Extremistische Meinungen weit verbreitet in der Gesellschaft
Ich wollte hier einmal eine Umfrage starten zu dem Thema, ob ihr meint, dass (links oder rechts) extremistische Meinungen in der Gesellschaft weit verbreitet sind? Also mit der Frage ist gemeint, ob ihr meint, dass viele Menschen mit vermutlich extremistischen Parteien sympathisieren oder extremistische Einstellungen und Äußerungen für gut befinden (wie z.B. Fremdenfeindlichkeit oder antikapitalistische Einstellungen).
Zweitens wollte ich euch dann noch fragen, wenn ihr meint, dass diese Meinungen weit verbreitet sind, dass die meisten Ergebnisse extremistischer Parteien dennoch unter der 5 % Hürde bei Landtags- oder Bundestagswahlen liegen. Danke für die wahrscheinlich rege Teilnahme .
Lord_of_Chaos hat geschrieben:Also mit der Frage ist gemeint, ob ihr meint, dass viele Menschen mit vermutlich extremistischen Parteien sympathisieren oder extremistische Einstellungen und Äußerungen für gut befinden (wie z.B. Fremdenfeindlichkeit oder antikapitalistische Einstellungen).
Ersteres wohl eher nein, letzteres eher ja. Gerade wenn ich mich an die Uni erinnere fielen da öfters ein paar rassistische oder antisemitische Äußerungen oder die man so sehen kann. Die meisten sagen dann zwar direkt darauf angesprochen, gerade bei Antisemitismus, dass es so doch nicht gemeint war, aber es scheint ja auch nicht einfach so vom Himmel zu fallen.
Schön ist da besonders immer der niveauvoll geschönte Antisemitismus versteckt hinter der Israelkritik. Komischerweise heißt es immer nur "die Juden" und nicht "die Israelis" wenn geschimpft wird. Da kommt zwar immer gern der Spruch, dass das doch das gleiche ist, schon klar. Fast so gut wie der Spruch: "Ich habe nichts gegen ..., aber" oder "... wird man gleich als Nazi hingestellt." - wenn man sich schon für etwas entschuldigen muss wo man selbst merkt dass es nicht ganz so ohne faden Beigeschmack ist, nun ja .
Das gleiche hat man ja bei Ausländern oder bei Ressentiments gegenüber der EU: Was da an Klischees und Polemik manchmal umhergeistert. Und dass das sich schön durch die Gesellschaft zieht merkt man auch an der Einstellungspraxis: "undeutscher" (meist südländischer) Name = Chancen gleich mal schlechter. Ich frag mich da immer, wie deutsch sich dann Schimanskis, "Sonstwieskis", "-ovas" usw. finden wenn sie da einen ablehnen.
Die Frage ist ja auch, wo denn die Grenze ist und wo sich viele gleich auf den Schlips getreten fühlen: Ist ein Witz der auf irgendwelchen Vorurteilen fußt ist gleich rassistisch oder braucht es dafür erst eine Aussage wie "Die Kanaken nehmen uns alles weg!" wo man nicht mehr drumrum reden kann?
Oder anders: Die Türken essen nur Döner, "Gülle Gülle" und sind alle bildungsferne Großkotze - lustig lustig. Warum ist es dann nicht mehr lustig, wenn Deutsche (im Ausland) als sauerkrautfressende, nur mit starkem Akzent sprechende und arrogante, dumpfe Nazis verhöhnt werden? Wie Du mir, so ich Dir - oder nicht?
Lord_of_Chaos hat geschrieben:Zweitens wollte ich euch dann noch fragen, wenn ihr meint, dass diese Meinungen weit verbreitet sind, dass die meisten Ergebnisse extremistischer Parteien dennoch unter der 5 % Hürde bei Landtags- oder Bundestagswahlen liegen.
Naja, wenn man fremdenfeindliche Meinungen hat muss man ja nicht gleich rechts wählen - da kann man auch etablierte Parteien der Mitte ankreuzen, siehe Süddeutschland oder Hessen usw. oder je nach Wahlkampf auch die FDP.
Und was Links angeht: Für "Gleichmacherei" und Gerechtigkeit oder gegen Ausbeuterei sind die meisten und klopfen den Sozialisten und Kommunisten auf die Schulter - nur an der Wahlurne sind es dann halt linke Spinner und Träumer . Mal abgesehen davon, dass außen hui, innen pfui mit dazu kommt.
Zunächst einmal die Frage, was ist Rechtsextremismus und was ist Linksextremismus? Wenn du Rechtsextremismus mit Fremdenfeindlichkeit gleichsetzt, so ließen sich nicht kleine Teil der in unseren Parlamenten vertretenen Parteien als rechtsextrem bezeichen. Ansichten, wie man sie von Ronald Koch und der CSU hört, sind oftmals schlichtweg fremdenfeindlich. Diese würde ich als Rechtspopulisten und nicht als Rechtsextreme verstehen. Mit Rechtsextremismus assoziere ich, zum einen die Ablehnung der Demokratie und den Wunsch nach totalitären Strukturen, sowie die Ablehnung, dass alle Menschen gleich sind.
Wenn du Linksextremismus mit Antikapitalismus verbindest, so stellt sich zunächst einmal die Frage, was das überhaupt ist bzw. wie Kapitalismus überhaupt zu verstehen ist. Wenn du unter Kapitalismus allgemein das Bestreben möglichst viel Gewinn zu akkumulieren verstehst, so würde ich eine antikapitalistische Haltung nicht als linksextrem einstufen. Versteht man unter Kapitalismus genrell die Existenz von Besitz, so hingegen schon.
Ich finde es immer sehr bedenklich, wenn man Linksextremismus und Rechtsextremismus als den Extremismus zusammenfässt. Das ist zwar sehr praktisch, da sich ein "Feind" konstruieren lässt, es ist aber sehr gefährlich. Setzt man Links- und Rechtsextremismus gleich, so verharmlost man schlichtweg letzteres. Ich möchte keineswegs sagen, dass linksextreme Straftaten etwas gutes sein und verurteile angezündete Autos genauso wie Übergriffe gegenüber der Polizei, sie befinden sich aber auf einen deutlich niedrigeren Niveau als Frau Schröder (Köhler) das wahr haben möchte.
Rechtsextreme gehen gewaltsam gegen unschuldige Mitmenschen vor, verletzen diese und töten diese sogar. Seit Fall der Mauer gibt es 140 Tötungsdelikte, die nachgewiesen rassistisch motiviert waren. Von linker Seite gab es zwar verstärkt Körperverletzungen, diese richteten sich aber entweder gegen die Polizei oder Rechtsextreme. Ich möchte dies zwar nicht gutheißen, aber es ist meiner Meinung nach schon ein Unterschied, ob die Staatsgewalt angegriffen wird oder ein Zivilist. Die Gewalttaten zwischen links und rechts beruhen, um es flach auszudrücken auf Gegenseitigkeit.
Das Problem sind weiterhin die Nazis - und deren Ansichten, um auf deine Ausgangsfrage zurück zukommen, haben in der Gesellschaft viel zu viele Sympathien. Verpackt man die Aussage "Ausländer raus!" In einen wohl formulierten unverfänglichen Satz, so stimmen große Teile der Bevölkerung zu.
Marschieren Nazis durch die Straßen und betreiben Geschichtsrevision, lehnen den Holocoust ab und hetzen gegen unsere Demokratie, so wird dies zwar generell schlechtgeheißen. Am Stammtisch bekommen die gleichen Personen aber ihre Zustimmung.
Personen, die sich gegen Rechtsextreme stark machen, werden generell als links oder meistens gar linksextrem abgestempelt. Setzen sie sich den Nazis in den Weg, so werden sie auf eine Stufe mit ihnen gestellt, da sie ja die Meinungsfreiheit genauso ablehnen würden, wie die Nazis andere Grundrechte. Dabei stellt sich mir immer die Frage, ob es wirklich eine Meinung ist, dass Judinnen und Juden VerbrecherInnen sind, dass Personen, die nicht weiß sind, generell nichts gutes für Deutschland bedeuten können und dass die Zeit vor gut achtzig Jahren eine bessere war.
Es spielen auch immer gewisse Strukturen und real existierende Zustände dabei eine gewisse Rolle, die man allerdings bei der Betrachtung keineswegs unterschätzen darf. Gerade im Osten hat es beispielsweise die NPD in den dortigen Landtagen geschafft. Diese Wähler haben nun nicht alle solches Gedankengut, aber einige kleine Aussagen von denen haben die Leute zu dieser Wahl bewegt. Wo die wirtschaftliche Lage katastrophal ist und auch keine Besserung in Sicht ist, finden extremistische Parteien und Gruppierungen ihren Zulauf.
Ein anderer nicht unwichtiger Punkt besteht in der Unwissenheit der einzelnen Bevölkerungsschichten. Frei nach dem Motto was ich nicht kenne lehne ich ab wird eben gehandelt. Diese Leute wissen überhaupt nicht welche Ziele solche Parteien überhaupt verfolgen. Die hören nur einige Wortfetzen, die auf ihnen vielleicht zu treffen und glauben das ist so vollkommen richtig. Es wird eben nicht über die Sache direkt nachgedacht.
Extremistische Meinungen sind natürlich sehr weit verbreitet und nicht einem bestimmten Milieu oder einer Klasse vorbehalten. Eigentlich gründen sich auch die Ideen oder Ideale der etablieren Parteien auf extremistischen Positionen. Diese werden dann lediglich relativiert oder aber deren Ausführung in letzter Konsequenz wird von der Idee losgelöst und/oder anderen überlassen.
Das gilt sowohl für den rechten Rand wie auch für das linke Spektrum, wobei der rechte Rand auf Grund seiner "Bürgernähe" und der erlebten Lebenswirklichkeit eher auf fruchtbaren Boden fällt. Für linke Ideen genügt eben das eigene Leben und die eigene Erfahrung nicht, sondern ein gewisses Abstraktionsvermögen ist vorauszusetzen und auch die Erkenntnis der eigenen Fehlbarkeit.
Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus ist ja nichts, was von Wissenschaftlern erfunden und nun der Bevölkerung vorgeworfen wird. Es sind schlicht bestehende Ressentiments, welche leider schon allein auf Grundlage deren Existenz als wahr (zumindest in Teilen) angenommen werden. Getreu dem Motto: irgendwas muss ja dran sein.
Nicht auszurotten sind die Märchen der mächtigen Juden, die Deutschland auch heute noch auspressen. Oder aber der ungebildeten Ausländer, die sich hier ein schönes Leben machen. (Ein "bisschen Nationalismus" geht eben nicht.) Oder aber auch das Märchen davon, dass man hier bequemer und besser in der sozialen Hängematte über die Runden kommt, als durch Arbeit. Nach dem Motto, Leistung würde sich heute nicht lohnen. Was nun konkret diese Leistung ist, spart man sich hingegen immer wieder gerne aus. Wichtig ist aber der gemeinsame Feind im Innern (Juden sollen es nicht sein, Ausländer vielleicht, "Sozialschmarozer" auf jeden Fall). Jetzt wird keiner zu einer Endlösung hier aufrufen. Aber wenn man davon spricht, Ausländer zurückzuführen (immer auch beachtend, dass darunter auch Leute fallen, die hier geboren sind), Arbeit erst an Deutsche zu vergeben oder aber die Pflicht zur Arbeit einzuführen, sind das sehr wohl sehr extremistische Ansichten. Dumm zwar, aber eben extremistisch.
Antikapitalistische Tendenzen mache ich übrigens eher selten aus. Hier mag es eher um das unbestimmte Gefühl gehen, dass man selbst (und andere) ungerecht behandelt wird. Dann wird nach Gerechtigkeit geschrien und man versucht und hofft, statt über die Revolution durch Reformen den Gipfel der Gerechtigkeit zu erklimmen. Mögliche systemimmanente Fehler werden nicht in Erwägung gezogen. Aber ein falsch konfigurierter Rechner kann auch nur schwer durch eine Änderung des Nutzerverhaltens dazu gebracht werden, richtig zu arbeiten. Die Idee von mehr Gerechtigkeit durch einen steuernden Eingriff ist hier extremistisch. Aber auch hier wird von der Durchführung Abstand genommen.
Natürlich sind beide Richtungen weit verbreitet, je nach Ort eben die eine Seite mehr, die andere weniger. Was mich gerade enorm stört, ist schon wieder diese Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus. Beides ist völlig anders motiviert, hat andere soziale Hintergründe und kann auch von den Auswirkungen her nicht gleich gesetzt werden.
Rechtsextremismus weist immer noch Gesellschaftsbilder auf, die Menschen gegeneinander aufhetzen. Unterschiede zwischen Menschen machen, die genetisch etwas „anders“ sind. Wobei völlig unklar ist, was „normal“ ist. Hetzen gegen bestimmte Religionen, Nationalismus, der ausgrenzt, ...
Linksextremismus ist in den letzten Monaten, so habe ich das Gefühl, mehr geworden. Antikapitalismus, Antinationalismus und Antirassismus entwickeln sich, die „neue“ Regierung weist starke Lücken auf - und nährt alte, teilweise einfach unpassende Gesellschaftsbilder.
Ich will mich jetzt auf gar keine Seite stellen. Was ich aber unbedingt will: Die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus aus den Köpfen kriegen. Genauso wie rechte und linke Gewalt. Es besteht einfach ein Unterschied dazwischen, einen Asylbewerber zu verprügeln oder Steine auf Polizisten zu schmeißen, die Nazis schützen. Ich befürworte Gewalt nie, Differenzierung ist aber angebracht.
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