In welchem Maße ist Intelligenz vererbbar?

vom 24.02.2010, 20:34 Uhr

Angeregt durch Eltern Hauptschule - Kinder Gymnasium? habe ich noch einmal recherchiert. Dabei stellte ich fest dass sich die Wissenschaft über das Maß der Weitergabe noch nicht einig ist. Man geht jedoch davon aus dass Intelligenz zu einem bestimmten Teil vererbbar ist, wie groß dieser Anteil ist lässt sich jedoch nicht mit Bestimmtheit definieren. Diese Unsicherheit wird damit begründet das es nicht nur ein Gen als Träger der Erbinformation gibt welches die Intelligenz später weiter trägt sondern eine Vielzahl von Genen.

Man geht davon aus das Milliarden von Nervenzellen für die verschiedensten Funktionen in unserem Kopf verantwortlich sind, aber nur ein geringer Anteil davon ist schon bei den Babys fest vernetzt und auch aktiv. Je älter das Kind wird und auch entsprechend mit Informationen gefüttert wird, um so mehr und besser werden diese Nervenbahnen dann auch geschaltet und miteinander vernetzt. Dabei werden aus Billionen von Möglichkeiten im Gehirn feste Schaltkreise manifestiert die später fast das ganze Leben funktionieren und auch genutzt werden. Damit kann also Intelligenz bereits im frühen Alter gelernt werden.

Allerdings spielt die Umwelt eine sehr große Rolle. Die Erfahrungen emotionaler und sozialer Natur prägen die Kinder und entscheiden mit, wie intelligent ein Mensch später ist. Noch einmal zur Erinnerung, Intelligenz definiert sich über Einsicht und Verstand und umfasst das sprachliche Vermögen, das Assoziationsverständnis, die Gewandtheit beim Rechnen, die räumliche Vorstellung, das Gedächtnis, die Auffassungsgabe und natürlich das Ergebnis orientierte Denken.

Interessant in diesem Zusammenhang auch eine (nicht ganz unumstrittene) Studie des bekannten Humangenethikers weiß über die Vererbung der Intelligenz. Diese Langzeitstudie wurde bereits zu DDR-Zeiten begonnen und erst jetzt abgeschlossen. Er untersuchte 1970 1300 hochbegabte Schüler und deren 20000 Blutsverwandten. Dabei stellte er unter anderem fest das zum Beispiel die Schüler mit überdurchschnittlichem Verständnis für die Mathematik im Durchschnitt einen Intelligenzquotienten von 130 hatten und ihre Eltern entweder selbst zur Intelligenz zählten oder zumindest in Berufen mit mittlerer Qualifikation arbeiteten. Im Umkehrschluss bedeutet dieses dass die Kinder von schlauen Eltern wieder mit einem hohem IQ glänzen werden. Auch wurde festgestellt dass bei Eheleuten mit ausschließlich mittlerer Qualifikation und vier Kindern garantiert ein Kind hoch intelligent ist, zwei Kinder total aus der Rolle fallen und ein Kind einen mittleren IQ von 112 haben wird der genau dem IQ der Eltern entspricht.

Diese genetischen Auswertungen erfolgten auf Grundlage der Mendelschen Gesetze. Die Wahrscheinlichkeit der Intelligenz lässt sich damit ziemlich sicher voraussagen. 1990 wurde die Studie wieder fortgeführt. Im Ergebnis stellte man fest dass die ehemaligen Jugendlichen heute zu 97 Prozent bei den männlichen und 90 Prozent bei den weiblichen Probanden Berufe ausüben die zur wissenschaftlichen Intelligenz zählen. Die Hälfte aller Testpersonen hat inzwischen promoviert, fünfundzwanzig Prozent ist habilitiert und ungefähr einhundert Personen arbeiten als Professoren und Dozenten.

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» hooker » Beiträge: 7217 » Talkpoints: 50,67 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Natürlich spielt weitaus mehr eine Rolle. Aber gute Gene können schon etwas ausmachen. Ich denke, dass es auch nochmal einen Unterschied zwischen wirklich intelligent sein gibt und "etwas mit seinen Fähigkeiten anfangen".

Fraglich ist, wie man aufwächst und auch, wie und ob man gefördert wird. Nicht selten ist es so, dass auch die Elter schlau sind, das Kind aber nicht oder umgedreht. Dafür gibt es eben keine Garantie.

Hier in der Stadt gab es mal ein Mädchen, beide Eltern waren geistig behindert und der IQ lag definiti weit unter hundert. Bis zum Grundschulalter konnte das Mädchen sich besser verständigen, als die Eltern. Mangelne Förderung, das falsche soziale Umfeld und nun ist das Mädchen kein Stück weiter gekommen als ihre Eltern und das obwohl es immerhin die richtigen Grundvoraussetzungen hatte. Diese These mag gewagt sein, aber ich denke, dass sie zutrifft.

Andersherum kenne ich ein Mädchen, was definitiv übermäßig schlau ist und die Eltern sind zwar nicht dumm, aber auch nicht übermäßig intelligent, sondern mehr als durchschnittlich.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge


Wie schon richtig angemerkt, spielt eben auch die Förderung eine Rolle. Dass intelligente Eltern öfter intelligente Kinder hervorbringen, liegt eben nicht nur daran, dass die Sprösslinge womöglich die besseren genetischen Vorraussetzungen mitbringen, sondern eben auch daran, dass intelligentere Eltern ihren Kindern, zum großen Teil gar nicht mal bewußt, eine andere Förderung zukommen lassen. Das natürliche Umfeld ist eben ein fruchtbareres. Dann kommt natürlich noch hinzu, dass so genannte bildungsferne Familien der Ausbildung ihrer Kinder häufig einen geringeren Stellenwert beimessen, als das bei der intellektuellen Oberschicht der Fall ist. Zumindest sind das die Ergebnisse, die PISA zutage gefördert hat.

Dennoch gibt es immer wieder Ausnahmen. Wobei das Beispiel der geistig behinderten Eltern mit der intelligenten Tochter nicht das beste ist. Geistige Behinderung muss nicht genetisch bedingt sein. Bei einer Klassenkameradin von mir gab es während des Geburtsvorgangs Komplikationen, so dass die Sauerstoffzufuhr unterbrochen wurde. Dadurch starben etliche Gehirnzellen ab, worunter natürlich die Intelligenz litt. Ihre Tochter ist völlig normal entwickelt. Ein Cousin meines Freundes wurde durch einen Fehler der Ärzte sogar schwer behindert, sowohl körperlich als auch geistig, er wäre bei der Geburt fast gestorben und musste wieder belebt werden. In beiden Fällen wurde die Hirnleistung also von außen massiv beeinträchtigt, obwohl die genetischen Grundlagen andere waren. Und auch während der Schwangerschaft können tausend Sachen schief gehen, die die Intelligenz schädigen, ohne dass man es bemerkt. Ein beängstigender Gedanke, aber leider ist es so. Wenn du also nicht sicher weißt, dass die beiden Menschen nicht durch äußere Einflüsse geschädigt worden sind, etwa weil sie an Trisomie 21 oder etwas ähnlichem litten, ist es schwer Aussagen über die Vererbbarkeit der Intelligenz ihrer Tochter zu treffen.

Hinzu kommt, dass Intelligenz keineswegs so starr ist, wie man laienhaft meint. Durch kontinuierliche Förderung kann der IQ ansteigen. Das klingt jetzt vielleicht seltsam und abwegig, ist aber so. Das hängt damit zusammen welche Definition von Intelligenz man zu Grunde legt und welches Messinstrument man wählt. Die momentan gängigste Definition ist die, die mit dem HAWIK-III gemessen wird und die dort abgefragte Fähigkeiten lassen sich eben durchaus fördern. Man ist heute auch mit den Fördermethoden für Menschen mit Lernschwächen oder geistigen Behinderungen deutlich weiter als das noch vor 20 Jahren der Fall war, so dass sich auch im Falle einer genetischen bedingten Behinderung heute sehr viel größere Erfolge erzielen lassen und diese Menschen intellektuell nicht so eingeschränkt sind, wie man noch vor ein paar Jahrzehnten annahm. Es wäre also fraglich, was die Eltern dieses Mädchens hätten erreichen können, wenn sie mit den heutigen Förderprogrammen in Kontakt gekommen wären. Ein Studium wäre sicherlich nicht möglich gewesen, aber vielleicht zeigt dieses Beispiel, dass Intelligenz ein sehr schwammiger Begriff ist.

Unsere Mittel die Intelligenz zu messen, setzen ja auch eine Sozialisation im westlichen Kulturkreis vorraus. Ein Kind aus einem Nomadenstamm im nahen Osten wäre kaum in der Lage in unseren Intelligenztests vernünftig abzuschneiden, was aber keineswegs damit zusammenhängt, dass diese Menschen per se dümmer sind als wir, sondern damit, dass der Test gewisse Kulturtechnicken vorraussetzt, die diesem Kind fehlen. Nur als Beispiel. Somit spielt die Sozialisation in der Familie eine große Rolle für Erfolg oder Misserfolg. Ein Kind dessen Aufwachsen aus vor dem Fernseher abgesetzt und angeschrien werden besteht, hat selbstverständlich schlechtere Chancen als eines, dessen Kindheit aus Büchern, Spielen und Gesprächen mit den Eltern besteht (um mal zwei Extreme zu nennen), unabhängig von den genetischen Vorraussetzungen. Beide Kinder sind hier sozialisiert worden, aber eben auf sehr sehr unterschiedliche Weise, das eine zu Gunsten der Herausforderungen, die so ein Test an es stellt, das andere ohne jede Vorbereitung.

Auch werden viele Erkrankungen, die früher dazu führten, dass die betroffenen Kinder schlicht als "dumm und faul" eingeschätzt wurden, heute erkannt. Dyskalkulie und LRS stehen in keinem Zusammenhang mit der Intelligenz. In der Regel sind diese Menschen durchschnittlich intelligent, können aber eine bestimmte Sache nicht, was natürlich auch einen massiven Einfluss auf ihre schulische Laufbahn hat. Psychologische Beinträchtigungen wie ADHS, Autismus, Zwangsstörungen und was es sonst noch gibt, erschweren die Beschulung ebenfalls, obwohl die geistigen Vorraussetzungen durchaus gegeben wären.

Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens auch der Begriff der Resizlienz, der ein fanszinierendes Phänomen beschreibt. Als resilient bezeichnet man Kinder, denen von der Außenwelt praktisch alle Möglichkeiten sich zu entwickeln beschnitten werden, die aber dennoch nie aufgeben und am Ende alles erreichen, was sie wollen. Wo andere resignieren und aufgeben, begehren diese Menschen auf und nehmen im Notfall den langen Weg zum Ziel. Auch hier wird darüber gestritten, ob diese Eigenschaft genetisch bedingt ist, oder woher sie sonst kommt, denn das Umfeld ist hier nicht der positive Faktor.

Trotzdem stehe ich der Vererbbarkeit von Intelligenz sehr kritisch gegenüber, weil das zu einem Schubladendenken führt, das nicht förderlich ist. Es ist ser viel umständlicher für Lehrer und Erzieher, aber man muss eben jeden Menschen als Individuum betrachten und ihn danach einschätzen, anstatt aus dem Elternhaus Rückschlüsse zu ziehen und Meinungen zu entwickeln. Das ist einfacher und geht schneller, wird aber dem Menschen nicht gerecht.

» Sorcya » Beiträge: 2904 » Talkpoints: 0,01 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



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