Politische Bildung als Schulfach

vom 09.04.2010, 22:36 Uhr

Angeregt durch den Thread zum Thema ,Allgemeinbildung von Jugendlichen‘, möchte ich meine Gedanken vor allem zur politischen Grundbildung loswerden. Diese gehört meiner Meinung nach absolut zur Allgemeinbildung.

Jeder, der wählen darf, sollte zumindest über die Grundlagen der Politik Bescheid wissen und sie verstehen. Im Vordergrund sollte dabei die Situation und das System im eigenen Heimatland stehen. Sachen wie Geschichte der Politik oder ähnliches gehören teilweise zwar zum Allgemeinwissen, mehr als die wichtigsten Sachen verlange ich aber von niemandem.

Da man leider heutzutage nicht mehr von Eltern verlangen kann, dass sie ihren Kindern das alles erklären, sollte das die Aufgabe der Schule sein. Nicht umsonst gibt es das Fach Politische Bildung, theoretisch zumindest. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Ich möchte hier über einige eigene Erfahrungen berichten, da ich ja immer noch Schülerin bin.

In Österreich ist das Fach Politische Bildung mit Geschichte gekoppelt. Somit müssen zwei Fächer ,auf einmal‘ unterrichtet werden, was vermutlich nochmals schwerer ist als einzeln. Zwar gibt es zwischen beiden Fächern einige Parallelen, man lernt schließlich auch verschiedene politische Systeme, die es im Laufe der Geschichte gegeben hat kennen. Doch was hier und heute in der Politik passiert, kommt erst ganz am Ende, kurz vor dem Abitur. Und auch nur, wenn genügend Zeit dafür bleibt, denn durch Stundenkürzungen ist es schon schwer genug, überhaupt nur den wichtigsten Stoff durchzunehmen.

Ich bin derzeit in der elften Schulstufe und kann nicht erinnern, jemals in den bisher sechs Jahren, die ich ,Geschichte und Politische Bildung‘ hatte, etwas über die heutige Politik gelernt zu haben. Wir wissen zwar über politische Strukturen im alten Rom oder über die amerikanische Verfassung Bescheid, aber was heute hier in unserem Heimatland läuft, wie das alles funktioniert? Ich wette, die wenigsten aus meiner Klasse können das beantworten. Alle, die etwas darüber wissen, haben es sich selber erarbeitet oder erklären lassen. So auch ich, da mich Politik doch selber sehr interessiert. Erschreckend ist dabei vor allem die Tatsache, dass viele schon seit einigen Jahren wählen dürfen. Abgesehen von Diskussionen über bevorstehende Wahlen, welche ausschließlich von Schülerseite gefordert waren, war da nichts. Dabei ging es allerdings eher um die Frage, wen man wählen soll und wer ,doof‘ ist. Dass sich hier viele beeinflussen lassen, weil sie eben keine Ahnung haben, brauche ich wohl nicht zu erwähnen.

Auf der anderen Seite wundern sich alle, warum es hier in Österreich so einen Rechtsruck gibt. Die Antwort darauf ist einfach, jedoch seltsamerweise für viele nicht klar. Die rechte Partei, die FPÖ, bietet einfache Lösungen für Probleme und preist diese mit einfachen Sprüchen an. So etwas wie ,Daham statt Islam‘ versteht jeder. Für alle, die diese Propaganda (anders kann man das nicht nennen) nicht hinterfragen, scheint das so einfach. Doch das ist es definitiv nicht. Es werden nur die Vorteile eines ,Planes‘ gezeigt, nicht aber, welche Nachteile er mit sich bringt oder wie er sich durchführen lässt. Meistens nämlich überhaupt nicht. Hier wäre es wichtig, den Jugendlichen genau das Hinterfragen und kritisch Betrachten von Wahlwerbung beizubringen. Genau für so etwas sollte ein - eigentlich ja existierendes - Fach wie Politische Bildung da sein.

Ich würde mir wünschen, dass Politische Bildung ein eigenständiges Fach wird und spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem die Jugendlichen wählen dürfen, unterrichtet wird. Doch das wird wohl noch lange nur Wunschdenken sein.

Wie sieht denn eigentlich die Situation bei euch aus? Hat jemand die gleichen oder ganz andere Erfahrungen gemacht?

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» regen.tropfen » Beiträge: 65 » Talkpoints: 0,24 »



Da man leider heutzutage nicht mehr von Eltern verlangen kann, dass sie ihren Kindern das alles erklären, sollte das die Aufgabe der Schule sein.

Dem kann ich nur bedingt zustimmen, natürlich sollten in dem Fach Politik die heutige Politik des eigenes Landes erklärt und besprochen werden, aber bei vielen anderen Dingen, sollten auch die Eltern mal etwas mehr Zeit für ihre Kinder opfern, sofern diese sich für etwas bestimmtes interessieren. Manche Eltern könnten das sicherlich ganz anschaulich und interessant gestalten, weil Sie sogar auch bereits mit diversen Dingen einfach Kontakt hatten.

Ein Beispiel hier wäre für mich das Tätigen von Überweisungen oder das suchen einer Krankenkasse, überhaupt das vertraut machen mit Dingen im Leben, wo man schon etwas drüber wissen muss, um selbständig sein zu können. Aber selbst diese "kleinen" Sachen werden ja mitunter noch nicht einmal weiter gegeben. Da kommt dann eventuell mal ein Versicherungsvertreter ins Haus, wobei das Kind, dass anfängt zu arbeiten, vielleicht gar nicht mal weiß, dass es in einer betrieblichen Ausbildung eine eigene Versicherung benötigt.

Aber um wieder mehr zu deinem Thema "Politik" zu kommen - ich hatte in der Schule das Fach "Wirtschaft und Politik", das war glaube ich so gestaltet, dass wir alle zwei Wochen etwas über die Wirtschaft gelernt haben und ansonsten Politik unterrichtet wurde. Hierbei wurden wir eigentlich recht gut informiert über die verschiedenen Parteien, in Geschichte lernten wir auch zum Teil etwas über die Entstehung der Parteien (was ja auch gut ist zu wissen) und natürlich das Wahlsystem, was denke ich auch hierzulande, viele Deutsche nicht verstehen. Ist doch die Erststimme so verlockend sie schon klingt, die (leider nicht wirklich) unbedingt wichtigere Stimme bei der Wahl, wenn es zu einer Situation kommt, wie Sie hier die letzten Jahre doch eigentlich immer wieder auftritt. So kann die Zweitstimme sehr wichtig werden, wenn die Partei, die regieren soll, wohl eine Koalition bilden muss, so dass man dann doch abwägen sollte, ob man nicht die Stimme der wahrscheinlichen Koalitionspartei gibt.

Aber das wissen wie gesagt halt viele Leute nicht, ich habe den Kram auch in der Berufsschule noch einmal "vorgekaut" bekommen, während andere Schüler anscheinend da noch nie im Leben etwas wie "Erst- und Zweitstimme" gehört haben. Besonders witzig ist es natürlich, sich das dann abends bei Stefan Raab anzuschauen, wie die Jugendlichen sich zu mal wieder bevorstehenden Wahlen äußern. Leider sieht es doch aber oftmals wirklich so aus, dass die Schüler davon nichts wissen. An meinen Schulen war das normal, es zu lernen. Ich weiß nicht, ob es daher so an den Lehrern liegt oder auch an den Schülern, ich denke dazwischen liegt es wohl.

Dieser Lehrer, bei dem ich so etwas gelernt habe, hat mit uns auch sätmliche Länder und Hauptstädte gelernt in Geografie, was zwar nervig gewesen ist, aber durchaus nützlich. Er hat uns solange Tests schreiben lassen, bis der Notenspiegel für ihn in Ordnung gewesen ist. Wobei die Schüler schon bei der Wiederholung des Tests natürlich überrascht waren, aber noch überraschter, als er uns wirklich den dritten Test hinlegte. Drei Tests hintereinander schlecht abzuschneiden ist natürlich schon ganz schön derbe und wäre auch schlecht für die Note gewesen. Aber er empfand es auch als wichtig, so etwas zu wissen und nicht vor der Karte zu stehen und so gar keine Ahnung zu haben, was wo liegt.

Ich denke ebenso wie die Lehrer oder Schüler sollten die Politiker, die letztlich ja auch dafür verantwortlich sind, was unterrichtet wird, sich auf dem laufenden halten und sich immer wieder fragen, was man im Leben später wirklich braucht. Natürlich ist es schön, auch mehr von anderen Dingen zu wissen, aber manche Themen werden viele Leute im Laufe des Lebens nicht wirklich benötigen.

» ygil » Beiträge: 2551 » Talkpoints: 37,52 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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