Kind zum Wehrdienst raten?
Mein Sohn hatte neulich ein Schreiben vom Einwohnermeldeamt bekommen wo es um die Erfassung von Wehrpflichtigen ging. Unabhängig voneinander hatten meine Frau und ich zu ihm gesagt dass er sich doch für den Wehrdienst entscheiden sollte. Er meinte, wir wären Rabeneltern und sicherlich die einzigen Eltern auf der Welt die ihren einzigen Sohn beim Militär sehen wollen, außerdem sei er Pazifist und der Dienst an der Waffe ist nicht mehr zeitgemäß.
Was meint ihr, ist es wirklich so ungewöhnlich dass Eltern zum Wehrdienst raten und wenn ja, warum?
Eine Entscheidung, den Dienst an der Waffe zu verrichten, zu Verweigern oder aber sich auch für eine Totalverweigerung zu entscheiden, ist eine individuelle Gewissensentscheidung. Selbst als Eltern kann man da nicht mitbestimmen. Das wird Dein Sohn schon mit sich selbst ausmachen müssen.
Das er so schockiert reagiert, weil Du ihm zum Wehrdienst rätst, kann ich irgendwo nachvollziehen, wenn man bedenkt, wie viele Krisenherde z.Z. von deutschen Soldaten betreut werden. Allerdings ist vor der Kritik zu bedenken, dass es keine Gewähr dafür gibt, dass er in entsprechende Gebiete versetzt wird. Solange er nicht von sich aus dies verlangt.
Wenn er sich dann noch als Pazifist sieht, hat er vielleicht auch erwartet, dass seine Gesinnung gegenüber dem Kriegsdienst bekannt ist. Daher auch sein gesteigertes Unverständnis. Wobei man ihm vielleicht sagen sollte, dass der Dienst an der Waffe heute so zeitgemäß bzw. nicht mehr zeitgemäß ist (je nach Standpunkt) wie schon immer. Das unterliegt keinen zeitlichen Moden. Nur hat man es heute leichter, wenn man verweigert. Allein die Gleichstellung was die Länge des Dienstes angeht. Ebenso wird man als Verweigern nicht gleich in eine Schublade gesteckt, was tatsächlich mal ein Problem war hinsichtlich der eigenen Karriereplanung.
Und ob es ungewöhnlich ist, dass Eltern dem Sohn zu- oder abraten, zur Armee zu gehen, kann ich nicht sagen. Wird ja viel vom Hintergrund der Eltern und der Umgebung (Verwandtschaft, Nachbarn, Arbeitskollegen) abhängen.
Es wird aber doch einen Grund haben, aus dem Du ihm entsprechend zugeraten hast. Warum ist denn dies geschehen? Aus heutiger Sicht sind doch Militärdienst und Zivildienst gleichgestellt, so dass ihm kein Nachteil durch die Verweigerung entsteht.
Ich sehe es wie derpunkt, es ist eine Entscheidung deines Sohns. Wir hätten z.B. akzeptiert, wenn unser gesagt hätte, er will hin. Allerdings hat er in der Sache die gleichen Ansichten wie wir und konnte seinen Standpunkt auch vertreten.
Bei Bekannten von uns, unterstützt der Vater (der selber Aufgrund einer Augenerkrankung nie zum Bund musste) den Wunsch seines Sohns zum Bund zugehen, seine Frau und auch wir anderen finden die Entscheidung nicht gut. Allerdings wird auch in der Familie die Entscheidung unseres Sohn akzeptiert und auch den Job, den er stattdessen macht, finden alle passend für ihn. Nur der andere Junge möchte eben unbedingt zu den Gebirgsjäger. Er war sogar ausgemustert (irgendwas mit den Füßen) und ist extra zum Arzt gegangen und hat sich bestätigen lassen, dass er gesund ist.
Ich finde in der Entscheidungsfindung sind wir Eltern gefragt, dass für und wieder aufzuzählen. Denn die Zeit dort, muss dann der junge Mann selber durchstehen. Es gibt sicher auch Bereich, in denen man auch bei der Bundeswehr etwas sinnvolles lernt, auch wenn es mir schwerfällt diese zu benennen.
derpunkt hat geschrieben:Aus heutiger Sicht sind doch Militärdienst und Zivildienst gleichgestellt, so dass ihm kein Nachteil durch die Verweigerung entsteht.
Na im Grunde ist da nichts gleichgestellt, denn als Zivi steht man heute sogar noch besser da, ausgenommen natürlich bei Berufen die in den "militärischen" Bereich fallen, z. B. Polizei, Sicherheitsdienste usw, da die meisten den Wehrdienst heute eher als stumpf und nicht mehr als verantwortungsvollen Dienst an der Gesellschaft, sondern eher für sich (saufen & ballern) ansehen was wiederum mit der starken Aufwertung des Zivildienstes zusammenhängt. Auch die ganzen Skandale durch die die Bundeswehr regelmäßig auffällt (immer wieder Misshandlung von Rekruten) steigt da auch nicht unbedingt deren Attraktivität.
Gerade im vorakademischen Milieu, soweit ich weiß ist ja das Studium auch aktuell für deinen Sohn und er steckt im Abitur oder hat es schon hinter sich, ist es mehr oder weniger "in" Zivildienst zu leisten. Das liegt meist jedoch weniger an der Geilheit auf soziale Tätigkeit, sondern dass Zivildienst im Grunde meist nichts anderes ist als ein Aushilfsjob für ein paar Monate, da man im Grunde sein Leben nicht umstellen muss (hinsichtlich Freunde, Hobbys, abends weggehen) sondern einfach so weitermachen kann und man natürlich in der Praxis finanziell besser gestellt ist als Rekruten.
Komisch finde ich jedoch seine Reaktion, dass ihr Rabeneltern sein sollt - denn Rekruten, außer wie derpunkt schon gesagt hat, gammeln sowieso nur in den Kasernen vor sich hin und werden nur unter bestimmten Voraussetzungen (soweit ich weiß: Verlangen + Dienstverlängerung) ins Ausland versetzt. Es ist halt eine Vorstellung, die sich nicht mit der eigenen deckt. Fiel da vielleicht etwas mehr als nur der Wunsch, dass er lieber zum Militär gehen soll?
Nur so: Meine Familie hat mir persönlich sogar vom Wehrdienst "abgeraten" durch Androhung von Enterbung, obwohl wir immer eine Offiziersfamilie waren (vom alten Fritz bis zum Ende der DDR) , daher fällt es mir auch etwas schwer nachzuvollziehen, warum Eltern sich denn wünschen, dass ihre Kinder speziell den Wehrdienst statt des Ersatzdienstes leisten.
Subbotnik hat geschrieben:Na im Grunde ist da nichts gleichgestellt, denn als Zivi steht man heute sogar noch besser da
Ja, das habe ich so gar nicht in Betracht gezogen. Ich bin irgendwie noch in der Zeit stehen geblieben, als es tatsächlich gesellschaftlich "weniger angesehen" war, wenn ein "Mann" den Wehrdienst verweigert (wo doch der Wehrdienst einen Mann erst ausmacht) und eher als "ungeeigneter Waschlappen" gegolten hat, wenn es um ein Leben danach geht.
Es gab ja wirklich eine Zeit, in der man gute Erklärungen bei Vorstellungsgesprächen gebraucht hat, wenn man verweigert hat und nicht "seinem Vaterland" dienen wollte. Das dies auch durch Zivis geschieht (auch bzgl. militärischer Planspiele), ist eine Erkenntnis, die sich ja bis heute noch nicht durchgesetzt hat und sich vermutlich erst dann durchsetzt, wenn es keine Zivis mehr gibt.
Ich denke, das kommt auch darauf an, welche Einstellung man selbst als Elternteil zum Thema Bundeswehr hat und zum Teil auch sicherlich, welche Erfahrungen man selbst gemacht hat.
Mein Bruder und ich wurden damit grossgezogen, das man uns sagte, wenn mein Bruder gross ist, muss entweder halt zur Armee oder muss alten Menschen den Po abwischen. Sprich Zivildienst wurde bewusst negativ dargestellt. Allerdings wurden wir beide in den 70er Jahren geboren und da wurde Zivildienst noch anders eingestuft als heute.
Unser Vater kramt auf jeder Familienfeier seine Geschichten vom Barras raus. Wir können sie an sich schon nicht mehr hören. Wobei mein Vater in der Küche war und an sich auch nur davon sprach. Von dem eigentlich Dienst an der Waffe erzählt er nie was.
Klar bekam man damals als Mädchen auch mal am Rande mit, wenn Bekannte und so gemustert wurden. Oder sich dann halt auch für den Zivildienst entschieden. Ein Kollege in der Berufsschule bezog aber damals auch eindeutig Stellung zu dem Dienst an der Waffe. Er selbst hatte seine Bundeswehrzeit schon lange hinter sich. Er hatte an sich wohl auch vor zu Verweigern und sich dann für den Dienst an der Waffe entschieden. Er erklärte uns, falls es zum Krieg kommen sollte, schützt einen nicht, das man "nur" Zivildienst gemacht hat. Im Falle des Falles kann es durchaus dazu kommen, das man auch als ehemaliger Zivildienstleistender zum Dienst an der Waffe verpflichtet wird. Das ist in meinen Augen ein Punkt, über den man auf alle Fälle mal nachdenken sollte. Und bevor das nun jemand auseinander pflückt ala ja aber erstmal sind die dran, die ihren Wehrdienst abgeleistet haben- ich sprach vom Falle des Falles. Irgendwann sind auch diejenigen die ihren Wehrdienst gemacht haben entweder zu alt oder krass gesagt verheizt.
Ich war als mein Bruder zur Musterung musste die treibende Kraft die zur Verweigerung aufrief. Mein Bruder wollte das dann aber aus anderen Gründen auch. Meine Mutter war es recht. Aber mein Vater machte uns Vorwürfe in die Richtung, er sei doof eine Verweigerung zu schreiben, er solle doch lieber abwarten, weil es könne ja der Fall eintreten, das man ihn vergisst und er gar nicht gezogen wird. In meinen Augen eine naive Hoffnung.
An sich ist ein Mann mindestens 18 Jahre alt, wenn er zur Bundeswehr muss. Ich denke in dem Alter kann ein Mann selbst entscheiden, welchen Weg er gehen mag.
Ich als Kind würde mir aber auch die Gründe meiner Eltern anhören. Hooker was sind denn die Gründe, warum ihr gerne möchtet, das euer Sohn Dienst an der Waffe macht? Und ich halte euch nicht für Rabeneltern, weil ihr euere Meinung vertreten. Allerdings sollte die wohl auch begründet werden.
Und ich bin eher Links eingestellt, sprich ich habe mit der Bundeswehr wenig am Hut. Aber so negativ wie sie hier dargestellt wird, finde ich sie nicht. Und ich weiss auch, das nicht alle da nur zum Saufen sind.
Sicherlich ist es absolut seine Entscheidung und wir können seinen Wunsch letztendlich auch nur akzeptieren, wir waren nur so überrascht dass er sich für einen Pazifisten hält und seine Entscheidung gegen einen Wehrdienst augenscheinlich schon feststeht. Unter Druck setzten wollen und werden wir ihn nicht, ich hätte mir allerdings gewünscht das er mal nicht den bequemeren Weg wählt.
Über den Sinn und Unsinn des Soldatenlebens und insbesonders die bekannten Schattenseiten möchte ich mich nicht auslassen, Fakt ist aber das man was fürs Leben lernt. Ich denke da unter anderem an das Erkennen der körperlichen Grenzen, Kameradschaft, Toleranz, Disziplin, Verantwortung, Gruppenverhalten, Eigendynamik und so weiter. Auch die vielen Erfahrungen die man nebenbei dort mitbekommt halte ich wichtig für ein späteres Leben, und sei es nur dass man lernt einem Vorgesetzten nicht offen zu widerspechen, das nicht immer die Klügsten das Sagen haben und dass die kaputtesten Typen immer oben sitzen. Meine Frau hatte ähnliche Beweggründe, fasst sie aber mehr unter Selbstständigkeit und Bewusstseinserweiterung zusammen.
@hooker
Diese Erfahrungen hast Du aber genauso im Zivildienst, mal abgesehen von der Kameradschaft, da man natürlich mehr in ein Arbeitnehmerkollektiv eingebunden ist mit Berufstätigen. Daher wird ironischerweise das ganze von Arbeitnehmern ja besser bewertet, da der Zivildienst ähnlich wie ein bezahltes Berufspraktikum angesehen wird, man also konkret fürs Berufsleben lernt. Körperliche (und sogar psychische) Belastungen erfährst Du da genauso - und Zivis sind genauso in die "Kommandohierarchie" ihrer Dienststelle eingebunden wie Rekruten, teilweise sogar stärker, da man als Arbeitnehmer viel direkter und schneller abgestraft wird bei Ungehorsam als im Schutz einer Gemeinschaft mit ihren eher eigenen Regeln.
Ich muss Dir ja nicht erzählen, wie schnell man sich als Arbeitnehmer ins Abseits schießen kann, wenn man sich nicht an die geltenden Regeln hält und meint aus der Reihe tanzen zu müssen.
Dazu bekommt man als Zivi ja ein Entlassungszeugnis, welches mit einem Arbeitszeugnis identisch und in der typischen Personalersprache verfasst ist und somit aussagekräftiger bei der Beurteilung von Arbeitnehmern.
Gerade die von Dir angesprochenen Faktoren sieht man z. B. bei mir in der Familie wieder völlig anders auch wenn man da genauso Wert darauf legt, da bei uns die Bundeswehr als Kasperverein und Luschentruppe gilt bzw. da immer der Spruch fällt, dass es "sowas" damals in der Wehrmacht / SS / NVA und bei den Preußen nicht gegeben hätte. Ich wurde ja auch mal bedrängt, die Familientradition fortzuführen, aber dann bitte nur bei den Amis oder in der Legion, da die wenigstens noch "richtiges Militär" wären wo die u. a. angesprochenen Werte auch noch vermittelt werden.
Ich sehe schon, was euch wichtig ist - aber diese Faktoren hast Du genauso beim Zivildienst bzw. oft sogar noch deutlich stärker ausgeprägt, da man eben Arbeitnehmer ist von dem oft mehr verlangt wird als eigentlich zulässig ist. Denn wie Zivis als billige, aber möglichst gleichwertige Ersatzarbeitskräfte "missbraucht" werden ist ja wieder die andere Seite der Medaille und man sehr viel mehr Druck auf sie ausüben kann (eben weil die Regelungen bei Ungehorsam ähnlich streng ausfallen wie bei der Bundeswehr). Was eben fehlt ist die Kontrolle und die Einschränkung des Privatlebens, also da nicht geguckt wird, ob man sein Bett ordentlich macht oder seine Kleidung richtig faltet - aber sowas wird meist (wenn man schludrig ist) über die interne Hackordnung am Arbeitsplatz geregelt.
@ hooker
Wie gesagt, meinen Eltern war das damals auch nicht so wirklich recht, das mein Bruder nicht zur Bundeswehr gegangen ist. Wobei es meiner Mutter wohl am wichtigsten war, das ihr Sohn halt noch daheim war.
Allerdings hat der Zivildienst meinem Bruder wirklich viel gebracht. Er war Zivi der für alte Menschen einkaufte und putzte. Ich muss dazu sagen, das wir beiden Kinder wenig zu Hausarbeiten rangezogen wurden. Und er noch weniger als ich. Ich habe das meiste was für den Haushalt wichtig war halt automatisch während meiner Berufsausbildung gelernt, sonst könnte ich wahrscheinlich bis heute keinen Boden wischen.
Mein Bruder hat aber eine Ausbildung in einem Büro gemacht. Als Zivi bei alten Menschen putzen ist sicherlich nicht einfach. Vorallem weil die halt noch nach ihren Massstäben geputzt haben wollen. Und die waren da auch zum Teil ziemlich hinterher. Und mein Bruder selbst sagt, er hat während seiner Zivildienstzeit richtig putzen gelernt.
Alle anderen Tugenden kannte er schon aus dem Fussballverein oder halt von seinem Arbeitsplatz her. Oder er bekam es im Elternhaus mit, immerhin hatten meine Eltern ein eigenes Geschäft und da wurde mit manchen Dingen generell ganz anders umgegangen.
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