doch schon sehr viel von Verwandten geschenkt, weswegen auch nur meiner Erfahrung nach sehr wenige Jugendliche darauf verzichten eine Jugendweihe, Konfirmation oder Firmung zu feiern. Aber grundsätzlich kann das jeder machen, wenn er will, auch wenn er kirchlich ist. Soll halt nur eine Alternative für die sein, die keine Konfirmation oder Firmung machen könnten.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


Die Jugendweihe ist ja eine Erfindung der DDR und das, soweit mir bekannt, aus zwei Gründen. Einmal wollte man den Einfluss der Kirche auf die Jugend reduzieren. Gleichzeitig war die Jugendweihe halt auch Zentral durch den Staat organisiert und daher für die politische Erziehung der Jugendlichen sehr geeignet.

Zu meiner Zeit also 1987, gab es dann noch sogenannte Jugendstunden. Dabei war unter anderem der Ausflug nach Weimer auf den Ettersberg in das ehemalige Konzentrationslager. Im Glockenturm wurden dann feierlich in die FDJ aufgenommen. Das war die Jugendorganisation in der DDR, welche natürlich auch der korrekten politischen Erziehung gegolten hat.

Im ländlichen Bereich war dann jedes Dorf froh, wenn es mal dran war die Eröffnungsjugendweihe vom Kreis zu bekommen. Diese war meist Ende März und bekam da einiges an Zuschüssen damit die Räumlichkeiten für die Feierstunde auch frisch renoviert werden konnten. Denn bei dieser Jugendweihe war eben auch entsprechend viel an Parteigenossen zu Gast.

Danach war dann zu meiner Zeit halt die Feier zu Hause, wo man als Jugendlicher doch sehr auf zahlreiche Geschenke gehofft hat. Klar haben viele Mädchen auch zu meiner Zeit noch Handtücher und Bettwäsche für die Aussteuer bekommen. War ja doch recht knapp gute Ware davon zu bekommen.

Ausserdem gibt es da noch heute auf dem Land von den Nachbarn und Bekannten ordentlich Geldgeschenke. Für den Jugendlichen lohnt sich in der Richtung die Veranstaltung halt schon. Wobei der Trend doch wieder mehr in die Richtung geht, das ganze bewusster zu erleben. Denn es ist schon zu erkennen, das gerade die Mädchen sehr viel Wert auf ihre Gaderobe dabei achten.

Nach der Wende wurde halt diese Feier beibehalten, weil einfach der Bedarf gerade in den neuen Ländern weiterhin hoch war. Und dann schwappt das eben halt auch nach und nach auf die Regionen der Altbundesländer über. Denn auch dort gehört nicht jede Familie einer Kirche an und somit haben die Jugendlichen eben im Alter von 14 Jahren etwas, wo sie dann offiziell zu den Erwachsenen gehören.

Die 8. Klasse wurde halt zu DDR-Zeiten festgelegt, weil es bis in die sechziger Jahre noch üblich war, das man nur 8 Jahre in die Schule ging. Danach begannen viele schon eine Ausbildung und die Klasse war halt nicht mehr zusammen. Nicht umsonst sagen die älteren Leute noch das man aus der Schule kommt und nicht Jugendweihe hat.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Punktedieb hat geschrieben:Die Jugendweihe ist ja eine Erfindung der DDR und das, soweit mir bekannt, aus zwei Gründen.


Auch wenn sie in der DDR aus politischen Gründen sehr populär war, so ist sie doch keine Erfindung der DDR. Die Jugendweihe gibt es schon seit Ende des 19.Jahrhunderts als Opposition zur Kirche und erlebte ihre Blüte in der Weimarer Zeit.

Entgegen dem was pichimaus schrieb hat sie aber recht wenig mit dem Nationalsozialismus/Zweiten Weltkrieg zu tun. Ganz im Gegenteil da wurde sie sogar stark unterdrückt, da die Jugendweihe vor allem von freireligiösen Gemeinden angeboten wurde und dort eben auch eine Weltanschauung vermittelt die man als liberal und freidenkend bezeichnen könnte. Sowas passte natürlich nicht in den Nationalsozialismus und wurde deswegen durch eigene NS-Rituale versucht zu ersetzen.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Das du das nicht kennst fand ich im ersten Moment seltsam, aber dann ist mir wieder eingefallen das die Jugendweihe ja erst im letzten Jahrhundert eingeführt wurde.

Erst mal danke für die bisherigen Erklärungen. Denn bis vor 10 Jahren wußte ich auch nicht, was eine Jugendweihe ist. Ich bin fast 48 Jahre und in dem Teil von Deutschland, wo ich aufgewachsen bin gab es das nicht. War einer nicht religiös und ist nicht zur Konfirmation oder Firmung gegangen, dann ist er eben nicht "geweiht" worden. Ich habe von der Jugendweihe das erste mal gehört, als ich meinen Mann kennenlernte, der aus den neuen Bundesländern stammt.

Ich habe mich immer gefragt, was die Jugendweihe eigentlich soll. Ist das, weil man sich ungerecht behandelt, den Gläubigen gegenüber gefühlt hat und auch Geschenkt wollte? Oder warum wurde das überhaupt eingeführt? So viel wie ich weiß, ist es nur in Ostdeutschland mit der Jugendweiehe praktiziert worden.

Wird die Jugendweihe denn mittlerweile auch in den alten Bundesländern gehalten? Oder ist es immer noch den neuen Bundesländern vorbehalten? Eine "Weihe" hat doch eigentlich was mit Kirche zu tun. Was bedeutet das Wort "Weihe" im Zusammenhang mit der Jugendweihe?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich habe es jetzt nochmal nachgelesen und es ging schon 1844 mit der Entwicklung los. Damals eben zwar noch religiös, aber doch schon etwas von den reinen evangelischen bzw. katholischen Riten abgewandelt.

Später ging man von dem religiösen Handlungen komplett weg, damit eben auch die Menschen entsprechende Feiern haben konnten ohne einer Kirche angeschlossen zu sein. Genaueres über die Entwicklung und das eben nicht nur die Jugendweihe die kirchlichen Zeremonien ersetzte kann man beim MDR nachlesen.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich kannte die Jugendweihe, als typisches westdeutsches Mädchen, wie Diamante auch nicht. Den Begriff lernte ich erst im Internet kennen.

Für mich war es rein gedanklich was ähnliches wie Konfirmation und eventuell Firmung. Wobei hier die Firmung nicht so gross gefeiert wird, wie die Kommunion oder die Konfirmation in der evangelischen Kirche. Und es war für mich auch was typisch Ostdeutsches. Hier aus dem Westen kenne ich das bis heute nicht.

Allerdings weiss ich schon lange, das es kein ostdeutsches Relikt ist, sondern das es schon lange vorher eine Art Tradition war. Auch wenn ich den wirklichen Sinn und Zweck nicht wirklich kannte.

Ich habe mich dann vorhin auch ein wenig belesen. Als Aussenstehende wirkte die Erklärung auf mich so. Das in den Schulen neben dem regulären Religionsunterricht auch Ethikunterricht stattfindet, das kennen ja die meisten. Und der Unterricht der wohl zum Teil vor der Jugendweihe stattfindet, gleicht in meinem Augen dem, was wir während des Firmunterrichts gemacht haben. Ähnlich wie es wahrscheinlich auch im Ethikunterricht zu geht.

Wobei in der eheamligen DDR ja auch noch andere Sachen damit verbunden wurden, als heute. Und ganz früher halt auch die Jugendweihen quasi mit dem Schulabschluss nah beieinander lagen. Die Jugendweihe also auch ein Punkt war, in dem man in der Regel in das Erwachsenenleben einstieg.

» LittleSister » Beiträge: 10426 » Talkpoints: -11,85 » Auszeichnung für 10000 Beiträge


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