Bachelor und Bologna Reform sinnvoll?
Mich würde einmal interessieren, wie hier so die Meinung über die aktuellen Entwicklungen in der Bildungspolitik in Deutschland sind. Was haltet ihr beispielsweise von der Bologna Reform und davon wie sie umgesetzt wurde?
Denkt ihr, dass da im Moment was passiert und sich die Missstände bald bessern werden? Wie steht ihr zu Studiengebühren und generell dazu, dass man privat mehr für seine Bildung zahlen soll? Findet ihr es gibt ausreichend Fördermöglichkeiten? Oder denkt ihr, dass hohe Kosten Leute vom Studium abschrecken? Und was haltet ihr davon, dass in Deutschland jedes Land seine eigene Bildungspolitik macht? Ist das sinnvoll?
Was haltet ihr beispielsweise von der Bologna Reform und davon wie sie umgesetzt wurde?
- Prinzipiell ist das genau der richtige Weg! Ein paar Probleme gibt es bei solchen Umstellungen immer, sie sind nicht extraordinär.
Denkt ihr, dass da im Moment was passiert und sich die Missstände bald bessern werden?
- Ich bin überzeugt davon, dass die Anfangsprobleme mittelfristig behoben werden können.
Wie steht ihr zu Studiengebühren und generell dazu, dass man privat mehr für seine Bildung zahlen soll?
- Hier kommt es für mich auf die Höhe an. So lange es je Semester nicht 4-stellig wird, ist das ein Maß, welches man sich seine Ausbildung kosten lassen könnte. Voraussetzung ist, dass die Mehreinnahmen auch zur Verbesserung der Lehre eingesetzt werden. Ich verspreche mir davon insbesondere, dass das Bewußtsein der Studentenschaft im Allgemeinen dadurch auf den rechten Kurs gesteuert wird und sowohl pflichtbewußtsein als auch Anspruch an sich selbst und die Lehrinstitution steigt.
Findet ihr es gibt ausreichend Fördermöglichkeiten?
- Kann ich nicht überblicken.
Oder denkt ihr, dass hohe Kosten Leute vom Studium abschrecken?
- Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kosten <1000,-€ pro Semester den ambitionierten Studenten abhalten. Am Ende eines Studiums in Regelzeit stehen so weniger als 10.000 Euro zu Buche, was innerhalb eines Jahres bereits verdient werden könnte.
Und was haltet ihr davon, dass in Deutschland jedes Land seine eigene Bildungspolitik macht? Ist das sinnvoll?
- Schwer zu sagen, dazu fehlt mir der Einblick. In den Entscheidungen, die mich während des Studiums betrafen ist es mir jedenfall nie negativ aufgefallen.
Ich habe vor gut 10 Jahren angefangen zu studieren, das Studium wegen Kindererziehung mehrmals unterbrochen und wieder aufgenommen und auch mal die Hochschule gewechselt. In der Zeit habe ich die Entwicklung recht gut mitbekommen.
Kurzgefasst lautet meine Meinung: Die Bologna-Reform ist (Vor allem in der Lehrerausbildung) momentan der größte denkbare Reinfall!
Warum dies so ist, will ich mal ausführlicher erläutern.
1. Ich habe mit Staatsexamen angefangen. Bei meinem Wechsel auf eine ander Uni in einen BA/M Studiengang ist mir fast nichts anerkannt worden, da auf meinen alten Scheinen keine Leistungspunkte enthalten sind. Das finde ich total grotesk. Was im Studium zählt, sind meiner Meinung nach die Kompetenzen und das Wissen, das man sich aneignet. Ob das Wissen nun nach einem alten System angeeignet war, kann kein Grund sein, dass das alte Studium komplett entwertet wird. Hier wurde einfach mal verpennt, eine sinnvolle, praxisnahe Übergangsregelung zu schaffen. Ich habe mich mit diversen Dozenten über dieses Thema unterhalten und die waren da auch meiner Meinung, obwohl sie nicht direkt von den negativen Auswirkungen betroffen sind. So eine Entwertung von Studienleistungen widerspricht total dem Bildungsgedanken.
2. Nicht alles, was wirtschaftlich rentabel ist, führt zu Bildung: Die Aufgabe einer Uni ist es nicht nur, berufsvorbereitende Kenntnisse in die Hirne von künftigen Arbeitern zu pressen. Die ureigenste Aufgabe von Unis ist es, Akademiker, also gebildete Menschen zu entlassen. Das BA/M Studium zielt hauptsächlich darauf, so schnell und umwegslos wie möglich Fachwissen in Menschen zu zwängen. Um mal über den Tellerrand der Fachwissenschaft zu blicken und ein bisschen Studium generale zu machen, ist kein Platz mehr, da man sich oft an vorgegebene Maximalstundenzahlen halten muss. Wir brauchen in Deutschland nicht noch mehr Fachidioten sondern viel mehr Intellektuelle, die neben Fachwissen auch Weltwissen haben und uns helfen können, ein Stück Zukunft zu gestalten. Eine aalglatte Karriere ist zwar bewundernswert, aber steril.
Wenn ich die Studienanfänger jetzt so sehe, muss ich etwas sehr böses sagen. Die jungen Studenten können nichts dafür, sie tun nur, was man von ihnen erwartet. Studieren heißt eigentlich, Dinge kritisch zu hinterfragen. Auf der Jagd nach Zensuren und Leistungspunkten verkommt das Lernen aber an der Uni viel zu oft schon zum unkritischen pauken und büffeln. Das Diskutieren und reflektieren kommt dabei oft viel zu kurz. Wie gesagt, die Studentinnen und Studenten sind daran nicht ursächlich schuld, weil ihnen an der Uni oftmals keine ausreichende Möglichkeit mehr gegeben wird, kritisch zu sein, ohne die eigene Zensur zu gefährden. Die Studenten wachsen deshalb im Regelfall kaum noch über die Rolle des unmündigen Schülers heraus.
3. Zu den Missständen: Da hätte man sich bei der Planung des Übergangs viel mehr Gedanken machen müssen. Die Dozenten haben über mehrere Semester je nach Uni teilweise die Doppelte Anzahl Lehrveranstaltungen gehalten. Demzufolge waren einige Dozenten gestresst, überarbeitet, lustlos. Dass das die Lehre nicht verbessert, ist nur nachvollziehbar. Dinge wie Hochschulwechsel, Krankheit, familiäre Probleme, studieren mit Kind, studieren mit Behinderung wurden bei der Reform schlecht berücksichtigt. Spricht man mit den Dozenten oder Ämtern kriegt man oftmals zu hören, dass sie einem gerne helfen würden, abe leider keine gesetzlichen Möglichkeiten haben. Da bekommt man schon den Eindruck, dass vor lauter wirtschaftlichkeit, wettbewerbsfähigkeit und globaler Orientierung die Orientierung auf den Studierenden aus dem Blickfeld gerutscht ist.
4. Der Föderalismus in Deutschland ist meiner Meinung nach der totale Schwachsinn. Gerade heutzutage, wo überalle Mobilität und Flexibilität gefordert wird, ist ein Kind total mies dran, wenn die Eltern beispielweise von Bayern nach Berlin umziehen. Ein anderer Lehrplan, andere Inhalte usw. Selbst ein Umzug von Nordhein-Wetfahlen nach Saarland ist für so ein Kind total kompliziert. Da muss man gar nicht mal auf das Extrembeispiel Bayern blicken.
Ich halte nicht viel von enger staatlicher Reglementierung. Es wäre aber durchaus sinnvoll, wenn es für alle deutschen Bundesländer einen verbindlichen Rahmen mit Bildungsinhalten für jedes Fach gäbe. Am besten wäre ein einhaltlicher Rahmenlehrplan für alle Bundesländer.
Dass obendrein die Universitäten in jedem Bundesland ihr eigenes Süppchen kochen, finde ich groteskt. Ein Hochschulwechsel ist ein riesiger Aufwand und immer mit Verlusten verbunden. Eigentlich war ja durch die Bologna-Reform geplant gewesen, dass man mit einem angefangenen Studium international weiter studieren kann. Das ist aber ein totaler Rohrkrepierer geworden. Selbst der Wechsel von einem Bundesland ins angrenzende klappt meist nicht reibungslos, weil keines der Bundesländer die Inhalte mit den anderen abgesprochen hat.
5. Studiengebühren sind der letzte Schwachsinn. Ich kenne einige motivierte Studenten, die ihr Studium aus finanziellen Gründen abbrechen mussten. Wenn man keine Eltern hat, die einem 1000 Euronen im Semester schenken können, hat man ganz schön zu tun, das Geld mittels Studentenjobs heranzuschaffen. Wenn man 6 Monate einem Job auf 400 Euro-Basis nachgeht, hat man schon einiges zu tun, den normalen Lebensunterhalt zu decken. Wohnung, Nahrung, Bücherkosten verschlingen im Normalfall locker 400 Euro monatlich. Wie soll man dann noch innerhalb von 6 Monaten 1000 Euro sparen für die Studiengebühr? Das soll mir mal einer erklären. Und ein ernsthaft betriebenes Studium ist eigentlich eine Vollzeittätigkeit. Da bleib nur wenig Zeit für Jobs. Auch wenn die Mär vom faulen Studentenleben auf früheren Zeiten immer noch nicht tot zu bekommen ist: Man muss mittlerweile für ein Studium ganz schön ackern, da es in annähernd jeder Veranstaltung eine Zensur gibt, die in die Abschlussnote einfließt.
So wird Bildung nach und Nach wieder ein Privileg der Reichen. Ich habe zwischenzeitlich an einer Uni studiert, die Studiengebühren für Langzeitstudenten verlangte. Weder war da die Lehre besser, noch war die Uni oder deren Bibliothek besser ausgestattet. Weiß der Teufel wo die Gelder hingingen. Ich halte das für Augenwischerei.
Wenn ich einen Studienkredit aufnehmen muss, und nach dem Studium auf mindestens 10000 Euro Schulden sitze, kann das in einem Jahr verdient werden, wie mein Vorredner sagt. Es muss aber nicht. Auch als Hochschulabsolvent habe ich keine Garantie nach dem Studium eine Beschäftigung zu finden. Es gibt genug arbeitslose Akademiker. Wenn ich nach dem Studium beispielsweise noch ein einjähriges Referendariat mit einer Bezahlung von rund 1000 Euro monatlich machen muss, dann verzögert sich die Rückzahlung und es fallen Zinsen an. Von meinem ersten Einkommen als Akademiker muss ich ja auch meinen Lebensunterhalt finanzieren. Man muss also erst mal einen Job finden, bei dem man mindestens 2000 Euro auf die Hand bekommt, damit neben einem Existenzminimum noch monatlich rund 1000 Euro zum Abzahlen übrigbleiben. Das ist alles nicht so einfach, wie es stets propagiert wird. Ein Studium sollte meiner Meinung nach dem ermöglicht werden, der vom Kopf am geeignetsten ist und nicht vom Geldbeutel.
6. Es gibt hier zu Lande noch viel zu wenig Fördermöglichkeiten. Deshalb werden sicherlich viele von einem Studium abgeschreckt. Bundesländer wie Berlin, die keine Studiengebühren erheben, haben mittlerweile auf allen Fächern einen schrecklich hohen NC. Oftmals bekommt man Studienplätze nur noch mit einer Abinote mit einer 1 vor dem Komma. Das sind Verhältnisse, wie früher wenn man um einen Medizinstudienplatz anstand. Grauenvoll.
Link dieser Seite https://www.talkteria.de/forum/topic-114479.html
Ähnliche Themen
Weitere interessante Themen
- Schöne Blatt Pflanze für die Wohnung 1071mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Rubbelfeld · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Schöne Blatt Pflanze für die Wohnung
- Palmen für die Wohnung 3013mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Dreddi · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Palmen für die Wohnung
- Was kann man gegen eine tropfende Birkenfeige tun? 1861mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: helgak62 · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Was kann man gegen eine tropfende Birkenfeige tun?
- Verträgt Banane chemisches Anti Insekten Mittel? 1357mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Wawa666 · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Verträgt Banane chemisches Anti Insekten Mittel?