Politische Probleme in der Endphase der Weimarer Republik
I. Einleitung
Der Übergang des Deutschen Reiches von der Demokratie von Weimar in die Diktatur des Dritten Reiches hat zahlreiche, oft ineinander greifende Hintergründe. Verschiedene Geschichtswissenschaftler nennen verschiedene Aspekte der Endphase der Republik und messen ihnen unterschiedlich hohe Bedeutung bei.
Im Folgenden sollen einige davon erläutert und diskutiert werden, inwieweit gegensteuernde Einflüsse hätten geltend gemacht werden können.
1. Destabilisierung
Die 1929 mit dem „schwarzen Freitag“ eingeläutete Weltwirtschaftskrise erschütterte auch das Deutsche Reich massiv. Viele Banken und Unternehmen gingen in Konkurs, die Arbeitslosigkeit wuchs und die Bevölkerung verelendete zusehends. Der von Hindenburg im Frühjahr 1930 bestellte Reichskanzler Brüning unternahm jedoch nichts um die Krise einzudämmen, seine Deflationspolitik verschärfte sie sogar noch. K. Borchardt argumentiert, dass Brünings Handlungsspielräume stark eingeengt gewesen seien und er daher kaum über Möglichkeiten verfügte der Krise entgegen zu wirken.
Dieser These der Zwangslage haben C.L Holtfrerich und andere vehement widersprochen. Sie begründen Brünings zyklische Finanzpolitik mit seinen Prioritäten unter denen die Revision des Versailler Vertrages und eine autoritäre Wende gegenüber der Unterstützung der verarmten Bevölkerung Vorrang hatten. Zwar mögen Brüning unsere heutigen Kenntnisse gefehlt haben, dennoch hatte auch er Pläne zur Restabilisierung der Wirtschaft entwickelt, die aber erst nach dem Erreichen seiner Primärziele Anwendung finden sollten. Brüning wollte dem Ausland gegenüber den Eindruck des Staatsbankrotts vermitteln, um die Reparationszahlungen endgültig einstellen zu können und versäumte es dabei der deutschen Bevölkerung wenigstens Hoffnung zu vermitteln, was zu steigender Verzweiflung und Wut führte.
2. Verfassungsprobleme und Delegitimierung
Schon in der Ausrichtung der Weimarer Verfassung liegen einige Probleme. Zwar sollte der Reichstag vor allen anderen Organen stehen und der Repräsentant der Staatsgewalt sein. Der Artikel 54 machte die Amtsführung des Reichskanzlers und seiner Minister vom Vertrauen des Reichstages abhängig. Dem stand jedoch der sehr starke, dem Parlament ebenbürtige Reichspräsident gegenüber, der die Reichsregierung ernannte und entließ, nach Artikel 25 den Reichstag auflösen konnte und nach Artikel 48 das Recht besaß, in Ausnahmesituationen die zur Wiederherstellung der Ordnung notwendige Maßnahmen, unter anderem die Aufhebung der Grundrechte, zu ergreifen. Wie sich eine solche Ausnahmesituation definierte sollte später per Gesetz geregelt werden, dies wurde jedoch versäumt.
Ebenfalls kritisch ist der Status der Parteien zu sehen, der nur unzureichend festgelegt war. Es gab weder Beschränkungen, dafür wer sich Partei nennen durfte noch dafür, wie viele Stimmen man erhalten musste, um in den Reichstag einzuziehen. Dies führte zu einer wachsenden Zersplitterung der Regierung.
Zu den großen wirtschaftlichen Problemen kam eine wachsende Delegitimierung der Regierung. Die liberalen und konservativen Mittelparteien litten unter Wählerschwund, die politische Linke war durch die Spaltung des Arbeitermilieus blockiert. Dadurch wurde es immer schwerer eine legitime Regierung zu schaffen, oft regierten Minderheitsregierungen. Koalitionsbildung war oft schwierig, da die Differenzen zwischen den einzelnen Partnern ein Regieren in Einigkeit erschwerten. An solchen Konflikten scheiterte die große Koalition unter Hermann Müller 1929.
P. Lösche kritisiert genau das, wenn er die Koalitionsfähigkeit als wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren einer parlamentarischen Demokratie definiert, H.-U. Wehler begründet die allgemeine Koalitionsunfähigkeit mit der schwachen Position der Parteien im Beamtenstadt Bismarcks und der Tatsache, dass sie schlicht nicht gelernt hatten an der Regierung beteiligt zu sein. H. Mommsen sieht dies jedoch nicht als auslösend für den Bruch.
Die Reichstagsauflösung im Sommer 1930 markierte den Anfang der reinen Kabinettspolitik, das Parlament fungierte nur noch zur Tolerierung des eingeschlagenen Kurses. Diese Regierungsform war zwar durch den Reichspräsidenten abgesichert, entsprach aber kaum mehr den Vorstellungen von 1918.
Während Brecht den Parlamentarismus bereits seit den Wahlen von 1920 scheitern sieht, so betrachtet Bracher keineswegs eine Strukturkrise als Grund für das Scheitern, sondern die bewusste Entscheidung der Schlüsselfiguren gegen die Demokratie. Auch E. Kolb sieht die allgemeine Demokratiefeindlichkeit der Eliten als ein wesentliches Problem, ebenso wie H. Mommsen, der Pläne zum Verfassungsumbau als Impetus der Handelnden unterstellt.
3. Autoritäre Wende
Mit dem Einsetzen Brünings als Reichskanzler und dessen Konzept der Präsidialregierungen wurde die politische und soziale Ordnung der WR mehr und mehr ausgehebelt. Reichspräsident Paul v. Hindenburg und sein engster Mitarbeiterkreis favorisierten ein Regierungssystem, das die Rolle des Parlamentes auf eine reine Kontrollebene zurück schnitt. Auch die gesellschaftlichen Errungenschaften vom November 1918 sollten revidiert werden, die Sozialleistungen sollten abgebaut, die Gewerkschaften geschwächt und die Löhne gesenkt werden. Außerdem hoffte man die SPD nachhaltig zu schwächen und aus der Regierungsverantwortung zu verdrängen.
Die Praxis mithilfe von Notverordnungen ohne den Reichstag zu regieren, war nach Peukerts Meinung keineswegs als einziger Ausweg aus der Krise begonnen worden. Vielmehr verstanden Brüning und sein Kabinett die Krise für ihre Zwecke auszunutzen. Auch hier sei wieder auf die Äußerungen von Kolb zur Demokratiefeindlichkeit der Eliten und Mommsen zur angestrebten Verfassungsänderungen verwiesen.
Die wachsende Unterstützung die die Nationalsozialisten im Volk fanden, wurde hierbei nebensächlich eingestuft, man interpretierte sie gar als notwendigen Schritt zur Auflösung des Parlaments. Allerdings verloren die Präsidialkabinette mehr und mehr den Rückhalt der Bevölkerung, was sich vor allem unter Brünings Nachfolger v. Papen bemerkbar mache. Auf der anderen Seite war das Volk durch die Krise so stark politisiert, dass man es nicht einfach ausgrenzen konnte.
4. Totalitäre Sammelbewegung
Während die Präsidialregierungen aufgrund ihrer oft elitefreundlichen und bürgerfeindlichen Entscheidungen nicht vom Volk unterstützt wurden, erhielten Hitler und seine NSDAP großen Zulauf. Sie sammelten die Krisenängste eines guten Drittels der Wähler hinter sich und nutzen aktiv die Dynamik der Ereignisse für sich aus.
J. Kocka sieht die Janusköpfigkeit der NSDAP als Grund für ihren großen Zulauf, ermöglichten ihre verschiedenen Aspekte es doch vielen Gruppen sich ihr anzuschließen. Broszats Feststellung, die NSDAP sei eine Sammelpartei für alle antimarxistischen und anti liberalen Strömungen gewesen zielt in eine ähnliche Richtung. K. Schönhoven äußert sogar, dass die KPD durch ihre radikale Gegenposition eine Bolschewismusfurcht in der Bevölkerung erzeugte, die der NSDAP die Wähler zu trieb. J. John hält allerdings dagegen, dass dies umgekehrt auch für die Ablehner der nationalsozialistischen Bewegung gelten kann.
5. Politische Alternativen
Auch die Möglichkeit eines Eingreifens anderer politischer Kräfte ist ausführlich erörtert worden. Zwar hätten die Arbeiter und das katholische Milieu mit zusammen leicht über 50% der Stimmen noch ein numerisches Gegengewicht zu den Nationalsozialisten bilden können, waren jedoch außer Stande diesen Vorteil zu nutzen.
Während Bracher und Eyck die Auffassung vertreten, die SPD hätte sich einschalten müssen, um ein Zeichen zu setzen, sehen Kolb und Winkler das „Stillhalten“ der SPD als Ergebnis der realistischen Einschätzungen ihrer Möglichkeiten. Zwar stellt Mommsen fest, dass die Tolerierungspolitik der SPD fehl schlug, gesteht ihr aber gleichzeitig zu, dass sie keine Alternativen hatte. Eventuelle Aktionen der politischen Linken wertet er als weiteren Schub der rechtbürgerlichen Teile des Volkes in Richtung Hitler, H.A. Winkler schließt eine Einheitsfront von SPD und KPD gar ganz aus, da die Gegensätze zwischen beiden Parteien zu tief greifend waren.
Peukert sieht die Parteien des katholischen Milieus als von der autoritären Wende von innen zersetzt und damit ebenfalls als nicht fähig einzuschreiten.
Durch interne Kämpfe zwischen SPD und KPD und einer Zermürbung in die autoritäre Richtung des Zentrums wurde der wahre Feind verkannt und die Energie nicht aktiv gegen die NSDAP eingesetzt.
Am 30. Januar hatte der Arbeiterwiderstand bereits resigniert, danach schaltete der gezielte Terror der Nationalsozialisten gegen KPD, SPD, DDP und die Juden alle politischen Gegner aus, durch den schnell eingeleiteten Gleichschaltungsprozess wurde deren Propaganda effektiv beschnitten.
Sowohl v. Papen als auch v. Schleicher erwogen die Verhängung des Staatsnotstandes als Legitimierung eines Verfassungsbruchs, wenn auch mit unterschiedlichen Zielen. Im Falle Papens zeigte das „Planspiel Ott“, dass sich die Idee aufgrund mangelnder Unterstützung der Reichswehr nicht umsetzen ließ, im Falle Schleichers verweigerte Hindenburg seine dazu notwendige Zustimmung. Kolb und W. Pyta befürworten ein solches Vorgehen, bei dem eine zeitweilige Absetzung des Parlamentarismus bis zur Stabilisierung der wirtschaftlichen und damit der politischen Lage durch eine Entradikalisierung der Bevölkerung die Wiedereinsetzung des Reichstages ermöglicht hätte.
Hindenburg und seine „alten Eliten“ misstrauten den Nationalsozialisten zunächst, erwogen aber Ende 1932 dann doch eine Zusammenarbeit, da sie keinen anderen Ausweg mehr sahen. Die Kompromisslösung mit einer Einrahmung Hitlers durch konservative Kräfte schlug jedoch fehl.
Brüning und seine Anhänger hatten die demokratische Alternative durch ihre Politik seit 1930 planmäßig marginalisiert, den Präsidialregierungen fehlte die Massenbasis. Die kommunistische Alternative vermochte keine Regierungsgewalt zu entfesseln, sondern verblieb auf dem Niveau des Protestes und des Gegengewichts, ein Staatsstreich der Reichswehr hätte eher einen Bürgerkrieg ausgelöst, als Ordnung zu schaffen. So blieb als einzige Alternative die NSDAP mit Hitler als neuem Reichskanzler. Diese jedoch war alleine nicht in der Lage das Machvakuum auszufüllen, weil auch sie nicht genug Stimmen versammelt hatten. Peukert vermutet, dass die Nationalsozialisten langfristig nicht von Bedeutung gewesen wären, ihre Zustimmung im Volk war Ende 1932 bereits wieder rückläufig, da die versprochenen Erfolge ausblieben.
III. Schlussbetrachtung
Über die Unausweichlichkeit der Ereignisse vom Januar 1933 ist seitdem viel diskutiert worden. Während Conze die Meinung vertritt, dass der Untergang eine Folge der akuten Krise des Parteienstaates und damit unabwendbar gewesen sei, sind H. Schulze und K.D. Bracher anderer Auffassung. Letzterer betont mehrfach, dass das Ergebnis von den Handelnden aktiv herbeigeführt worden sei, Schulze argumentiert, die Option dem Gesetz zu gehorchen habe immer bestanden, anonyme Sachzwänge, die dies verhinderten, habe es nicht gegeben.
Betrachtet man die hier aufgeführten Probleme der Weimarer Republik, eröffnen sich verschiedene Ansatzpunkte an denen andere Entscheidungen die Ereignisse in eine andere Richtung hätten lenken können. Schließt man sich Holtfrerichs Meinung an, Brüning habe die Wirtschaftskrise bewusst verschärft und legt zu Grunde, dass die daraus erwachsende, zunehmende Hoffnungslosigkeit die Gesellschaft weiter radikalisierte, so wäre seine Kanzlerschaft eine zentrale Stelle, an der der Verlauf der Geschichte hätte positiv beeinflusst werden können. Peukerts Feststellung, dass Hitlers Anhängerschaft Ende 1932 bereits wieder schrumpfte, lässt die von Kolb und Pyta aufgestellte Theorie, die Verhängung der Ausnahmesituation um Zeit zu gewinnen wäre eine mögliche Lösung gewesen, zumindest diskussionswürdig erscheinen.
Das war schon mal ein tolle Aufsatz. Alles ist verständlich und gut aufgebaut. Die Rolle der Westmächte, die das Rheinland besetzt hielten, hätte noch etwas erläutert werden können. Auch über die Verbrechen der russischen Revolution war schon damals einiges bekannt. Aber dann wäre der Aufsatz noch länger geworden.
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