Staat soll nur 5 Jahre Hartz IV zahlen

vom 17.03.2010, 14:02 Uhr

Soll ALG II in Zukunft auf 5 Jahre begrenzt werden?

ja
5
19%
nein
21
81%
 
Abstimmungen insgesamt : 26

Dieser Vorschlag ist einmal wieder an der Realität total vorbei. Es bekommen ja schon sehr viele Menschen fast 5 Jahre Hartz 4 und darunter befinden sich auch viele Menschen die eine Arbeit haben. Wer nämlich sehr wenig bei einer geregelten Arbeit verdient hat auch Anspruch auf Hartz 4 Bezüge.

Selbst Rentner die eine sehr geringe Rente erhalten haben auch einen Anspruch, wenn sie beispielsweise schwerbehindert sind. Diese Leistung nennt sich zwar Grundsicherung, ist allerdings nichts anderes als Hartz 4. Hierbei werden nämlich alle anderen Bezüge mit der eigentlichen Rente als sogenanntes Einkommen angerechnet.

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» karlchen66 » Beiträge: 3563 » Talkpoints: 51,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich wäre durchaus dafür, Hartz IV auf ein Jahr zu beschränken - wenn es denn genug sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze gäbe, mit denen man seinen Unterhalt ohne weitere Untersützung bestreiten könnte. Und da beginnt eben das Problem - die gibt es gerade für Menschen, die nicht ausreichend aktuell qualifiziert sind, eben nicht. Ich lebe selbst in einer Gegend mit einer hohen Arbeitslosenquote. Mit einer guten Ausbildung, die möglichst auf dem aktuellen Stand ist, findet man auch hier recht schnell einen Job. Mit den üblichen Abstrichen im Osten eben, aber man kann davon ganz gut leben. Wer aber genau das (eine aktuelle Qualifikation) nicht vorweisen kann, der findet zwar schon einen Job; fast immer aber im Niedriglohnsektor. Und damit ist man eben auf Dauer von Hartz IV - als Aufstocker - abhängig.

Sicher gibt es einige Menschen, die es sich in der Hängematte Hartz IV bequem machen. Laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit stieg der Anteil der Sozialbetrüger, der im Jahr 2008 1,8 % aller Empfänger betrug, um sagenhafte 0,1% auf 1,9% im Jahr 2009. Ungeklärt ist, ob es nun wirklich mehr Betrüger gibt oder ob nicht einfach mehr Fälle erkannt wurden. Selbst wenn es 5% der Empfänger wären (wovon andere Personenkreise ausgehen) rechtfertigt das doch noch lange nicht die staatliche Unterstützung in ihrer jetzigen Form vollkommen umkrempeln zu wollen.

» JotJot » Beiträge: 14058 » Talkpoints: 8,38 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


eatmyshorts hat geschrieben:Der Rentner hat mit 75 Jahre keine Alternative als Rente zu beziehen.

Doch - er kann arbeiten gehen ;). Das wird von den genannten Herren nämlich gerne unterschlagen, dass es gerade in diesen Beispielländern normal ist dass hier teilweise 85 jährige noch arbeiten. In den USA arbeitet über 1/6 der über 70jährigen noch - einfach weil die Rente nicht reicht bzw. weil sie sozial eben nicht abgesichert sind. Im Supermarkt hier um die Ecke wo ich immer einkaufen gehe arbeitet ein 78jähriger (!) als Einpacker und auch andere niedere Jobs (Straßenreinigung usw.) werden hier oft noch von Senioren übernommen - zwangsweise.

eatmyshorts hat geschrieben:Ein ALGII-Empfänger hat sehr wohl die Entscheidungsfreiheit, ob er arbeiten gehen will oder nicht, solange er grundsätzlich erwerbsfähig ist.

Ja, er kann sich dafür entscheiden arbeiten zu gehen oder nicht - aber er kann nicht darüber entscheiden ob er Arbeit bekommt oder nicht. Letzteres ist das Problem und zeigt sich auch daran, dass es eben mehr Bewerber auf eine Stelle als Jobs gibt - abgesehen von offenen Fachstellen die weniger bis gar keine Bewerber haben mangels geeigneten Fachkräften (aber die stellen auch nicht die Mehrheit der offenen Stellen, sind also nebensächlich in der Betrachtung). Diese Arbeitnehmer sind also mangels Stellen gezwungermaßen arbeitslos

Dazu kommt, dass ALG II Empfänger nicht gleich ALG II Empfänger ist. Durch die tollen Hartz IV Reformen wurden hier alle mal eben in einen Topf geworfen und über einen Kamm geschoren. Denn von den 4,9 Millionen ALG II Empfängern sind allein:
- ca. 1,7 Millionen Kinder & Jugendliche die ALG II bekommen und mehrheitlich überhaupt nicht im arbeitsfähigen Alter sind
- ca. 900.000 Erwerbsunfähige (Behinderte, Berufsunfähige usw.) die Hartz IV bekommen
- ca. 1 Million Niedriglohnempfänger ("Aufstocker") die aufgrund ihres niedrigen Lohnes ALG II bekommen

Sprich: Mehr als 70 % (!) der ALG II Empfänger ist bereits in Arbeit bzw. arbeitsunfähig - mit welchem Argument will man denen denn die 5 Jahresfrist um die Ohren hauen? "Behinderte & Kinder, geht endlich arbeiten!" - "Niedriglohnempfänger - geht gefälligst 20 Std am Tag arbeiten!"? Das wäre die logische Konsequenz der Forderung dieser beiden superintelligenten "Experten"!

Klar will man die Schmarotzer treffen, aber diese machen laut verschiedenen Schätzungen 2 - 3 % aus - und dafür den Rest abstrafen, der sich (siehe Berlin, siehe Stellenproblematik) laufend bemüht bzw. gar keine Möglichkeit hat eine Arbeit anzunehmen (Behinderte, Kinder usw.) bzw. bereits arbeitet?

eatmyshorts hat geschrieben:Wie gesagt, in Bezug auf die Kosten gebe ich dir recht. Aber das kannst du nicht miteinander vergleichen und gleich garnicht, wenn man etwas weiter denkt, mit welcher Konsequenz.

Klar kann man das nicht vergleichen, es war ja auch nur mal ein Rechenbeispiel was uns letztendlich teurer kommt. Dazu kommt, dass wir unsere "Assis" schon schön knapp bei der Stange gerade so über dem Existenzminimum halten - in allen anderen (westeuropäischen) Ländern haben die dortigen Arbeitslosen Anrecht auf den 2 - 3fachen Satz des deutschen ALG II bei mehr Rechten (aber auch Pflichten) z. B. für Fortbildungen usw.!

Daher zieht es die Migranten, die es nur auf Stütze abgesehen haben, auch eher in diese Länder da sie dort wesentlich besser gestellt sind.

karlchen66 hat geschrieben:Selbst Rentner die eine sehr geringe Rente erhalten haben auch einen Anspruch, wenn sie beispielsweise schwerbehindert sind. Diese Leistung nennt sich zwar Grundsicherung, ist allerdings nichts anderes als Hartz 4.

Klar, aber durch die Verwendung des Begriffs "Grundsicherung" kann man sie ja schön aus der ALG II Statistik rausrechnen :D.

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich fände es total falsch HartzIV ganz abzuschaffen und danach nichts mehr zu bezahlen. Klar gibt es viele, die das ausnutzen und nicht arbeiten gehen wollen, aber selbst diejenigen, die arbeiten gehen wollen, finden doch kaum noch einen Job. Man kann heutzutage nicht mehr sagen "wer arbeiten möchte, findet auch Arbeit", das ist einfach nicht (mehr) so.

Soll der Staat doch lieber mehr bzw. länger den Leuten Arbeitslosengeld geben, die gearbeitet haben. Jemand der gearbeitet hat, steht doch im Endeffekt genauso schlecht da wie jemand, der noch nie gearbeitet hat.

» Bibi78 » Beiträge: 224 » Talkpoints: 0,25 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Hallo!

Generell ist es unmöglich Hartz IV für die Bürgerinnen und Bürger zu streichen, die es auch nach dem fünften Jahr beziehen müssen.

Eine solche Regelung würde sogar gegen das Grundgesetz verstoßen, denn ohne eine soziale Absicherung wäre für die betroffen Personen ein Leben in Würde nicht mehr möglich, d.h. es verstößt schon gegen den ersten Artikel des Grundgesetzes.

Ich frage mich ja, wie der Herr, der diese These aufgestellt hat, sich das Leben dieser Personen vorstellt? Demnach könnten sich diese Menschen ja auch nichts zu essen mehr leisten, und sollten sie dann einfach verhungern?! Klar gibt es für solche Fälle ja Organisationen, die Obdachlosen preisgünstige Nahrung oder Kleidung anbieten, aber für eine Wohnung für die betroffenen Personen können diese Organisationen auch nicht sorgen, dafür fehlen ihnen die finanziellen und wahrscheinlich auch personellen Mittel.

Das man lieber den älteren Menschen die Rente entzieht, weil sie keine Kinder in die Welt gesetzt haben, ist genauso menschenunwürdig. Man weiß ja nie durch welches Schicksal sie keine Kinder haben, vielleicht wollten sie, aber konnten nicht, weshalb auch immer und diese Menschen dann auch noch zu bestrafen halte ich für wirkliche asozial. Über Sanktionen könnte man vielleicht noch nachdenken, obwohl man diese Menschen dann auch noch bestrafen würde, da liegt es doch näher die Bürgerinnen und Bürger, die Kinder haben zu unterstützen, und dass sie im Rentenalter z.B. ein Anspruch auf eine höhere Rente haben. Hier wären wir dann auch schon bei den Kosten: Klar, die Kosten für das Sozialsystem sind hoch, aber nicht umsonst hat Deutschland noch mit eines der Besten Sozialsysteme der Welt.

Wie man die Kosten verringern könnte, weiß ich auch nicht auf die schnelle, darüber zerbrechen sich schon Menschen darüber die Köpfe die so etwas studiert haben und finden keine gute Lösung. Dennoch weiß ich, dass diese Einsparungen nicht auf die Kosten des Sozialsystem beruhen dürfen, obwohl man mit den Kosten auch eine Generationsungerechtigkeit schafft, welche genauso ein schwieriges Problem unserer Gesellschaft ist und auch alles andere als "sozial" ist.

» Lord_of_Chaos » Beiträge: 31 » Talkpoints: 0,16 »


Lord_of_Chaos hat geschrieben:Das man lieber den älteren Menschen die Rente entzieht, weil sie keine Kinder in die Welt gesetzt haben, ist genauso menschenunwürdig.

Ich hoffe jeder andere hier im Forum hat meinen Sarkasmus heraus gelesen, auch ohne dass ich extra kenntlich machen musste. Denn bestraft werden muss niemand, alleine der Rentenvorteil durch die Erziehungszeit ist Belohnung genug. :wink:

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» Julix » Beiträge: 2566 » Talkpoints: -1,81 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Lord_of_Chaos hat geschrieben:Ich frage mich ja, wie der Herr, der diese These aufgestellt hat, sich das Leben dieser Personen vorstellt?

Mietzahlung von der Arge direkt an den Vermieter und fürs Essen gibt es Gutscheine, die gegen Nahrung eingelöst werden können. Wenn man will geht das schon. Man muss ja nicht die ganze Unterstützung streichen, sondern sie nur von einer finanziellen hin zu einer Sachunterstützung für das Nötigste umstellen. Ob das am Ende billiger und unbürokratischer wird glaube ich zwar auch nicht unbedingt, aber grundsätzlich sich über Alternativen Gedanken zu machen, war noch nie verkehrt.

Und wenn man schon über Würde diskutiert, sollte man sich ja auch mal Aussagen wie die von Subbotnik vor Augen führe. Wenn ALG II-Empfänger dazu beitragen können, dass die Binnenkonjunktur auch in Zeiten einer Weltwirtschaftskrise stabil bleibt, kann es ihnen ja schon mal nicht so schlecht gehen und Potenzial für Kürzung durchaus vorhanden sein. Natürlich muss man da schon sehr differenziert herangehen, wenn man sieht, dass ein Großteil der Empfänger für den Arbeitsmarkt gar nicht zu Verfügung steht, bringen da auch Sanktionen oder gar das Streichen des Geldes gar nichts. Wer erwerbsunfähig ist, der bleibt das auch.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



@Klehmchen
Und was ist mit dem Rest, den man als Nötigstes zum Leben braucht? Das fängt bei Hygienartikeln an und geht bei Kleidung weiter. Auch das sind Grundbedürfnisse und nicht nur Miete und Lebensmittel. Also wenn man schon sowas raushaut, dann bitte richtig durchdenken.

Oder sollen wir den arbeitswilligen Hartz IV-Empfänger in Zeitungspapier gewickelt zum Vorstellungsgespräch schicken? Wenn er Glück hatte, ab es am Tag vorher noch Regen, so das er wenigstens gewaschen ist, weil du willst ja nur die Miete zahlen. Nebenkosten sind da auch schon nicht mehr drin.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Klehmchen hat geschrieben:Ob das am Ende billiger und unbürokratischer wird glaube ich zwar auch nicht unbedingt, aber grundsätzlich sich über Alternativen Gedanken zu machen, war noch nie verkehrt.

Wenn dann sollte da aber schon etwas vernünftiges bei rauskommen und nicht solche Vorschläge wie von diesen beiden Herren ;). Ehrlich gesagt verstehe ich immer nie, warum hier eine Alternative her soll? Der Großteil der ALG II Empfänger sind keine Schmarotzer, saufen nicht nur Bier und vernachlässigen ihre Kinder oder geben ihre Stütze für die neueste Technik im Wohnzimmer aus - warum sollte man hier etwas ändern nur um 2 - 3 % abzustrafen? Würde man jeden Steuerzahler per se Steuerbetrug unterstellen, weil auch hier eine Minderheit weiß wie würden diese auch aufschreien, warum man nun mit den "Betrügern" in eine Schublade gesteckt wird.

Klehmchen hat geschrieben:Wenn ALG II-Empfänger dazu beitragen können, dass die Binnenkonjunktur auch in Zeiten einer Weltwirtschaftskrise stabil bleibt, kann es ihnen ja schon mal nicht so schlecht gehen und Potenzial für Kürzung durchaus vorhanden sein.

Naja, aber auch hier gilt, dass die meisten nicht etwa einen neuen Porsche kaufen und was die Märkte alles hergeben, sondern durch dezentrale Ausgaben im Grunde die Basis am Leben erhalten, sprich: Discounter & Co und damit die Arbeitsplätze mit höherem Einkommen (als ALG II) die dann wieder für Luxusgüter ausgegeben werden können.

Und der Konsument kann, egal ob reich, Mittelschichtler oder ALG II Empfänger am besten steuern und beurteilen wo Investitionen (egal ob in H-Milch oder neue Yacht) am sinnvollsten eingesetzt werden. Genau das ist es ja, was ALG II zu einem besseren Konjunkturprogramm macht, als die, die zentral aufgelegt werden. Ich würde behaupten wollen: Wenn man die Ausgabenstrategie der ALG II Empfänger (die Milliarden die von der ARGE ausgezahlt werden) vom Bundesrechnungshof mit denen irgendwelcher staatlicher Projekte vergleicht wird der Bund bei der Kosten/Nutzen Rechnung nur verlieren können (bei dem was da immer versenkt wird).

Ich halte daher auch nichts von Gutscheinen - koppelt man sie an Leistungen die dann überall eingekauft werden können (Lebensmittel usw.) heißt es nur mehr Bürokratie und Verwaltungsaufwand was die ohnehin völlig unwirtschaftlich, weil unnötig aufgeblasene, arbeitende ARGE noch mehr zu einem Mühlstein der Steuerzahler werden lässt oder man kann diese Gutscheine nur bei staatlichen Stellen bzw. Läden einlösen was die Binnenwirtschaft schwächen würde mangels dezentralem Kaufverhaltens. So oder so für mich ein Schuss in den Ofen bzw. angesichts des Verhältnisses Schmarotzer / "Normale": Mit Kanonen auf Spatzen schießen...

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» Subbotnik » Beiträge: 9308 » Talkpoints: -7,05 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Punktedieb hat geschrieben:@Klehmchen
Und was ist mit dem Rest, den man als Nötigstes zum Leben braucht? Das fängt bei Hygienartikeln an und geht bei Kleidung weiter. Auch das sind Grundbedürfnisse und nicht nur Miete und Lebensmittel. Also wenn man schon sowas raushaut, dann bitte richtig durchdenken.

Moment mal. Ich habe nicht geschrieben, dass ich diese Regelung gut finde oder gar will, sondern nur eine Möglichkeit aufgezeigt wie so ein ALGII-Bezugsende aussehen könnte. Schon schlimm, was in Postings immer gleich als Meinung reininterpretiert wird.

Und Subbotnik, ich finde Alternativen immer gut. Selbst wenn man am Ende alle ablehnt. Aber erst dann weiß man ja auch, dass man schon ein recht gutes Instrument erfunden/entwickelt hat. Gerade die staatlichen Stellen sind ja mit ihren Ideen oftmals nicht so treffsicher, dass man sie nicht hinterfragen müsste.

Und auch sonst, denke ich sollte der Ansatz der Arbeitsmarktpolitik ja nicht darin liegen, zunächst die Binnenkonjunktur zu sichern, sondern die Leute in Arbeit zu bringen. Und wenn nicht genug Arbeit da ist, sollte man eben schauen, dass man entweder mehr Arbeitsstellen schafft oder die vorhandene Arbeit versucht anders zu verteilen. Aber daran versucht sich ja leider schon lange keiner mehr so wirklich.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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