Betrug am Verbraucher: Klebefleisch überall
Formfleisch war gestern, heute ist Klebefleisch aktuell. Denn die rohem Schinken macht sich bei vielen Herstellern, NoName und auch Marken, eine immer größere Praxis breit: verschiedene Fleischteile, nicht unbedingt minderwertig, mit Enzymen zusammenzukleben. Besonders beliebt ist das aktuell bei Schinken - egal ob Nussschinken oder Lachsschinken, u. A. mit dem Verweis auf das "natürliche Produkt" oder "aus dem ganzen Stück".
Gerade die großen Hersteller Wittmann und Berschneider, sowie Gutfried (geräucherter Putenlachsschinken) kleben laut Recherchen von ndr Markt (Sendung vom 12.04.2010) gerne ihren als qualitativ hochwertig deklarierten Schinken mittels Transglutaminase aus verschiedenen Einzelteilen zu einem Stück zusammen. Dies muss aktuell mangels Kennzeichnungspflicht noch nicht auf der Verpackung ausgewiesen werden.
Formfleisch und das von dir genannte Klebefleisch ist im Endeffekt das selbe. Durch die Behandlung werden Stoffe quasi freigesetzt, die dann die Teile zusammen kleben lassen. Zumindest ist das auch das Grundprinzip beim Formfleisch. Einzelteile werden durch Zugabe von Salz und eventuell Wasser in eine Maschine gegeben, die sich Poltermaschine nennt. Das ist im Grunde nicht viel anders, als wenn man Fleisch in eine Tüte gibt und die kräftig schüttelt. Also richtig kräftig und lange.
In der Poltermaschine setzen sich dann Eiweisse frei, die halt dann eine eher klebrige Konsistenz haben und so kann das Fleisch nachher zu einem Stück gepresst werden.
Da ich mir ziemlich sicher war, das in den Leitsätzen für Fleisch- und Fleischerzeugnisse klar geregelt ist, aus was ein (Schweine-) Nußschinken bestehen muss, habe ich mal Onkel Google befragt. Beck-Online (die Seite dürfte dir ja ein Begriff sein) stellt den gesamten Gesetztestext zur Verfügung.
Dort steht auch klar drin, aus was Nußschinken hergestellt werden darf. Bei Puten-Lachsschinken, auf den du dich ja unter anderem beziehst, sieht es ein wenig anders aus. Generell wird Lachsschinken ja aus dem Schweinerücken, ohne Knochen, hergestellt. Das dürfte mit dem Putenrücken schwierig sein. Die Leitsätze für Fleisch- und Fleischerzeugnisse lassen es aber zu, Putenlachsschinken aus der Putenbrust hergestellt werden dürfen. Wie der behandelt werden muss, wird aber nicht genannt. Und irgendwie ist da ja auch eine gewisse Verbrauchererwartung. Lachsschinken ist schmal und es sind kleine, eher runde Scheiben. Die Putenbrust ist aber nun mal eher breit, als dünn.
Ich bin mit Sicherheit kein besonders grosser Fan von Formfleisch. Egal welcher Art. Aber in manchen Fällen ist die Behandlung durchaus sinnvoll. Zu einem auch Verkäufer- und auch Kundenfreundlich. Solange halt wirklich nur mit ganzen Stücken gearbeitet wird und nicht Gulasch zu Schinken gemacht wird.
Wenn ich solche Geschichten höre oder lese, bin ich immer froh, dass ich in einer kleinen Metzgerei kaufe, die die Kühe, die sie verarbeitet, mit Namen kennt und die von klebenden Enzymen wahrscheinlich noch nie etwas gehört hat.
Andererseits stellt sich natürlich die Frage, was eigentlich so schlimm daran ist, wenn ein Schinken aus mehren Teilen zusammengesetzt wird. So lange das Fleisch hochwertig ist und wenn die Methode, die zum zusammenkleben verwendet wird keine Nebenwirkungen hat - also ich meine damit, dass keine Zusatzstoffe verwendet werden, die gesundheitlich bedenklich sein, oder Allergien auslösen könnten - hat der Verbraucher ja eigentlich keinen Nachteil.
Im Gegensatz zu einem natürlich gewachsenen Stück Fleisch, haben solche Puzzelschinken eventuell sogar weniger Fett, denn das könnte der Hersteller ja dann selber beeinflussen bei der Auswahl der Fleischstücke. Ich frage mich gerade, ob ich von den Lebensmittelskandalen der letzten Jahre inzwischen so abgehärtet bin, dass ich hier schon das Positive sehe anstatt mich nur zu ekeln.
Wenn ich so etwas mal wieder lese (zuerst gab es ja diese gammelfleischskandale, dann Formfleisch und nun halt das mir bis eben unbekannte Klebefleisch), bin ich froh, Vegetarierin zu sein und mir keine Gedanken darum machen zu müssen, aus was der Schinken nun alles zusammengepuzzelt wurde.
Zumindest scheint es aber im Fall von dem Klebefleisch nicht gesundheitsschädlich zu sein, da ja, wenn ich das richtig verstanden habe, die gleichen Fleischarten zusammengeklebt werden, nur eben nicht alle Stücke aus einem Tier, aber zumindest aus der gleichen Tierart.
@ Cloudy24
Die Metzger kennen das Phänomen alle. So Sachen werden unter Anderem auch bei der Herstellung von Leberwurst genutzt. Durch die Zugabe von Salz und Wasser werden wasser- und salzwasserlösliche Eiweisse freigesetzt, damit überhaupt eine Verbindung hergestellt werden kann. Das ist also das kleinere Problem.
Und auch kleinere Metzgereien haben mittlerweile eine Poltermaschine. Ich habe in einer kleinen Metzgerei gearbeitet, die so eine Poltermaschine auch im Einsatz hatte. Hier darf nicht selbstgeschlachtet werden, beziehungsweise ist das mit der Art hohen Auflagen verbunden, sonst hätte der Metzger seine Tiere auch noch von klein auf gekannt. Er hatte aber einen guten Zulieferer.
Ich nehme mal das Beispiel Kochschinken. So kennt den mittlerweile fast jeder von uns. Kochschinken besteht aber auch mehreren Stücken. Um den so glatt in der Schnittstelle hinzubekommen, wird halt gepoltert. Früher hat man die Schinken dann quasi nur gepökelt ( also in Salzwasser eingelegt) und dann in eine Form gepresst und dann gekocht. Heute werden die Schinken oftmals eben in die Poltermaschine gesteckt, die auch mit Salzwasser arbeitet und das Pökeln unter Anderem mit übernimmt. Aber in "ordentlichen" Betrieben wird halt auch nur der Hinterschinken am Stück dazu verwendet.
Vorteil für den Verkäufer, der Schinken fällt beim Schneiden nicht auseiander, man hat ganze Scheiben und wesentlich weniger Verschnitt. Vorteile für den Verbraucher ist halt auch, das sich der Schinken nicht teilt. Der gepolterte Schinken lässt sich für den Verbraucher wesentlich besser verarbeiten.
Schlimm ist dieses Verfahren also an sich auf keinen Fall. Aber es besteht die Gefahr, das man halt alles was man an Abschnitten hat in die Poltermaschine schmeisst und um es ganz grob zu sagen, aus Gulasch Schinken macht. Wäre noch ok, wenn es halt im Beispiel vom Hinterschinken halt auch nur Teile dessen wären. Aber es ist an sich kein Problem auch Fleischteile da mit rein zu machen, die qualitätsmässig halt minderwertiger sind. Wie halt Stücke vom Vorderschinken / Schulter.
Wirklich einschätzen was drin ist, kann man selten. Ich bezweifle auch, das das ein Lebensmittelkontrolleur oder Lebensmittelchemiker wirklich kann. Also genau sagen, aus welchen Stücken das gepresste Fleisch nun besteht. Im Supermarkt kann man bei abgepackten gelegentlich sehen, das es eben nicht ein Stück ist. Oder das halt auch Sachen drin sind, die ein Metzger an sich wohl im normalen Verfahren rausschneiden würde. Ich kaufe gelegentlich gepresste, abgepackten Kochschinken. Mein Hauptaugenmerk liegt darauf, ob in dem Schinken eine durchsichtige, eher glibberige Stelle zu sehen ist. Das ist dann meistens eine Sehne, die ich eklig finde.
Im Endeffekt ist Poltern und Pressen nichts schlimmes. Aber die Gefahr besteht halt, das Stücke drin sind, die an sich eher nur noch zum Verwursten geeignet sind.
Irgendwie ist das schon seltsam, wie sensibel die Leute bei Fleisch reagieren. Damit will ich nicht sagen, dass ich solche Dinge wie Formfleisch und Klebefleisch appetitlicher finde als einen originalen Schinken.
Betrachtet man aber dazu vergleichsweise, dass Heerscharen an Leuten in Gourmet-Tempel pilgern um die molekulare Küche zu probieren, wirkt das grotesk. In der Molekularen Küche ist das ja totale Absicht, dass mit Hilfe von diversen chemischen Mittelchen die Konsistenz und das Aussehen des Essens total verfremdet wird. Bei Formfleisch gelten derartige Kunstgriffe als ekelhaft. Rein nüchtern betrachtet ist es aber das Selbe, nur mit dem Unterschied, dass man für molekulare Küche massig Geld löhnt, obwohl alles Kunstprodukte sind und Formfleisch und Klebeschinken die Ware verbilligt.
Sieht man auf die ewige Hysterie mit dem Analog-Käse, fällt ähnliche Unsachlichkeit auf. Kein Mensch beschwert sich über die Verwendung von Margarine, ein Butterimitat auf Basis pflanzlicher Fett. Kaum kam ein findiger Journalist auf die Idee vor Analog-Käse zu warnen, ist die Bevölkerung in Aufruhr. Dabei ist Analogkäse nichts anderes, als Käse aus pflanzlichen Fetten. Kein Stück gesundheitsschädlicher als Margarine.
Menschen sind schon manchmal seltsame Tiere.
Das Problem ist, dass man als Verbraucher eben nicht weiß, dass es sich dabei um Klebefleisch handelt - darauf wird weder hingewiesen noch wird es irgendwo deklariert oder die Lebensmittelüberwachung darüber informiert.
Bei der Molekularküche wird man ja bewusst "verarscht" bzw. man lässt sich hier bewusst auf etwas ein. Wenn jedoch ein Produkt, z. B. Rohschinken, als mehr oder weniger natürlich angepriesen wird usw. kann man von einer Täuschung der Kunden ausgehen.
Letztendlich regt ja viele nur auf, dass sie eben von etwas anderem ausgehen und so getäuscht werden. Würde man darauf hinweisen, könnte man sich auch schlecht aufregen. Nur ist die Frage, ob das die Verkäufe ankurbeln würde.
Ich glaube, dass die Angabe wie genau ein Fleischstück produziert wird eher nicht die Verkäufe ankurbeln wird sondern weiter die Begehrlichkeiten nach Preissenkungen. Denn das ist in meinen Augen das Groteske, dass man sich über (vermeintlich) hohe Preise beschwert und bei Preissenkungen doch tatsächlich der Meinung ist, dass die Qualität gleichbliebe und der liebe nette Produzent samt den ebenso lieben und nette Zwischenhändlern aus lauter Freundlichkeit einfach mal die Preise senkt.
Allgemein beweist mir diese Enthüllung nur mal wieder, dass sich die meisten Verbraucher viel zu wenig mit ihren Nahrungsmitteln befassen. Würden sie das tun, dann wären viele Dinge einfach nicht mehr so schockierend und man würde sicher auch einen ganz anderen Umgang mit Nahrungsmitteln pflegen.
Ja, das ist in vielen Bereichen des Lebensmittelmarketing ein Problem, dass der Konsument konsequent uninformiert bleiben soll, wie hochwertig und gesund das Produkt nun wirklich ist. Leider sind auch hier wieder diejenigen die totalen Verlierer, die eher unterdurchschnittlich mit Bildung und / oder Intelligenz ausgestattet sind.
Es ist natürlich auch eine Frage der Gewöhnung. Aber hast Du Dich denn noch nie gewundert, warum die Kochschinkenscheiben in der Kühltheke deines Supermarktes alle annähernd exakt gleich aussehen? sie sind gleich groß, sie sind in annähernd gleichen Anteilen von Fett und Muskelmasse marmoriert, sie haben einen identischen Biss und ein identisches Mundgefühl in jeder Packung. Es tauchen oft nicht mal mehr Fettränder oder Flachsen auf.
Mir kam da schon vor einigen Jahren die Frage auf, wie so etwas sein kann. Ob es zwischenzeitlich so eine Entwicklung von Normschweinen gegeben hat, die Schinken in Normgröße und Normkonsistenz produzieren. Dass ich da skeptisch wurde hat aber hauptsächlich damit zu tun, dass ich auf dem Land aufgewachsen bin und schon oft genug "echten" Schinken und traditionell produziertes Fleisch gesehen habe.
Ob der Schinken nun naturgeformt oder geklebt ist, finde ich weniger tragisch als manche andere Marketinggags aus der Lebensmittelindustrie. Ob der Schinken geklebt ist oder nicht wirkt sich meines Wissens nach nicht auf die ernährungsphysiologischen Werte aus und hat keine gesundheitlichen Nebenwirkungen. So Laienhaft gesprochen ist es eben ein Betrug ohne großartige Nebenwirkungen für den Konsumenten.
Schlimmer finde ich einen Vergleichsfall, der kaum jemandem bewusst ist. Jeder kennt den Slogan "Actimel aktiviert Abwehrkräfte". Jeder normale Mensch denkt dann, dass Actimel gut für die Gesundheit ist. Kaum einer Ahnt jedoch, dass sich in einem winzigen Fläschchen Actimel rund 6 Stück Würfelzucker verbergen. Da wundert man sich auch nicht mehr, warum gerade Kinder so gierig auf das Zeug sind. Mal im Ernst: das Gebräu soll gesundheitsfördernd sein? Hier fängt aus meiner Laiensicht der schwere Betrug an, weil dem Verbraucher Wirkungen versprochen werden, ohne Nebenwirkungen zu erwähnen.
Von der Lebensmittelindustrie ist da keine Vernunftanflüge erwarten. Es ist nun mal typisch für eine freie Marktwirtschaft, dass jeder auf Teufel komm raus versucht Profit zu machen. Notfalls auf Kosten der anderen, so lange das legal ist, bzw. so lange man nicht erwischt wird. Deshalb bin ich schon lange der Meinung, dass in allen Schulen das Fach Gesundheitspflege und Ernährung eingeführt werden müsste. Nur mündige Verbraucher können sich innerhalb dieser gezielten Täuschung durch blumige Werbung noch zurecht finden. Letztlich würde das der Solidargemeinschaft unter dem Strich einiges an Kosten sparen, da sich durch solche Bildung normalerweise die Volksgesundheit bessern müsste.
trüffelsucher hat geschrieben:Aber hast Du Dich denn noch nie gewundert, warum die Kochschinkenscheiben in der Kühltheke deines Supermarktes alle annähernd exakt gleich aussehen?
Nein, da der Opa meiner Freundin Fleischermeister ist und Hinterschinken noch das harmloseste ist, wie man etwas verarbeiten kann - da gibt es noch bessere Sachen, die aber normal sind, aber die Herstellung halt den Magen umdrehen lässt.
Das Problem ist hier ja eben hier nur teilweise die Jagd nach billig und billiger, denn bei den getesteten Produkten handelt es sich durchweg um Markenware, die natürlich als qualitativ hochwertig angepriesen wird und im oberen Preissegment gehandelt wird. Es geht ja eben nicht um den Billigramsch à la Handelsmarke / Eigenmarke.
Natürlich ist es naiv, anzunehmen dass ich für den Preis, Marke hin oder her, etwas hochwertiges bekomme und auch bei Marken Preisdumping vorherrscht - man bekommt eben keinen hochwertigen Schinken für unter 5 Euro / 100g, das ist schon aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich. Auf der anderen Seite lässt man den Kunden eben gerne in dem Glauben bzw. forciert das ganze noch durch den Hinweis auf`s natürliche (!) Produkt (was natürlich mehrdeutig sein kann) dass er ein hochwertiges Produkt kauft und er dann dafür bereit ist, mehr zu zahlen.
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