Warum braucht man ein Latinum bei manchen Studienrichtungen?

Ich habe mich vor Jahren mal nach einer beruflichem Umorientierung umgesehen. An sich nicht wirklich in die Richtung Studium, sondern eher im Bereich gehobener Beamtendienst. Welche Richtung weiß ich nun aber nicht mehr genau. Ich meine es wäre irgendwas mit Bibliothek und Archiv gewesen, bin mir da aber nicht mehr sicher. Wenn ich mich recht entsinne, lief die Ausbildung damals teilweise eben betrieblich und teilweise an einer Fachhochschule. Für diese Ausbildung brauchte man das kleine Latinum.

Ich weiß auch, dass man für manche Studienrichtungen in Deutschland ein Latinum braucht. Keine Ahnung, ob nun das kleine oder das große Latinum. Scheint aber wohl auch abhängig von der Universität oder Fachhochschule zu sein. Der Gedankengang, dass man damit noch mal aussiebt, halte ich für nachvollziehbar. Wer eben den nötigen Numerus Clausus hat und ein Latinum vorweisen kann, wird halt eher genommen. Ähnlich wie für viele Ausbildungsberufe eben ein Hauptschulabschluss reichen würde und die Betriebe noch diverse andere Qualifikation, bis hin zum Abitur, fordern.

Ich habe ja erst nur die Realschule besucht und dort konnte man nur Französisch als zweite Fremdsprache machen, was ich nicht machen wollte. Ich habe während meiner Ausbildung aber darüber nachgedacht, mein Abitur noch zu machen. Hier gibt es nur wenige Möglichkeiten wie man das Abitur dann noch machen kann. Einmal eben über ein Oberstufengymnasium.

Die zweite Fremdsprache hätte ich mit durchs Abitur schleppen müssen, weil ich eben keine X Jahre einer zweiten Fremdsprache vorweisen konnte. Ich hatte mit Englisch schon Probleme und es wäre Wahnsinn gewesen, da Französisch mit durch zu schleppen. Das Oberstufengymnasium meiner Wahl bat aber nur alle zwei Jahre einen Oberstufenkurs an, in dem man Latein als zweite Fremdsprache machen konnte.

So besuchte ich erst die Fachoberschule, deren Abschluss mich nun immerhin zum Studium an einer Fachhochschule berechtigt. Ich hätte auch die Möglichkeit gehabt, eben an einem Kolleg das Abitur noch zu machen. Allerdings wäre das eine Jahr verschwendet gewesen, weil ich mangels zweiter Fremdsprache in der 11. Klasse wieder hätte anfangen müssen.

Ich denke mit dem Latinum kann man wenig falsch machen. Auch wenn man es nie brauchen kann, soll Latein ja einfacher zu lernen sein, als eben Französisch. Gerade wenn man eh ein Gymnasium besucht und nur die Auswahl zwischen Latein und Französisch hat, kommt man mit Latein wahrscheinlich weiter. Zumindest hier in der Gegend. Das mag in grenznahen Gebieten zu Frankreich sicherlich anders aussehen.

Den Grund, warum ein Latinum für das Medizinstudium und die Rechtswissenschaften verlangt wird, ist ein einfacher, die deutsche Sprache ist keine romanische, also ist es ohne zumindest rudimentäre Lateinkenntnisse erheblich mühsamer, die fachspezifischen Termini zu beherrschen.

Mag ja alles stimmen, was die Hintergründe angeht, ändert aber zumindest für Medizin nichts an der Tatsache, dass an für ein deutsches Medizinstudium kein Latinum braucht, weder groß noch klein. Entweder kann man einen Sprachtest absolvieren oder einen Grundkurs absolvieren, der das Latinum ersetzt. Eines von beiden muss man aber definitiv machen, da man nicht das Latinum selber braucht, sondern einen Schein für Terminologie. Bei uns konnte man selbst als Nichtlateiner diesen Schein binnen eines Semesters erwerben und das mit 2 oder 3 Semesterwochenstunden. Im Endeffekt also definitiv 1/3 wenn nicht noch weniger der Zeit, die man in der Schule mit dem Erwerb des kleinen Latinums verbringen würde.

Ebenso kommt ja noch dazu, dass ein Großteil der Begriffe auch gar nicht aus dem Lateinischen, sondern dem Griechischen kommt und einfache Lateinkenntnisse damit auch gar nicht das ganze benötigte Wissen abdecken. Wie das in anderen Studienfächern aussieht kann ich nun nicht sagen, aber für ein Religionsstudium wird zum Beispiel tatsächlich das Latinum verlangt und nicht wie bei Mediziner lediglich die Absolvierung eines scheinpflichtigen Faches.